„Welt“-Autor Robin Alexander erhält Medienpreis Politik 2017
12. September 2015: Die Große Koalition will die Einreise Zigtausender Migranten stoppen. Alles ist bereit, die Bundespolizei wird in Bussen und Helikoptern zur österreichischen Grenze gebracht. Doch dann geschieht – nichts. Minutiös schildert Robin Alexander die Abläufe in den Tagen, als sich die Flüchtlingskrise zuspitzt. Für seinen Artikel „Das Bild, das es nicht geben sollte“, erschienen am 5. März 2017 in der Zeitung „Welt am Sonntag“, hat ihm Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble am Mittwoch, 21. März 2018, den Medienpreis Politik 2017 des Deutschen Bundestages verliehen.
Sein Report endet mit den Sätzen: „Aus der ,Ausnahme‘ der Grenzöffnung wird ein monatelanger Ausnahmezustand, weil keiner die politische Kraft aufbringt, die Ausnahme wie geplant zu beenden. Die Grenze bleibt offen, nicht etwa, weil es Angela Merkel bewusst so entschieden hätte, oder sonst jemand in der Bundesregierung. Es findet sich in der entscheidenden Stunde schlicht niemand, der die Verantwortung für die Schließung übernehmen will.“
„Journalistische Sternstunde“
Dr. Claudia Nothelle, freie Journalistin und Mitglied der siebenköpfigen Jury des Medienpreises, rückte die Rechercheleistung Robin Alexanders in den Vordergrund: „Eine Recherche mit vielen Protagonisten und noch mehr losen Enden. Eine der Recherchen mit Sprengkraft, von denen es nicht viele gibt.“ Akribisch und kleinteilig sei sie gewesen, ein spannendes Stück Zeitgeschichte. Dem Autor sei eine „journalistische Sternstunde“ gelungen.
Jurymitglied Bettina Schausten, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, berichtete, dass 94 Beiträge sich der Auswahl der Jury stellten, darunter auch „Neues und Überraschendes von außerhalb der Berliner Blase“. Zuvor hatte der Bundestagspräsident darauf hingewiesen, dass es in der 25-jährigen Geschichte des Medienpreises noch nie so viele Einsendungen von so vielen Bewerbern gegeben habe, fast die Hälfte davon Printveröffentlichungen: „Beteiligt haben sich in diesem Jahr viele junge Journalisten, die stärker als früher in Autorenteams oder Redaktionen zusammengearbeitet haben.“
Die weiteren Nominierten
Schausten stellte auch die beiden weiteren für den Preis Nominierten vor: Dr. Helene Bubrowski, stellvertretende Nachrichtenchefin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, für ihren Artikel „Der Preis der Macht“, erschienen am 27. April 2017, und die Redaktion der „Badischen Zeitung“ in Freiburg, vertreten durch Dietmar Ostermann, für ihre Artikelserie „Wahlgeschichte(n)“. Bubrowski ging der Frage nach, wie Kandidaten für den Bundestag oder das Europaparlament ihren Wahlkampf finanzieren.
Unter anderem fand sie heraus, dass die Kandidaten von CDU und CSU bei der Bundestagswahl 2013 im Durchschnitt 10.500 Euro und Kandidaten der SPD im Schnitt 6.500 Euro aus eigener Tasche bezahlt haben. „Ich warne meine Parteifreunde vor Tricksereien“, zitiert Bubrowski den CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber. Das sei kein Mandat wert. Am besten sei es also immer noch, so das Fazit der Autorin, wenn der Kandidat selbst genug Geld hat.
Unter der Überschrift „Wahlgeschichte(n)“ hatte die Redaktion der „Badischen Zeitung“ im vergangenen Sommer an die ersten 18 Bundestagswahlen seit 1949 erinnert und dazu Abgeordnete, ehemalige und aktuelle, sowie andere Zeitzeugen und Experten befragt. Die 19-teilige Artikelserie erschien zwischen dem 22. Juli und dem 11. August 2017. Der Bundestagspräsident, damals noch Bundesfinanzminister, hatte sich der Freiburger Redaktion selbst als Interviewpartner zur Verfügung gestellt und sich zur Bundestagswahl 1990 geäußert.
„Parlamentarismus unter Legitimationszwang“
Der Parlamentarismus steht unter einem neuen Legitimationszwang, die repräsentative Demokratie sei nicht so selbstverständlich, dass man sie nicht immer neu beweisen müsste, sagte Schäuble während des Presseempfangs im Paul-Löbe-Haus des Bundestages. Der Bundestag müsse besser werden in der Themensetzung, im Führen wichtiger Orientierungsdebatten. Die Abgeordneten hätten es in der Hand zu entscheiden, wie attraktiv das Parlament wahrgenommen werde. Zugleich müssten sich die Medien gegen wachsende Konkurrenz im Netz behaupten und der Informationsflut mit journalistischer Qualität entgegentreten, betonte der Bundestagspräsident.
Die Medien als entscheidendes Scharnier zwischen Bürgern und Politik konkurrierten mit einem Phänomen, das manche als „fünfte Gewalt“ beschrieben: Wahrheiten, Halbwahrheiten, Unwahrheiten. Der „mediale Hochfrequenzhandel“ werde sich nicht aufhalten lassen, doch: „Konstruktiver Journalismus filtert und ordnet ein, was geschieht oder nicht passiert.“ Dem scheidenden Vorsitzenden der Medienpreis-Jury, dem freien Journalisten Thomas Kröter, dankte Schäuble ausdrücklich. Kröter hatte der Jury seit 2006 angehört und war seit 2013 deren Vorsitzender.
„Ran an die Debatte!“
Preisträger Robin Alexander war 2011 schon einmal unter den Nominierten mit einer Artikelserie zur Präimplantationsdiagnostik. Kritisch merkte er in seinen Dankesworten an, dass es die Debatte über die Ereignisse am 13. September nicht gegeben hat, dass es sie aber hätte geben müssen: „Die Mehrheit wäre bei der Regierung gewesen.“ Eine große Parlamentsdebatte hätte nach Meinung des Autors „Gift aus der Öffentlichkeit genommen“. Auch die Journalisten hätten die Debatte nicht geführt. Sein erst eineinhalb Jahre später veröffentlichter Text habe daher etwas von „tätiger Reue“. Sein Appell: „Ran an die Debatte!“
Seit 1993 vergibt der Deutsche Bundestag den mit 5.000 Euro dotierten Medienpreis Politik. Dieser würdigt hervorragende publizistische Arbeiten – sei es in Tages- oder Wochenzeitungen, in regionalen oder überregionalen Medien, in Printmedien, Online-Medien oder in Rundfunk und Fernsehen –, die zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Praxis beitragen und zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen. (vom/21.03.2018)