Worte von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner vor Eintritt in die Tagesordnung zum 30. Jahrestag des Völkermords von Srebrenica
[Stenografischer Dienst]
Präsidentin Julia Klöckner:
Guten Morgen zusammen! Hiermit ist die Sitzung eröffnet.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9:
Vereinbarte Debatte
aus Anlass des 30. Jahrestages des Völkermords von Srebrenica
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Haushaltsberatungen an diesem Freitag für eine Vereinbarte Debatte zu unterbrechen. Das ist ein außergewöhnlicher Schritt, für den ich den Fraktionen hier im Haus sehr dankbar bin.
Heute jährt sich der Völkermord von Srebrenica zum 30. Mal. Am 11. Juli 1995 eroberten bosnisch-serbische Milizen die UN-Schutzzone, in die Zehntausende bosnische Muslime geflüchtet waren. Mit brutaler Gewalt trennten die Angreifer Familien und deportierten Frauen, Kinder und Alte. Männer und Jungen hielten sie zurück, um sie in den folgenden Tagen systematisch zu ermorden.
Auf Initiative Ruandas und Deutschlands hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr den 11. Juli zum internationalen Gedenktag erklärt. Am Srebrenica Memorial Center findet heute eine internationale Gedenkveranstaltung statt.
Ich begrüße auf der Tribüne sehr, sehr herzlich den Botschafter von Bosnien und Herzegowina, Herrn Damir Arnaut. Herzlich willkommen!
(Beifall)
Danke, dass Sie da sind.
Etwa 8 000 Bosniaken wurden in Srebrenica ermordet - die meisten, wie gesagt, Männer und Jungen. Aber auch Frauen wurden - wie immer in Kriegen - Opfer. Auch sie wurden gemordet, noch öfter gezielt vergewaltigt und gedemütigt, wie so oft im Bosnien-Krieg, wie so oft in allen Kriegen.
Nach dem Massaker waren es vor allem die überlebenden Frauen, die die Aufklärung der Verbrechen voranbrachten und für die Anerkennung als Völkermord kämpften und dies bis heute gegen alle Leugnungsversuche immer noch tun. Unter dem Namen „Mütter von Srebrenica“ fordern sie weiter Gerechtigkeit für ihre ermordeten Söhne, ihre Ehemänner und Brüder.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Srebrenica war das schlimmste Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Völkermord war auch ein Scheitern der Vereinten Nationen, deren Friedenstruppen den Schutzsuchenden eben genau das nicht boten: Schutz.
Wir haben auch im Deutschen Bundestag Kollegen, deren Familie von der Geschichte geprägt ist, ich nenne den Kollegen Adis Ahmetovic, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Der Völkermord in Srebrenica ist Teil des Lebens seiner Familie. Sein Großvater wurde in einem Massengrab beerdigt.
Srebrenica steht auch für die Einsicht, dass die Durchsetzung von Menschenrechten sehr konkretes Handeln von uns allen verlangt. Das wird uns in der folgenden Debatte beschäftigen, die ich gleich eröffnen darf. Ich bitte Sie nun, sich zum Gedenken kurz von Ihren Plätzen zu erheben.
(Die Anwesenden erheben sich)
Ich bedanke mich herzlich bei Ihnen.
Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten vereinbart.
Hiermit eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Bundesregierung hat Herr Staatsminister Gunther Krichbaum.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)