Parlament

„Zeit“-Autor Malte Henk erhält Medienpreis Politik 2016

Die AfD und Sachsen-Anhalt. Mit dieser Partei und diesem Bundesland beschäftigen sich je zwei von drei nominierten Beiträgen für den Medienpreis Politik 2016 des Deutschen Bundestages. Den Preis bekam am Mittwoch, 8. März 2016, schließlich Malte Henk, Redakteur im „Dossier“ der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Wie ich auszog die AfD zu verstehen“ lautet sein Beitrag, der am 10. März 2016 erschien. Einleitend heißt es darin: „Unser Reporter ist linksliberal und hat nichts gegen Merkels Flüchtlingspolitik. Mit AfD-Gerede von ,Volksverrätern‘ und ,Tugendterror‘ kann er nichts anfangen. Wer denkt so? Auf der Suche nach einer Antwort findet Malte Henk nicht nur Rechtsextreme – sondern viele Menschen, die ihm seltsam vertraut vorkommen.“

Annäherung an die AfD

Thomas Kröter, freier Journalist und Vorsitzender der siebenköpfigen Jury des Medienpreises Politik, lobte den preisgekrönten Beitrag mit den Worten: „Es ist gut, wenn ein Autor sich mit seinem Gegenstand quält. Denn Sie quälen sich exemplarisch für uns, die Leser.“ Seinen Lesern sage der Autor in seiner „vorbildlichen Annäherung an eine Partei“: „Macht es euch nicht zu einfach, schaut genauer hin, hört genauer hin, versucht, den Laden zu verstehen.“ Henks Versuch zu ergründen, „was die AfD-Sympathisanten antreibt“ (so das Jury-Mitglied Dr. Claudia Nothelle), ließ ihn auf Facebook unter falschem Namen Freundschaften mit Anhängern dieser Partei knüpfen.

Henk sprach mit Funktionären der Partei, aber auch mit politischen Gegnern wie Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth. Er dränge den Lesern sein Urteil nicht auf, lade sie aber zur Teilnahme an seiner Reise quer durch das Land ein, sagte Thomas Kröter. „Sie machen uns vertraut mit der Einstellung, Sie legen die Zweifel dar, die Ihnen womöglich gekommen sind.“ Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert, der den mit 5.000 Euro dotierten Preis verlieh, hätte es nach eigenen Worten gleichwohl lieber gesehen, wenn sich der Autor mit diesem Thema gar nicht hätte befassen müssen.

„Dem Volk aufs Maul geschaut“

Applaus im voll besetzten Großen Protokollsaal des Reichstagsgebäudes brandete auch für die beiden journalistischen Beiträge auf, die für die Jury unter 56 eingereichten Arbeiten ebenfalls in die engere Wahl kamen. Da sind zum einen Nadja Storz und Julian Kanth, die mit ihrem „Exakt – Die Story“-Film zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 13. März des vergangenen Jahres nominiert waren. Die im Fernsehprogramm des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) am 17. Februar 2016 ausgestrahlte einstündige Reportage trägt den Titel „Wie geht’s? – Ein Land vor der Wahl“ und geht der Frage nach, wie „Sachsen-Anhalt tickt“  und was das für die Regierungsbildung im Land bedeuten würde.

Der Film der beiden Preisträger zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass Kamerateams mit dem Wissen der Befragten – aber hinter einer verspiegelten Wand – dabei waren, als erfahrene Wahlforscher vom Institut Infratest dimap herausfinden wollten, wie sich die Stimmung in Sachsen-Anhalt entwickelt. Dabei ging es nicht nur um Zahlen, sondern auch um Erfahrungen, Sichtweisen und Gefühlslagen der Befragten. Aufgezeichnet wurden die Gespräche in Haldensleben in der Börde, wo das Ergebnis bei der Landtagswahl 2011 dem Endergebnis so nahegekommen war wie nirgendwo sonst in Sachsen-Anhalt.

Anschließend hatten Nadja Storz und Julian Kanth die Befragten einen Monat lang in ihrem Alltagsleben begleitet. Hinzu kam, dass die beiden Autoren fiktive Bürgeranfragen per Mail an Landtagskandidaten schickten, um zu testen, wie schnell und fundiert diese antworten. Nur jeder fünfte Landtagsabgeordnete habe auf die Mailanfragen des jungen Autorenduos reagiert. „Es gelingt Ihnen, dem Volk aufs Maul zu schauen“, urteilte Jury-Mitglied Claudia Nothelle.

Wahlbetrug in Stendal aufgedeckt

Mit Sachsen-Anhalt, genauer mit der Fälschung des Wahlergebnisses in der 30.000-Einwohner-Stadt Stendal bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014, beschäftigt sich auch der dritte nominierte Beitrag von Marc Rath, Mitglied der Chefredaktion der in Magdeburg erscheinenden Tageszeitung „Volksstimme“. Er veröffentlichte zwischen dem 28. Dezember 2015 und dem 6. September 2016 eine Artikelserie zu den politischen und juristischen Konsequenzen der Wahlfälschung. Dafür war er am 7. Februar bereits als „Journalist des Jahres“ in der Kategorie „Reporter regional“ der Fachzeitschrift „Medium Magazin“ ausgezeichnet worden.

Dem Journalisten war aufgefallen, dass ein CDU-Kandidat erst nach Auszählung der Briefwahlstimmen sein Ergebnis deutlich verbessern konnte. Marc Rath habe nachgefragt, sich nicht abspeisen lassen, einen Wahlbetrug aufgedeckt und akribisch darüber berichtet, sagte Laudatorin Claudia Nothelle. Im Dezember 2015 verschärfte das Innenministerium die Regelungen für Briefwahlvollmachten, um einen erneuten Missbrauch auszuschließen. Derzeit wird der Wahlbetrug vor dem Landgericht in Magdeburg verhandelt.

„Fakten spielen nur noch eine nachgeordnete Rolle“

Seit 1993 vergibt der Deutsche Bundestag einen Medienpreis Politik. Dieser würdigt hervorragende publizistische Arbeiten in Tages- oder Wochenzeitungen, in regionalen oder überregionalen Medien, in Online-Medien oder in Rundfunk und Fernsehen. Voraussetzung ist, dass sie zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Praxis beitragen und zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen. Im nächsten Jahr wird der Medienpreis Politik 25 Jahre alt.

Für den Bundestagspräsidenten war dieses angekündigte Jubiläum Anlass, die Veränderungen im Medienbereich im vergangenen Vierteljahrhundert in den Blick zu nehmen und den politischen Veränderungen gegenüberzustellen. Das „Wort oder Unwort des Jahres“ (Lammert) heiße postfaktisch. Fakten spielten heute nur noch eine nachgeordnete Rolle im Vergleich zu „glauben“ oder „meinen“. Was aber kein ganz neues Phänomen sei, da es immer wieder mal Phasen gegeben habe, in denen sich Menschen in „virtuelle Welten“ flüchteten, auch wenn diese damals noch nicht so hießen.

Lammert hob die zentrale Bedeutung der ethischen Grundsätze des Journalismus hervor und erinnerte daran, dass in einer vermeintlich „postfaktischen“ Zeit der Vorwurf der unzureichenden, tendenziösen oder erlogenen Information gleichermaßen gegenüber Politik und Medien erhoben werde. Wenn falsche Meldungen gravierende Folgen für das haben, was in Gesellschaft und Politik für wichtig und richtig gehalten werde, bleibe die Glaubwürdigkeit der Maßstab seriöser Publikation wie ernsthafter Politik. (vom/08.03.2017)