Vereinbarte Debatte

Aussprache zum Jahrestag des Völkermords von Srebrenica

Nicht ohne heftige Kontroversen ist eine Vereinbarte Debatte am Freitag, 11. Juli 2025, anlässlich des 30. Jahrestages des Völkermordes von Srebrenica verlaufen. Was sich vor genau dreißig Jahren im bosnischen Städtchen Srebrenica zugetragen hat, daran erinnerte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner vor Eröffnung der Debatte. „Mit brutaler Gewalt“ seien Familien getrennt und mehr als 8.000 bosniakische Jungen und Männer ermordet worden. Tausende von Frauen seien vergewaltigt und gedemütigt und viele von ihnen ebenfalls ermordet worden. Nach dem Massaker seien es vor allem die überlebenden Frauen gewesen, die die Aufklärung vorangebracht und für die Anerkennung als Völkermord gekämpft hätten „und dies bis heute gegen Leugnungsversuche immer noch tun“, sagte Klöckner.

Außenstaatsminister: UN-Mandate nur tauglich, wenn robust

Mit Blick darauf, dass leicht bewaffnete niederländische UN-Schutztruppen den bosnisch-serbischen Angreifern unterlegen gewesen seien und sie „konnten nicht eingreifen oder wollten es nicht“, zog Gunther Krichbaum (CDU), Staatsminister im Auswärtigen Amt, den Schluss, „dass Mandate nur dann tauglich sind, wenn sie auch robust sind“.

Vielleicht die einzige Antwort, die man auf solche Ereignisse geben könne, laute „Europa. Damit Hass und Nationalismus überwunden werden“. Die Beitrittsverfahren der Westbalkan-Länder zur EU sei sehr technisch orientiert, beklagte Krichbaum, und eines gerate dabei häufig außer Sicht: „Dass die Aussöhnung gewissermaßen das Fundament ist, auf dem dieses europäische Haus gebaut wird.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg habe der französische Präsident den Mut zu dieser Aussöhnung mit Deutschland gehabt, und dieser Mut sei auch heute gefragt. Denn „Hass und Hetze können töten, auch heute noch“.

AfD sieht Schuld auf allen Seiten in Bosnien-Herzegowina

Dr. Alexander Wolf (AfD) forderte, das „grausige Massaker“ von Srebrenica im historischen Kontext zu sehen, „ohne damit das Verbrechen in irgendeiner Weise zu verharmlosen“. Es habe zuvor auch Gräueltaten bosniakischer Milizen an bosnisch-serbischen Zivilisten gegeben. Als sich der serbische Belagerungsring um Srebrenica enger gezogen habe, habe der bosniakische Oberbefehlshaber Izetbegovic deren Evakuierung abgelehnt und die dort eingeschlossenen Flüchtlinge „als Faustpfand missbraucht“.

Die später in der UN-Vollversammlung von Ruanda und „Moralweltmeister Deutschland“ eingebrachte Resolution zur Einstufung des Massakers als Völkermord sei „vor allem von der muslimischen Welt“ unterstützt und von vielen anderen Staaten abgelehnt worden, sagte Wolf. Letztlich sei „diese Einstufung keine historische, sondern eine politische Entscheidung“ gewesen und dazu eine „sehr unkluge“. Dr. Anna Rathert (AfD) merkte an: „Wenn wir uns weiterhin wie bisher in der Erzählung auf eine einzige Tätergruppe und auf eine einzige Opfergruppe fokussieren, wird das keine Versöhnung schaffen, sondern nur neue Verbitterung.“

Martin Sichert (AfD) wertete die gleich nach dem Zerfall Jugoslawiens von Serben, Kroaten und Bosniaken begonnenen „ethnischen Säuberungen“ als warnendes Beispiel für multikulturelle Gesellschaften. „Wo der Staat als ordnende Macht fehlt, wird Multikulti zum Schlachtfeld der verschiedenen Gruppen gegeneinander.“ Im Kleinen könne man das „heutzutage auf nahezu jedem Schulhof in Deutschland erleben“.

CDU/CSU: Aussöhnung ist möglich

Bundesaußenminister Dr. Johann David Wadephul schaltete sich spontan in die Debatte ein, um zu erklären, dass „dies nicht der richtige Anlass“ sei, um solche Fragen zu diskutieren. Und Jürgen Hardt (CDU/CSU) warf dem AfD-Redner Wolf vor, den Völkermord geleugnet und sich „an die Seite der Täter und nicht der Opfer“ gestellt zu haben.

Hardt zeigte sich optimistisch, dass eine Aussöhnung, wie sie sonst in Europa gelungen sei, auch in Bosnien-Herzegowina möglich ist. Voraussetzung sei eine ehrliche Auseinandersetzung mit den geschehenen Verbrechen und die „Bereitschaft zur ausgestreckten Hand“.

Hostert (SPD): Glaube an Bosniens europäischen Weg

Für die SPD-Fraktion erklärte Siemtje Möller, mehrere internationale Gerichte hätten festgestellt, dass es sich in Srebrenica um einen Völkermord gehandelt habe. Adis Ahmetovic (SPD) legte Wert auf die Feststellung, dass Srebrenica „kein singuläres Ereignis“ war. Zwischen 1992 und 1995 sei es zur „systematischen Vertreibung und Verschleppung von mehr als zwei Millionen Menschen“ gekommen, zur Ermordung von über 100.000 Zivilisten, zur Vergewaltigung von 50.000 Frauen und Mädchen und zur Errichtung von mehreren Konzentrationslagern.

Jasmina Hostert (SPD), die als Kind im Bosnienkrieg einen Arm verloren hatte, sagte, dieser „erste Völkermord auf europäischem Boden seit dem Holocaust“ hätte „verhindert werden können und verhindert werden müssen“. Sie machte aber auch Hoffnung für die Zukunft: „Ich glaube an ein gemeinsames Bosnien und Herzegowina, ich glaube an die Vielfalt und Stärke der Menschen, und ich glaube an Bosniens europäischen Weg.“

Grüne: Verhinderung des Völkermords wäre möglich gewesen

Gegen die These, die Vereinten Nationen hätten Srebrenica nicht verhindern können, wandte sich auch Boris Mijatovic (Bündnis 90/Die Grünen). Sechzig Flugzeuge seien über dem Mittelmeer einsatzbereit gewesen, aber nicht zum Einsatz gekommen.

Es gebe viele Zeugnisse, die das damalige Geschehen belegten, und in mehreren Gerichtsverfahren sei klargestellt worden, dass es sich in Srebrenica um einen Völkermord gehandelt habe, sagte Mijatovic. „Das zu leugnen ist ein Verbrechen.“

Linke: Auch israelische Kriegsverbrechen verurteilen

Für Gökay Akbulut (Die Linke) waren die Gräuel von Srebrenica „kein spontaner Ausbruch“, sondern eine geplante Tat, ein Völkermord. Sie hätten gezeigt, „wohin Nationalismus und Rassismus führt“. „Heute erleben wir, dass in Serbien und in der Republika Srbska die Leugnung und Relativierung dieses Verbrechens als Staatspolitik betrieben wird.“

Mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine müsse klar sein, dass auch die Kriegsverbrechen dort nicht ungesühnt bleiben, sagte Akbulut. „Putin und seine Generäle müssen sich verantworten.“ Es dürfe aber keine doppelten Standards geben. Deshalb sei für sie „nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung bei anderen Konflikten zivile Opfer verurteilt, in Bezug auf die israelischen Kriegsverbrechen in Gaza aber die Augen verschließt“. (pst/11.07.2025)