Zeit:
Montag, 1. September 2025,
10
bis 12 Uhr
Ort: Videokonferenz
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (21/1150) zur Anpassung des Batterierechts an die EU-Verordnung 2023/1542 (Batterierecht-EU-Anpassungsgesetz) sowie der wortgleiche Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD (21/570) sind bei Sachverständigen auf ein geteiltes Echo gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses am Montag, 1. September 2026, signalisierten insbesondere die von der Unionsfraktion benannten Experten Zweifel gegenüber dem Gesetzentwurf und kritisierten vor allem, dass er weit über die Vorgaben der EU-Batterieverordnung hinausgehe.
Die jeweils von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke benannten Sachverständigen wiederum begrüßten den Gesetzentwurf grundsätzlich. Allerdings sprachen sie sich ihrerseits für weitergehende oder zusätzliche Regelungen aus. So löse der vorliegende Entwurf zum Beispiel die Problematik der Brände, die durch Lithium-Akkus und -Batterien verursacht werden, weiterhin nicht.
Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Batterieverordnung
Der Gesetzentwurf soll laut Vorlage die EU-Vorgaben zu Produktion, Kennzeichnung, Entsorgung und Recycling von Batterien in nationales Recht überführen. Die Verordnung regelt unter anderem Beschränkungen für gefährliche Stoffe, Design- und Kennzeichnungsvorgaben, Konformität, Sorgfaltspflichten in der Lieferkette sowie die Sammlung und Behandlung von Altbatterien. Außerdem ist in der EU-Batterieverordnung eine Anhebung der Sammelziele für Gerätebatterien auf 63 Prozent bis Ende 2027 und auf 73 Prozent bis Ende 2030 vorgesehen; bis dahin bleibt es bei der in Deutschland geltenden Quote von 50 Prozent.
Das bisherige Batteriegesetz (BattG) soll aufgehoben und durch ein neues Batterierecht-Durchführungsgesetz (BattDG) ersetzt werden. Dieses enthält unter anderem Pflichten zur Einrichtung kollektiver Sammelsysteme für alle Batteriekategorien, zur Hinterlegung von Sicherheitsleistungen sowie zur Rückgabe ausgedienter Batterien von E-Bikes oder E-Scootern an kommunalen Sammelstellen.
Kommunale Spitzenverbände kritisieren Bindungsfrist
Tim Bagner vom Deutschen Städtetag, unterstützte als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, dass mit dem Gesetz nun auch Hersteller von Starter-, Industrie- und Elektrofahrzeugbatterien zu einer Beteiligung an einer Organisation für Herstellerverantwortung verpflichtet werden sollen.
Kritisch sehe die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände aber die geplante Bindungsfrist der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger von mindestens zwölf Monaten an eine Organisation der Herstellerverantwortung. Um eine gesicherte Abnahme von Altbatterien zu erreichen, müsse es möglich sein, die Herstellerorganisation kurzfristig zu wechseln, so Bagner. Nur so könne eine Zwischenlagerung von Geräte- und LV-Batterien, die bereits in der Vergangenheit zu Problemen geführt habe, vermieden werden.
Kommunale Unternehmen für Rücknahmepflicht
Dr. Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen unterstützte das Vorhaben, dass künftig mehr Batterietypen an kommunalen Sammelstellen entgegengenommen werden sollen. Für die Unternehmen sei das zwar eine Herausforderung, aber private Haushalte brauchten eine Möglichkeit zur Entsorgung etwa von ausgedienten E-Bike-Batterien.
Damit an den Sammelstellen ausreichend Spezialbehälter zur Verfügung stünden, um die „durchaus gefahrenrelevante“ Batterien anzunehmen, plädierte Thärichen allerdings dafür, die Rücknahmepflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für mit Low-Voltage-Batterien (LV-Batterien), wie sie auch in E-Bikes verwendet werden, erst zum 1. Januar 2026 in Kraft zu setzen.
Problem von Bränden „blinder Fleck“ im Gesetzentwurf
Auf das Problem von Bränden, die durch falsch entsorgte Lithium-Ionen-Akkus verursacht werden, machte Anja Siegesmund vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) aufmerksam. Die Brände gefährdeten zunehmend die Funktionsfähigkeit der deutschen Recycling- und Entsorgungsinfrastruktur. In dem aktuellen Gesetzgebungsvorhaben sei das Thema aber ein „blinder Fleck“. Siegesmund sprach sich dafür aus, Batterierecht und Elektrogerätegesetzgebung „zusammen neu zu denken“. Es brauche einen integrierten Ansatz aus vorbeugenden Maßnahmen, verbindlichen Rücknahmeregeln und finanziellen Absicherungen.
„Die Lage ist wirklich akut“, drängte die Expertin. Der BDE gehe von 30 Bränden pro Tag aus, die Branche schätze „die jährlichen Gesamtschäden durch Batterien in einer hohen dreistelligen Millionenhöhe“, heißt es dazu in der schriftlichen Stellungnahme der Sachverständigen. Kaum ein Versicherer sei mehr zur Absicherung der Risiken bereit. Der BDE fordere deshalb die Einführung eines „wirksamen Pfandsystems“ für lose Lithium-Akkus und -Batterien sowie Geräte mit eingebauten Lithium-Batterien, so Siegesmund.
„Einmalige Zusatzpflichten ohne Mehrwert“
Keinen dringenden Handlungsdruck sah wiederum Georgios Chryssos von der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien (GRS). Die europäische Batterie-Verordnung gelte bereits seit dem 18. August und sei aufgrund „sehr klarer Vorgaben auch direkt und ohne Durchführungsgesetz vollziehbar“. Es gebe keine „akute Vollzugslücke, die durch eine überhastete Verabschiedung“ geschlossen werden müsse. Im Gegenteil: Chryssos warnte davor, den Gesetzentwurf wie vorgelegt zu beschließen. Er gehe weit über EU-Vorgaben hinaus und schaffe europaweit einmalige Zusatzpflichten ohne erkennbaren Mehrwert für Umwelt oder höhere Sammlungsquoten. Besonders in der Kritik des Sachverständigen: die fehlende Einbindung der Hersteller.
Anders als Elektrogesetz und Verpackungsgesetz sehe der Entwurf keine Gemeinsame Herstellerstelle (GHS) vor, die mit „Branchen- und Sachkompetenz“ etwa bei Brandrisiken durch Lithium-Batterien praxisgerechte Lösungen gemeinsam mit Marktakteuren und Behörden erarbeiten könne. „Völlig an den Marktrealitäten vorbei“ gehe die zudem geplante Einführung einer zentralen, behördlich gesteuerten Abholung für Industrie-, Starter- und Fahrzeugbatterien. Mehr als 100.000 Sammelstellen müssten mit zwölf verschiedenen Gefahrgutbehältern ausgestattet werden – das sei in keinem anderen EU-Mitgliedstaat so geplant, unterstrich der Experte. Deutschland drohe zu einem bürokratischen Negativbeispiel in der EU zu werden.
„Deutsche Hersteller werden benachteiligt“
Ähnlich äußerte sich Gunther Kellermann vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI): Das „Goldplating“ benachteilige zwar vom Prinzip her keinen Batteriehersteller in Deutschland per se, aber es werde die Bewirtschaftung von Altbatterien komplizierter, aufwändiger und teurer machen als es die europäische Batterie-Verordnung eigentlich vorsehe, argumentierte der Sachverständige.
Die Verordnung fordere zum Beispiel bei der Beitragsmessung lediglich zwei Kriterien. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung geplanten acht Kriterien machten die Beitragsmessung dagegen intransparent. Hersteller könnten die Beiträge nicht mehr vergleichen. Auch das Kriterium des CO2-Fußabdrucks werde deutsche Hersteller gegenüber anderen benachteiligen, so Kellermanns Einschätzung.
Warnung vor „Bürokratie-Moloch“
Grundsätzliche Kritik an dem Gesetzentwurf übte auch der von der AfD benannte Sachverständige Prof. Dr. Ing. Reinhard Müller-Syhre von der Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit. In seiner schriftlichen Stellungnahme listet Müller-Syhre unter anderem die Kosten einer Vielzahl aufgrund des geplanten Gesetzes ausgelöster „bürokratischer Aktionen“ auf, die seines Erachtens zum „Gegenteil“ dessen führten, was das Gesetz „propagiert oder beabsichtigt.“ Auf Staat und Hersteller komme ein „gigantischer Moloch“ zu. Das sei „innovationsfeindlich“, warnte Müller-Syhre in der Anhörung.
Ausnahmeregelung für Rücknahme beschädigter Batterien
Antje Gerstein vom Handelsverband Deutschland (HDE) betonte, die Batterierücknahme im Handel sei bereits seit Jahren gelebte Praxis und habe sich bewährt. Die geplante Rücknahmepflicht von LV-Batterien und insbesondere ihre sach- und brandschutzgerechte Lagerung stelle aber die Unternehmen vor Herausforderungen. Zwar sei es begrüßenswert, dass nur jene Batteriekategorien zurückgenommen werden müssten, die die Unternehmen auch verkauften. Auch die Gewichtsgrenze von 45 Kilogramm sei praktikabel - zumindest für unbeschädigte LV-Batterien. Für die Rücknahme von sichtbar beschädigten Batterien, forderte Gerstein jedoch Ausnahmeregelungen. Diese sollen durch Wertstoffhöfe zurückgenommen werden, wo geschultes Fachpersonal Brandrisiken erkennen und minimieren könne.
Dem pflichtete der als Einzelsachverständiger von der Linksfraktion benannte Uwe Feige vom Kommunalservice Jena bei: Es sei tatsächlich fraglich, ob „Sicherheit und Hygiene“ in einem Handel, der für Lebensmittel organisiert sei, ausreiche. Wenn zudem ein Pfandsystem für Batterien gefordert werde, müsse gleichzeitig über den Vollzug gesprochen werden, „insbesondere beim Onlinehandel“.
Schlupflöcher für Hersteller durch Systembeteiligungspflicht
Auf eine andere „Schwachstelle“ des Gesetzentwurfs wies Dr. Marieke Hoffmann von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin. Ihr zufolge sehe die Umweltorganisation die Gefahr, dass Hersteller mit besonders umweltschädlichen Batterien höhere Gebühren umgehen, indem sie ihre Herstellerverantwortung individuell wahrnehmen. Aus diesem Grund brauche es eine Systembeteiligungspflicht für Hersteller, so Hoffmann, denn nur durch kollektive Rücknahmesysteme könnten wichtige Regelungen der EU-Batterieverordnung wirksam umgesetzt werden.
Nach Auffassung der DUH setzt der Gesetzentwurf so Mechanismen der sogenannten Ökomodulation in Paragraf 10 „völlig unzureichend um“. Positive Umwelteffekte drohten zu verpuffen, so die Sachverständige. Skeptisch sieht der Umweltverband auch, ob mit der „aktuellen Systematik“ des Gesetzes, die von der EU vorgegebenen Sammelziele erreicht werden können. Das deutsche System belohne aktuell Organisationen für Herstellerverantwortung, die Sammelquoten „immer nur gerade so“ einhalten, kritisierte die Sachverständige. Die DUH spreche sich daher für verbindliche nationale Zwischenziele aus. Besser wären aber Anreize, damit „immer so viel wie möglich“ gesammelt werde.
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat hat zu dem Gesetzentwurf am 11. Juli 2025 Stellung genommen. Er schlägt unter anderem vor, die Registrierungspflicht für Batteriemarken an EU-Mindestvorgaben anzupassen, die Pflicht zu „digitalen Bildtafeln“ im Onlinehandel zu streichen und eine zentrale Bundesbehörde für bestimmte Aufgaben einzurichten. Zudem äußert er Besorgnis über Brandgefahren durch unsachgemäße Entsorgung von Lithium-Ionen-Batterien und regt eine Prüfung zusätzlicher Maßnahmen, auch einer Pfandlösung, an.
Die Bundesregierung lehnt alle drei Gesetzesänderungsvorschläge ab. Sie verweist unter anderem auf die Notwendigkeit, stationären und Onlinehandel bei Informationspflichten gleichzubehandeln, und auf die grundgesetzlich verankerte Zuständigkeit der Länder für den Vollzug. Die Brandgefahr bei Lithium-Ionen-Batterien wolle sie durch geplante Änderungen im Elektro- und Elektronikgerätegesetz sowie durch EU-Vorgaben zur Austauschbarkeit von Batterien reduzieren. (sas/01.09.2025)