Inneres

Kontroverse über weitere Aufnahme afghanischer Staatsbürger

Der Bundestag hat am Donnerstag, 11. September 2025, über die Aufnahmeprogramme für gefährdete Menschen aus Afghanistan beraten. Gegenstand war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Aufnahmezusagen einhalten – Schutz für gefährdete Afghaninnen und Afghanen jetzt garantieren“ (21/1542). Der Antrag wurde im Anschluss an die Debatte in die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung liegt beim Innenausschuss. 

In der Debatte kam es zu einer scharfen Kontroverse über die weitere Aufnahme afghanischer Staatsbürger in Deutschland. Während von der CDU/CSU das Vorgehen der Bundesregierung in dieser Frage verteidigt wurde, pochten Vertreter von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken auf die Umsetzung entsprechender Zusagen. Die AfD forderte dagegen ein Ende der Aufnahmeflüge. 

Grüne: Bundesregierung setzt Zusagen nicht um

Schahina Gambir (Bündnis 90/Die Grünen) verwies zu Beginn der Debatte darauf, dass in den vergangenen drei Wochen rund 250 Afghanen von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben worden seien, wo ihnen Verfolgung, Folter und Ermordung drohten. Dabei gehe es um besonders gefährdete Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage, die längst Schutz in Deutschland hätten erhalten müssen. 

Die Bundesregierung habe zwar das Recht, humanitäre Aufnahmeprogramme zu beenden, doch sei sie verpflichtet, gegebene Aufnahmezusagen umzusetzen. Derzeit warteten zirka 2.300 Menschen auf die ihnen versprochene Rettung. Die Aufnahmezusagen über das Bundesaufnahmeprogramm seien rechtlich bindend, was das Verwaltungsgericht Berlin in mehr als 30 Fällen bestätigt habe. Trotzdem setze die Bundesregierung die Zusagen nicht um. 

CDU/CSU: Wir überprüfen Person und Identität

Detlef Seif (CDU/CSU) sagte, nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Sommer 2021 seien über mehrere Aufnahmeprogramme Deutschlands „in großem Umfang und sehr großzügig“ Aufnahmeerklärungen abgegeben worden. Rund 45.000 Menschen sei eine Aufnahme in Aussicht gestellt worden und etwa 38.000 seien mittlerweile nach Deutschland gekommen. 

Wenn nun eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage im Einzelfall vorliege, werde letztlich natürlich auch ein Visum erteilt. Die Bundesregierung gehe dabei aber „im Sicherheitsinteresse Deutschlands“ richtig vor: „Wir überprüfen die Person, wollen die Identität wissen, wollen wissen, ob sie ein Sicherheitsrisiko sind.“ Auch habe die Koalition beschlossen, dass es keine Bundesaufnahmeprogramme mehr geben solle und die aktuellen so weit wie möglich eingestellt werden. 

AfD: Afghanenflüge nach Deutschland sofort stoppen

Marus Frohnmaier (AfD) kritisierte, dass unter der „Ampel“-Regierung in den zwölf Monaten vor der letzten Bundestagswahl 28 Afghanen abgeschoben, aber zugleich 3.940 eingeflogen worden seien. Dieser Kurs werde von CDU und CSU nahtlos fortgesetzt. Noch immer gelte, dass für jeden aus der Bundesrepublik abgeschobenen Afghanen Hunderte nach Deutschland geholt würden. 

Allein seit Jahresbeginn seien mehr als 1.000 Afghanen eingeflogen worden. Dabei seien Afghanen laut der Polizeilichen Kriminalstatistik zehnmal so häufig tatverdächtig wie Deutsche, sagte Frohnmaier und forderte,  alle „Afghanenflüge nach Deutschland“ sofort zu stoppen. „Fliegen Sie die Afghanen lieber aus“, fügte er hinzu. 

SPD: In Afghanistan drohen Gefängnis, Folter oder Schlimmeres 

Hakan Demir (SPD) konstatierte, dass Deutschland bisher gut 20.000 Ortskräfte und etwa 16.000 bedrohte „Menschenrechtsverteidiger“ aufgenommen habe. Damit stehe die Bundesrepublik indes nicht allein. So habe etwa Kanada mehr als 54.000 gefährdete Personen aufgenommen und die USA mehr als 150.000. Alle Staaten, die in Afghanistan aktiv gewesen seien, hätten Verantwortung übernommen.

Trotzdem hätten sich nach Zahlen des Bundesinnenministeriums mit Stand vom 28. Mai noch 2.384 Menschen mit deutscher Aufnahmezusage in Pakistan befunden. Diese lebten seit Jahren in der Angst, nach Afghanistan abgeschoben zu werden, wo ihnen Gefängnis, Folter „oder Schlimmeres“ drohten. Nun müsse alles daran gesetzt werden, „dass diese 2.384 Menschen mit Aufnahmezusage nach Deutschland kommen“. 

Linke: Diese Menschen müssen aufgenommen werden

Lea Reisner (Die Linke) betonte, dass in Pakistan Menschen festsäßen, denen Deutschland Schutz versprochen habe und von denen bereits Hunderte nach Afghanistan abgeschoben worden seien. Die Bundesregierung wisse das und kenne auch „die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die klar verpflichten: Diese Menschen müssen aufgenommen werden“.

Trotzdem passiere quasi nichts. Statt die Aufnahmezusagen endlich einzulösen, verschleppe die Bundesregierung die Verfahren und stelle bürokratische Hürden. „Es ist ein Skandal, wenn eine Regierung Zusagen gibt und dann nicht handelt. Es ist ein Skandal, wenn sich über gerichtliche Anordnungen hinweggesetzt wird“, fügte Reisner hinzu. Die Bundesregierung müsse nun handeln, „und zwar sofort“. 

Antrag der Grünen 

Die Grünen-Fraktion führt in ihrem Antrag aus, dass die Bundesregierung bestehende humanitäre Aufnahmeprogramme beendet habe und davon auch zirka 2.300 afghanische Staatsangehörige betroffen seien, „die mit ihren Familienangehörigen nach strengen Kriterien und intensiven Prüfungen Aufnahmezusagen der Bundesrepublik Deutschland erhalten haben“. Sie warteten seit Jahren auf ihre Visaausstellung und Ausreise nach Deutschland.

Die Aufnahmezusagen seien „über das Ortskräfteverfahren, die Menschenrechtsliste, das Überbrückungsprogramm oder das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ ausgesprochen worden, heißt es der Vorlage weiter. Die Bundesregierung müsse „diese Menschen, die sich unter gefährlichen und teils lebensbedrohlichen Umständen für Menschenrechte, Demokratie und eine freie Gesellschaft eingesetzt haben, wie versprochen schützen“. 

Das Verwaltungsgericht Berlin habe wiederholt festgestellt, dass die Bundesregierung Menschen mit Aufnahmezusagen über humanitäre deutsche Aufnahmeprogramme und ihren Familienangehörigen nach erfolgreichen Sicherheitsinterviews Visa erteilen und ihre Ausreisen durchführen muss.

„Abschiebungen nach Afghanistan verhindern“

Konkret fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, afghanischen Staatsangehörigen, die über eine deutsche Aufnahmezusage verfügen und sicherheitsgeprüft sind, und ihren Familienangehörigen umgehend ein Visum auszustellen und sie nach Deutschland auszufliegen. Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion umgehend wieder Sicherheitsinterviews durchführen, „damit afghanische Staatsangehörige, die über eine Aufnahmezusage aus Deutschland verfügen, nach erfolgreicher Durchführung des Sicherheitsinterviews Visa erhalten und ausreisen können“.

Ferner wird die Bundesregierung aufgefordert, sich in Verhandlungen mit Pakistan auf höchster Ebene dafür einzusetzen, weitere Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern und die betroffenen Menschen sicher in Pakistan unterzubringen, bis sie mit einem erteilten Visum nach Deutschland ausreisen können. Des Weiteren dringt die Fraktion in dem Antrag unter anderem darauf, afghanische Staatsangehörige, die über eine Aufnahmezusage aus Deutschland verfügen und nach Afghanistan abgeschoben wurden, umgehend nach Pakistan zurückzubringen. (sto/11.09.2025)