Bundestag uneins bei Gesetz zur Stärkung kritischer Anlagen
Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. November 2025, den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022 / 2557 und zur Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen“ (21/2510) in erster Lesung beraten. Nach der Debatte überwiesen die Abgeordneten den Entwurf dem federführenden Innenausschuss zur weiteren Beratung.
Dobrindt: Sind Ziel hybrider Kriegsführung
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) betonte in der ersten Lesung, das Ziel und die Aufgabe des Kritis-Dachgesetzes sei es, „aus der kritischen Infrastruktur eine krisensichere Infrastruktur“ zu machen. Mit dem geplanten Gesetz sende die Koalition in einer Zeit der wachsenden hybriden Bedrohungen eine klare Botschaft, so Dobrindt. Das Kritis-Dachgesetz sorge dafür, dass Betreiber kritischer Infrastrukturen Resilienzmaßnahmen vornehmen und etwaige Vorfälle melden müssten. Sicherheit sei kein „garantierter Zustand“, sondern eine ständige Aufgabe, die die Wirtschaft, den Staat, Länder und Kommunen gemeinschaftlich betreffe, so Dobrindt.
„Deutschland befindet sich nicht im Krieg, aber wir sind Ziel einer hybriden Kriegsführung“, sagte Dobrindt weiter. Die Lage sei klar, die „Zeitenwende“ müsse nun auch in der inneren Sicherheit stattfinden. Das Kritis-Dachgesetz gehöre zu einem „Dreiklang zum Schutz unseres Landes“: Dieser bestehe daneben aus der derzeit debattierten Umsetzung der Nis2-Richtlinie im Bereich Cybersicherheit und Initiativen zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes. Dazu gehörten umfassende Investitionen, beispielsweise in das THW oder das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, sagte der Minister.
Union sieht Optimierungspotenzial
Das betonte auch Sebastian Schmidt (CDU/CSU), der jedoch auf Optimierungspotenzial bei der Harmonisierung hinwies.
So müsse sichergestellt werden, dass die Anforderungen mit den Vorgaben in der Nis2-Gesetzgebung abgestimmt seien, sagte Schmidt. Harmonisierung sei die Voraussetzung für eine praktikable Umsetzung und einen echten Mehrwert.
SPD: Gesetz fehlt die soziale Dimension
Mit dem Entwurf werde erstmals ein gemeinsamer rechtlicher Rahmen geschaffen, um kritische Infrastruktur zu definieren und besser zu schützen, sagte Rasha Nasr (SPD). Nötig sei ein Staat, der vorbereitet ist, statt erst dann zu reagieren, wenn etwas passiert. „Resilienz ist Daseinsvorsorge“, betonte sie und kündigte ebenfalls Änderungswünsche am Gesetzentwurf an.
Der Gesetzentwurf sei aktuell noch zu technisch und ihr fehle eine soziale Dimension. Die Menschen seien das Rückgrat der kritischen Infrastruktur und müssten mehr eingebunden werden, betonte sie. Zudem brauche es mehr Fairness in puncto Bürokratie. Kleine Betriebe dürften nicht an den Kosten scheitern, sagte Nasr.
AfD: Entwurf ist unausgegoren
Schärfere Kritik kam von AfD-Politiker Steffen Janich. Der Schutz der kritischen Infrastruktur sei „dringend geboten“, der Gesetzentwurf sei jedoch „unausgegoren“. Es entstünden erhebliche Belastungen für die Wirtschaft und die Kommunen. Dabei sei unklar, welche finanzielle Mehraufwendungen genau entstehen. Hier müsse die Bundesregierung nachschärfen, so Janich.
Er kritisierte weiter, dass der Blick des Gesetzes „stark nach Brüssel gehe“ und forderte, dass die Bundesregierung selbst imstande sein sollte, zu entscheiden, welche kritische Einrichtung von besonderer Bedeutung ist.
Grüne: Brauchen echte Offensive gegen hybride Bedrohung
Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass es eine echte Offensive gegen hybride Bedrohungen brauche. Wer das Land schützen wolle, dürfe keine weitere Zeit verlieren. Er bewerte es positiv, dass der Nationale Sicherheitsrat zusammengekommen sei und sich einen Plan überlegt habe.
Gleichzeitig sei eine Beteiligung des Parlaments nötig, denn „eine Strategie ist noch keine Maßnahme und kein Gesetz“, sagte Emmerich. Aktuell erlebe man in der Gesetzgebung ein sicherheitspolitisches Nebeneinander „ohne Takt und Tempo“, das nicht strategisch sei, kritisierte Emmerich. In Richtung des Innenministers fügt er hinzu: „Im Verwaltungsmodus oder im Schlafwagen wird das nicht gelingen.“
Linke fordern mehr parlamentarische Kontrolle
Clara Bünger (Die Linke) übte deutliche Kritik. Der Entwurf schütze die kritische Infrastruktur nicht wirksam, sagte sie und führte an, dass es beispielsweise keine regelmäßigen Überprüfungen der Maßnahmen gebe. Die höchste Strafe betrage zudem 500.000 Euro: „Das ist in den meisten Fällen günstiger als die Schutzmaßnahme selbst“, sagte sie.
Zudem drücke sich Schwarz-Rot um das Festlegen von Mindestanforderungen, die nicht nur von Fachleuten, sondern auch von der Richtlinie selbst gefordert würden. Stattdessen gebe die Bundesregierung die Verantwortung an das Innenministerium weiter und entziehe sich der parlamentarischen Kontrolle. Nötig sei jedoch eine regelmäßige Überprüfung, „und zwar hier im Bundestag“, sagte Bünger.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit dem Gesetzesvorhaben soll die Richtlinie (EU) 2022 / 2557 über die Resilienz kritischer Einrichtungen, die sogenannte CER-Richtlinie, in nationales Recht umgesetzt werden. Durch bundeseinheitliche Regelungen für den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen will die Bundesregierung die Resilienz der Wirtschaft und dadurch auch die Versorgungssicherheit der Bevölkerung stärken.
Das KRITIS-Dachgesetz macht Vorgaben zur Identifizierung von Betreibern kritischer Anlagen und kritischen Einrichtungen mit besonderer Bedeutung für Europa sowie Vorgaben zur Registrierung von Betreibern kritischer Anlagen. Es zielt zudem auf die Etablierung von nationalen Risikoanalysen und Risikobewertungen für kritische Dienstleistungen und die gesetzliche Verankerung wesentlicher nationaler Anforderungen für Resilienzmaßnahmen von Betreibern kritischer Anlagen ab. Außerdem ist die Einführung eines Meldewesens für Vorfälle geplant. (lbr/hau/06.11.2025)