Neufassung der Geschäftsordnung des Bundestages geplant
Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD planen eine Neufassung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (21/1538). Ihr Antrag wurde am Freitag, 12. September 2025, erstmals beraten. Zur ersten Lesung hatten die Koalitionsfraktionen zudem einen Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (21/1539) vorgelegt. Darin geht es um die Kürzung der Kostenpauschale und die Erhöhung der Ordnungsgelder für Abgeordnete.
Beide Vorlagen wurden gemeinsam mit zehn Anträgen der AfD zur Änderung der Geschäftsordnung an den federführenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen.
Neufassung der Geschäftsordnung
Die Koalitionsfraktionen verweisen in ihrem Antrag (21/1538) darauf, dass die aktuelle Geschäftsordnung im Wesentlichen auf einer Reform im Jahr 1980 beruht. Die damals eingeführten Regelungen entsprächen in wesentlichen Teilen nicht mehr der parlamentarischen Praxis oder liefen ihr gar zuwider, zum Teil seien sie auch unklar gefasst. Ziel der Reform ist es dem Antrag zufolge, das Parlament als Ort der Debatte und Gesetzgebung zu stärken.
Unter anderem soll in der Geschäftsordnung die Vizepräsidentenwahl getrennt von der Präsidentenwahl geregelt werden. Die Fraktionen wollen deutlich machen, dass das Vizepräsidentenamt von der freien und geheimen Wahl durch den Bundestag abhängt. Dieser Grundsatz soll dem sogenannten Grundmandat vorgehen, wonach jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten im Präsidium vertreten sein sollte. Neu ist auch ein Passus zur Abwahl von Vizepräsidenten. Die Abstimmung über die Abwahl soll einen Antrag von mindestens einem Drittel der Abgeordneten voraussetzen. Wenn mindestens zwei Drittel für die Abwahl stimmen, soll der jeweilige Vizepräsident abgewählt sein.
Bei der Wahl des Bundeskanzlers soll im dritten Wahlgang auch der einzelne Abgeordnete das Vorschlagsrecht erhalten, für den Fall, dass weder der Vorschlag eines Viertels noch von fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages vorliegt. Damit soll eine unverzügliche Wahl im dritten Wahlgang gewährleistet werden.
Gruppen, Reden, Erklärungen
Für die Bildung von Gruppen, Zusammenschlüssen von Abgeordneten unterhalb der Fraktionsstärke, ist eine eigene Regelung vorgesehen. Darin heißt es, dass der Bundestag entsprechend der bisherigen Praxis über die Rechte der Gruppen entscheiden muss.
Festgelegt werden soll ferner, dass bei einer Aussprache zu einer Vorlage in erster Beratung der erste Redner der einbringenden Fraktion angehören soll. Bei Vorlagen der Bundesregierung oder des Bundesrates sollen deren Vertreter als Erste reden. Bei der Beratung von Beschlussempfehlungen der Ausschüsse soll der erste Redner kein Mitglied oder Beauftragter der Bundesregierung sein. Mündliche Erklärungen zur Abstimmung und Erklärungen außerhalb der Tagesordnung sollen statt bisher höchstens fünf Minuten nur noch bis zu drei Minuten dauern.
Zu Reden von Abgeordneten soll klargestellt werden, dass diese „mit Zustimmung des Präsidenten“ schriftlich zu Protokoll gegeben werden können. „Die Rede sowie alle anderen Beiträge zur Beratung sollen von gegenseitigem Respekt und der Achtung der anderen Mitglieder des Bundestages sowie der Fraktionen geprägt sein“, heißt es wörtlich. Kommt es nicht zu einer Vereinbarung über die Dauer einer Aussprache, soll der Präsident entscheiden, wobei sie höchstens eine Stunde dauern soll und die Redezeit im Stärkeverhältnis der Fraktionen verteilt wird. Auch über die Redezeit fraktionsloser Abgeordneter soll der Präsident im Einzelfall entscheiden.
Ordnungsrufe und Ordnungsgeld
Ist ein Redner während einer Rede dreimal zur Sache gerufen worden, soll ihm der sitzungsleitende Präsident das Wort entziehen müssen und zum selben Verhandlungsgegenstand nicht wieder erteilen dürfen. Ist ein Abgeordneter dreimal während einer Sitzung zur Ordnung gerufen worden, soll er vom sitzungsleitenden Präsidenten für die Dauer der Sitzung aus dem Saal verwiesen werden. Ein Ordnungsruf soll im Einzelfall auch nachträglich bis zum Ende „des auf die Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages folgenden dritten Sitzungstages“ erlassen werden können.
Gegen einen Abgeordneten, der innerhalb von drei Sitzungswochen dreimal zur Ordnung gerufen wurde, soll der sitzungsleitende Präsident mit dem dritten Ordnungsruf zugleich ein Ordnungsgeld von 2.000 Euro, im Wiederholungsfall 4.000 Euro festsetzen. Dies soll bei einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages auch ohne vorherigen Ordnungsruf möglich sein. Im begründeten Einzelfall soll der sitzungsleitende Präsident einem ausgeschlossenen Mitglied die Teilnahme an geheimen Wahlen und namentlichen Abstimmungen ermöglichen können.
Zwischenfragen, Anhörungen, Ausschussvorsitzende
Künftig sollen Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen auch in Aktuellen Stunden möglich sein. Die Rechte der Opposition sollen gestärkt werden, indem eine Frist für die Durchführung von beschlossenen öffentlichen Anhörungen eingeführt wird.
Schließlich ist vorgesehen, die Rechte der Ausschussvorsitzenden zu stärken. Sie sollen zur Einhaltung der parlamentarischen Ordnung und zur Achtung der Würde des Bundestages auffordern, bei Bedarf die Sitzung unterbrechen oder im Einvernehmen mit den Fraktionen beenden können. Wurde die Sitzung aufgrund einer „gröblichen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ unterbrochen, soll der Vorsitzende mit Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der anwesenden Ausschussmitglieder den betreffenden Abgeordneten von der Sitzung ausschließen können.
Änderung des Abgeordnetengesetzes
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (21/1539) sieht vor, dass einerseits das Ordnungsgeld und andererseits der Abzug von der Kostenpauschale höher ausfallen sollen als bisher. Die sitzungsleitende Präsidentin oder der Präsident kann derzeit bei Plenarsitzungen wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Hauses oder der Hausordnung des Bundestages gegen Abgeordnete ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro festsetzen, das sich im Wiederholungsfall auf 2.000 Euro erhöht. In Zukunft sollen die Abgeordneten 2.000 Euro und im Wiederholungsfall 4.000 Euro zahlen müssen.
Die Anhebung der Ordnungsgelder wird auch damit begründet, dass diese seit 2011 unverändert geblieben sind, während zugleich die Diäten der Abgeordneten anstiegen. Ordnungsgeld und Abgeordnetenentschädigung stünden nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis, heißt es.
Kostenpauschale-Kürzungen bei Abwesenheit
Die zweite geplante Verschärfung betrifft die unentschuldigte Nichteintragung in die Anwesenheitsliste und das Fehlen bei namentlichen Abstimmungen. Derzeit wird die den Abgeordneten zustehende Aufwandsentschädigung für Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages, die sogenannte Kostenpauschale, bei unentschuldigter Nichteintragung an Plenarsitzungstagen um 200 Euro, bei entschuldigter Nichteintragung um 100 Euro und bei einem ärztlich nachgewiesenen Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Sanatorium oder ärztlich nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit um 20 Euro gekürzt.
Während der Mutterschutzfristen wegen Schwangerschaft oder wenn ein Mitglied des Bundestages ein ärztlich nachgewiesen erkranktes, in seinem Haushalt lebendes Kind unter 14 Jahren mangels anderer verfügbarer Aufsichtspersonen persönlich betreut, wird die Kostenpauschale von monatlich 5.349,58 Euro nicht gekürzt. Bei unentschuldigtem Fehlen bei einer namentlichen Abstimmung werden derzeit ebenfalls 100 Euro von der Kostenpauschale einbehalten.
Union und SPD wollen den Abzug von der Kostenpauschale bei Abwesenheit an einem Sitzungstag auf 200 Euro verdoppeln, es sei denn, es liegt ein ärztlicher Nachweis eines Krankenhaus- oder Sanatoriumsaufenthalts oder Arbeitsunfähigkeit vor. Der einzubehaltende Betrag soll sich nach dem Willen der Fraktionen auf 300 Euro erhöhen, wenn ein Mitglied an einem Plenarsitzungstag sich nicht in die Anwesenheitsliste eingetragen hat und nicht entschuldigt war. Fehlt der Abgeordnete bei Wahlen mit Namensaufruf und namentlichen Abstimmungen, sollen künftig unabhängig von einer Entschuldigung 200 Euro von der Pauschale abgezogen werden, es sei denn, der Abgeordnete befindet sich auf einer genehmigten Dienstreise.
Erster Antrag der AfD
In ihrem ersten Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (21/1555) fordert die AfD, einen Passus einzufügen, wonach Sachverständige auf öffentlich zugänglichen Dokumenten des Bundestages nicht in Bezug zu einer Fraktion gesetzt werden dürfen. Vielmehr sollten Dokumente zur Benennung von Sachverständigen gemäß der Geheimschutzordnung als vertrauliche Verschlusssache eingestuft werden.
Zweiter Antrag der AfD
Mit ihrem zweiten Antrag (21/1556) will die Fraktion die Beratungsfrist für Gesetzentwürfe ändern. Konkret fordert die Fraktion, dass die zweite Beratung von Gesetzentwürfen in der Regel am dritten Tag nach der Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts beginnt. Derzeit beginnt die zweite Beratung in der Regel am zweiten Tag nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts. Zugleich sollen in Ausschüssen Änderungsanträge der Bundesregierung zu der Vorlage, für die der Ausschuss eine Beschlussempfehlung abgibt, nur dann berücksichtigt werden, wenn sie mindestens drei volle Tage vorher als Ausschussdrucksache verteilt worden sind.
Dritter Antrag der AfD
Die AfD will mit ihrem dritten Antrag (21/1557) das Verfahren der Wahl des Bundeskanzlers dahingehend ändern, dass Wahlvorschläge zum zweiten und dritten Wahlgang von einem Viertel aller Abgeordneten oder von einer Fraktion unterzeichnet werden müssen. Derzeit können nur solche Fraktionen einen Wahlvorschlag einreichen, die mindestens ein Viertel aller Abgeordneten umfassen. Darüber hinaus verlangt die Fraktion, dass ein Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler von einem Viertel aller Abgeordneten oder einer Fraktion unterzeichnet werden muss. Auch hier muss derzeit die antragstellende Fraktion mindestens ein Viertel aller Abgeordneten umfassen.
Vierter Antrag der AfD
Mit ihrem vierten Antrag (21/1558) will die AfD erreichen, dass sich Plenarsitzungen des Bundestages zeitlich nicht mit Sitzungen der Ausschüsse und Gremien überschneiden. Ausnahmen von diesem Grundsatz soll der Ältestenrat im Einzelfall vereinbaren können, schreiben die Abgeordneten. Bei Ausschüssen sollen deren Vorsitzende im Rahmen des Ausschuss-Zeitplans Sitzungen selbstständig einberufen können, wenn dem nicht ein Ausschussbeschluss entgegensteht. Die Ausschusssitzungen sollen nicht zeitgleich mit Plenarsitzungen anberaumt werden dürfen, wobei auch hier die Ausnahmemöglichkeit durch Vereinbarung im Ältestenrat gegeben sein soll.
Fünfter Antrag der AfD
Die AfD will mit ihrem fünften Antrag (21/1559) in der Geschäftsordnung des Bundestages festschreiben, dass Drucksachen, vor allem Gesetzentwürfe und Anträge, die im Plenum oder Ausschüssen behandelt werden, in „klarer, verständlicher Schreibweise“ verfasst werden müssen. Die „sogenannte Gendersprache“ und damit vor allem Sternchen, Doppelpunkte und Binnen-I, sollen nicht zur Anwendung kommen.
Sechster Antrag der AfD
Mit ihrem sechsten Antrag (21/1560) will die AfD erreichen, dass die verbleibende Redezeit eines Abgeordneten im Plenarsaal des Bundestages für alle Anwesenden sichtbar eingeblendet wird. Wenn der Abgeordnete seine Redezeit überschreitet, soll ihm der Präsident nach einmaliger Mahnung das Wort entziehen, schreiben die Abgeordneten.
Siebter Antrag der AfD
In ihrem siebten Antrag (21/1561) tritt die AfD dafür ein, heterogene Artikelgesetzes (sogenannte Omnibusgesetze) auszuschließen. Artikelgesetze sind Gesetze, die in Artikel gegliedert sind, wobei jeder Artikel ein anderes Gesetz ändert. Wenn es um Vorlagen von Mitgliedern des Bundestages geht, sollen nach dem Willen der Fraktion mehrere solche Stammgesetze in einem Artikelgesetz nur dann geändert werden können, wenn dafür eine zwingende Notwendigkeit besteht. Zwischen den einzelnen Gesetzen solle in diesem Fall ein Sachzusammenhang bestehen müssen.
Achter Antrag der AfD
In ihrem achten Antrag (21/1562) fordert die AfD-Fraktion, die Geschäftsordnung des Bundestages dahingehend zu ändern, dass bei Anträgen analog zu Gesetzentwürfen die Vorlage und nicht die Beschlussempfehlung des Ausschusses zum Gegenstand der Abstimmung gemacht wird. Zur Begründung führt die Fraktion aus, dass bei Vorlagen wie Anträgen, zu denen ein Ausschuss dem Bundestagsplenum eine Beschlussempfehlung vorgelegt hat, grundsätzlich über diese Beschlussempfehlung abgestimmt wird. Dagegen sei bei Beschlussempfehlungen zu Gesetzentwürfen stets der Gesetzentwurf Gegenstand der Abstimmung. Diese Praxis verletze die Rechte der Abgeordneten, den Gleichbehandlungsgrundsatz, die Vorgaben der Geschäftsordnung und sei in der Kommunikation nach außen intransparent. Die Abstimmungsregeln bei Anträgen seien für die meisten Bürger nicht nachvollziehbar, heißt es in dem Antrag weiter.
Neunter Antrag der AfD
Mit ihrem neunten Antrag (21/1563) will die AfD bei namentlichen Abstimmungen im Bundestag „Transparenz und Öffentlichkeit“ herstellen. Derzeit regelt die Geschäftsordnung, dass Schriftführer bei namentlichen Abstimmungen die Abstimmungskarten in Urnen sammeln, wobei die Abstimmungskarten den Namen des Abstimmenden und die Erklärung „Ja“ oder „Nein“ oder „Enthalte mich“ tragen. Die Fraktion will diesen Passus nun erweitern, indem Schriftführer in der Mitte des Plenarsaals oder an anderer öffentlich einsehbarer Stelle, die vom Parlamentsfernsehen übertragen wird, die Abstimmungskarten mit Namen und Erklärung des Abstimmenden in Urnen sammeln.
Zehnter Antrag der AfD
Die AfD will mit ihrem zehnten Antrag (21/1564) die Geheimschutzordnung, eine Anlage zur Geschäftsordnung des Bundestages, ändern. Konkret verlangt die Fraktion, bei den Geheimhaltungsgraden die Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD) zu streichen. Ersatzlos streichen will sie auch die Vorgabe, dass Verschlusssachen, die nicht unter die Geheimhaltungsgrade Streng geheim, Geheim oder VS-Vertraulich fallen, aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, den Geheimhaltungsgrad VS-NfD erhalten. (vom/12.09.2025)