Zeit:
Mittwoch, 10. September 2025,
16.30
bis 18.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200
Die Sachverständigen haben in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am Mittwoch, 10. September 2025, die Wichtigkeit und Notwendigkeit des Baus neuer Wohnungen unterstrichen, den von der Bundesregierung geplanten „Bau-Turbo“ aber sehr unterschiedlich und zum Teil als nicht weitreichend genug beurteilt. So begrüßte die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in ihrer Stellungnahme die mit dem Gesetzentwurf verfolgten Ziele. Gleichzeitig müssten aber die weiteren Ursachen für den Rückgang der Bautätigkeit im Wohnungsbau angegangen werden wie gestiegene Bau- und Finanzierungskosten, Fachkräftemangel und Materialknappheit.
Mit dem „Bau-Turbo“ (21/781neu) sollen Gemeinden den Bau zusätzlicher Wohnungen unter bestimmten Bedingungen auch ohne Bebauungsplan zulassen können. Die Regelung ist bis zum 31. Dezember 2030 befristet. Zudem soll mehr Wohnbebauung als bisher in der Nähe von Gewerbebetrieben ermöglicht werden. In begründeten Fällen sollen daher Abweichungen von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm zulässig sein.
Wohnungsbau zum Leben erwecken
In der von der Vorsitzenden Caren Lay (Die Linke) geleiteten Anhörung begrüßte Dr. Christian Lieberknecht vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) den Gesetzentwurf. Der könne aber nur ein Baustein von mehreren sein, um Baukosten zu begrenzen und Wohnen bezahlbar zu machen. Der von der CDU/CSU-Fraktion benannte Sachverständige nannte die Bereitstellung von zusätzlichem Wohnraum angesichts des weiteren Wachstums der Bevölkerung unabdingbar.
Dirk Salewski vom Bundesverband der Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) erklärte, mit dem Entwurf werde das Bauplanungsrecht punktuell vereinfacht und es werde somit zu punktuellen Verbesserungen im Wohnungsbau kommen. Man brauche aber viele Instrumente, um den Wohnungsbau wieder zum Leben zu erwecken, sagte der von der CDU/CSU benannte Sachverständige. Die in dem Entwurf vorgesehene Verlängerung des Verbots der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit angespannter Wohnlage lehnte er ab: „Umwandlungsverbote sind Eingriffe in den freien Markt, die die Eigentumsbildung verhindern, ohne dass neue Wohnungen gebaut werden.“
Dagegen sprach sich Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund für die Verlängerung des Umwandlungsverbots aus. Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen würden in aller Regel zu einer Verdrängung von Mieterinnen und Mietern beziehungsweise zu erheblichen Mietsteigerungen führen, erklärte die von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige.
„Änderungen beim Lärmschutz sind revolutionär“
Prof. Dr. Matthias Hellriegel von Hellriegel Rechtsanwälte begrüßte den Gesetzentwurf sehr. Die Änderungen beim Lärmschutz seien revolutionär. Die Regelungen könnten dazu beitragen, „den Wohnungsbau anzukurbeln“. Kritikern entgegnete er, die Kommunen könnten den Bau-Turbo anwenden, müssten das aber nicht, sagte der von der CDU/CSU benannte Sachverständige.
Für Änderungen am Gesetzentwurf sprach sich Andrea Gebhard von der Bundesarchitektenkammer aus. Sie verlangte, den Paragrafen 246e, eine zentrale Bestimmung des Bau-Turbos, zu ändern. Mit der jetzigen Fassung werde der Bau von Einfamilienhäusern möglich. Es sei jedoch der Geschossbau und nicht das Einfamilienhaus, der mehr Wohnraum schaffe. Daher müsse die Vorschrift auf Neubauten mit mindestens sechs Wohnungen beschränkt werden, erklärte die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige. Auch Weber-Moritz vom Mieterbund plädierte dafür, den Bau von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen für Selbstnutzer prinzipiell auszuschließen.
Für die von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige Aygül Özkan vom Zentralen Immobilien Ausschuss reicht es für den Wohnungsbau nicht aus, den Turbo zu zünden. Sie sah „erheblichen Nachbesserungsbedarf“ und verlangte eine längere Geltungsdauer des bis Ende 2030 befristeten Turbos, etwa bis 2035. Komplexe Bauvorhaben in urbanen Räumen würden eine deutlich längere Planungssicherheit benötigen. Die Befristung bis Ende 2030 dürfe kaum zu wesentlichen Effekten führen, sagte auch der von der AfD-Fraktion benannte Unternehmensberater Peter Lutz. Wohnungsbau brauche eine Langfristperspektive, die hier nicht erkennbar sei.
Befristung des Turbos bis 2030
Judith Nurmann von Architects for Future Deutschland befürwortete das Anliegen des Gesetzgebers, planerische Prozesse zu vereinfachen. Der „Wohnungsbau-Turbo“ sei jedoch ungeeignet, um die dringend notwendige Bauwende im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes voranzubringen. Die von der Linksfraktion benannte Sachverständige sprach sich für eine zweite große Novelle des Baugesetzbuches aus.
Architekt Robert Scholz, ein von der AfD benannter Sachverständiger, sagte, es seien insbesondere Maßnahmen zur besseren Finanzierbarkeit durch steuerliche Entlastungen und staatliche Zinsstützungen sowie eine Rückführung energetischer Bauvorschriften notwendig. Der Bau-Turbo befinde sich im Leerlauf. Er mache Lärm, aber sei keine geeignete Antwort auf die bestehenden Herausforderungen im Wohnungsbau.
Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindetag betonte die Notwendigkeit, die Planungshoheit der Kommunen zu wahren. Es gebe weitgehende Befreiungs- und Abweichungsmöglichkeiten vom bisherigen Planungsrecht. Prof. Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag begrüßte den Gesetzentwurf, machte aber mehrere Änderungsvorschläge. Ähnlich äußerte sich auch Dr. Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag, der die Befristung des Turbos bis 2030 als richtig bezeichnete. (hle/10.09.2025)