Boris Pistorius: Putin will die Nato-Staaten provozieren
Deutschlands Verteidigungsausgaben sollen im kommenden Jahr auf 108,2 Milliarden Euro und damit auf einen erneuten Höchststand seit Ende des Kalten Krieges steigen. Das sieht der Etatentwurf für das Bundesministerium der Verteidigung im Bundeshaushalts 2026 (21/600) vor. Der Bundestag hat den Einzelplan 14 am Mittwoch, 24. September 2025, gut eineinhalb Stunden lang in erster Lesung beraten. Im regulären Wehretat sind Ausgaben von 82,69 Milliarden Euro (2025: 62,29 Milliarden Euro) eingeplant, weitere Ausgaben von 25,51 Milliarden Euro sollen aus dem Sondervermögen Bundeswehr finanziert werden.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rechnet damit, dass die Einnahmen bei 800 Millionen Euro liegen (2025: 1,6 Milliarden Euro). Der Einzelplan 14 soll nach den bis Freitag, 26. September 2025, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Minister: Anhaltende Bedrohung durch Russland
Pistorius rechtfertigte die erneute Steigerung der Verteidigungsausgaben mit der anhaltenden Bedrohung durch Russland. Der russische Präsident Wladimir Putin habe alle Bemühungen und Verhandlungen für eine Beendigung des völkerrechtswidrigen Krieges gegen die Ukraine nicht nur ignoriert, sondern die Brutalität dieses Krieges sogar noch gesteigert. Das wiederholte Eindringen von Drohnen und Flugzeugen in den polnischen und estnischen Luftraum innerhalb weniger Tage zeige, dass Putin auch gegenüber den Nato-Staaten „die Grenzen buchstäblich“ austeste. „Putin will die Nato-Mitgliedstaaten provozieren und er will vermeintliche Schwachstellen identifizieren“, sagte Pistorius.
Die Nato aber habe besonnen auf die Provokationen reagiert. Europa müsse insgesamt mehr Verantwortung im Bündnis übernehmen und die Bundeswehr müsse ihren Kernauftrag, die Landes- und Bündnisverteidigung „uneingeschränkt erfüllen“. Diesen „leider notwendig gewordenen Weg“ werde die Bundesregierung weiter gehen. Mit dem Gesetz über den „neuen Wehrdienst“ werde das Ziel, die Bundeswehr personell auf 260.000 aktive Soldaten und weitere 200.000 Reservisten aufzustocken, führte Pistorius an. Zugleich machte er allerdings deutlich, dass es auch zu Verpflichtungen zum Wehrdienst kommen müsse, wenn dies nicht gelingen sollte. Dies werde jedoch nur mit Zustimmung des Bundestages geschehen.
Zudem werde man mit dem neuen Planungs- und Beschaffungsgesetz die Rüstungsvorhaben der Bundeswehr in Zukunft schneller umsetzen können, versprach Pistorius. Beide Gesetzesvorhaben, die das Kabinett im Sommer auf den Weg gebracht hat, müssen aber erst noch vom Bundestag beraten und beschlossen werden.
AfD: Haushalterische Vernunft über Bord geworfen
Der AfD-Abgeordnete Jan Ralf Nolte begrüßte es zwar, dass „die Zeit der Geldnot“ bei der Bundeswehr nun beendet sei, kritisierte jedoch zugleich, dass die Bundesregierung „alle Grundsätze der haushalterischen Vernunft über Bord geworfen“ habe. Durch die hohen Schulden würden die Spielräume zukünftiger Generationen in der Innen-, der Sozial- und Bildungspolitik sowie anderen Politikfeldern „massiv eingeschränkt“. Die Regierung stehe nun in der Verantwortung, die Mittel verantwortungsvoll einzusetzen, forderte Nolte.
Doch bereits in der Vergangenheit sei dies gerade bei Infrastrukturmaßnahmen immer wieder an der Bürokratie gescheitert. Dies könne man in jeder beliebigen Kaserne beobachten. Zudem torpediere die Bundesregierung ihre Ziele und ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur der Bundeswehr durch ihre Klimapolitik, monierte Nolte. Diese Klimapolitik mache das Bauen „teuer, langwieriger und komplizierter“.
CDU/CSU: Wegschauen ist keine Option
Kerstin Vieregge (CDU/CSU) räumte ein, dass die „enorme Summe“ von rund 108 Milliarden Euro für Verteidigung „bei vielen Menschen Unbehagen auslöst“. Dies sei eine verständliche Reaktion, allerdings könne man die aktuelle geopolitische Lage nicht ausblenden. „Wegschauen ist keine Option“, betonte die Abgeordnete. Russland betreibe Desinformation und Sabotage, verletzte den Lufttraum von Nato-Staaten und durchtrenne Unterwasserkabel in der Ostsee.
Vieregge erinnerte an die Bedeutung Deutschlands bei der Verteidigung des Nato-Gebietes. Über die „Drehscheibe Deutschland“ müssten Truppen schnell an die Nato-Ostflanke verlegt und auch logistisch versorgt werden können. Zudem müsse das Zusammenspiel von militärischen und zivilen Stellen auf allen staatlichen Ebenen verbessert werden, um die Verteidigung insgesamt zu stärken. Dies sei „nicht nur eine Aufgabe des Bundes“, sondern auch der Länder und Kommunen. Dies erfordere unter anderem die Fähigkeit zur verschlüsselten Kommunikation. Auch dafür schaffe der vorgelegte Haushaltsentwurf Handlungsspielräume.
Grüne: Regeln des Vergaberechts einhalten
Dr. Sebastian Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) rechtfertigte die Bereichsausnahme für den Verteidigungshaushalt bei der Schuldenbremse als notwendig angesichts der Bedrohungslage. Doch allein mehr Geld werde die Probleme bei der Bundeswehr nicht beseitigen. Die Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen sei entscheidend für die langfristige Resilienz eines Gemeinwesens und deshalb sei eine „sorgfältige Haushaltsführung“ um so wichtiger, mahnte Schäfer.
Der Abgeordnete forderte zudem, die Regeln des Vergaberechts bei Rüstungsbeschaffungen einzuhalten. Das sei „keine sinnlose Bürokratie, sondern damit werde das Steuergeld der Bürger geschützt“. Es beriete ihm große Sorgen, dass Rüstungsaufträge „ohne Wettbewerb vergeben werden, obwohl es Wettbewerber gibt“.
Schäfer warnte davor, dass man etwa bei der Beschaffung der neuen Fregatten für die Marine „vor einem kompletten Abbruch“ stehe und dies inzwischen wohl alternativlos sei. Es würden Milliarden ausgegeben „ohne ein zuverlässiges Projektmanagement und ohne ein zuverlässiges Controlling“, dies könne so nicht weiter gehen. „Das untergräbt das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger“, sagte Schäfer.
Linke: Maßloser Aufrüstungshaushalt
Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke) forderte „substanzielle Änderungen“ am vorgelegten Verteidigungshaushalt. Dieser sei zu einem „maßlosen Aufrüstungshaushalt“ geworden. Im Etat seien bis zum Jahr 2041 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 300 Milliarden Euro festgeschrieben, obwohl niemand absehen könne, was passiert. Dadurch würden zukünftige Investitionen belastet und der soziale Zusammenhalt gefährdet. Viel wichtiger wäre es, in Schulen und Infrastruktur zu investieren, argumentierte Bartsch.
Er verwies zudem darauf, dass der Bundesrechnungshof nun bereits zum zweiten Mal angemahnt habe, dass der Verteidigungshaushalt nicht durchgängig den Vorgaben des Finanzministeriums entspreche. Zugleich forderte er mehr Anstrengungen im Bereich der Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik. Die Aufrüstungspolitik habe inzwischen dazu geführt, dass selbst die ärmsten Länder immer mehr Geld für Rüstung ausgeben würden.
SPD: Höhere Ausgaben eine Konsequenz der Zeitenwende
Andreas Schwarz (SPD) wies die Kritik von Bartsch zurück. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben sei „kein Selbstzweck, sondern die Konsequenz der Zeitenwende“. Die Regierung setze einen klaren Schwerpunkt auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Deutschland übernehme Verantwortung in der Nato und Europa mit der Stationierung einer Brigade in Litauen und der Luftverteidigung im Bündnis. Der Haushalt in dieser Höhe sei „notwendig“, betonte Schwarz.
Eine „alternative Politik, die direkt nach Moskau führt, hat in Deutschland nichts verloren.“ Schwarz erinnerte an Angriffe auf die kritische Infrastruktur oder Wirtschaft in Deutschland im Cyperspace. Deshalb investiere die Koalition in den kommenden Jahren rund zwei Milliarden Euro in die Cybersicherheit. Dies sei auch ein Innovationsmotor für Forschung und Wirtschaft in Deutschland. Die Bundeswehr benötige nicht nur modernste Waffen, sondern auch die modernste digitale Verteidigung.
Sondervermögen Bundeswehr
Im laufenden Jahr 2025 werden 62,43 Milliarden Euro im regulären Wehretat und 24,06 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr bereitgestellt. Deutschlands Verteidigungsausgaben sollen somit 2026 noch einmal um 21,85 Milliarden Euro anwachsen.
Möglich werden die gewaltigen Steigerungen der Verteidigungsausgaben im Vergleich zu den Vorjahren nur durch das 2022 vom Bundestag beschlossene Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro und durch eine Grundgesetzänderung am Ende der vergangenen Legislaturperiode, die die Verteidigungsausgaben von den Beschränkungen der sogenannten Schuldenbremse befreite.
Mehr Geld für militärische Beschaffungen
Am stärksten profitieren von den steigenden Verteidigungsausgaben sollen die militärische Beschaffung der Bundeswehr mit einem Ausgabenvolumen von insgesamt 47,88 Milliarden Euro. Aus dem Einzelplan 14 sollen 22,37 Milliarden Euro und aus dem Sondervermögen weitere 25,51 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Im laufenden Jahr plant der Bund mit Ausgaben von insgesamt 32,3 Milliarden Euro für militärische Beschaffungen. Allein 12,67 Milliarden Euro sind im regulären Wehretat 2026 und 2,13 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Beschaffung von Munition eingeplant.
Weitere Ausgaben von 7,56 Milliarden Euro sind für den Erhalt des vorhandenen Materials (2025: 6,8 Milliarden Euro) und 1,58 Milliarden Euro für Wehrforschung, Entwicklung und Erprobung (2025: 1,19 Milliarden Euro) veranschlagt.
Ausgaben für Personal und Unterkünfte steigen
Zur Deckung der Personalausgaben der Streitkräfte (Soldaten und Zivilangestellte) sollen 24,71 Milliarden Euro bewilligt werden, 823 Millionen Euro mehr als 2025.
Für die Unterbringung der Soldaten, den Betrieb und Erhalt von Kasernen und Anlagen sind Ausgaben von 11,31 Milliarden Euro vorgesehen, 1,52 Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr. (aw/hau/24.09.2025)
