Befragung der Bundesregierung

Özdemir: Haben Grund­lage für wirkungs­volle EU-Agrarpolitik geschaffen

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), zugleich Bundesminister für Bildung und Forschung, hat im Bundestag eine positive Bilanz seiner Amtszeit im Agrarressort gezogen. In der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 29. Januar 2025, sagte der Minister, die Zusammenarbeit in der Agrarpolitik sei nicht einfach gewesen. Mit der reinen Lehre komme man nicht weiter, Probleme könnten nur gelöst werden, indem man gute Kompromisse findet. „Wir haben die Probleme angepackt“, betonte Özdemir, „wir haben die Grundlage für eine wirkungsvolle gemeinsame Agrarpolitik in der EU geschaffen.“

Mit Blick auf den aktuellen Fall von Maul- und Klauenseuche fügte der Minister hinzu, Keulungen seien notwendig, um Risiken zu vermeiden. Er sei in Gesprächen, um die Exportfreiheit deutscher Produkte möglichst schnell wiederherzustellen. Für die Landwirte müsse es sich rechnen, ein Unternehmen zu führen, und wenn die Politik bei Klima- und Tierschutz mehr erwarte, müsse dieses „Mehr“ auch vergütet werden.

Schulze plädiert für „starke Entwicklungspolitik“ 

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze steht in der Regierungsbank und spricht in ein Mikrofon.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze während der Regierungsbefragung (© DBT/Thomas Trutschel/photothek)

Neben dem Agrarminister stellte sich auch die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze (SPD) den Fragen der Abgeordneten. Sie nahm Bezug auf die „grausame Gewalttat“ von Aschaffenburg, die aufgeklärt werden müsse. Allen pauschal das Asylrecht abzuerkennen, sei jedoch „geschichtsvergessen“, sagte die Ministerin. Das Recht auf Asyl sei „ein Teil unserer Werteordnung und historischen Erfahrung“. Die Bundesregierung habe dafür gesorgt, dass es wieder ein europäisches Asylsystem gebe, und die entwicklungspolitische Arbeit vorangetrieben.

Schulze plädierte für eine starke Entwicklungspolitik und für mehr internationales Engagement. Eine Gewalttat dürfe nicht zu Enthemmung und Radikalität führen. Sie sehe in vielen Staaten, wie es den Feinden der Demokratie gelinge, diese Staaten zu verändern.

Mindestlohn und Umsatzeinbruch

Der CDU-Abgeordnete Albert Stegemann wollte von Minister Özdemir wissen, welchen Einfluss eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde auf den deutschen Obst- und Gemüsebau hätte. Eine Lohnuntergrenze mache Sinn, darauf habe man sich verständigt, sagte Özdemir. 

Wenn der Mindestlohn jedoch „auf Zuruf“ erhöht werde anstatt durch die dafür vorgesehene Kommission, dann würde dies dazu beitragen, dass die Wettbewerbsbedingungen für den Obst- und Gemüsebau nicht besser werden. „Wir haben ein Interesse, Saisonarbeitskräfte zu bekommen“, so der Minister, der ein „Spannungsverhältnis“ einräumte.

Den „Umsatzeinbruch von 30 Prozent“ in der Landwirtschaft thematisierte der AfD-Abgeordnete Stephan Protschka. Özdemir erwiderte, derzeit habe im Agrarministerium das Thema Maul- und Klauenseuche Priorität. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft habe sich verlangsamt. Planungssicherheit gebe es nur, wenn alle zusammenarbeiten. Die Regierung habe mit dem Umbau der Tierhaltung angefangen. Es bleibe noch einiges zu tun, etwa im Bereich Entbürokratisierung.

Afrikanische Schweinepest und Mercosur

Dr. Daniela De Ridder (SPD) sprach die Afrikanische Schweinepest und die Vogelgrippe an. Von der Afrikanischen Schweinepest drohe Ungemach, die Schweine würden verfetten, sagte Özdemir. Es sei absurd, wenn das Fleisch aus getesteten Betreiben nicht abgenommen werde. 

Zum Freihandelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten fügte der Minister hinzu, er sei ein Befürworter, auch angesichts drohender Zölle des amerikanischen Präsidenten. Teile der Landwirtschaft profitierten vom Mercosur-Abkommen.  

Bauernproteste, Bürokratie, Düngerecht

Astrid Damerow (CDU/CSU) ging auf die Bauernproteste vor einem Jahr ein. Um den Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte zu verhindern, sei die Fischerei belastet worden. „Die Lage ist wie sie ist“, sagte Özdemir. Ein Teil der Mittel komme der Fischerei zugute. Wichtig sei die Verlässlichkeit über die Jahre hinweg.

Ulrike Harzer (FDP) fragte den Minister nach dem Einsparpotenzial, wenn Auflagen harmonisiert, Dokumentationen digitalisiert und unverhältnismäßige Auflagen und bürokratische Anforderungen abgeschafft und keine neuen eingeführt würden. Özdemir verwies auf Vorschläge der Länder zur Entbürokratisierung. Von 74 Vorschlägen, die seinen Bereich betreffen, seien 38 bereits umgesetzt worden. Auch seien Verbände und Handel aufgefordert worden, Vorschläge zu machen. Man sei dabei, die Regelungsdichte abzuschaffen. Erfolgreich könne man aber nur sein, so der Minister, wenn Länder, Bund und Europa zusammenarbeiten.

Auf die Frage von Karl Bär (Bündnis 90/Die Grünen), was getan werden müsste, damit sich das Düngerecht nicht ständig ändert, antwortete Özdemir, er könnte sich ein gut ausgebautes Messstellennetz vorstellen. Die Nutzung bestehender Daten könnte auch Bürokratie verringern, so der Minister. Seine Bilanz könne sich sehen lassen, versicherte er dem CDU-Abgeordneten Steffen Bilger.

Wiederaufbau in Syrien

Entwicklungsministerin Svenja Schulze sah sich mit mehreren Fragen zum Thema Syrien konfrontiert. Sanae Abdi (SPD) fragte, wie die Bundesregierung das Land unterstützen könne. Die Ministerin nannte die Situation dort schwierig. Wie sich Syrien entwickeln wird, sei noch nicht klar abzusehen. Gut wäre es, wenn Deutschland Syrien beim Aufbau hilft. Schulze nannte als Beispiele Krankenhaus-Patenschaften und den gemeinsamen Aufbau des Bildungssystems.

Markus Frohnmaier (AfD) wollte wissen, wie 600.000 Syrier mit beschränktem Aufenthaltstitel rückgeführt werden könnten. Sein Fraktionskollege Dr. Rainer Rothfuß regte an, die Entwicklungszusammenarbeit darauf zu fokussieren, eine „Remigration“ syrischer Ärzte zu ermöglichen. Die Ministerin verwies auf den Ärztemangel in Deutschland. Was getan werde sei, dabei zu helfen, dass syrische Ärzte durch Klinikpartnerschaften in ihrer Heimat helfen können.

Entwicklungszusammenarbeit mit Bedingungen

Till Mansmann (FDP) fragte, ob die Ministerin gegenüber Syrien darauf hinwirken will, dass Entwicklungszusammenarbeit auch an Bedingungen geknüpft werden kann wie die Aufnahme syrischer Staatsbürger. Schulze antwortete, man arbeite nicht überall mit den Regierungen zusammen. 

In Syrien und Afghanistan arbeite man mit lokalen und regionalen Organisationen. Mit diesen Nichtregierungsorganisationen sei es schwierig, Regierungsverhandlungen zu führen. Die Entwicklungszusammenarbeit an so etwas zu binden, sei nicht der richtige Weg, befand Schulze.

USA-Austritte und ihre Auswirkungen 

Den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO und aus dem Pariser Klimaabkommen thematisierte Kathrin Henneberger (Bündnis 90/Die Grünen). Sie fragte nach den Auswirkungen dieser „faschistischen Politik“. 

Die Ministerin rechnet nach eigener Aussage mit massiven Auswirkungen. „Wir müssen noch mehr gemeinsame Projekte auf den Weg bringen, um das aufzufangen“, sagte sie. Es müsse mehr getan werden, um etwa Private zu gewinnen, in den Klimaschutz zu investieren. Die Situation im Ostkongo nannte Schulze „bedrückend“, die Region kämpfe mit enormer Armut. Hunderttausende seien gezwungen, aus der Region zu fliehen.

Stellenaufbau und Beförderungen im Ministerium

Der CSU-Abgeordnete Dr. Wolfgang Stefinger und weitere Abgeordnete hakten bei der Ministerin in Sachen Stellenaufbau in ihrem Ministerium nach. Das Personal im Ministerium habe um 15 Prozent zugelegt, während gleichzeitig der Haushalt um 25 Prozent gesunken sei, sagte Stefinger. Schulze begründete dies mit stärkerem Engagement ihres Ministeriums in internationalen Organisationen. Man wolle große internationale Geldflüsse beeinflussen, was nur möglich sei, „wenn man präsent ist“.

Der CDU-Abgeordnete Thomas Rachel fragte nach dem Fall eines SPD-Mitglieds aus dem Willy-Brandt-Haus, das zunächst befristet, dann unbefristet im Ministerium eingestellt und von der Gehaltsstufe B3 nach B6 befördert worden sei. Sie habe nicht außer der Reihe befördert, erwiderte die Ministerin, sondern es habe Regelbeförderungen gegeben. Diese Leistungen seien unabhängig vom Parteibuch. (vom/29.01.2025)