Anstieg bei den Verteidigungsausgaben debattiert
Mit einem Gesamtvolumen von rund 86,49 Milliarden Euro sollen Deutschlands Verteidigungsausgaben in diesem Jahr auf einen neuen Höchststand steigen. Davon entfallen gemäß des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs für den Bundeshaushalt 2025 (21/500) 62,43 Milliarden auf den regulären Wehretat (Einzelplan 14), weitere 24,06 Milliarden Euro sollen aus dem Sondervermögen Bundeswehr fließen. Gegenüber 2024 würden sich die Verteidigungsausgaben somit um 14,74 Milliarden Euro (Einzelplan 14: +10,48 Milliarden Euro, Sondervermögen: +4,26 Milliarden Euro) erhöhen. Der Einzelplan 14 soll nach den bis Freitag, 11. Juli, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rechtfertigte am Mittwoch, 9. Juli 2025, in der ersten Lesung des Verteidigungshaushaltes im Bundestag die geplanten Rekordausgaben mit Verweis auf die Bedrohung durch Russland als „zwingend notwendig“. Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands „ist für uns keine Option, sondern Staatsaufgabe mit höchster Priorität“. Ziel sei es, möglichst schnell die Vollausstattung der Bundeswehr und ihre Durchhaltefähigkeit zu gewährleisten.
Minister will 60.000 zusätzliche Soldaten
Pistorius verwies auf die gestiegenen Anforderungen der Nato an ihre Mitgliedstaaten. Das Bündnis habe sich auf seinem Gipfel Ende Juni in Den Haag darauf geeinigt, seine Verteidigungsausgaben bis 2035 auf fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes – 3,5 Prozent für Militärausgaben und weitere 1,5 Prozent für militärisch nutzbare Infrastruktur – zu erhöhen. Die Beschlüsse der Nato seien ein „historischer Meilenstein“ und die richtige Antwort auf die Bedrohung durch ein aggressives Russland, führte Pistorius aus.
Die Bundeswehr müsse jedoch nicht nur materiell besser ausgestattet werden, sondern auch personell. Die Zahl der aktiven Soldaten müsse um mindestens 60.000 erhöht werden und die der Reservisten auf 240.000 ansteigen. Um dieses Ziel zu erreichen, werde er noch in diesem Jahr den Gesetzentwurf für den „Neuen Wehrdienst“ in die parlamentarische Beratung einbringen. Über die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes – etwa über einen möglichen Mechanismus, um die ausgesetzte Wehrpflicht wieder zu reaktivieren – sagte der Minister jedoch nichts.
AfD will Rückkehr zur Wehrpflicht
Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, hielt Pistorius entgegen, dass es nicht gelingen werde, die Lücken im Personalbestand der Bundeswehr mit Freiwilligen zu füllen. Dies sei nur mit der Rückkehr zur Wehrpflicht zu gewährleisten. Es reiche nicht aus, immer mehr Geld auszugeben, um den Dienst in der Truppe attraktiver zu gestalten.
Lucassen unterstützte die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), die Bundeswehr wieder zur „stärksten konventionellen Streitmacht in Europa“ zu machen. Schließlich sei Deutschland ja auch das bevölkerungsreichste Land in Europa. Allerdings verfalle auch die neue Bundesregierung wieder in den alten Fehler, alle Probleme der Bundeswehr mit mehr Geld lösen zu wollen. Ohne echte Reformen im Beschaffungswesen und den Strukturen der Truppe werde dies misslingen.
Seine Partei stehe zur nationalen Aufrüstung, aber nicht zur Aufrüstung anderer Staaten, stellte Lucassen mit Blick auf den Krieg in der Ukraine klar. Zudem setze die Bundesregierung zu einseitig auf militärische Stärke und vernachlässige die Diplomatie. Zu einer realistischen Diplomatie gehöre aber auch, gegebenenfalls Abstriche bei den eigenen Zielen und Werten zu machen, betonte Lucassen.
Grüne: Kein Konzept für zivile Verteidigung
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Agnieszka Brugger, erinnerte daran, dass ihre Fraktion noch kurz vor der Konstituierung des neuen Bundestages der Grundgesetzänderung zugestimmt habe, um die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen. Bundeskanzler Merz habe eine Reform der Schuldenbremse vor der Bundestagswahl hingegen immer abgelehnt.
Angesichts der nun dramatisch steigenden Verteidigungsausgaben müsse jetzt allerdings Schluss sein mit den Geschenken an die Rüstungsindustrie in den Wahlkreisen einzelner Abgeordneter. Schon jetzt fordere Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein Viertel der Gelder für militärische Beschaffungen für die Rüstungsindustrie in seinem Bundesland ein. Dies jedoch sei nicht Sinn und Zweck der gestiegenen Verteidigungsausgaben.
Brugger warf der Bundesregierung vor, über kein schlüssiges Konzept für die zivile Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu haben. Viele Bürger seien fähig und willens, sich in diesem Bereich einzubringen.
Linke kritisiert „gigantische Aufrüstung“
Auf strikte Ablehnung stößt die Erhöhung der Verteidigungsausgaben bei der Fraktion Die Linke. Deren Haushaltspolitiker Dr. Dietmar Bartsch bezeichnete sie als „Wahnsinn“, der den sozialen Zusammenhalt in Deutschland und Europa gefährde. Die „gigantische Aufrüstung“ könne auch nicht die einzige Antwort auf den „verbrecherischen Angriffskrieg“ Russlands auf die Ukraine sein. Aber die Bundesregierung kürze im Gegenzug die Mittel für die humanitäre Hilfe im Etat des Auswärtigen Amtes, dies sei „unverantwortlich“.
Es stimme auch nicht, so stellte Bartsch fest, dass die Erhöhungen der Verteidigungsausgaben in den vergangenen Jahren der Truppe zugutegekommen seien. Das Geld sei vor allem in die Rüstungsindustrie geflossen, während Jahr für Jahr im Jahresbericht des Wehrbeauftragten von Schimmelbefall in deutschen Kasernen zu lesen sei. Gleichzeitig bestelle die deutsche Marine zwei Tankschiffe für je 450 Millionen Euro, während Großbritannien und Norwegen Tankschiffe für 140 bis 210 Millionen einkaufen würden.
Union für „signifikanten“ Personalaufwuchs
Thomas Erndl, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, hingegen verteidigte die Bedeutung der Rüstungsindustrie und des Mittelstandes. Sie seien ein „integraler Bestandteil der Wehrhaftigkeit Deutschlands“. Der Krieg in der Ukraine zeige, an welchen Stellen die Bundeswehr Nachholbedarf habe im Bereich der modernen Kriegsführung, vor allem beim Einsatz und bei der Bekämpfung von Drohnen, führte Erndl aus.
Hierbei könnten vor allem junge und innovationsfreudige Start-up-Unternehmen eine große Rolle spielen. Erndl unterstützte zudem die Ankündigung für einen „signifikanten“ personellen Aufwuchs der Bundeswehr. Es sei zu begrüßen, dass im Haushaltsentwurf die Mittel für 10.000 zusätzliche militärische Stellen eingeplant seien.
SPD: Planungssicherheit für die Industrie
Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz ging ebenfalls auf die Bedeutung der Rüstungsindustrie für eine verteidigungsfähige Bundeswehr ein. Der vorgelegte Haushaltsentwurf schaffe Planungssicherheit für die Industrie. Allerdings müsse die Industrie umgekehrt Liefersicherheit garantieren, sagte Schwarz in Anspielung darauf, dass sich in der Vergangenheit Rüstungsprojekte immer wieder über Jahre verzögert hatten.
Auch Schwarz sprach sich für einen personellen Aufwuchs der Bundeswehr aus. Dafür müsse in erster Linie die Attraktivität des Dienstes in der Truppe erhöht werden.
Deutlich mehr Geld für Beschaffungen
Den größten Aufwuchs bei den Verteidigungsausgaben verzeichnen laut Haushaltsentwurf die militärischen Beschaffungen: Sie sollen um 5,5 auf 8,24 Milliarden Euro im Einzelplan steigen. Weitere 24,06 Milliarden Euro sollen aus dem Sondervermögen zur Verfügung gestellt werden. Zusammen sind das 9,76 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Für den Erhalt von Material sind Ausgaben von 6,8 Milliarden Euro und für Wehrforschung, Entwicklung und Erprobung 1,19 Milliarden Euro eingeplant.
Zur Deckung der Personalausgaben der Streitkräfte (Soldaten und Zivilangestellte) sollen 23,89 Milliarden Euro bewilligt werden, 1,42 Milliarden Euro mehr als 2024. Für die Unterbringung der Soldaten, den Betrieb und Erhalt von Kasernen und Anlagen sind 9,76 Milliarden Euro vorgesehen, 2,06 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor. (aw/09.07.2025)