Die AfD-Fraktion ist mit zwei steuerpolitischen Anträgen gescheitert. Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. November 2025, zwei Anträge der AfD-Fraktion mit den Titeln „Programm für Deutschland – Ein neuer Weg für die Ertragsteuern – Grundlegende Steuerreform zur Entlastung von Familien, Mittelstand und Unternehmen“ (21/589) und „Familien entlasten – Das Ehegattensplitting zu einer umfassenden Familienförderung umbauen“ (21/590) abgelehnt. Auf Grundlage von Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses (21/1598, 21/2601) wies das Parlament die beiden Vorlagen gegen das Votum der Antragsteller zurück.
SPD kritisiert fehlende Gegenfinanzierung
„Die AfD-Fraktion verkauft eine vermeintliche Steuer-Wunderreform“, kommentierte Frauke Heiligenstadt (SPD) in der finalen Debatte im Plenum für die SPD-Fraktion die AfD-Anträge. Das höre „sich vielleicht sogar erstmal gut und einfach an“. Allerdings bedeute dies einen „Systemwechsel zulasten von Gerechtigkeit, zulasten von Kommunen und zulasten der Wirtschaft“.
Eine pauschale Steuer von 22 Prozent klinge für manche vielleicht zunächst attraktiv. Aber eine solches Steuersystem ohne Progression, also ohne mit dem Einkommen wachsende Steuersätze, sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz.
Heiligenstadt verwies dabei insbesondere auf das dort verankerte Sozialstaatsgebot sowie das Prinzip der Leistungsfähigkeit im Steuersystem. Die AfD wolle Abschreibungsmöglichkeiten wie die Pendlerpauschale streichen, die doppelte Haushaltsführung, steuerfreie Zuschläge für Nacht- und Feiertagsarbeit. „Wer so vorgeht, verkennt die Arbeitswelt von Millionen Menschen“, sagte Heiligenstadt. Dazu komme, dass sich die AfD keine Gedanken über die Gegenfinanzierung mache. Die SPD-Abgeordnete sprach von „Luftschlössern“ im AfD-Konzept. Ihre Fraktion lehne Einschnitte bei Bildung, Rente und Sicherheit ab.
AfD: Steuer- und Abgabenlast ist zu hoch
Jörn König (AfD) kritisierte zu Beginn seiner Rede, dass die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland etwa 50 Prozent betrage. „Trotzdem stürzen bei uns Brücken ein, gibt es zu wenig Wohnungen und die Bundeswehr ist eine Lachnummer“, befand König. Das Steuersystem „sei extrem kompliziert und leistungsfeindlich“. Deshalb schlage seine Fraktion ein fundamental vereinfachtes Steuersystem vor. Man orientiere sich dabei an dem Konzept des früheren Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof von vor 25 Jahren vor.
Nicht nur für Millionäre solle ein Steuersatz von 25 Prozent gelten, sondern „für alle Fleißigen“, sagte König weiter. Aufgrund der hohen Freibeträge sei, anders als von Frauke Heiligenstadt erklärt, durchaus eine Progression eingebaut. Wer weniger als 41.000 Euro verdiene, werde entlastet. Zur Gegenfinanzierung habe seine Fraktion einen alternativen Bundeshaushalt vorgeschlagen mit 100 Milliarden Euro an Kürzungen. So sollten Ausländer kein Bürgergeld mehr erhalten und Mittel für den Klimaschutz gestrichen werden. „Diesen CO2-Schwindel hat Präsident Trump gerade beendet. Das können wir auch“, sagte König.
Union: Einkommensungleichheit würde steigen
Auch Dr. Florian Dorn (CDU/CSU) begann seine Rede mit einem weiteren Blick und verwies darauf, dass Deutschlands Wirtschaft sei fünf Jahren stagniere und die vergangenen zwei Jahre sogar Rezessionsjahre gewesen seien. Die privaten Investitionen seien eingebrochen und lägen real auf dem Niveau von 2015. Unter anderem machte er Energiekosten und überbordende Bürokratie dafür verantwortlich. Nötig sei deshalb eine „breite angebotsorientierte Politik“. Die Koalition handle: „Wir stärken den Standort mit Rekordinvestitionen in Infrastruktur und Digitalisierung, entlasten bei Energiekosten, bauen Bürokratie ab“, sagte Dorn. Um 16 Milliarden Euro wolle man Bürokratiekosten senken.
Auch strukturelle Reformen im Steuersystem seien bedeutend. Dorn verwies dabei auf die bereits im Juli vom Bundestag beschlossene Unternehmenssteuerreform. Diese sehe unter anderem eine schrittweise Senkung der Körperschaftssteuer vor. Diese bringe Deutschland auf das Durchschnittsniveau der G7-Staaten. Folglich würden Unternehmen „kein bisschen mehr profitieren“, als bereits beschlossen sei, denn damit würde sich künftig ebenfalls eine Belastung über die Gewerbe- und Körperschaftssteuer von 25 Prozent ergeben. Dorn weiter: „Sie entlasten vor allem die oberen Einkommen, natürlich erhöhen sie damit massiv die Einkommensungleichheit im Land.“ Außerdem würden die öffentlichen Haushalte massiv belastet. Dorn fragte in Richtung der AfD-Fraktion: „Wen schicken sie in die Zahlungsunfähigkeit? Den Bund, die Länder oder die Kommunen?“
Grüne: Infrastruktur stünde dann auf der Kippe
Ähnlich argumentierte Sascha Müller von Bündnis 90/Die Grünen. Zum AfD-Antrag sagte er: „Diese Pläne kommen vor allem den Reichen und Vermögenden zugute.“ Diese würden dem AfD-Antrag zufolge weniger zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. „In einem AfD-Staat könnte man nicht nur dann gut leben, wenn man die aus AfD-Sicht richtige Nationalität und wohl auch Hautfarbe hat, man müsste auch reich sein“, befand Müller.
Auch er warnte vor massiven Einnahmeausfällen für die öffentlichen Haushalte. Vielleicht gehe es der AfD deshalb gar nicht darum, Steuern zu senken, unkte Müller. Vielleicht folge sie eher der Idee, die bereits einmal formuliert worden sei: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser geht es der AfD.“ Mit dem AfD-Antrag würde es Deutschland schlechter gehen, weil die „gesamte Infrastruktur auf der Kippe“ stünde.
Linke: AfD möchte nur Reiche besserstellen
Auch Doris Achelwilm (Die Linke) kritisierte „Steuergeschenke für diejenigen, die es nicht nötig haben“. Sie erklärte: „Mit dem Vorschlag einer Flat Tax sollen Einkommensmillionäre und Durchschnittsverdiener den gleichen Grenzsteuersatz zahlen. Bei Spitzenverdienern sprechen wir von Steuerentlastungen im Millionenbereich pro Person.“
Angesichts der mangelhaften Vorschläge zur Gegenfinanzierung hätte die AfD-Fraktion den Antrag anstatt mit „Programm für Deutschland“ auch mit „nach uns die Sintflut“ betiteln können. „Der AfD-Antrag möchte eigentlich nur Reiche besserstellen und die öffentlichen Haushalte inklusive Sozialstaat demolieren. Dagegen stellen wir uns mit aller Entschiedenheit.“
Erster Antrag der AfD
Ab 2026 sollen die Ertragsteuern in einem einheitlichen Ertragsteuergesetzbuch geregelt werden, verlangt die AfD-Fraktion. Dabei soll es dem Antrag zufolge je eine Ertragsteuer für Unternehmen und natürliche Personen geben.
Zur Sicherung der kommunalen Finanzkraft soll eine Gemeindewirtschaftsteuer als Zuschlag auf das in der Kommune erwirtschaftete Einkommen natürlicher Personen und Unternehmen erhoben werden. Die Höhe der Gemeindewirtschaftsteuer soll von den Kommunen innerhalb bestimmter Bandbreiten festgelegt werden können.
Bei natürlichen Personen und Unternehmen sollen das Einkommen beziehungsweise der Gewinn mit einem einheitlichen Steuersatz von 22 Prozent und einem Zuschlag von bis zu drei Prozentpunkten für eine Gemeindewirtschaftsteuer belegt werden. Für Erwachsene soll ein Grundfreibetrag von 15.000 Euro eingeführt werden (Kinder 12.000). Grund- und andere Freibeträge sollen automatisch angepasst werden mit dem Ziel, die durchschnittliche Steuerbelastung für das entsprechend der Inflation gestiegene zu versteuernde Einkommen konstant zu halten.
Abschaffung des Solidaritätszuschlags
Den Solidaritätszuschlag will die AfD-Fraktion abschaffen. „Außerdem sollen die Steuersubventionen und Ausnahmetatbestände sowie Sonderregelungen entfallen, die steuersystematisch nicht zu rechtfertigen, kompliziert zu administrieren sind und die die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung verkleinern“, fordert die AfD-Fraktion.
Zur Begründung heißt es, Deutschland befinde sich mit der Abgabenlast an der Spitze der Industriestaaten und werde bei der Belastung von Arbeitnehmereinkommen nur von Belgien übertroffen. Das hohe Abgabenniveau führe dazu, dass das Land für Fachkräfte unattraktiv geworden sei. Gut ausgebildete Arbeitnehmer würden eher aus Deutschland auswandern, als dass sie einwandern.
Zweiter Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion will Familien steuerlich stark entlasten und dafür das Ehegattensplitting zu einer umfassenden Familienförderung umbauen. In einem Antrag (21/590) verlangt die Fraktion, anstelle der bisherigen steuerlichen Behandlung der Kinder durch Kinderfreibeträge sollten auch für Kinder großzügig bemessene Grundfreibeträge zur Anwendung kommen. Dies solle auch für Alleinerziehende gelten. Insgesamt solle erreicht werden, dass Arbeitnehmer-Familien ab dem dritten Kind bis zu einem Brutto-Jahreseinkommen in Höhe von 85.000 Euro keine Einkommensteuer zahlen müssen. Das Kindergeld soll weiterhin unabhängig von der steuerlichen Familienförderung erhalten werden.
Eines der größten Hindernisse bei der Familiengründung seien die hohen Kosten, schreibt die AfD-Fraktion in ihrem Antrag. Rund 58 Prozent der Deutschen hätten in einer Umfrage zu den Gründen für Kinderlosigkeit angegeben, dass Kinder einen zu großen Kostenfaktor darstellen würden. Daraus folge, dass die derzeitige steuerliche Entlastung und Förderung für Familien mit Kindern durch Ehegattensplitting und Kinderfreibeträge nicht ausreiche, um dem seit 50 Jahren stetig wachsenden Geburtendefizit entgegenzuwirken. Die Erweiterung des bestehenden Ehegattensplittings zu einem umfassenden Familienförderung sei eine geeignete Maßnahme, um die Familie als Wirtschaftseinheit steuerlich besser abzubilden als das bisherige System mit Freibeträgen und Günstigerprüfung beim Kindergeld. (bal/06.11.2025)