Zeit:
Mittwoch, 15. Oktober 2025,
15
bis 16 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3 101
Gesundheitsexperten und Industrieverbände begrüßen grundsätzlich das Vorhaben der Bundesregierung, die allgemeine Verfügbarkeit gefährlicher Industriechemikalien, die missbräuchlich als Drogen oder sogenannte K.O.-Tropfen verwendet werden, zu regulieren. Sachverständige fordern allerdings zugleich mehr Aufklärung und Prävention, um insbesondere Jugendliche effektiver zu schützen. Die Experten äußerten sich am Mittwoch, 15. Oktober 2025, in der Anhörung des Gesundheitsausschusses zum aktuellen Gesetzentwurf (21/1504, 21/1927) sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Präventionsprogramme gefordert
Der Verein KO – Kein Opfer forderte Nachbesserungen an dem Gesetzentwurf und mehr Prävention. Es sei zu begrüßen, dass der Bund dem Problem psychoaktiver Stoffe mehr Aufmerksamkeit schenke. Stoffe, die als K.O.-Tropfen verwendet werden, gehörten dringend in einen wirksamen und klaren Regelrahmen. Allerdings berge der Entwurf erhebliche Risiken und Lücken. Wenn der Gesetzestext nicht alle Stoffvarianten und Wirkungsweisen flexibel berücksichtige, könnten Täter sich über chemische Modifikationen entziehen. Zudem führen Erinnerungslücken leicht dazu, dass Betroffenen nicht geglaubt werde. Daher könne ein Gesetz, das Regelungen zur Beweissicherung und klare Zuständigkeiten festlege, helfen. Ferner bestehe in Schulen, in der Jugendarbeit, in der Polizeiausbildung und der Justiz großer Bedarf an Wissen über K.O.-Tropfen. Daher müsse flankierend zu dem Gesetz die Prävention finanziert und verankert werden.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte, der Gesetzentwurf sei grundsätzlich unterstützenswert und überfällig. Er schaffe eine Rechtsgrundlage zum polizeilichen Umgang mit der missbräuchlichen Nutzung und dem dazu bestimmten Vertrieb von Lachgas, GBL und BDO und könne den Jugendschutz stärken. Darüber hinaus sei aber eine umfassende Aufklärungsoffensive notwendig. Die Rechtsänderung müsse von einem breit angelegten Präventionsprogramm begleitet werden. Vor allem Schulen und Bildungseinrichtungen benötigten Ressourcen, um Präventionsprogramme und Aufklärungskampagnen für Schüler umzusetzen.
Apothekenpflicht, Pflichtaufklärung und Werbeverbote
Der Suchtforscher Prof. Dr. Bernd Werse erklärte, es sei zu begrüßen, dass es nach mehreren Jahren der flächendeckenden Verbreitung von großen Lachgas-Behältern eine Regulierung geben solle, die erstmals einen Jugendschutz für diese Substanz gewährleiste. Allerdings seien pauschale Verbote bestimmter psychoaktiver Substanzen abzulehnen. Für alle Drogen sollte es eine legale Regulierung geben. Werse brachte eine Apothekenpflicht ins Spiel, Pflichtaufklärung und Werbeverbote sowie erweitere Warnhinweise und Sicherungen. Um die gezielte Aufklärung zu verbessern, sei auch eine verstärkte Grundlagenforschung nötig. Damit wäre potenziellen Opfern besser geholfen als mit einer Kriminalisierung bestimmter Substanzen.
Der Industriegaseverband (IGV) erklärte, das Anliegen, Jugendliche vor dem Missbrauch von Lachgas zu schützen, werde unterstützt. Der Verband würdigte, dass die geplante Neuregelung mit einer geringen Zusatzbelastung für Wirtschaft und Verwaltung einhergehe. Entscheidend sei, rechtssichere Ausnahmen für industrielle und private Anwendungen zu verankern und den Bürokratieaufwand minimal zu halten. Die vorgesehene Positivliste sowie das Versand- und Automatenhandelsverbot setzten einen klaren Rahmen gegen Missbrauch. Positiv sei auch, dass gewerbliche, industrielle und wissenschaftliche Zwecke sowie die Verwendung als Arzneimittel ausgenommen seien.
Missbrauch mit Lachgas verhindern
Ähnlich äußerte sich der Verband der chemischen Industrie (VCI), der darauf hinwies, dass GBL und BDO in der industriellen Produktion in großem Maßstab genutzt werden, etwa als Lösungsmittel oder Ausgangsstoff für Pharmazeutika. Die industrielle Verwendung beider Stoffe müsse sichergestellt sein. Um Missbrauch mit den Substanzen zu verhindern, sei eine Beschränkung von Produkten für Endverbraucher, die GBL oder BDO beinhalten, notwendig und eine sinnvolle Ergänzung zu den freiwilligen Auflagen der Industrie. Die geplante Reform sei positiv, jedoch werbe der VCI für eine gesamteuropäische Lösung in der Regelung beider Stoffe.
Die Bundesärztekammer (BÄK) warnte nachdrücklich vor den Folgen einer missbräuchlichen Verwendung von Lachgas. Die BÄK sprach sich dafür aus, die Abgabemenge von Kapseln mit 8 Gramm Lachgas an Endverbraucher im Einzelhandel zu begrenzen. Es sei zu erwarten, dass sich der Konsum infolge eines Verbotes größerer Lachgasflaschen auf kleinere Einheiten verlagere. Auch sollte jede Form von Werbung und Sponsoring für Lachgas streng reguliert und eingeschränkt werden. Dies müsse auch in Sozialen Medien umgesetzt und überwacht werden. Außerdem müssten Aromastoffe für Lachgas verboten werden. Auf die Problematik der kleinen Lachgas-Abgabemengen, der Werbung und der Aromastoffe gingen in der Anhörung mehrere Experten teils kritisch ein.
Eine Sprecherin des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) schilderte in der Anhörung, dass Kinder und Jugendliche mit dieser Art von Drogen meist überhaupt keine Erfahrung hätten und schnell überfordert sein könnten. Konkrete Gesundheitsgefahren ergäben sich etwa dann, wenn die Opfer erbrechen müssten und am Erbrochenen zu erstickten drohten. Hinzu komme der völlig unerwartete Kontrollverlust, das verursache Angst und könne sogar zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen. (pk/15.10.2025)