Finanzierung und Reformen prägen Debatte über Gesundheitsetat
Die drittgrößte Zuwachsrate (plus 2,59 Milliarden Euro) aller Einzelpläne im Vergleich zum Vorjahr sieht der Etatentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vor, den der Bundestag am Donnerstag, 10. Juli 2025, in erster Lesung beraten hat.
Der Einzelplan 15 des Bundeshaushalts 2025 (21/500) umfasst Ausgaben von 19,3 Milliarden Euro gegenüber 16,71 Milliarden Euro im Jahr 2024. Bundesministerin Nina Warken (CDU) kann mit Einnahmen von 106,18 Millionen Euro rechnen (2024: 104,32 Millionen Euro). Der Einzelplan 15 soll nach den bis Freitag, 11. Juli, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Warken: Befugnisse für Pflegekräfte erweitern
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) kündigte zu Beginn ihrer Rede „tiefgreifende und mutige Reformen“ an. Damit seien Chancen verbunden, „das Gesundheitssystem besser und verlässlicher zu machen“. Ganz oben auf der Agenda stehe die Fachkräftesicherung. „Für die Pflege werden wir daher noch im Sommer zwei Gesetze im Kabinett beschließen“, sagte Warken.
Vorgesehen sei, die Befugnisse der Pflegekräfte zu erweitern und das Berufsbild aufzuwerten. Gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium werde eine bundeseinheitliche Ausbildung für die Pflegefachassistenz auf den Weg gebracht. Ein Entwurf für die beschleunigte Anerkennung der Qualifikation ausländischer Ärzte werde ebenfalls noch 2025 kommen, sagte sie.
„Mehr Qualität, mehr Spezialisierung, mehr Effizienz“
Bei diesen Reformen, wie auch bei den geplanten Strukturreformen, seien zwei Triebfedern entscheidend, erläuterte die Ministerin: Die Sicherstellung einer hochwertigen Versorgung und zugleich die Gewährleistung der Bezahlbarkeit. „Wir haben schlichtweg die Verantwortung, beide Seiten immer mitzudenken.“
Einen besonderen Stellenwert wies Warken „der Krankenhausreform und ihrer Anpassung“ zu. Es bleibe bei den Grundprinzipien der Reform: „mehr Qualität, mehr Spezialisierung, mehr Effizienz“. Zugleich müsse auch die flächendeckende Versorgung der Patienten gewährleistet bleiben, „gerade auch auf dem Land“. Das sei mit den Ländern „in einem Dialog auf Augenhöhe“ so vereinbart worden, sagte die Ministerin. „Die Krankenhausreform wird jetzt praxistauglicher“, befand sie.
Warken kam auch auf die „dringend benötigten Soforthilfen für die Krankenhäuser“ zu sprechen. Zeitnah wolle man den Krankenhäusern bei den Soforttransformationskosten aus den Jahren 2022 und 2023 finanziell unter die Arme greifen. Vier Milliarden Euro aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ stünden dafür zur Verfügung.
AfD fordert Corona-Untersuchungsausschuss
Dr. Michael Espendiller (AfD) sagte, das Gesundheitsressort sei unter Verantwortung der SPD „regelrecht kaputtgewirtschaftet worden“. Die Steuergeldverbrennung, die es unter Minister Lauterbach gegeben habe, habe gigantische Ausmaße angenommen, „Das Geld ist jetzt weg“, sagte Espendiller. Während der Corona-Pandemie habe der Bund 17,8 Milliarden Euro allein für Corona-Testungen ausgegeben. „Das ist mehr als der Gesamtetat des Bundesgesundheitsministeriums des Jahres 2024.“
Der AfD-Abgeordnete wiederholte in diesem Zusammenhang die Forderung seiner Fraktion nach einem Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie, bei dem „sinngemäß“ die Regelungen der Strafprozessordnung zur Anwendung kämen. Die nun auf Betreiben von Union und SPD kommende Enquete-Kommission sei hingegen „ein besser Stuhlkreis“, durch den weder Aufklärung noch echte Aufarbeitung zu erwarten sei, befand Espendiller.
SPD: Gerechte Pflege für alle
Svenja Stadler (SPD) begrüßte die Einsetzung der Kommission, „die sich um die Pflegereform kümmert“. Sie hoffe jedoch, dies verfolge nicht das Ziel, „dass am Ende wieder der Bund alles zahlt und die Länder und Kommunen überlegen, wie sie das Geld verwenden“. Stattdessen brauche es ein Konzept, „das auch die Selbstverwaltung in die Pflicht nimmt und bei dem die Kosten gerecht verteilt sind“. Dieses Konzept müsse eine gerechte, zukunftsfähige und gerechte Pflege gewährleisten – „und zwar für alle“.
Was die Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angeht, so forderte sie, bei der Reformkommission die Praktiker einzubinden. „Wir haben kein Erkenntnisproblem“, sagte sie. Vielmehr gebe es immer wieder ein Umsetzungsproblem. Für die Umsetzung brauche man Mut und Haltung. Kritisch äußerte sich Stadler zur angekündigten Unterstützung der Krankenhäuser durch den Bund. Über die Abrechnungsmodalitäten müsse noch gesprochen werden, sagte sie. Aktuell würden „falsche Anreize“ gesetzt.
Grüne über Union und SPD: Koalition des Wortbruchs
Union und SPD stellten eine „Koalition des Wortbruchs“ dar, befand Dr. Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen). Sie verwies auf die Schuldenbremse und die Stromsteuer. Dazu komme, dass auch die versprochene Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge „nicht passiert“. In der Konsequenz werde es wohl im kommenden Jahr wieder eine Beitragssteigerung geben. Da frage sie sich: „Wie wollen Sie eigentlich so noch fast vier Jahre durchhalten?“
Piechotta blickte zurück auf die Abschmelzung der Rücklagen in der GKV durch den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Dem Motto folgend „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, hätte man seinerzeit aber die Liquiditätsreserven nicht abschmelzen dürfen. „Dass die GKV und die Pflegeversicherung heute im Defizit sind, liegt auch an den Leistungsausweitungen, die ohne Plan und Langfristperspektive von der schwarz-roten Koalition der vorletzten Legislaturperiode gemacht wurden“, sagte die Grünenabgeordnete.
Linke: Gesundheitssystem vor dem Zusammenbruch
Tamara Mazzi (Die Linke) sprach von einem kaputtgesparten System, „das längst am Zusammenbrechen ist“. Was aber tue die Koalition dagegen? Sie verteile rückzahlungspflichtige Darlehen an die Kranken- und Pflegeversicherung, biete aber keine nachhaltigen Lösungen, befand die Linken-Abgeordnete. Das sei lediglich ein klassischer Haushaltstrick, der am Ende den Versicherten teuer zu stehen komme.
Richtig wäre es nach ihrer Auffassung, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben, um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. „Warum zahlen Menschen mit 10.000 Euro Einkommen nur auf die ersten 5.500 Euro Beiträge, während alle darunter für jeden Euro voll belastet werden“, fragte sie. Hier anzusetzen sei eine echte Verbesserung für die Mehrheit. Davon wolle aber die Union nichts wissen „und die SPD macht mit“.
Union: Gesundheit der Menschen wird kein Sparposten
Simone Borchardt (CDU/CSU) wandte sich gegen die Idee, immer mehr Geld in ein „krankes System“ zu stecken. „Das funktioniert nicht“, sagte sie. Dieses System brauche neue Strukturen und Reformen. Für die Koalition sei klar. „Die Gesundheit der Menschen in unserem Land bleibt und wird kein Sparposten werden.“
Wer langfristig handlungsfähig bleiben will, müsse heute solide, aber zukunftsgerecht investieren, forderte Borchardt. „Das werden wir tun – in eine gute Pflege, in eine gute Prävention, in eine verlässliche Arzneimittelversorgung aber auch in moderne Strukturen in Klinik, Praxis und Apotheken.“
Zuschuss an den Gesundheitsfonds
Die „pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben“, die Zuführung an den Gesundheitsfonds, umfasst wie in den Vorjahren 14,5 Milliarden Euro. Seit 2017 ist der Bundeszuschuss gesetzlich festgeschrieben. Mit dem Geld werden versicherungsfremde Leistungen finanziert, also etwa die beitragsfreie Familienmitversicherung oder Leistungen für Schwangerschaft und Mutterschaft.
Somit summieren sich die Ausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf 16,8 Milliarden Euro. Vorgesehen ist auch ein überjähriges Darlehen an den Gesundheitsfonds in Höhe von 2,3 Milliarden Euro, welche es im vergangenen Jahr nicht gab.
Pflegevorsorge und sonstige soziale Sicherung
Die Ausgaben für Pflegevorsorge und sonstige soziale Sicherung schlagen mit 581,02 Millionen Euro zu Buche (2024: 79,61 Millionen Euro). Allein 500 Millionen Euro sind auch hier für ein überjähriges Darlehen an den Ausgleichsfonds der Sozialen Pflegeversicherung vorgesehen. Der Bund beteiligt sich außerdem mit 58 Millionen Euro (2024: 57 Millionen Euro) an der Förderung der freiwilligen privaten Pflegevorsorge.
Für die Entschädigung von Hepatitis-C-Opfern in der früheren DDR sind rund 3,3 Millionen Euro vorgesehen (2024: 2,8 Millionen). Die Leistungen des Bundes zur Unterstützung der durch Blutprodukte HIV-infizierten Personen werden von rund 9,4 (2024) auf rund 9,8 Millionen Euro aufgestockt.
Prävention und Gesundheitsverbände
Für die Prävention und für die Gesundheitsverbände sind insgesamt noch 959,31 Millionen Euro vorgesehen nach 1,09 Milliarden Euro im Jahr 2024. Für die Finanzierung der Pandemiebereitschaftsverträge stehen rund 336,1 Millionen Euro zur Verfügung (2024: 486,12 Millionen Euro). Die Zuschüsse zur „Bekämpfung des neuen Coronavirus“ liegen bei 60 Millionen Euro (2024: 15 Millionen Euro).
Die Zuschüsse zur zentralen Beschaffung von Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 sollen auf 427,42 Millionen Euro steigen (2024: 346,23 Millionen Euro). Die Mittel für Modellprojekte zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long-Covid werden mit 15 Millionen Euro mehr als verdoppelt (2024: sieben Millionen Euro).
Gesundheitsdienst und Forschungsvorhaben
Der „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ soll mit 53,22 Millionen Euro bedacht werden nach 163,82 Millionen Euro im letzten Jahr. Für die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung stehen dem Entwurf zufolge rund 26,4 Millionen Euro zur Verfügung (2024: rund 22,4 Millionen Euro). Für Forschungsvorhaben und -einrichtungen sind 173,36 Millionen Euro eingeplant (2024: 175,99 Millionen Euro).
Für Forschung, Untersuchungen und Ähnliches sind rund 43 Millionen Euro eingestellt (2024: rund 39 Millionen Euro). Neu im Haushalt 2025 veranschlagt sind Geldmittel als Anreiz für die Ansiedlung und den Erhalt von Wirkstoffherstellungsstätten in Deutschland in Höhe von rund 16,7 Millionen Euro. Projekte zur Erprobung von Anwendungen mit großen Datenmengen im Gesundheitswesen werden mit rund 16,5 Millionen Euro gefördert (2024: rund 32,8 Millionen Euro).
Internationales Gesundheitswesen
Das „internationale Gesundheitswesen“ ist mit 132,35 Millionen Euro (2024: 133,61 Millionen Euro) im Etat vertreten. Davon sind 59,33 Millionen Euro zur Stärkung der internationalen öffentlichen Gesundheit vorgesehen – etwas weniger als 2024 (60,25 Millionen Euro).
Die Beiträge an internationale Organisationen bleiben mit rund 36,3 Millionen Euro etwa auf dem Niveau des Vorjahres, darunter für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf knapp 17 Millionen Euro. Zur Finanzierung des Betriebs des WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence in Berlin werden erneut 30 Millionen Euro veranschlagt. (hau/pk/11.07.2025)