Ministerin Reiche fordert tiefgreifende Reformen in der Wirtschaftspolitik
Der Bundestag hat sich am Dienstag, 8. Juli 2025, in erster Lesung mit dem Etatentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie beschäftigt. „Deutschland muss eine Aufholjagd starten, wir wollen wieder gewinnen, und wir müssen wieder gewinnen. Die Bundesregierung arbeitet daran, dass wir wieder nach vorne kommen, dazu brauchen wir Wirtschaftswachstum.“ Mit diesen eindringlichen Worten startete Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ihre Rede zur Debatte über den Einzelplan 09 des Bundeshaushalts 2025 (21/500). Und sie machte damit deutlich, welche Richtung sie in ihrer Regierungszeit einschlagen will. Ähnliche Worte hatte sie an gleicher Stelle bereits vor acht Wochen gefunden, auch damals forderte sie für die Wirtschaft mehr Wachstum, dazu seien tiefgreifende Reformen notwendig.
Reiche: Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
Reiche verteidigte in der Debatte ihren Kurs, den sie bei Amtsantritt vor 64 Tagen begonnen hat. Dazu gehört die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Wirtschaft, deshalb seien die mit Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) vereinbarten Steuersenkungen „der wichtige Weg“.
Aber auch „in diesem Haus werden die Rahmenbedingungen für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gesetzt“, sagte Reiche. Die Verbesserungen seien zentral, wenn aus „der Hoffnung tatsächlich bessere Wettbewerbsbedingungen gemacht werden sollen“. Nun werde auch die Aufholjagd für „wieder bezahlbare Energiepreise begonnen“, und zwar für Unternehmen und privaten Haushalten gleichermaßen.
„Wir senken die Stromrechnung für alle Bürger“
„Wir schaffen die Gasspeicherumlage ab, 3,4 Milliarden Euro, für alle. Wir senken die Stromrechnung für alle Bürger, durch das Absenken der Netzentgelte, 6,5 Milliarden Euro auch für alle, und nicht zu vergessen: Die EEG-Umlage – bereits in der letzten Legislatur abgeschafft – entlastet für alle um 17,2 Milliarden Euro, was rund 150 Euro pro Jahr pro Bürger ausmacht“, rechnete Reiche vor.
Damit verteidigte die Ministerin die Entscheidung, die Stromsteuer erst einmal nicht für Private und kleine Betriebe abzuschaffen. Vielmehr lenkte sie den Blick auf die Freigabe durch die Europäische Kommission in Brüssel, die das Vorhaben der Bundesregierung, einen Industriepreis in Höhe von fünf Cent pro Kilowattstunde einzuführen, vor wenigen Tagen genehmigt habe. „Wir haben einen großen Erfolg in Brüssel erzielt, davon werden 2200 Industrieunternehmen Vorteile erhalten“, sagte Reiche.
Monitoring für „Realitätscheck der Energiewende“
Sie wolle das Energiesystem grundlegend umbauen, weil die hohen Stromkosten nicht dauerhaft vom Staat bezuschusst werden könnten. Aus diesem Grund werde sie sich dafür einsetzen, die „Stromsystemkosten deutlich abzusenken“. Dazu habe ihr Haus ein Monitoring in Auftrag gegeben, um einen „Realitätscheck der Energiewende“ durchzuführen.
„Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit müssen ein gemeinsames Ziel sein“, sagte Reiche. Der Ausbau der Erneuerbaren müsse besser mit dem Netzbau koordiniert werden: „Es gilt: Netzoptimierrung vor Ausbau.“ Die Netzengpässe müssten beseitigt werden, bevor neuer Zubau komme. Mit der Versorgungssicherheit habe es Deutschland in den vergangenen Jahren „nicht besonders ernst genommen“. Das werde mit der Kraftwerkstrategie nun verändert, es würden erste Gaskraftwerke ans Netz gebracht, und sie werde dafür sorgen, dass bei Dunkelflauten genügend Strom verlässlich vorhanden sei. Wärmenetze sollten ausgebaut werden, damit die Klimaneutralität vorankomme.
AfD: Grüne Transformation geht weiter
Von Seiten der Opposition wurden die Regierungsvorhaben scharf kritisiert. Leif-Erik Holm (AfD) sagte, die Regierung schieße ein Eigentor. Im Grunde unterscheide sich deren Politik nicht von der Ampelregierung, es werde weiter „die Politik von Ex-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betrieben“. Anstatt auf Atomenergie zu setzen, gehe die „grüne Transformation weiter“.
Auch das Vorhaben, neue Gaskraftwerke zwar bauen zu wollen, diese Anlagen aber nur dann einzusetzen, wenn „die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht“, sei nicht der „richtige Weg“, so Holm.
Grüne: Pläne sind Ende der Klimaneutralität
Die Redner der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen äußerten die Befürchtung, Reiches Pläne seien das Ende der Klimaneutralität. Katrin Uhlig und Michael Kellner warnten davor, in der Energiepolitik „einen Weg der 1990er Jahre einzuschlagen“.
In den USA sei gerade zu beobachten, wie „erfolgreich die Lobby der fossilen Brennstoffe“ dort sei, während China den Ausbau der Erneuerbaren voranbringe. „Dazu muss sich Europa positionieren“, mahnte Uhlig an. Ihr Kollege Kellner warnte die Bundesregierung, die Klimaziele 2045 aufzuweichen. „Werfen Sie die Flinte nicht ins Korn“, rief er Reiche zu.
Linke nennt Reiche „Lobbyvertreterin“
Noch schärfere Töne kamen von der Fraktion Die Linke. Janine Wissler nannte Reiche eine „Lobbyvertreterin, die zur Wirtschaftsministerin wurde“. Das Bundesverfassungsgericht habe der Politik vorgegeben, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden solle, den Weg müssten Bundesregierung und Bundestag „auf jeden Fall einhalten“.
Wissler kritisierte, das von Ministerin Reiche geplante Monitoring zur Energiewende solle „von einem industrienahen Institut verfasst werden“, weshalb es fraglich sei, ob die Bundesregierung die Klimaneutralität tatsächlich weiterverfolgen werde.
SPD: Handbremse wird gelöst
Die Regierungskoalitionen lobten dagegen den eingeschlagenen Weg. Frank Junge (SPD) bezeichnete den Investitionsbooster und die Steuerentlastungen als „richtige und wichtige Maßnahmen“. Sämtliche Konjunkturdaten zögen an, was aus seiner Sicht eine Folge der aktuellen Politik sei. „Dieser Regierungshaushalt hat eine noch nie gekannte Höhe“, sagte Junge. Damit werde die „Handbremse gelöst, die die Wirtschaft daran gehindert hat, Planungssicherheit zu bekommen, eigenes Kapital zu heben und den Wirtschaftsstandort zukunftssicher zu machen“.
Der Haushaltsentwurf sei ein „erster Schritt in die richtige Richtung“. Dem Wirtschaftsministerium stünden neben den knapp neun Milliarden Euro aus dem Kernhaushalt zusätzliche Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu, was zusammen eine Summe von 35 Milliarden Euro ergebe.
Union: Politikwechsel wird fortgeschrieben
Auch Sepp Müller (CDU/CSU) rechnete einige Beispiele vor: Alleine zehn Milliarden Euro würden an die Verbraucher weitergegeben, um sechs Milliarden Euro würden stromintensive Unternehmen entlastet. Das werde auch Arbeitnehmern zugutekommen.
„Der Politikwechsel wird fortgeschrieben“, sagte Müller. Die Regierung werde alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um bei der Energie Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Bezahlbarkeit zu gewährleisten.
Etat des Bundeswirtschaftsministeriums
Der Etat des Bundeswirtschaftsministeriums, Einzelplan 09 des Bundehsaushalts 2025 (21/500), umfasst Ausgaben von 8,99 Milliarden Euro gegenüber 11,09 Milliarden Euro im Vorjahr. Erwartet werden Einnahmen von 1,56 Milliarden Euro (2024: 1,53 Milliarden Euro).
Der größte Teil der geplanten Ausgaben entfällt auf den Bereich „Innovation, Technologie und neue Mobilität“, für den 4,38 Milliarden Euro eingeplant sind (2024: 4,55 Milliarden Euro). Auf die „neue Mobilität“ entfallen davon 451,64 Millionen Euro (2024: 587,38 Millionen Euro).
Innovation, Technologie und neue Mobilität
Darin enthalten ist unter anderem ein „Zukunftsinvestitionsprogramm für Fahrzeughersteller und die Zulieferindustrie sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekte für transformationsrelevante Innovationen und regionale Innovationscluster“ mit 227,5 Millionen Euro (2024: 303,63 Millionen Euro). Für Technologien und Innovationen zur Transformation der Fahrzeug- und Mobilitätsindustrie sind 54,76 Millionen Euro (2024: 75,82 Millionen Euro) veranschlagt. Der Zukunftsfonds Automobilindustrie soll 70,77 Euro (2024: 81,86 Millionen Euro) enthalten.
Im maritimen Bereich sollen im Zusammenhang mit dem Erwerb und Halten einer Beteiligung an der Rostocker Werft Meyer Neptun GmbH 201,5 Millionen Euro ausgegeben werden. für die Entwicklung maritimer Technologien sieht der Entwurf 62,34 Millionen Euro vor (2024: 59,77 Euro). Für das Programm „Innovativer Schiffbau und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze“ sind 32 Millionen Euro (2024: 37 Millionen Euro) eingeplant.
Für die Förderung von Luft- und Raumfahrt sind 2,3 Milliarden Euro (2024: 2,3 Milliarden Euro vorgesehen, von denen 939,14 Millionen Euro als Beitrag an die Europäische Weltraumorganisation ESA in Paris gehen (2024: 1,04 Milliarden Euro).
Digitale Agenda und Mittelstandsförderung
Die Titelgruppe „Digitale Agenda“ soll 540,7 Millionen Euro erhalten (2024: 596 Millionen Euro). Davon entfallen für das europäische IPCEI Cloud- und Datenverarbeitungsprojekt 189,15 Millionen Euro (2024: 120 Millionen Euro).
Der Mittelstand soll laut Haushaltsplan mit 1,13 Milliarden Euro unterstützt werden (2024: 1,15 Milliarden Euro). Mehr als die Hälfte davon – 649,3 Millionen Euro – sind Zuweisungen für betriebliche Investitionen und wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (2024: 679,43 Millionen Euro).
Energieforschung und Tourismus
Für „Energie und Nachhaltigkeit“ sind im Etatentwurf 1,13 Milliarden Euro vorgesehen (2024: 3,3 Milliarden Euro). Davon gehen 486,11 Millionen Euro (2024: 569,03 Millionen Euro) in die Energieforschung. 750 Millionen Euro sind für Ausgaben im Zusammenhang mit KfW-Darlehen zur Absicherung von Ausfallrisiken geothermischer Bohrungen vorgesehen.
Für die Unterstützung außenwirtschaftlich orientierter deutscher Unternehmen sowie die Stärkung Deutschlands als Investitions- und Tourismusstandort sind insgesamt 439,65 Millionen Euro (2024: 388,76 Millionen Euro) vorgesehen. Das Netzwerk deutscher Auslandshandelskammern und die GTAI (Germany Trade and Invest - Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH) erhalten zusammen 103,96 Millionen Euro. Die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) erhält eine Förderung von 39,92 Millionen Euro (2024: 40,60 Millionen Euro). (nki/08.07.2025)