Parlament

Information zur Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze

Sechstes Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR

I. Hintergrund

Im September 2024 hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vorgelegt.
Im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens wurde der Entwurf nach der ersten Lesung am 26. September 2024 an den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages überwiesen. In der öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsauschuss am 6. November 2024, an der neben der SED-Opferbeauftragten weitere Sachverständige aus unterschiedlichen Fachbereichen teilnahmen, wurde der Entwurf der Bundesregierung einhellig als unzureichend kritisiert. Dies haben die zuständigen Abgeordneten der Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zum Anlass genommen, im Zuge weitreichender Verhandlungen umfassende Verbesserungen in den Gesetzesentwurf aufzunehmen.
Am 30. Januar 2025 wurde schlussendlich das um zahlreiche Punkte erweiterte Sechste Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom Bundestag beschlossen.
Hierdurch kommt es zu weitreichenden Verbesserungen im Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG), im Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG), im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) sowie im Häftlingshilfegesetz (HHG). Die nachfolgend im Einzelnen dargestellten Gesetzesänderungen treten zum 1. Juli 2025 in Kraft.

II. Gesetzesänderungen

Durch das Gesetz wird die soziale Lage der SED-Opfer nachhaltig verbessert (1.), bestehende Gerechtigkeitslücken werden geschlossen (2.) und die Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden wird grundlegend vereinfacht (3.). Zusätzlich wird ein bundesweiter Härtefallfonds für die Opfer der SED-Diktatur eingerichtet (4.).

1. Verbesserung der sozialen Lage

a. Erhöhung der SED-Opferrente
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)
Die besondere Zuwendung für Haftopfer gemäß § 17a StrRehaG (sog. SED-Opferrente) wird von 330 Euro auf 400 Euro erhöht. Dies entspricht einer Erhöhung um 21 Prozent, wodurch die Inflationsrate seit der letzten Erhöhung im Jahr 2019 ausgeglichen wird.

b. Dynamisierung der SED-Opferrente
Die Höhe der SED-Opferrente wird ab dem Jahr 2026 entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. Dabei soll die Anpassung durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz ohne Zustimmung des Bundesrates jeweils zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden (vgl. § 17a Abs. 1 Sätze 3 bis 6 StrRehaG neu). Damit wird die Opferrente zukunftsfest gemacht und es werden den stetig steigenden Lebenshaltungskosten und dem Geldwertverlust zumindest bis zu einem gewissen Grad Rechnung getragen.

c. Auflösung der Koppelung der SED-Opferrente an die Bedürftigkeit
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)
Der Erhalt der SED-Opferrente setzte bisher eine besondere Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage voraus (vgl. § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG). Diese Voraussetzung wurde nun im Gesetz gestrichen, sodass die Würdigung des individuell erlittenen Unrechts, das unabhängig von der wirtschaftlichen Lage besteht, stärker in den Mittelpunkt tritt. Hierdurch wird die Opferrente weiterentwickelt zu einer Ehrenpension.

d. Bessere Unterstützung von Familienangehörigen
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)
Der Anspruch auf die SED-Opferrente ist nicht vererbbar (vgl. § 17a Abs. 5 StrRehaG). Nach dem Tod des Berechtigten haben dessen nächste Angehörige (Ehegatten, Kinder, Eltern) jedoch unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen (vgl. § 18 Abs. 3 StrRehaG). Hiervon haben die Angehörigen allerdings oftmals gar keine Kenntnis. Um dem entgegenzuwirken, sind zukünftig die nächsten Angehörigen nach dem Tod des Berechtigten unverzüglich von der für die Gewährung der Opferrente zuständigen Behörde über die Unterstützungsleistungen nach § 18 Abs. 3 StrRehaG zu unterrichten (vgl. § 17a Abs. 3 Satz 2 StrRehaG neu).

e.  Auflösung der Koppelung der Unterstützungsleistungen an die Bedürftigkeit
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)
Auch der Erhalt der Unterstützungsleistungen setzte bisher grundsätzlich eine besondere Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage voraus (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG). Diese Voraussetzung fällt ebenfalls weg, sodass unmittelbar Betroffene oder die unter d. genannten Familienangehörigen in Zukunft keine Angaben mehr zu ihrer wirtschaftlichen Lage machen müssen.

f.   Erhöhung der Ausgleichleistungen für beruflich Verfolgte
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)
Die Ausgleichsleistungen für beruflich Verfolgte gemäß § 8 BerRehaG werden von 240 Euro auf 291 Euro erhöht. So wie die SED-Opferrente wird damit auch diese Leistung um 21 Prozent erhöht.

g. Dynamisierung der Ausgleichsleistungen für beruflich Verfolgte
Die Höhe der Ausgleichsleistungen wird – wie die Höhe der Opferrente – ab dem Jahr 2026 entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert (vgl. § 8 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BerRehaG neu).

h.  Verzicht auf die bisher vorgesehene Absenkung der monatlichen Ausgleichsleistungen bei Renteneintritt
Bisher war im Gesetz eine Absenkung der monatlichen Ausgleichleistungen von 240 Euro auf 180 Euro geregelt, wenn der Verfolgte eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus eigener Versicherung bezieht (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 BerRehaG). Durch Streichung dieser Norm wird auf eine derartige Absenkung der Ausgleichsleistungen bei Renteneintritt künftig verzichtet.

i. Keine Berücksichtigung von Partnereinkommen im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit
Ausgleichsleistungen erhalten beruflich Verfolgte nur, sofern sie in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit wurde bisher das Partnereinkommen berücksichtigt (vgl. § 8 Abs. 3 Sätze 3 und 4 BerRehaG). Eine derartige Anrechnung wird aus dem Gesetz gestrichen, sodass allein auf das Einkommen des oder der jeweils Betroffenen abgestellt wird.

j. Reduzierung der Verfolgungszeit bei beruflich Verfolgten
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)
Ausgleichsleistungen wurden beruflich Verfolgten bislang nur gewährt, wenn die Verfolgungszeit bis einschließlich zum 2. Oktober 1990 oder länger als drei Jahre gedauert hat (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BerRehaG). Diese dreijährige Verfolgungszeit wird nun auf zwei Jahre herabgesetzt (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BerRehaG neu).

2. Schließung von Gerechtigkeitslücken

a. Möglichkeit des wiederholten Antrags bei der strafrechtlichen Rehabilitierung
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)
Mit der Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetzte im Jahr 2019 wurde unter anderem die Rehabilitierung ehemaliger DDR-Heimkinder vereinfacht. Diese Vereinfachung hat wesentlich dazu beigetragen, dass in den letzten Jahren viele Betroffene gerichtlich rehabilitiert werden konnten. Allerdings bestand nach derzeitiger Rechtslage Uneinigkeit darüber, ob Betroffene, die vor der Novellierung von 2019 einen Antrag auf Rehabilitierung gestellt und in der Folge einen Ablehnungsbescheid erhalten haben, nunmehr einen erneuten Rehabilitierungsantrag (sogenannter Zweitantrag/Wiederholungsantrag) stellen können. Zur Herstellung von Rechtssicherheit wurde im Gesetz klagestellt, dass bei Änderung der Gesetzeslage ein erneutes Antragsrecht besteht (vgl. § 1 Abs. 6 Satz 2 StrRehaG neu).

b. Einbeziehung von Opfern von Zersetzung außerhalb der ehemaligen DDR
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)
Der Anwendungsbereich des VwRehaG erstreckte sich bislang nur auf das Gebiet der ehemaligen DDR (Beitrittsgebiet). Dies hatte zur Folge, dass Betroffene, die in der Bundesrepublik und in Westberlin Opfer der Staatssicherheit geworden sind, keinerlei Ansprüche hatten. Nun liegt eine Zersetzungsmaßnahme im Sinne des VwRehaG auch dann vor, wenn die Maßnahme gegen eine Person außerhalb des Beitrittsgebiets gerichtet war (vgl. § 1a Abs. 2 Satz 3 VwRehaG neu).

c. Gesetzlicher Anspruch auf eine einmalige Leistung für die Opfer von Zwangsaussiedlung
Bisher nicht ausreichend von den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen erfasst waren die Betroffenen von Zwangsaussiedlungen in der DDR. Diese Opfergruppe hat nun einen Anspruch auf eine einmalige Leistung in Höhe von 7.500 Euro (vgl. § 1a Abs. 2 Satz 2 VwRehaG neu). Dabei ist es unerheblich, dass möglicherweise bereits andere Leistungen im Zusammenhang mit der damaligen Zwangsaussiedlung gewährt wurden (vgl. § 1a Abs. 2 Satz 4 VwRehaG neu).
(Im Zuge des parlamentarischen Verfahrens wurde die Leistung von 1.500 Euro verfünffacht und etwaige Ausschlussmöglichkeiten wurden gestrichen)

3. Vereinfachte Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden
(aufgenommen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens)

Die Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden wird durch die Einführung einer kriterienbasierten Vermutungsregelung innerhalb § 21 StrRehaG, in § 3 VwRehaG sowie in § 4 HHG wesentlich vereinfacht. Künftig wird beim Vorliegen bestimmter schädigender Ereignisse sowie bestimmter gesundheitlicher Schädigungen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs vermutet. Was als schädigendes Ereignis bzw. gesundheitliche Schädigung im Sinne des Gesetzes gilt, wird unter Beachtung des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft durch Rechtsverordnung durch das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie im Benehmen mit der oder dem Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag bestimmt.

Durch die Einführung einer solch kriterienbasierten Vermutungsregelung wird den spezifischen Rahmenbedingungen des Erleidens einer gesundheitlichen Schädigung durch politische Repression durch den Gesetzgeber erstmals im ausreichenden Maße Rechnung getragen.

4. Einrichtung eines bundesweiten Härtefallfonds

In den ostdeutschen Ländern wurden in den letzten Jahren Härtefallfonds für die Opfer politischer Verfolgung in der Sowjetischen Besatzungszone und der SED-Diktatur eingerichtet. Die Härtefallfonds der Länder haben die Aufgabe, Hilfe für Bürgerinnen und Bürger, die in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR politisch verfolgt wurden und sich aktuell in einer besonderen wirtschaftlichen Notlage befinden, zu ermöglichen. Antragsberechtigt sind jedoch ausschließlich Personen mit Wohnsitz im jeweiligen Bundesland. Um Unterstützungsmöglichkeiten unabhängig vom Wohnort der Betroffenen zu schaffen, wird nun auch auf Bundesebene ein Härtefallfonds eingerichtet. Dafür wird das Gesetz über die Stiftung für ehemalige politisch Verfolgte (StepVG) geschaffen.
Der bundesweite Härtefallfonds wird bei der „Stiftung für ehemalige politisch Verfolgte“ angesiedelt sein. Die Stiftung wird Unterstützungsleistungen auf Grundlage einer von der SED-Opferbeauftragten zu erlassenen Richtline gewähren. Auf Unterstützungsleistungen aus dem bundesweiten Härtefallfonds besteht kein Rechtsanspruch.

 

[1] Zuvor: „Stiftung für ehemalige politische Häftlinge“