Erläuterungen zur Geschäftsordnung
A. Grundlagen
I. Geschichte und Sinn der Geschäftsordnung
II. Verfassungsrechtliche Grundlage
B. Die Geschäftsordnung
I. Die Präsidentin bzw. der Präsident und die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten
II. Der Ältestenrat
III. Die Fraktionen
IV. Die Wahl der Bundeskanzlerin bzw. des Bundeskanzlers und Vertrauensabstimmungen
V. Rechte und Pflichten der Abgeordneten
VI. Die Plenarsitzungen - Einberufung, Tagesordnung, Leitung, Rederechte
VII. Beschlussfähigkeit und Abstimmungen
VIII. Ausschüsse – Funktion, Zusammensetzung und Arbeitsweise
IX. Die Gesetzgebung
X. Anfragen und Fragen an die Bundesregierung
XI. Protokolle und Fristen
A. Grundlagen
I. Geschichte und Sinn der Geschäftsordnung
Der Deutsche Bundestag ist die gewählte Volksvertretung der Bundesrepublik Deutschland. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl auf die Dauer von vier Jahren gewählt. Als Abgeordnete sind sie gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) „nur ihrem Gewissen unterworfen“. Sie wirken an der Gesetzgebung, an der Kontrolle der Regierung sowie der Wahl bzw. Kreation verschiedener Ämter und Institutionen mit. Zur Regelung des parlamentarischen Verfahrens gibt sich der Bundestag zu Beginn jeder Legislaturperiode eine Geschäftsordnung (GO-BT). Der Antrag zur Übernahme der Geschäftsordnung der vergangenen Wahlperiode ist daher üblicherweise in jeder Wahlperiode die Drucksache mit der Nummer 1.
Am 6. Dezember 1951 gab sich der Deutsche Bundestag seine erste eigene Geschäftsordnung, nachdem zunächst als vorläufige Geschäftsordnung die Geschäftsordnung für den Reichstag aus dem Jahr 1922 in einer angepassten Fassung angenommen worden war. Parlamentarische Geschäftsordnungen haben eine lange Geschichte: Bereits in den Verfassungsurkunden des Staates Preußen von 1850, des Norddeutschen Bundes von 1867 und des Deutschen Reiches von 1871 war vorgesehen, dass in den Geschäftsordnungen der Parlamente nicht nur der „Geschäftsgang“, sondern auch die „Disziplin“ der Kammern und des Reichstages geregelt werden. Schon damals wurde erkannt, dass es Regeln für das parlamentarische Verfahren bedarf.
Als Vordenker und systematischer Lehrer der parlamentarischen Geschäftsordnung gilt der Brite Jeremy Bentham (1749-1832). Sein Werk beeinflusste auch die von Robert von Mohl entworfene Geschäftsordnung der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche (1848/49) Die damaligen Regelungen können als frühe Vorläufer der heutigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gelten. Die zwischenzeitlich erlassenen Geschäftsordnungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes von 1868, der Nationalversammlung von 1919 sowie des Reichstags von 1922 bilden wichtige Stationen in der kontinuierlichen Entwicklung der parlamentarischen Verfahrensregeln.
Die Geschäftsordnung sichert das geordnete Funktionieren des Parlaments im Staats- und Verfassungsleben. Sie regelt das Verfahren für die Abwicklung der Parlamentsgeschäfte. Die Geschäftsordnung ist Ausfluss der Organisationsautonomie des Bundestages und Fundament der parlamentarischen Demokratie. Durch sie werden nicht nur die Rechte der Abgeordneten und Organe des Bundestages näher ausgestaltet, sondern auch der Ablauf der Sitzungen, die Arbeit in den Ausschüssen, die Gesetzgebung und die Behandlung von Petitionen geregelt.
II. Verfassungsrechtliche Grundlage
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland legt in Art. 40 Abs. 1 fest: „Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.“
Die Geschäftsordnung bedarf daher keiner weiteren gesetzlichen Grundlage und ist somit autonomes Satzungsrecht des Bundestages. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch schon 1952 entschieden, dass jeder neugewählte Bundestag eine Geschäftsordnung zu beschließen hat. Dies kann er durch die Übernahme der Geschäftsordnung der vergangenen Wahlperiode tun, er kann Ausnahmen vom Gesamtinhalt machen, aber er kann auch eine gänzlich neue Geschäftsordnung beschließen. Nach den drei großen Geschäftsordnungsreformen von 1951, 1970 und 1980 gab es in den letzten Jahren immer wieder Bestrebungen zur Modernisierung der Geschäftsordnung. Am 16. Oktober 2025 wurde mit Wirkung zum 1. November 2025 eine Neufassung verabschiedet, die die Geschäftsordnung an die parlamentarische Praxis und die heutigen Bedürfnisse anpasst.
B. Die Geschäftsordnung
I. Die Präsidentin bzw. der Präsident und die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten
Die Bundestagspräsidentin bzw. der Bundestagspräsident repräsentiert den Bundestag und damit die Legislative. Protokollarisch bekleidet sie bzw. er nach der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten das zweithöchste Amt im Staat – vor Bundeskanzlerin bzw. Bundeskanzler und Bundesratspräsidentin bzw. Bundesratspräsident. Zusammen mit den Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten bildet sie bzw. er das Präsidium.
Die Präsidentin bzw. der Präsident des Deutschen Bundestages wird ohne Aussprache vom Bundestag für die Dauer der Wahlperiode gewählt. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält. Erreicht in den ersten beiden Wahlgängen niemand diese Mehrheit, ist gewählt, wer mehr Ja- als Nein-Stimmen erhält (bei nur einem Wahlvorschlag) bzw. die meisten Ja-Stimmen auf sich vereint (bei mehreren Wahlvorschlägen). Nach § 2 Abs. 1 S. 2 GO-BT steht nur Fraktionen das Recht zu, eine Bewerberin bzw. einen Bewerber vorzuschlagen. Traditionell gehört die Präsidentin bzw. der Präsident der stärksten Fraktion an. Ebenso hat jede Fraktion – Gruppen hingegen nicht – ein Vorschlagsrecht für mindestens eine Vizepräsidentin bzw. einen Vizepräsidenten. Auch die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten müssen mit demselben Mehrheitserfordernis gewählt werden.
Die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten können mit den Stimmen von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages abgewählt werden. Die Fraktion, welcher die abgewählte Vizepräsidentin bzw. der abgewählte Vizepräsident angehört, hat das Vorschlagsrecht für eine neue Vizepräsidentin oder einen neuen Vizepräsidenten. Eine Abwahl der Präsidentin bzw. des Präsidenten hingegen ist nicht möglich; sie bzw. er kann nur zurücktreten.
Die wichtigsten Aufgaben der Präsidentin bzw. des Präsidenten sind die Repräsentation des Bundestages, die Leitung der Plenarsitzungen, die Ausübung des Hausrechts und der Polizeigewalt sowie die Funktion als Dienstherrin bzw. Dienstherr aller Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung.
Die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten unterstützen die Präsidentin bzw. den Präsidenten bei der Erfüllung ihrer bzw. seiner Aufgaben. Insbesondere wechseln sich die Präsidentin bzw. der Präsident und die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten bei der Leitung der Plenarsitzungen ab.
Als Präsidium treffen sich die Präsidentin bzw. der Präsident und die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten in den Sitzungswochen regelmäßig. Dabei beraten sie die Angelegenheiten, welche die Leitung des Hauses betreffen. Hierzu gehören beispielsweise die Personalangelegenheiten der höheren Beamtinnen und Beamten der Bundestagesverwaltung und Fragen der Öffentlichkeitsarbeit. Um eine ungestörte Entscheidungsfindung zu gewährleisten, gilt für die Sitzungen des Präsidiums der Grundsatz der Vertraulichkeit.
II. Der Ältestenrat
Der Ältestenrat des Deutschen Bundestages ist ein Organ des Parlaments, das eine zentrale Rolle bei der Organisation und Koordination der parlamentarischen Arbeit spielt. Er setzt sich aus der Präsidentin bzw. dem Präsidenten, den Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten sowie 23 Abgeordneten zusammen, die von den Fraktionen nach ihrem Stärkeverhältnis benannt werden. Zu den 23 Abgeordneten gehören in der Regel die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Fraktionen sowie weitere erfahrene Mitglieder des Bundestages. Der Ältestenrat wird von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten einberufen und tagt üblicherweise in jeder Sitzungswoche.
Er hat zwei Funktionen: Zum einen fungiert er als Koordinations- und Beratungsorgan. Dabei unterstützt er die Präsidentin bzw. den Präsidenten bei der Führung der Geschäfte und führt eine Verständigung zwischen den Fraktionen herbei. Zum anderen fasst er Beschlüsse über die inneren Angelegenheiten des Bundestages, soweit diese nicht der Präsidentin bzw. dem Präsidenten oder dem Präsidium vorbehalten sind. Darüber hinaus ist der Ältestenrat das Gremium, in dem auch andere für den Bundestag wichtige Fragen, beispielsweise im Verhältnis zur Bundesregierung oder bei Kritik an Maßnahmen der Sitzungsleitung, angesprochen werden können. Auch für die Sitzungen des Ältestenrats gilt der Grundsatz der Vertraulichkeit.
III. Die Fraktionen
Während im öffentlichen Diskurs Partei und Fraktion oftmals gleichgesetzt werden, differenziert das Grundgesetz zwischen diesen. So wie die Parteien „bei der politischen Willensbildung des Volkes“ mitwirken (Art. 21 GG), so wirken die Fraktionen an den Entscheidungsprozessen des Parlaments und damit bei der staatlichen Willensbildung mit. Zwischen beiden besteht keine rechtliche, wohl aber eine politische Bindung. Diese resultiert unter anderem daraus, dass insbesondere die führenden, im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit stehenden Repräsentantinnen und Repräsentanten der Parteien oft auch den Fraktionen angehören (wenn nicht einer Bundestagsfraktion, dann meistens doch einer Landtagsfraktion). Umso wichtiger ist die klare Trennung: die Fraktionen bestehen ausschließlich aus den bei der Bundestagswahl vom Volk gewählten Abgeordneten; zu ihnen gehören auch die „Nachrückerinnen und Nachrücker“, die für im Laufe einer Wahlperiode ausgeschiedene Mitglieder des Bundestages in das Parlament einrücken. Fraktionen haben im Bundestag Rechte, die dem einzelnen Abgeordneten nicht zustehen.
Den Status einer Fraktion erhalten nur parteipolitisch begründete Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages in sich vereinen. Zusammenschließen dürfen sich nur die Mandatsträgerinnen und -träger derselben Partei oder solcher Parteien, „die aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander in Wettbewerb stehen“ (§ 10 Abs. 1 S. 1 GO-BT). Diese im Jahre 1969 eingeführte Formel erlaubt es den Abgeordneten der CDU und der CSU, nunmehr ohne Zustimmung des Bundestages eine gemeinsame Fraktion zu bilden und damit die Vorteile aus der gemeinsamen Größe zu ziehen, wie sie es seit den Anfängen der Bundesrepublik getan haben. Wollen sich die Abgeordneten konkurrierender Parteien zu einer Fraktion verbinden, dann bedarf die Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundestages.
Erreichen die zur Zusammenarbeit entschlossenen Abgeordneten einer politischen Richtung nicht fünf Prozent der Gesamtstärke des Bundestages, können sie lediglich als „Gruppe“ anerkannt werden und erhalten damit nicht alle Rechte, die den Fraktionen zustehen. Eine Anerkennung ist aber dann zwingend, wenn nach dem Berechnungssystem für die Fraktionen ein Sitz in einem Ausschuss oder parlamentarischem Gremium auf die Gruppe entfallen würde. Die Gruppen sind von den Parlamentariergruppen, die als interfraktionelle Zusammenschlüsse von Abgeordneten meist außenpolitische Kontakte zu Parlamenten anderer Staaten pflegen, zu unterscheiden.
Jedes Mitglied des Bundestages hat das Recht sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion (bzw. Gruppe) zusammenzuschließen, insoweit aber keinen Anspruch auf Aufnahme. Weil mit steigender Fraktionsstärke Vorteile einhergehen, etwa bei der Besetzung parlamentarischer Gremien, dürfen Abgeordnete nur einer Fraktion angehören. Wird ein Mitglied des Bundestages nicht aufgenommen, tritt es aus einer Fraktion aus oder wird es aus dieser ausgeschlossen, ist es fraktionslos. Eine Fraktion kann Abgeordnete, die nicht bereits Mitglied einer anderen Fraktion sind, als Gäste aufnehmen. Bei der Feststellung der Fraktionsstärke zählen Gäste nicht mit, werden aber bei der Zumessung von Sitzen in den Parlamentsgremien berücksichtigt. Hat sich eine Fraktion gebildet – meist geschieht dies bald nach der Bundestagswahl und noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages –, sind ihre Bezeichnung, die Namen der Vorsitzenden, der Mitglieder und eventueller Gäste der Präsidentin bzw. dem Präsidenten mitzuteilen.
IV. Die Wahl der Bundeskanzlerin bzw. des Bundeskanzlers und Vertrauensabstimmungen
Ein wesentlicher Akt der Legislative besteht in der Einsetzung der Regierung sowie in dem möglichen Entzug des Vertrauens gegenüber derselben. Das Grundgesetz beschränkt die Mitwirkung des Parlaments am Zustandekommen der Bundesregierung auf die Wahl von Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler. Die Bundesministerinnen und Bundesminister werden von dieser oder diesem berufen. Trotz der umfassenden Regelungen im Grundgesetz bleibt die detaillierte Regelung des Wahlganges der Geschäftsordnung vorbehalten. Die Vorschläge zur Wahl einer Bundeskanzlerin bzw. eines Bundeskanzlers sind im zweiten und im dritten Wahlgang (im ersten steht dieses Recht der Bundespräsidentin bzw. dem Bundespräsidenten zu) von einem Viertel der Abgeordneten oder von einer Fraktion einzureichen, deren Mitgliederzahl mindestens ein Viertel der Gesamtzahl der Abgeordneten umfasst. Wenn auch im dritten Wahlgang kein Wahlvorschlag das Quorum erreicht, dann kann in dem Fall, dass kein Vorschlag einer Fraktion oder von fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages vorliegt, jedes Mitglied des Bundestages einen Wahlvorschlag abgeben.
Die Wahl der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers erfolgt mit verdeckten Stimmzetteln. Dies bedeutet, dass eine geheime Wahl durchzuführen ist. Hierfür wird zunächst in räumlicher Nähe zu den Wahlkabinen der amtliche Stimmzettel ausgegeben, dann treffen die Abgeordneten in der Wahlkabine auf dem Stimmzettel ihre Wahlentscheidung. Nach Verlassen der Kabine wird der Wahlumschlag mit Stimmzettel in die bereitgestellten Urnen geworfen. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass die Abgeordneten unbeeinflusst und unbeobachtet nur nach dem eigenen Gewissen eine Entscheidung treffen. Zum Schutz des Wahlgeheimnisses wurde zudem ein Fotografie- und Filmverbot in der Wahlkabine eingeführt.
Im achten Kapitel der Geschäftsordnung sind in § 97 und § 98 der Misstrauensantrag gegen die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler nach Art. 67 GG sowie der Vertrauensantrag derselben bzw. desselben nach Art. 68 GG konkretisiert. Darin ist festgelegt, dass der Vorschlag für die Neuwahl von Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler – das „konstruktive Misstrauensvotum“ – von mindestens einem Viertel der Abgeordneten getragen werden und die Kandidatin bzw. der Kandidat namentlich benannt sein müssen. „Anträge, die diesen Voraussetzungen nicht entsprechen, dürfen nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden“, lautet die entscheidende Vorschrift, die in politischen Krisen disziplinierend wirken soll. Scheitert eine Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler mit der im Zusammenhang mit einem Gesetz gestellten Vertrauensfrage, dann kann die Bundespräsidentin bzw. der Bundespräsident den Bundestag auf Vorschlag des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin auflösen oder unter bestimmten verfassungsrechtlichen Bedingungen den Gesetzgebungsnotstand erklären.
V. Rechte und Pflichten der Abgeordneten
Die Geschäftsordnung des Bundestages ergänzt hierbei lediglich das Grundgesetz und das Abgeordnetengesetz. Sie beschränkt sich bei der Beschreibung der Pflichten darauf, dass die Mitglieder des Bundestages an „den Arbeiten des Bundestages teilnehmen“. Engere Vorgaben für die Teilnahme an der Arbeit des Bundestages macht die Geschäftsordnung nicht, da die Abgeordneten bei Reden, Handlungen, Abstimmungen und Wahlen nur ihrer Überzeugung und ihrem Gewissen folgen.
Allerdings bestehen Regeln hinsichtlich der Anwesenheit der Abgeordneten sowie deren Beteiligung an namentlichen Abstimmungen und Wahlen. Zur Erfassung ihrer Anwesenheit müssen sich die Abgeordneten an den Sitzungstagen in eine Anwesenheitsliste eintragen. In § 14 des Abgeordnetengesetzes wird als Sanktion für unentschuldigte Abwesenheit eine Kürzung der Kostenpauschale der Abgeordneten vorgesehen. Es sind Abzüge bis zu 300 Euro möglich. Keine Kürzung erfolgt beispielsweise im Fall des Mutterschutzes oder der Betreuung für erkrankte Kinder unter 14 Jahren.
Bis zu einer umfassenden Gesetzesreform im Jahr 2021 waren die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages noch Bestandteil der Geschäftsordnung des Bundestages. Seitdem sind erheblich ausgeweitete Offenlegungspflichten im Elften Abschnitt des Abgeordnetengesetzes enthalten.
VI. Die Plenarsitzungen - Einberufung, Tagesordnung, Leitung, Rederechte
Die Sitzungen des Bundestagsplenums sind öffentlich. Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Der Bundestag ist das Forum der Nation. Als Ausdruck des Öffentlichkeitsprinzips können Bürgerinnen und Bürger sowie die Presse den Plenarsitzungen beiwohnen; zusätzlich werden die Sitzungen im Internet übertragen. Das Grundgesetz lässt jedoch zu, dass mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten die Öffentlichkeit im Einzelfall ausgeschlossen wird. Diese Vorschrift nimmt auch die Geschäftsordnung auf. Im Falle eines Ausschlusses der Öffentlichkeit wird die Fernsehübertragung unterbrochen, aber auch Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen sowie die Presse müssen den Plenarsaal verlassen.
Termin und Tagesordnung der Plenarsitzungen werden im Ältestenrat vereinbart, vom Bundestag vorher beschlossen oder – das ist die dritte Möglichkeit – von der Präsidentin oder dem Präsidenten festgesetzt, falls das Plenum sie bzw. ihn dazu ermächtigt hat oder dieses aus einem anderen Grund als die Beschlussunfähigkeit nicht entscheiden kann. Wird die Präsidentin bzw. der Präsident von sich aus tätig, muss die Einberufung durch den Bundestag nachträglich genehmigt werden. Wenn ein Drittel der Abgeordneten, die Bundeskanzlerin bzw. der Bundeskanzler oder die Bundespräsidentin bzw. der Bundespräsident die Einberufung einer Plenarsitzung verlangen, folgt daraus für die Präsidentin bzw. den Präsidenten eine Pflicht zur Einberufung des Bundestages.
Die Festlegung der Tagesordnung dient der besseren Vorhersehbarkeit der Inhalte und des Ablaufs einer Plenarsitzung. Den Abgeordneten wird damit eine fundierte Vorbereitung der Plenarsitzungen ermöglicht. Die Änderung einer angekündigten Tagesordnung können die Abgeordneten bis 18 Uhr des Vortages beantragen – aussichtsreich ist ein solcher Antrag jedoch nur, wenn ihn eine Fraktion stellt. Nach dem Eintritt in die Tagesordnung kann die Mehrheit einen Punkt jederzeit von der Tagesordnung absetzen. Die Aufnahme neuer Themen ist dagegen nur dann möglich, wenn keine Fraktion bzw. Minderheit in Fraktionsstärke (fünf Prozent der Mitglieder) widerspricht. Bei Vorlagen von Mitgliedern des Bundestages haben die Antragsteller das Recht zu verlangen, diese auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen und zu beraten. Hierfür besteht eine Frist von drei Wochen nach Verteilung der entsprechenden Drucksache.
Plenarsitzungen können jedoch auch kurzfristig einberufen werden. In der Praxis wird diese Möglichkeit vor dem Hintergrund der besseren Planbarkeit und gründlichen Vorbereitung der Sitzungen nur selten genutzt. Die Geschäftsordnung sieht beispielsweise vor, dass im Falle der Feststellung der Beschlussunfähigkeit eine Einberufung für denselben Tag möglich ist. Außerdem kann der Bundestag zu Beginn der auf die Beschlussunfähigkeit folgenden Sitzung beschließen, Verhandlungsgegenstände, deren Beratung infolge der Beschlussunfähigkeit nicht abgeschlossen oder entfallen ist, zur Beratung auf die Tagesordnung zu setzen.
Die Sitzungsleitung der Plenarsitzungen hat die Präsidentin bzw. der Präsident oder eine bzw. einer der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten inne. Dies beinhaltet etwa das Eröffnen und Schließen der Aussprachen und die Worterteilung. Über jeden Verhandlungsgegenstand auf der Tagesordnung ist in der Regel eine Aussprache zu eröffnen, wobei verwandte Themen miteinander verbunden werden dürfen. Sind keine weiteren Rednerinnen und Redner mehr gemeldet, so erklärt die Präsidentin bzw. der Präsident die Debatte für geschlossen. Auch das Plenum kann auf Antrag einer Fraktion oder von fünf Prozent der Abgeordneten den Schluss der Debatte beschließen, allerdings erst, wenn jede Fraktion einmal zu Wort gekommen ist.
Mit Ausnahme der Zwischenrufe ergreifen Mitglieder des Bundestages nicht das Wort, sondern erhalten es auf Antrag durch die Präsidentin bzw. den Präsidenten. Der Antrag ist bei der Schriftführerin bzw. dem Schriftführer, die bzw. der die Redeliste führt, zu stellen. Dies gilt für die Reden, aber auch für Einwürfe zur Geschäftsordnung, Zwischenfragen, Zwischenbemerkungen und Kurzinterventionen.
Will ein Mitglied des Bundestages sein Abstimmungsverhalten erläutern, dann kann die Präsidentin bzw. der Präsident ihm hierzu das Wort erteilen. Die Zulassung von Zwischenfragen und -bemerkungen liegt im Ermessen der Präsidentin bzw. des Präsidenten. Zudem muss das mit der Zwischenfrage/-bemerkung adressierte Mitglied des Bundestages dem Einwurf zustimmen. Kurzinterventionen – kurze Erklärungen, die als Reaktion auf einen Debattenbeitrag abgegeben werden – stehen ebenfalls im Ermessen der Sitzungsleitung, wobei bei der Zulassungsentscheidung die Adressierung der Kurzintervention, die geplante Debattendauer und bereits eingetretene Verzögerungen im Sitzungsablauf zu berücksichtigen sind. Die Reden werden vom Rednerpult gehalten; Zwischenfragen, -bemerkungen und Kurzinterventionen werden vom Platz in ein Saalmikrofon gesprochen. Will die Präsidentin bzw. der Präsident selbst zu einer Sache sprechen, so gibt sie bzw. er – mit Ausnahme von Reden oder Erläuterungen in der Eigenschaft als Sitzungspräsidentin bzw. Sitzungspräsident – die Leitung der Sitzung ab und setzt von dem Abgeordnetenplatz aus zum Debattenbeitrag an.
Nach der Geschäftsordnung bestimmt die Präsidentin bzw. der Präsident die Reihenfolge der Rednerinnen und Redner, im Parlamentsalltag aber richtet sich die Reihenfolge nach einer grundsätzlichen Vereinbarung der Fraktionen zur Redeabfolge. Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Redezeiten dadurch, dass die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates „sowie ihre Beauftragten“ laut Grundgesetz auf ihr Verlangen „jederzeit“ gehört, also ihre Reden entgegengenommen werden müssen. Mit diesem Rederecht korrespondiert das Recht der Fraktionen oder von fünf Prozent der Abgeordneten, zu beantragen, die Bundeskanzlerin bzw. den Bundeskanzler oder die Bundesministerinnen und Bundesminister herbeizurufen. Über einen solchen Antrag entscheidet der Bundestag dann mit Mehrheit.
Die Geschäftsordnung hat auch für den seltenen Fall vorgebaut, dass sich der Ältestenrat einmal nicht einigen kann. Dann gilt, dass die Aussprache über einen Verhandlungsgegenstand nicht länger als 60 Minuten dauern, und sich die Verteilung der Redezeit an dem Stärkeverhältnis der Fraktionen orientieren soll.
Bei der Reihenfolge der Rednerinnen und Redner ist das Prinzip von Rede und Gegenrede, das Rundenprinzip und die Fraktionsstärke zu berücksichtigen. Die Redezeit pro Fraktion wird nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen berechnet. Die größte Fraktion hat damit die längste Redezeit. Für fraktionslose Abgeordnete besteht eine Besonderheit: Über ihre Redezeit entscheidet die Präsidentin bzw. der Präsident im Einzelfall. Sie bzw. er orientiert sich dabei an dem Verhandlungsgegenstand, der Gesamtdauer der Aussprache sowie an den Rededauern anderer fraktionsloser Abgeordneter und der kleinsten Fraktion oder Gruppe.
Überschreitet eine Rednerin oder ein Redner die festgelegte Redezeit, so „soll“ ihr bzw. ihm die Präsidentin bzw. der Präsident nach einmaliger Mahnung „das Wort entziehen“. Des Weiteren muss die Präsidentin bzw. der Präsident dieselbe Sanktion ergreifen, wenn eine Rednerin oder ein Redner trotz Mahnung dreimal von der Sache abgewichen ist. Die Redebeiträge im Parlament sollen von gegenseitigem Respekt und der Achtung der anderen Abgeordneten sowie der Fraktionen geprägt sein.
Wegen „gröblicher Verletzung der Ordnung“ kann die Präsidentin bzw. der Präsident ein Mitglied des Bundestages auch ohne Vorwarnung und mit sofortiger Wirkung aus dem Saal verweisen und für bis zu dreißig Sitzungstage von der Teilnahme der Plenar- und Ausschusssitzungen ausschließen. Nach drei Ordnungsrufen innerhalb einer Sitzung muss ein solcher Sitzungsausschluss ergehen. Bei einem Sitzungsausschluss erleidet das Mitglied des Bundestages auch finanzielle Einbußen, weil es als nicht anwesend gilt und daher ein Abzug von der Kostenpauschale vorgenommen wird. Der Ordnungsruf und der Ausschluss können aufgrund eines Einspruchs der bzw. des Betroffenen vom Bundestag aufgehoben werden. Eine Debatte über die getroffenen Ordnungsmaßnahmen im Plenum ist unzulässig.
Eine weitere Ordnungsmaßnahme stellt das Ordnungsgeld dar: Bei einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages kann die Präsidentin bzw. der Präsident ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000 Euro (im Wiederholungsfall: 4.000 Euro) festsetzen. Nach drei Ordnungsrufen innerhalb von drei Sitzungswochen besteht die Pflicht der Präsidentin bzw. des Präsidenten ein Ordnungsgeld zu verhängen, sofern noch kein Sitzungsausschluss erfolgt ist. Auch gegen das Ordnungsgeld ist der Einspruch statthaft.
VII. Beschlussfähigkeit und Abstimmungen
Der Deutsche Bundestag kann Entscheidungen wie beispielsweise die Verabschiedung von Gesetzen nur treffen, wenn er beschlussfähig ist. Nach der Geschäftsordnung ist der Bundestag beschlussfähig, „wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist“. Allerdings ist es oft schwierig abzuschätzen, ob mindestens die Hälfte der Abgeordneten anwesend sind. Es wird daher – auch zur Ermöglichung einer effektiven Arbeitsteilung – grundsätzlich vermutet, dass der Bundestag beschlussfähig ist. Nur wenn die Beschlussfähigkeit des Plenums von einer Fraktion oder fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand (sitzungsleitende Präsidentin bzw. sitzungsleitender Präsident sowie die beiden Schriftführerinnen bzw. Schriftführer) nicht zweifelsfrei bejaht wird, muss die Beschlussfähigkeit positiv festgestellt werden. Gleiches gilt auch, wenn der Sitzungsvorstand im Einvernehmen mit den Fraktionen die Beschlussfähigkeit bezweifelt. In diesen Fällen kommt es dann zu einer Zählung der Stimmen. Dies erfolgt im Wege des sog. „Hammelsprungs“ oder – wenn dies von einer Fraktion verlangt wird – durch namentliche Abstimmung. Bei einem Hammelsprung verlassen die Abgeordneten den Plenarsaal und betreten ihn durch verschiedene Türen, die mit „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ markiert sind. Zu beachten ist allerdings, dass eine Feststellung der Beschlussunfähigkeit nur im Zusammenhang mit Abstimmungen erfolgt.
Bei der Abstimmung über Sachfragen, zum Beispiel Gesetzentwürfen, wird in der Regel durch Handzeichen votiert. Bei der Schlussabstimmung über Gesetzentwürfe werden die Zustimmung und die Ablehnung (Gegenprobe) durch Aufstehen bekundet. In der Mehrzahl der Fälle reicht die „einfache Mehrheit“, das ist die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten. In bestimmten Fällen verlangen das Grundgesetz, ein Gesetz oder die Geschäftsordnung für einen Beschluss oder eine Wahl die „absolute Mehrheit“ oder eine Zweidrittelmehrheit. Bei der absoluten Mehrheit, die auch Kanzlermehrheit genannt wird, müssen mehr als die Hälfte aller Abgeordneten zustimmen. Das Abstimmungsergebnis ist bei der Abstimmung durch Handzeichen bzw. Aufstehen im Nachhinein dem einzelnen Mitglied des Bundestages nicht mehr zuzuordnen. Daher sieht die Geschäftsordnung die Möglichkeit einer namentlichen Abstimmung vor, welche ohne besondere Begründung von einer Fraktion oder einer entsprechenden Mindestzahl von Abgeordneten bis zum Beginn der Sitzung verlangt werden kann. In diesem Fall werfen die Abgeordneten eine mit ihrem Namen versehene Stimmkarte in eine Urne ein. Das konkrete Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten wird im Anschluss an die namentliche Abstimmung im Plenarprotokoll und auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht. Bei bestimmten parlamentsinternen Verfahrensfragen ist eine namentliche Abstimmung allerdings unzulässig.
VIII. Ausschüsse – Funktion, Zusammensetzung und Arbeitsweise
Fast alle Entscheidungen, die das Plenum des Bundestages trifft, resultieren aus der Vorbereitung und Empfehlung durch die Ausschüsse, die als zentrale Gremien der parlamentarischen Entscheidungsfindung fungieren. Die Ausschüsse werden daher in der Geschäftsordnung des Bundestages auch als „vorbereitende Beschlussorgane des Bundestages“ bezeichnet. Neben der Beratung der Gesetzentwürfe, Anträge und Unterrichtungen, die das Plenum den Ausschüssen überwiesen hat, können diese sich im Rahmen der sog. Selbstbefassung mit Themen aus ihrem Geschäftsbereich befassen und ihre parlamentarische Kontrollfunktion ausüben, indem sie sich beispielsweise von den Ministerien informieren lassen.
Welche ständigen Ausschüsse eingerichtet werden und aus wie vielen Mitgliedern diese jeweils bestehen, entscheidet der Bundestag zu Beginn jeder Wahlperiode. Die Einsetzung bestimmter Ausschüsse ist dabei vorgegeben. So schreibt das Grundgesetz die Einsetzung des Auswärtigen Ausschusses, des Petitionsausschusses, des Verteidigungsausschusses und des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union vor. Andere Ausschüsse, wie der Haushaltsausschuss, der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung oder der Rechtsausschuss werden von der Geschäftsordnung oder einfachgesetzlichen Regelungen vorausgesetzt. Hinsichtlich der Einsetzung weiterer ständiger Ausschüsse hat der Bundestag freie Hand. In der Regel werden in jeder Wahlperiode über zwanzig ständige Ausschüsse eingesetzt, deren fachlicher Zuschnitt sich regelmäßig an der Organisation der Bundesregierung und dem Zuschnitt der Bundesministerien orientiert. Eine Sonderstellung nehmen die Enquete-Kommissionen ein, die der Bundestag bei Bedarf zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe einsetzt, denen nicht nur Abgeordnete, sondern auch Sachverständige, zum Beispiel Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, angehören. Ebenfalls zu den nichtständigen Ausschüssen zählen die verfassungsrechtlich verankerten Untersuchungsausschüsse, die nur bei gegebenem Anlass eingesetzt werden und die Aufgabe haben, jeweils zu einem bestimmten Themenkomplex mögliches Fehlverhalten der Bundesregierung und der Verwaltung zu prüfen. Die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses ist als Minderheitenrecht ausgestaltet und erfordert einen Antrag von mindestens einem Viertel der Abgeordneten. Vor allem für die Opposition stellen Untersuchungsausschüsse damit ein wichtiges Kontrollinstrument gegenüber der Regierung dar. Das Verfahren und die besonderen Beweiserhebungsrechte der Untersuchungsausschüsse (z.B. Vernehmungen von Zeuginnen und Zeugen) sind im „Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages“ normiert.
In ihrer Zusammensetzung spiegeln die Ausschüsse das Stärkeverhältnis der Fraktionen im Plenum wider. Das bei der Ermittlung der auf die Fraktionen entfallenden Sitze in den Ausschüssen zur Anwendung kommende Berechnungsverfahren legt der Bundestag zu Beginn der Wahlperiode durch Beschluss fest. Die Fraktionen benennen die Ausschussmitglieder und deren Stellvertretungen. Jedes Mitglied des Bundestages soll grundsätzlich einem Ausschuss angehören. Fraktionslose Mitglieder werden von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten als beratende Ausschussmitglieder benannt.
Der Ältestenrat legt im Einvernehmen fest, welche Fraktion in welchem Ausschuss das Vorschlagsrecht für den Vorsitz hat. Kommt eine solche Verständigung nicht zustande, erhalten die Fraktionen in der Reihenfolge ihrer Stärke „Zugriff“ auf die jeweiligen Ausschüsse, wobei auch insoweit das bereits angesprochene Berechnungsverfahren zur Anwendung kommt. Die Kandidatin oder der Kandidat der vorschlagsberechtigten Fraktion soll durch den Ausschuss in der ersten Ausschusssitzung der Wahlperiode gewählt werden, wobei bei Nichtwahl ein weiterer Wahlgang möglich ist. Wenn drei Kandidatinnen und Kandidaten der vorschlagsberechtigten Fraktion nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen erhalten haben, bedürfen neue Wahlvorschläge der Unterstützung von mindestens einem Viertel der Ausschussmitglieder. Eine Abwahl der bzw. des Vorsitzenden ist unter den Voraussetzungen möglich, die auch für die Abwahl der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten gelten.
Zu den Hauptaufgaben einer Vorsitzenden bzw. eines Vorsitzenden eines Ausschusses gehört die Einberufung und Leitung der Ausschusssitzungen. Regelmäßig finden Ausschusssitzungen zu bestimmten Zeiten am Mittwoch in einer Sitzungswoche statt. Der Vorsitz ist aber auch zur Einberufung zum nächstmöglichen Termin verpflichtet, wenn eine Fraktion im Ausschuss oder mindestens ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses dies verlangt. Hieraus wird gleichzeitig ein Minderheitenrecht auf Aufsetzung eines Punktes auf die Tagesordnung abgeleitet, einen entsprechenden Antrag vor Beginn der Sitzung vorausgesetzt. In begründeten Ausnahmefällen ist die Einberufung einer Sitzung möglich, an der die Mitglieder des Ausschusses (auch) über elektronische Kommunikationsmittel teilnehmen können. Außerdem kann ein Ausschuss seinen Vorsitz in besonderen Fällen ermächtigen, auch außerhalb einer Sitzung über bestimmte Fragen eine Abstimmung durchführen zu lassen. In einem solchen Fall wird schriftlich oder mittels elektronischer Kommunikation abgestimmt. Zur Leitung der Sitzungen gehört außerdem, dass der Vorsitz – unterhalb der Schwelle formeller Ordnungsmaßnahmen – zur Einhaltung der parlamentarischen Ordnung in den Ausschusssitzungen anmahnen kann. Daneben stehen dem Vorsitz zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Ablaufs der Sitzung die Instrumente der Sitzungsunterbrechung sowie im Einvernehmen mit den Fraktionen der Sitzungsbeendigung und im Falle einer gröblichen Verletzung der Ordnung und Würde bei Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit auch des Sitzungsausschlusses eines Mitgliedes zur Verfügung.
Die Ausschüsse entscheiden grundsätzlich selbst, ob und inwieweit sie in öffentlicher Sitzung beraten. Dabei berücksichtigen sie insbesondere das Interesse an öffentlichen Sitzungen, die Besonderheit der Beratungsgegenstände und etwaige Erfahrungen mit öffentlichen Sitzungen. An öffentlichen Sitzungen der Ausschüsse können die Presse und die sonstige interessierte Öffentlichkeit im Rahmen der Raumverhältnisse teilnehmen. Ferner ist vorgesehen, öffentliche Sitzungen der Ausschüsse grundsätzlich im Internet zu übertragen. Besondere Zutrittsregelungen gelten unter anderem für die Sitzungen der sog. geschlossenen Ausschüsse. An deren Sitzungen dürfen nur die ordentlichen Mitglieder und deren namentlich benannten Stellvertretungen teilnehmen. Ob ein Ausschuss generell oder bei der Beratung von bestimmten Themen als geschlossener Ausschuss tagt, entscheidet das Plenum des Bundestages. So zählen der Verteidigungsausschuss und der Auswärtige Ausschuss zu den geschlossenen Ausschüssen, außerdem der Innenausschuss in Angelegenheiten der inneren Sicherheit.
Von besonderer Bedeutung für die Ausschussberatungen sind die Anhörungssitzungen, die die Ausschüsse zu den Gegenständen ihrer Beratung durchführen können. Mit der Anhörung von Sachverständigen, Interessenvertreterinnen bzw. -vertretern oder anderen Auskunftspersonen können die Ausschüsse sich Informationen über einen Beratungsgegenstand beschaffen, zum Beispiel über die erwarteten Auswirkungen einer geplanten Regelung in der Praxis. Das Recht, eine öffentliche Anhörung zu verlangen, ist dabei – solange es sich um eine Anhörung zu einer überwiesenen Vorlage und nicht um eine im Rahmen der Selbstbefassung handelt – als Minderheitenrecht ausgestaltet. Das bedeutet, dass insoweit ein Verlangen eines Viertels der Ausschussmitglieder ausreicht. Besondere Beteiligungsrechte besitzen unter bestimmten Voraussetzungen die auf Bundesebene bestehenden kommunalen Spitzenverbände sowie der bzw. die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.
Abgeschlossen werden die Beratungen im federführenden Ausschuss zu einem ihm überwiesenen Gesetzentwurf oder Antrag mit der Abstimmung über eine sog. Beschlussempfehlung. Mit dieser gibt der Ausschuss ein Votum für das Plenum ab, wie mit der betreffenden Vorlage weiter verfahren werden soll. So kann eine Beschlussempfehlung bezüglich eines Gesetzentwurfes beispielsweise vorschlagen, diesen (mit Änderungen) anzunehmen, abzulehnen oder für erledigt zu erklären. Neben diesem Votum enthält eine Beschlussempfehlung im Berichtsteil die entsprechende Begründung der Ausschussmehrheit, aber auch die Ansichten der Ausschussminderheit und die im Ausschuss erfolglos gebliebenen Änderungs- und Entschließungsanträge. Außerdem sind in ihr die Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse aufgeführt. Nach der Beschlussfassung im Ausschuss wird die Beschlussempfehlung mit dem Bericht als Bundestagsdrucksache veröffentlicht.
Von den Beschlussempfehlungen zu unterscheiden sind die Sitzungsprotokolle, die die Ausschusssekretariate für jede Sitzung ihres Ausschusses erstellen. In diesen ist neben den beratenen Ausschussdrucksachen und den Beschlüssen des Ausschusses auch eine Zusammenfassung des wesentlichen Beratungsverlaufs enthalten. Die Sitzungsprotokolle werden spätestens ein Jahr nach der entsprechenden Ausschusssitzung veröffentlicht, wenn es sich um ein Protokoll über eine nichtöffentliche Sitzung handelt oder das Protokoll mit dem Vermerk „Nur zur dienstlichen Verwendung“ versehen wurde. Im Übrigen sind die Protokolle, insbesondere die der öffentlichen Sitzungen, grundsätzlich unverzüglich zu veröffentlichen. Für die Protokolle der Sitzungen geschlossener Ausschüsse und solcher Ausschüsse, deren Beratungen sich durch eine besondere Vertraulichkeit auszeichnen, sowie für als Verschlusssachen eingestufte Protokolle gelten Sonderregelungen.
IX. Die Gesetzgebung
Die Gesetzgebung ist die wichtigste Aufgabe des Parlaments. Daher wird das Parlament auch Legislative – die gesetzgebende Gewalt – genannt.
Gesetzentwürfe können beim Bundestag durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden. Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages müssen von einer Fraktion oder von fünf Prozent der Abgeordneten unterzeichnet und mit einer kurzen Begründung versehen sein. Diese Vorlagen werden in der Regel auf elektronischem Wege an die Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates und an die Bundesministerien verteilt.
Gesetzentwürfe werden grundsätzlich in drei Beratungen, die auch Lesungen genannt werden, behandelt. In der ersten Beratung werden nur die Grundsätze des Entwurfes besprochen; Änderungsanträge dürfen nicht gestellt werden. Am Schluss der ersten Beratung wird der Gesetzentwurf einem Ausschuss überwiesen. Sollen mehrere – namentlich angeführte – Ausschüsse sich mit der Materie auseinandersetzen, muss der federführende Ausschuss benannt werden; zu einzelnen Punkten des Entwurfs können nach Absprache mit dem führenden Ausschuss weitere Ausschüsse Stellung nehmen.
Die Geschäftsordnung sieht besondere Möglichkeiten für den Fall vor, dass eine Fraktion ihren Entwurf etwa für eilig oder sehr einfach hält. Eine Fraktion – oder fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages – kann beantragen, bei einzelnen Entwürfen ohne die Prüfung durch einen Ausschuss sogleich in die zweite Beratung einzutreten. Dieser Antrag muss bis 18 Uhr des Vortages der Präsidentin bzw. dem Präsidenten vorgelegt werden. Es müssen zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten zustimmen, damit gleich in die zweite Beratung übergegangen werden kann. In der Praxis liegt es zumeist im Interesse der anderen Fraktionen, drei Lesungen durchzuführen, sodass der Antrag auf den unmittelbaren Eintritt in die zweite Beratung selten die erforderliche Mehrheit erhält.
Die zweite Beratung wird nur dann mit einer allgemeinen Aussprache eröffnet, wenn der Ältestenrat sie empfohlen oder eine Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten sie verlangt haben. Die zweite Lesung beginnt am zweiten Tag nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts, eine frühere Beratung kann von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschlossen werden. In zweiter Beratung können von jedem Mitglied des Bundestages Änderungsanträge eingebracht werden. Grundsätzlich wird über alle Teile eines Gesetzentwurfs gemeinsam abgestimmt. Auf Antrag einer Fraktion oder fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages kann ein Entwurf geteilt werden und die einzelnen Teile separat zur Abstimmung gestellt werden. Solange ein Gesetzentwurf insgesamt nicht beschlossen ist, kann er in Teilen oder im Ganzen an einen Ausschuss zurückverwiesen werden. Dieser Ausschuss muss nicht mit dem bisher befassten Ausschuss identisch sein. Völkerrechtliche Verträge werden nur in zwei Beratungen behandelt und können nur im Ganzen beschlossen werden. Änderungsanträge sind nicht zulässig. Wurde ein Entwurf in der zweiten Lesung abgelehnt, so folgt keine dritte Lesung mehr. Ansonsten bilden die Ergebnisse der zweiten Lesung die Grundlage der dritten. Wurde in der zweiten Beratung keine Änderung vorgenommen, dann schließt sich die dritte Beratung unmittelbar an. Wurden Änderungen beschlossen, so wird eine neue Drucksache erstellt. Die dritte Lesung beginnt in diesem Fall am zweiten Tag nach Verteilung dieser Drucksache – oder früher, falls zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten es so beschließen. Eine allgemeine Aussprache findet in der dritten Beratung nur dann statt, wenn diese in der zweiten Beratung nicht erfolgt ist, sie vom Ältestenrat empfohlen oder von fünf Prozent der Abgeordneten verlangt wird.
Änderungsvorschläge, die in der dritten Lesung eingebracht werden, müssen von einer Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten unterzeichnet sein und dürfen sich nur auf die Änderungen aus der zweiten Lesung beziehen. Wird die Vorlage an einen Ausschuss verwiesen und schlägt dieser Änderungen gegenüber der Fassung aus der zweiten Lesung vor, so wird der Entwurf noch einmal in zweiter Lesung behandelt. Nach Abschluss der dritten Beratung folgt die Schlussabstimmung, und zwar sogleich, wenn die Vorlage nicht mehr verändert wurde, oder auf Antrag einer Fraktion oder fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages mit dem nötigen zeitlichen Abstand, bis eine übersichtliche Fassung vorliegt.
Um das Scheitern eines vom Bundestag beschlossenen „zustimmungspflichtigen“ Gesetzes mangels Zustimmung des Bundesrates zu verhindern, kann das Parlament beschließen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dies muss von einer Fraktion oder fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages beantragt werden. Soll auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses das vom Parlament beschlossene Gesetz geändert werden, so greift die gesonderte Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses. Diese sieht für den Bundestag vor, dass der Vermittlungsvorschlag „alsbald“ auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen ist und ausschließlich über ihn, also ohne etwaige zusätzliche Änderungsvorschläge aus der Mitte des Bundestages, abzustimmen ist. Bei Änderungen des Grundgesetzes ist über jede Einzelheit des Vermittlungsvorschlages einzeln und schließlich insgesamt Beschluss zu fassen.
Soll im Falle von „Einspruchsgesetzen“ lediglich über einen Einspruch der Länderkammer gegen ein vom Parlament beschlossenes Gesetz abgestimmt werden, so sind die üblichen Arten der offenen Abstimmung (Handzeichen, Aufstehen und „Hammelsprung“), aber auch namentliche Abstimmung möglich. Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen des Bundesrates beschlossen, kann er durch einen Beschluss der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages (absolute Mehrheit) zurückgewiesen werden. Eine Besonderheit besteht allerdings im Falle eines Einspruchs durch eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat. In diesem Fall bedarf es auch einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten im Bundestag, um den Einspruch zurückzuweisen, wobei mindestens die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages für eine Zurückweisung stimmen müssen.
Finanzvorlagen mit grundsätzlicher Bedeutung oder erheblichem finanziellen Umfang unterliegen einigen Sondervorschriften. So regelt eine Vorschrift die rasche Behandlung jener Vorlagen der Bundesregierung, die der wirtschaftlichen Stabilität dienen sollen. Sie werden unmittelbar dem Haushaltsausschuss zugeleitet, der innerhalb von vier Wochen eine Beschlussempfehlung vorzulegen hat, ansonsten berät das Plenum in seiner nächsten Sitzung über sie, ohne einen Ausschussbericht abzuwarten. Die „Stabilitätsvorlagen“ dürfen nur zum Zweck einer Kürzung der Ausgaben geändert werden, eine Erhöhung der Ausgaben ist nicht zulässig.
Der Haushaltsausschuss ist – seiner Kernkompetenz entsprechend – auch für die Beratung von Haushaltsvorlagen (Haushaltsgesetz, Haushaltsplan, Nachtragshaushalte) zuständig. Dafür sieht die Geschäftsordnung ausreichende Zeiträume für seine Beratungen vor. Wenn der Haushaltsausschuss seine Beratung nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen abschließt, befasst sich der Bundestag ohne entsprechenden Bericht des Haushaltsausschusses mit den Vorlagen. Der Haushaltsausschuss prüft alle Vorlagen auf die Vereinbarkeit mit dem Haushaltsgesetz und die Haushaltsplanung und sucht nach Möglichkeiten für die Deckung neuer Ausgaben. Findet er keine Deckung, berät das Plenum erst gar nicht über den Gesetzentwurf, sondern zunächst allein über die Deckungsmöglichkeiten. Sieht auch der Bundestag keine Deckungsmöglichkeiten, so ist der Gesetzentwurf erledigt.
X. Anfragen und Fragen an die Bundesregierung
Die Kontrolle der Exekutive übt das Parlament nicht nur aus, indem es der Regierung Vorschriften macht (Gesetzgebung), sondern auch, indem es von seinem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht, etwa durch Kleine und Große Anfragen, Gebrauch macht.
Die Große Anfrage wird an die Bundesregierung insgesamt gestellt, sie wird – „kurz und bestimmt gefasst“ und meist mit einer Begründung versehen – bei der Präsidentin bzw. dem Präsidenten zur Weiterleitung eingereicht. Die Präsidentin bzw. der Präsident fordert die Regierung zur Erklärung auf, ob und wann sie die Große Anfrage beantwortet. Die Antwort wird auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt, aber auch die Ablehnung der Beantwortung oder eine Verzögerung der Antwort über eine Frist von drei Wochen hinaus kann im Plenum behandelt werden, falls eine Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten dies verlangen. Nimmt die Zahl der Großen Anfragen jedoch so sehr überhand, dass sie die Parlamentsarbeit behindern, so kann der Bundestag deren Beratungen ausnahmsweise auf einen bestimmten wöchentlichen Sitzungstag beschränken.
Die Kleinen Anfragen nehmen ebenfalls den Weg über die Bundestagspräsidentin bzw. den Bundestagspräsidenten zur Bundesregierung. Sie verlangen eine Antwort „über bestimmt bezeichnete Bereiche“. Die Geschäftsordnung verpflichtet die Fragestellerinnen und Fragesteller, in der Frage oder deren Begründung keine unsachlichen Feststellungen oder Wertungen zu treffen. Die Regierung hat vierzehn Tage – oder im gegenseitigen Einvernehmen auch etwas mehr – Zeit für ihre Antwort, die bei Kleinen Anfragen schriftlich erfolgt.
In jeder Sitzungswoche findet zudem eine Fragestunde statt, die bis zu 45 Minuten dauert. Die Abgeordneten dürfen jeweils bis zu zwei Fragen stellen, die je in zwei Unterfragen unterteilt werden können. Der Text dieser Fragen muss bis zum Freitag vor der Sitzungswoche um zehn Uhr der Präsidentin bzw. dem Präsidenten und um zwölf Uhr der Bundesregierung vorliegen. Antwortet ein Mitglied oder Vertreterin oder Vertreter der Bundesregierung (oft ist damit eine Parlamentarische Staatssekretärin oder ein Parlamentarischer Staatssekretär beauftragt) mündlich, so darf die Fragestellerin bzw. der Fragesteller zwei Zusatzfragen anbringen; andere Abgeordnete können weitere Zusatzfragen anfügen, wobei die sitzungsleitende Präsidentin bzw. der sitzungsleitende Präsident darauf zu achten hat, dass nicht ein Gegenstand die Fragen zu anderen Gegenständen verdrängt. Erlaubt sind auch bis zu vier Fragen im Monat, die von der Bundesregierung schriftlich beantwortet werden. Ist die Regierung säumig, können diese Fragen auch in der Fragestunde vorgebracht werden.
Eine besondere Form der Fragemöglichkeit ist die Regierungsbefragung. Sie ist der beschriebenen Fragestunde zeitlich vorangestellt. In der Regierungsbefragung beantworten zwei Regierungsmitglieder 90 Minuten lang spontane Fragen zu aktuellen Themen. Dreimal jährlich findet zu dem Termin der Regierungsbefragung eine Befragung der Bundeskanzlerin bzw. des Bundeskanzlers statt. Davon zu unterscheiden ist die Aktuelle Stunde, für welche gesonderte Regelungen in der Anlage 3 zur Geschäftsordnung zu finden sind. Das Wesentliche der Aktuellen Stunde ist, dass die Rednerinnen und Redner zu einem aktuellen Thema ein Gefecht im Fünf-Minuten-Takt austragen – Vorlagen und Beschlussfassung gibt es nicht. Die Redezeiten von Ministerinnen und Ministern oder Vertreterinnen und Vertretern des Bundesrates werden nicht auf die Gesamtzeit angerechnet. An einem parlamentarischen Sitzungstag wird nur eine Aktuelle Stunde abgehalten. Antragsberechtigt sind eine Fraktion oder fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages.
Während die Abgeordneten ihre Anliegen durch die Ausübung ihrer parlamentarischen Rechte vorbringen können, können sich die Bürgerinnen und Bürger durch Petitionen an das Parlament wenden. Das Parlament bündelt diese Beschwerden über Missstände und Bitten um Veränderung bei einem besonderen Ausschuss, dem Petitionsausschuss, dessen Aufgaben im Grundgesetz und in einem besonderen Gesetz geregelt sind. Die Geschäftsordnung bestimmt nur noch das Verfahren der Zuleitung der Begehren, der Beiziehung weiterer Ausschüsse, der Unterrichtung der Bundesregierung, der Beauftragung besonderer Abgeordneter oder Abgeordnetengruppen zur Behandlung einer Sache und die Berichtspflicht an das Plenum. Der Ausschuss legt dem Plenum in nahezu jeder Sitzungswoche Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Petitionen und jährlich einmal Rechenschaft in Form eines schriftlichen Berichts über seine Arbeit vor.
XI. Protokolle und Fristen
Im elften Kapitel der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages werden die Beurkundung und der Vollzug der Beschlüsse des Bundestages thematisiert. Über jede Plenarsitzung des Bundestages wird ein Stenografisches Protokoll angefertigt, das an die Mitglieder des Bundestages verteilt wird. Alle anderen Aufnahmen der Verhandlungen des Bundestages, zum Beispiel Audioaufnahmen, werden im Parlamentsarchiv niedergelegt, so dass ein nachträglicher Vergleich möglich ist. Die Protokolle sind wörtliche Aufzeichnungen der Reden. Daher haben die Rednerinnen und Redner das Recht, die Niederschrift ihrer Aussagen zu überprüfen und zu korrigieren, bevor die Protokolle veröffentlicht und damit verbindlich gemacht werden. Die Korrekturen dürfen jedoch den Sinn der ursprünglichen Rede weder insgesamt noch in einzelnen Teilen verändern. In Streitfällen zwischen Rednerin oder Redner und dem Stenografischen Dienst des Parlaments entscheidet die sitzungsleitende Präsidentin bzw. der sitzungsleitende Präsident, die bzw. der alle übrigen Beweismittel heranziehen kann. Auch Zwischenrufe werden Bestandteil des Plenarprotokolls.
Zudem erstellt die Präsidentin bzw. der Präsident über jede Sitzung ein Amtliches Protokoll der gefassten Beschlüsse. Wird nach der Verteilung an die Abgeordneten gegen Einzelheiten dieses Protokolls Einspruch erhoben und dieser nicht durch die Präsidentin bzw. den Präsidenten erledigt, so muss der Bundestag darüber abstimmen. Die Präsidentin bzw. der Präsident übersendet die beschlossenen Gesetze „unverzüglich“ dem Bundesrat und setzt davon auch die Bundeskanzlerin bzw. den Bundeskanzler und die federführende Ministerin oder den federführenden Minister in Kenntnis. Von da an kann der Bundestag nicht einmal mehr einen Druckfehler in dem Gesetz berichtigen, sondern muss den Bundesrat ersuchen, tätig zu werden.
Beginnt eine Frist mit der Verteilung von Drucksachen, dann wird erst von dem auf die Verteilung folgenden Tag an gerechnet. Die Verteilung gilt als erfolgt, wenn die Drucksache für die Mitglieder des Bundestages elektronisch abrufbar ist oder eine Verteilung in ihre Fächer stattgefunden hat. Ist eine Erklärung innerhalb einer Frist abzugeben, dann wird der Tag, an dem die Erklärung erfolgt, nicht mitgezählt.
Will der Bundestag von der Geschäftsordnung abweichen, müssen das zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten beschließen. In den Plenarsitzungen hat die Präsidentin bzw. der Präsident das Recht, die Geschäftsordnung auszulegen, ansonsten macht dies der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Gibt es ausreichende Zweifel an dessen Interpretation, so kann eine Entscheidung des Bundestages herbeigeführt werden.