Kürzungen im Etat für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Der Bundestag hat am Mittwoch, 9. Juli 2025, über den Etatvorschlag der Bundesregierung für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Einzelplan 23) im Regierungsentwurf für den Haushalt 2025 (21/500) beraten. Bundesministerin Reem Alabali Radovan (SPD) soll dem Entwurf zufolge im kommenden Jahr 10,27 Milliarden Euro (2024: 11,22 Milliarden Euro) ausgeben dürfen. Damit könnte der Entwicklungsetat um rund 940 Millionen Euro schrumpfen, so stark wie kein anderer Einzeletat im Bundeshaushalt. Mit geplanten Investitionen in Höhe von 6,57 Milliarden Euro ist der Einzelplan 23 gleichwohl der zweitgrößte Investitionshaushalt des Bundes. Die Vorlage soll nach den bis Freitag, 11. Juli, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Ministerin: Globale Ordnung steht vor einer Zerreisprobe
„Wir leben in einer Zeit globaler Umbrüche und Herausforderungen, die uns alle betreffen“, sagte Bundesentwicklungsministerin Alabali Radovan bei der Debatte über den Einzelplan 23. Der Krieg im Sudan sei ein Beispiel, das die Dringlichkeit und die Tragweite vor Augen führe. Seit mehr als zwei Jahren tobe dort ein verheerender Konflikt. Mehr als zwölf Millionen Menschen seien auf der Flucht. 17 Millionen Kinder hätten keinen Zugang zu Bildung. Diese Zahlen seien nicht nur erschreckend, „sie sind ein Weckruf“, sagte die Ministerin. Eine ganze Generation werde nicht lesen und schreiben können, stattdessen aber traumatisiert sein von der Gewalt in ihrer Heimat.
Das Überleben der Menschen im Sudan hänge an der internationalen Unterstützung, sagte Alabali Radovan. Ein Großteil der Unterstützung habe aber im April abrupt geendet, als die neue US-Regierung alle Programme von USAID gestoppt hat. „Hier macht die deutsche Entwicklungspolitik einen Unterschied“, sagte sie. Gemeinsam mit Unicef seien Schutzorte für Kinder etabliert worden. 220.000 Kinder und Jugendliche würden damit erreicht. Durch den Wegfall der US-Gelder seien 14 Millionen Menschen weltweit „durch den Tod bedroht“, sagte die Ministerin. Dies zeige: „Die globale Ordnung steht vor einer Zerreisprobe.“
Gleichzeitig werde aber auch in Deutschland die Entwicklungszusammenarbeit hinterfragt. Für sie sei klar: „Die Entwicklungszusammenarbeit ist sinnvoll und gerade jetzt so notwendig.“ Entwicklungspolitik sei auch für die Menschen in Deutschland wichtig, weil die Krisen dieser Welt nicht vor Grenzen haltmachten. Gleichwohl nehme sie die Kritik ernst, sagte die Ministerin und kündigte an, die Entwicklungspolitik zukunftsfähig machen zu wollen. Es gehe dabei auch um Priorisierung. Daher gelte es herauszufinden, wo am meisten bewirkt werden kann, wo Deutschland am dringendsten gebraucht wird „und wo wir uns zurückziehen müssen, um unsere Kräfte zu bündeln“.
AfD: Entwicklungspolitik braucht Paradigmenwechsel
Der Einzelplan 23 zeigt aus Sicht von Rocco Kever (AfD), dass die Entwicklungspolitik dringend eines Paradigmenwechsels bedarf. Während Deutschland vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehe, „fließen immense Summen ins Ausland, die Abhängigkeiten schaffen, statt Eigeninitiative zu fördern“, sagte er.
Kever forderte eine Kürzung der BMZ-Mittel um 70 Prozent. Das sei möglich, wenn man die Entwicklungspolitik ins Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium integriere. Es brauche Effizienz und wirtschaftliche Zusammenarbeit im deutschen Interesse, anstelle einer Entwicklungspolitik, die seit 60 Jahren kaum wirke.
CDU/CSU: BMZ-Haushalt 2025 ein Übergangshaushalt
Nicolas Zippelius (CDU/CSU) zeigte sich erfreut, dass im Koalitionsvertrag die neuen Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit definiert seien. Die dort festgelegten Prioritäten zeigten sich aber bisher nur bedingt im aktuellen Haushaltsentwurf. Das sei nicht verwunderlich, „da der Bundeshaushalt über Monate mit einer vorläufigen Haushaltsführung bearbeitet worden ist“. Insofern sei der BMZ-Haushalt 2025 ein Übergangshaushalt, sagte Zippelius. Umso mehr freue er sich schon auf die Beratungen zum Haushalt 2026. Diese müssten mit der vollkommen legitimen Überlegung einher gehen, „wie das unseren Interessen dienen kann“.
Für die Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit habe man wichtige Leitlinien gezogen, die mit Leben gefüllt werden müssten, sagte Zippelius. Hierfür müsse die ressortübergreifende Zusammenarbeit mit der Außenwirtschaftsförderung gestärkt werden. Zudem müssten Partnerschaftsabkommen rechtssicher gemacht werden.
Grüne: Kürzungen kommen zur Unzeit
Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) nannte es ein gutes Signal, dass die Bundesregierung sich erst jüngst bei einer Konferenz in Sevilla zu dem Ziel bekannt habe, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen. Der Haushaltsentwurf sehe nun aber im Einzelplan 23 eine Kürzung um knapp eine Milliarde Euro für 2025 und bis Ende der Legislaturperiode eine weitere Kürzung um noch eine Milliarde Euro vor. „Das ist angesichts der Weltlage genau der falsche Weg“, befand die Grünenabgeordnete.
Diese Kürzungen kämen zur Unzeit, da sich die USA aus ihrer humanitären Verantwortung zurückzögen. Folge davon könnte laut einer Studie der Tod von zusätzlich bis zu 40 Millionen Menschen bis 2030 sein. Zwar könne Deutschland diese Lücke nicht schließen. „Wir könnten aber dafür sorgen, dass das Vakuum kleiner und unser Einfluss größer wird“, sagte Schäfer.
Linke: Kürzung der Mittel ist inakzeptabel
Sascha Wagner (Die Linke) hält die geplante Kürzung im Einzelplan 23 nicht nur für inakzeptabel, sondern auch für einen „harschen Angriff auf die Länder und Menschen, die auf unsere Hilfe und Unterstützung angewiesen sind“. Ganz offensichtlich wolle die Bundesregierung mit diesen Plänen US-Präsident Donald Trump folgen. Aufgrund der verantwortungslosen Politik der Trump-Administration hätten der Deutschen Aidshilfe zufolge bereits zahlreiche Menschen ihre HIV-Therapie verloren. Noch mehr Menschen müssten fürchten, bald ohne Behandlung dazustehen. Fallen die US-Mittel dauerhaft aus, so Wagner weiter, sei bis Ende 2029 mit rund neun Millionen neuen HIV-Infektionen, mehr als sechs Millionen Aids-Toten und etwa 3,5 Millionen Aids-Waisen zu rechnen.
In dieser dramatischen Lage kürze nun auch noch die Bundesregierung die Mittel für den globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. „Das ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch ein Bruch mit dem Anspruch globaler Solidarität“, kritisierte der Linken-Abgeordnete.
SPD für Zusammenhalt im Land wie auch international
Auch Felix Döring (SPD) ging auf das Ende von USAID ein. Noch bis 2024 seien jährlich knapp 43 Milliarden US-Dollar für Entwicklungspolitik darüber ausgegeben worden. Jetzt würden 83 Prozent der Programmmittel komplett abgewickelt. Die restlichen 17 Prozent wanderten ins Außenministerium. „Die Entwicklungspolitik des bislang größten Players weltweit wurde von Trump de facto eingestampft“, sagte Döring. Dieses Beispiel, wie auch die Verlagerung von Entwicklungshilfegeldern für Verteidigungszwecke in Großbritannien, zeige, was auch in Deutschland mit anderen politischen Mehrheiten hätte drohen können. Erst durch die Reform der Schuldenbremse, so der SPD-Abgeordnete, sei es gelungen, die Spannung zwischen nötigen Verteidigungsausgaben und anderen Etats aufzulösen.
Auch in Deutschland gebe es aber politische Kräfte, „die darauf gedrängt haben, dass das BMZ nicht weiter existiert“, sagte Döring. „Das wäre grundfalsch gewesen“, urteilte er und fügte hinzu: Die SPD stehe für Zusammenhalt im eigenen Land wie auch international.
Mittel für Krisenbewältigung und Wiederaufbau
Für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit stehen dem Regierungsentwurf zufolge 4,84 Milliarden Euro zur Verfügung, 2024 waren es 5,15 Milliarden Euro. Der darin enthaltene Ansatz für die bilaterale finanzielle Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten beläuft sich auf 1,95 Milliarden Euro (2024: 2,07 Milliarden Euro), von denen 1,71 Milliarden Euro auf Zuschüsse (2024: 1,78 Milliarden Euro) und 243 Millionen Euro auf Darlehen (2024: 292,49 Millionen Euro) entfallen.
Die bilaterale technische Zusammenarbeit umfasst laut Entwurf 1,87 Milliarden Euro nach 1,79 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Mittel für Krisenbewältigung und Wiederaufbau von Infrastruktur sollen von 1,04 Milliarden Euro 2024 auf 722,47 Millionen Euro sinken.
Beiträge an die Vereinten Nationen und internationale NGOs
Gesamtausgaben in Höhe von 1,93 Milliarden Euro (2024: 2,26 Milliarden Euro) sieht der Etat von Ministerin Alabali Radovan im Kapitel: „Europäische Entwicklungszusammenarbeit, Beiträge an die Vereinten Nationen sowie andere internationale Einrichtungen“ vor. Unter anderem soll die Beteiligung am Welternährungsprogramm nur noch 28 Millionen Euro betragen (2024: 58 Millionen Euro). Der Beitrag zu den „Europäischen Entwicklungsfonds“ der Europäischen Union, den Abkommen von Lomé und Cotonou) soll von 309,27 Millionen Euro auf 166,5 Millionen Euro sinken.
Für „entwicklungswichtige multilaterale Hilfen zum weltweiten Umweltschutz, zur Erhaltung der Biodiversität und zum Klimaschutz“ sind 751,39 Millionen Euro eingeplant (2024: 850,18 Millionen Euro). Als Beiträge an die Vereinten Nationen und internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sieht der Entwurf 556,51 Millionen Euro vor (2024: 564,47 Millionen Euro). (hau/joh/10.07.2025)