Experten begrüßen Pläne für EU-Haushalt ab 2028 im Grundsatz
Zeit:
Mittwoch, 10. September 2025,
14.30
bis 17 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900 (Europasaal)
Expertinnen und Experten haben am Mittwochnachmittag, 10. September 2025, in einer Anhörung des Europaausschusses die Pläne der Europäischen Kommission für ein höheres EU-Budget in den Jahren 2028 bis 2034 im Grundsatz begrüßt. Insbesondere Vereinfachungen der Struktur, eine größere Flexibilität, geplante Kürzungen bei den Agrar- und Kohäsionsmitteln und die stärkere Konzentration auf Bereiche mit besonderem europäischen Mehrwert wie Forschung und Verteidigung fanden breite Zustimmung.
Kritik gab es unter anderem an den Vorschlägen für neue Einnahmequellen (Eigenmittel) sowie an den Plänen für einen Krisenmechanismus, der zusätzliche Darlehen an Mitgliedstaaten ermöglichen soll. Die EU-Kommission hatte am 16. Juli 2025 und am 3. September 2025 ihre Vorschläge für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028-2034 vorgestellt.
Einig waren sich die Experten, dass der vorgesehene Aufwuchs von voraussichtlich 1,12 Prozent des Bruttonationalprodukts im aktuellen MFR auf 1,26 Prozent eher gering ausfällt, zumal darin 0,11 Prozent für die Rückzahlung von Schulden aus dem Aufbauplan Next Generation EU enthalten sind.
Fragen zum Krisenreaktionsmechanismus
Prof. Dr. Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZWE) bezeichnete insbesondere die Kürzungen im Bereich der Agrar- und Kohäsionspolitik als nicht weitreichend genug. Neue Eigenmittel wie eine EU-Tabaksteuer oder eine neue Abgabe auf Elektroschrott würden die Mitgliedstaaten außerdem nicht entlasten, sondern ihre Fähigkeit zur eigenen Einnahmeerzielung verringern.
Der vorgesehene Krisenreaktionsmechanismus, mit dem neue Kredite in einer Krise jederzeit durch eine qualifizierte Mehrheit im Rat „und damit auch gegen die Stimme Deutschlands“ aktiviert werden könnten, werfe verfassungsrechtliche Fragen auf. Zentrale Ideen der Kommission gingen aber in die richtige Richtung.
Kontrolle der Mittelverwendung
Klaus-Heiner Lehne vom Europäischen Rechnungshof (EuRH) nannte die dem MFR zugrunde liegende Analyse der Kommission und dessen Zielsetzung „im Wesentlichen überzeugend“. Der EuRH habe schon mehrfach eine Vereinfachung von Haushaltsinstrumenten und Verfahren sowie eine erhöhte Flexibilität angemahnt. Die Verwendung von Mitteln müssen aber dennoch, auch in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit, angemessen kontrolliert werden.
Prof. Dr. Dirk Meyer vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität betonte, der MFR sollte ausgabenseitig auf europäische öffentliche Güter beschränkt bleiben. Dies ergäbe ein Einsparpotenzial in Höhe von mehr als 500 Milliarden Euro. Neue Eigenmittel wären damit verzichtbar. Darüber hinaus verwies er auf Ausfallrisiken bei der geplanten Kreditfaszilität im Rahmen des Krisenmechanismus. Er würde den Kreditzugang hochverschuldeter Staaten marktfremd aufrecht erhalten und sollte daher entfallen.
Repriorisierung von EU-Gelder
Die stärkere Flexibilisierung der Haushaltsmittel hob Dr. Nils Redeker vom Jacques Delors Centre (Hertie School) positiv hervor. Die aktuelle Weltlage mache es erforderlich, „dass die EU in der Lage ist, ihre Prioritäten anzupassen und auf Krisen zu reagieren“. Das gehe nicht mit einem Haushalt, in dem bis zu 90 Prozent der Mittel a priori für sieben Jahre festgeschrieben seien. Gelänge es tatsächlich, die Mittel auf gemeinsame europäische Investitionen umzuorientieren, würde das die „größte Reform des EU-Haushalts seit Ende der 1980er Jahre bedeuten“. Es sei immens wichtig, dass sich Bundesregierung und Bundestag offensiv dafür einsetzten.
Lucas Resende Carvalho vom Programm Europas Zukunft der Bertelsmann Stiftung und Katharina Wiese, Policy Managerin für wirtschaftlichen Wandel und Geschlechtergleichstellung beim European Environmental Bureau, hoben ebenfalls die Bedeutung einer Repriorisierung der EU-Gelder hervor. Der tatsächliche Aufwuchs im Kommissionsvorschlag bleibt ihrer Ansicht nach weit hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Wiese forderte eine deutliche Erhöhung des MFR-Etats, die Schaffung ausreichender Eigenmittel und verbindliche Investitionen in Höhe von 50 Prozent in Klima-, Biodiversitäts- und Sozialprojekte. Carvalho sprach sich für Umschichtungen in Zukunftsbereiche wie den Ausbau von Stromnetzen, die CO2-Reduktion oder die digitale Infrastruktur aus. (joh/10.09.2025)
Der Vorschlag der Europäischen Kommission über den Mehrjährigen Finanzrahmen nach 2027 war am Mittwoch, 10. September 2025, Gegenstand einer Anhörung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Dazu waren sechs Sachverständige geladen.
Prioritäten der Zukunft
Konkret geht es um die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Ein dynamischer EU-Haushalt für die Prioritäten der Zukunft – der Mehrjährige Finanzrahmen 2028-2034“ (Ratsdokument 11690/25) und den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses (EU, Euratom) 2020/2053 (Ratsdokument 11705 / 25).
Der Europaausschuss gehört zu den vier im Grundgesetz verankerten Ausschüssen. Er ist der zentrale Ort der europapolitischen Mitwirkung im Deutschen Bundestag und unter anderem für sämtliche Grundsatzfragen der europäischen Integration, institutionelle Themen, Strategiedokumente, die Finanzplanung der EU und Fragen der Erweiterung zuständig. Mit 34 ordentlichen und 34 stellvertretenden Mitgliedern zählt er zu den großen Ausschüssen. (10.09.2024)