Missachtung von Kinderrechten und „überhöhte Gema-Gebühren“
Beim Posten und Vermarkten von Kindern im Internet werden oftmals Kinderrechte missachtet. Darauf hat die 26-jährige Industriekauffrau Annemarie Lehmkemper während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag, 15. September 2025, aufmerksam gemacht. Lehmkemper hatte sich im vergangenen Jahr mit einer Petition an den Ausschuss gewandt und eine „Verschärfung der Gesetze in Bezug auf das Posten und Vermarkten von Kindern im Internet“ gefordert. 54.129 Personen hatten die öffentliche Eingabe (ID 172605) auf der Petitionsplattform des Bundestages mitgezeichnet.
Gravierende Gefahren durch Posten von Kinderbildern
„Das Posten von Kinderbildern im Internet birgt gravierende Gefahren in sich“, sagte die Petentin zu Beginn der Sitzung. Es gehe um Missbrauch und Sexualisierung, weil selbst harmlose Fotos in die Hände Krimineller geraten, dann mittels Künstlicher Intelligenz manipuliert und auf illegale Plattformen verbreitet werden könnten. Auch könne es zu einem Identitätendiebstahl kommen. „Daten und Bilder von Kindern könnten für Fake-Profile, Betrug oder sogar Deep-Fakes missbraucht werden.“ Inhalte, die Eltern heute niedlich finden, könnten Kinder später belasten, zu Scham führen oder als Mobbing-Vorlage dienen.
Lehmkemper nannte auch das Problem der Kommerzialisierung. Kinder würden zunehmend für Social-Media-Inhalte eingesetzt, „oft ohne Mitspracherecht, ohne Schutz und ohne Anspruch auf die erzielten Einnahmen“. Dabei garantiere die UN-Kinderrechtskonvention Kindern das Recht auf Privatsphäre, wie die Petentin betonte. Dieses Recht werde tatsächlich in Deutschland aber nicht ausreichend umgesetzt.
„Datenschutzrecht von Kindern konsequent umsetzen“
Die Petentin verlangte, das Datenschutzrecht von Kindern konsequent umzusetzen, die kommerzielle Verwertung von Kinderbildern zu regulieren, Sanktionen bei Verstößen vorzusehen und die Öffentlichkeit durch Aufklärungskampagnen stärker zu sensibilisieren. Was heute über Kinder veröffentlicht werde, „begleitet sie ein Leben lang“, sagte Lehmkemper. Es sei höchste Zeit, ihre Rechte auch im digitalen Raum wirksam zu schützen.
Auf Nachfrage der Abgeordneten erläuterte sie, dass das Hauptthema ihrer Petition die Kommerzialisierung sei – etwa beim professionellen Family-Blogging. Aber auch Eltern, die mit den Postings kein Geld verdienten, „verletzen die Rechte der Kinder“.
Breiter Strauß an Rechtsfragen
Lukas Glaser vom Deutschen Kinderhilfswerk, der der Petentin bei der Sitzung zur Seite stand, sagte, insbesondere das Family-Influencing werfe einen breiten Strauß an Rechtsfragen auf. In erster Linie sei es aber das Jugendarbeitsschutzgesetz, was hier zum Tragen kommen könne. Eigentlich müssten Eltern, die ihre Kinder posten, eine Ausnahmegenehmigung einholen, sagte er. Tatsächlich passiere das aber so gut wie nie.
Glaser sprach sich dafür aus, Kinder so früh wie möglich bei der Frage einzubeziehen, ob Bilder von ihnen veröffentlicht werden sollten. Die Schwelle der Einsichtsfähigkeit sollte aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerks in diesem speziellen Kontext von aktuell 14 auf 10 Jahre abgesenkt werden. Ab diesem Alter sollten Kinder in die Entscheidung mit einbezogen werden, um ihren Beteiligungsrechten gerecht zu werden.
Zeitnahe Ressortbesprechung angekündigt
Aus Sicht der Bundesregierung gibt es aktuell bei dem Thema ein „Defizit bei Studien und Erkenntnisgewinnung“. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Mareike Wulf (CDU), verwies darauf, dass es zu unterscheiden gelte zwischen dem sogenannten Posten der Kinderbilder durch die Eltern, das Influencing – wenn Kinder von sich aus posten – und den Family-Influencern, die ein kommerzielles Interesse verfolgten.
„Das macht einen sehr großen Rechtsrahmen auf und betrifft mehrere Ressorts“, sagte Wulf und kündigte eine zeitnahe Ressortbesprechung zu dem Thema an.
Künstliche Intelligenz verschärft Problematik
Ein Vertreter der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz sprach von einer seit Jahren steigende Relevanz dieses Themenfeldes. Verstärkt werde die Problematik durch die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. Aus ursprünglich harmlosen Bildern werde so kinderpornografisches Material erstellt. „Das ist eine sehr große Problematik“, sagte er.
Zugleich verwies er auf den Digital Service Act (DAS), der als europäisches Instrument der Plattformregulierung zu nennen sei. Die von der EU dazu verabschiedeten Leitlinien griffen zwar das Thema des Postens von Kinderbildern durch die Eltern noch nicht auf, ließen aber den Regulierern Platz für präventive Vorsorgemaßnahmen. Ein denkbarer Ansatz ist aus Sicht des Vertreters der Bundeszentrale, Warnhinweise auszuspielen, „wenn entsprechender Content hochgeladen werden soll“.
Petition der Tanzschulinhaber
Die in einer Petition der Deutschen Tanzschulinhaber-Vereinigung (DTIV) geforderte Mitwirkung der Nutzervereinigungen bei der Tarifaufstellung der Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA kann es aus Sicht der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Anette Kramme (SPD), nicht geben.
Der Komponist eines Musikstückes habe das „ureigene Recht, darüber zu entscheiden, ob er es in der einmaligen Nutzung für 50 Euro verkauft oder für zehn Cent“, sagte Kramme während der Beratung einer zweiten Petition im Ausschuss: „Deshalb passt es strukturell nicht, den Nutzer bei der GEMA miteinzubeziehen.“ Dies passiere in späteren Verhandlungen. Für diese habe die GEMA gesetzliche Auflagen wie etwa die Angemessenheit des Tarifs, so Kramme.
„GEMA missbraucht ihre Monopolstellung“
Genau diese Angemessenheit ist aber aus Sicht des DTIV nicht gegeben. „Die GEMA missbraucht ihre Monopolstellung gegenüber den auf die Musiknutzung zu angemessenen Bedingungen angewiesenen Verbänden“, heißt es in der der Sitzung zugrundeliegenden Petition von Miron Jakubczyk, Geschäftsführer der Tanzschule Traumtänzer in Berlin.
Die GEMA habe die jahrelang praktizierte, vertrauensvolle Zusammenarbeit verlassen und versucht nun, den Nutzern ihre Bedingungen unter Androhung gerichtlicher Schritte zu diktieren, schreibt der Petent. Sie umgehe die Nutzervereinigungen und rechne mit Endnutzern einzeln nach ihren Konditionen ab, wobei die bisherigen Pauschalverträge wegfielen.
„Kreatives Schaffen muss fair honoriert werden“
Es stehe für die DTIV außer Frage, „dass kreatives Schaffen fair honoriert werden muss“, sagte Jakubczyk während der Sitzung. Zugleich müsse aber auch sichergestellt werden, dass diejenigen, die Musik zugänglich machen, durch GEMA-Gebühren nicht so stark belastet werden, dass sie weniger oder keine Musik mehr spielen. Diese Gefahr gebe es angesichts der „überhöhen Gebühren“. Tanzschulen stünden vor dem Aus, Vereine würden Veranstaltungen absagen „und auf Weihnachtsmärkten verstummt die Musik“.
Das „Tarifdiktat der GEMA“ gefährde wirtschaftliche Existenzen, sagte der Petent. Bei der geplanten Novellierung des Verwertungsgesellschaftengesetzes müssten daher durch eine Ex-ante-Preisfestsetzung faire Verhandlungen mit der GEMA zum Normalfall werden, „und nicht der jahrelange Weg über Schiedsstellen und Gerichte“.
Zur Fortsetzung der Pauschalvertragspraxis verpflichtet
Diesen Weg habe auch die DTIV hinter sich, so Jakubczyk. Nach jahrelangem Rechtsstreit habe der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass die GEMA zur Fortsetzung der Pauschalvertragspraxis mit der DTIV verpflichtet sei.
Für Staatssekretärin Kramme ist dieses Urteil ein Beleg dafür, dass die „Schutzmechanismen gegen die Machtstellung der GEMA“ existieren. Die Hauptmechanismen seien die Angemessenheit, die Schiedsstelle und schließlich das gerichtliche Verfahren.
BGH-Entscheidung immer noch nicht rechtsgültig
Bis zur Entscheidung des BGH seien fünf Jahre ins Land gegangen – rechtsgültig sei sie noch immer nicht, sagte Tanzschulenleiter Jakubczyk. Zudem sei der Weg zur Schiedsstelle sehr aufwändig und sehr teuer. Vielfach habe man daher die höheren Gebühren gezahlt. Mittlerweile aber seien die Forderungen der GEMA in einer Größenordnung, „dass wir da nicht mehr wegsehen“.
Eine andere Forderung der Petition bezieht sich auf das Ende der GEMA-Vermutung. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei Musiknutzungen grundsätzlich GEMA-geschützte Musik verwendet wird. Veranstalter müssten durch detaillierte Angaben belegen, dass sie nur Musik von Urhebern verwendet haben, die nicht durch die GEMA vertreten werden. Das sei nicht mehr zeitgemäß, sagte der Petent mit Blick auf Veröffentlichungen von GEMA-freier Musik durch junge Urheber sowie der aktuellen Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz.
„Eine Beweislastumkehr wird es nicht geben“
Eine Beweislastumkehr wird es aber nicht geben, machte Justiz-Staatssekretärin Kramme deutlich. „Das würde bedeuten, dass bei jeder Veranstaltung ein Mitarbeiter der GEMA vor Ort ist und festhält, welche Lieder gespielt werden“, sagte sie. Das funktioniere nicht.
Die den Petenten begleitende Politikberaterin Kathrin Zabel konstatierte einen Webfehler im Verwertungsgesellschaftengesetz. Mit ihm sei eine gesetzliche Grundlage für ein Monopol geschaffen worden, „ohne eine staatliche Kontrolle und ohne die Möglichkeit, die Nutzer bei der Tariffindung miteinzubeziehen“. (hau/15.09.2025)