Merz: Deutschland steht zu den vereinbarten Klimazielen
Die Bundesregierung steht zu den national, europäisch und international vereinbarten Zielen des Klimaschutzes. Das hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch, 9. Juli 2025, in der Befragung der Bundesregierung bekräftigt. Zweifel daran hatte zuvor die Abgeordnete Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) geäußert und auf einen Dissens zwischen Bundeswirtschaftsministerin Reiche und Bundesumweltminister Schneider verwiesen. „Es gibt keinen Dissens, allenfalls die Frage, ob wir das tatsächlich so erreichen können, wie wir es uns vorzeitig zusammen vorgenommen haben“, sagte der Kanzler. „Wenn dies möglich ist, tun wir alles, um es zu ermöglichen.“
Unterstützung von Klimaprojekten außerhalb Deutschlands
Merz erinnerte daran, dass Deutschland etwa ein Prozent der Weltbevölkerung ausmache und zwei Prozent des Problems darstelle, was Kohlendioxidemissionen betrifft. „Selbst wenn wir alle zusammen morgen am Tag klimaneutral wären in Deutschland, würde keine einzige Naturkatastrophe auf der Welt weniger geschehen, würde kein einziger Waldbrand weniger geschehen, würde keine einzige Überschwemmung in Texas weniger geschehen. Wenn wir hier gemeinsam etwas erreichen wollen, dann müssen wir es gemeinsam und international tun“, betonte der Kanzler.
Merz begrüßte ausdrücklich, dass die EU-Kommission in der letzten Woche vorschlug, „dass auch wir aus Deutschland heraus Klimaprojekte in anderen Teilen der Welt unterstützen können und dies angerechnet wird auf die deutschen Bemühungen, denn manchmal ist an anderer Stelle in der Welt mit geringeren Grenzkosten sehr viel mehr zu erreichen, als wenn wir hier mit hohen Beträgen das letzte Kilo CO2 vermeiden“.
Die Antwort stellte Verlinden nicht zufrieden. Ihre Nachfrage, warum Deutschland 2045 und nicht erst 2050 klimaneutral sein müsse, quittierte der Kanzler mit dem Hinweis, man stehe zu den internationalen Verpflichtungen, wie es auch im Koalitionsvertrag festgehalten sei. Gleichzeitig stelle er aber nicht in Aussicht, „dass wir damit eine Deindustrialisierung unseres Landes einhergehen lassen“. Die Regierung wolle Klimaschutz und Industrialisierung miteinander verbinden. Darauf sei das gesamte Bemühen der Bundesregierung und auch sein persönliches gerichtet.
Stahlproduktion in Deutschland
Der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff machte auf die gefährdete Situation der deutschen Stahlindustrie aufgrund hoher Energiepreise und einer „krass subventionierten Wettbewerbssituation“ aufmerksam. Die Stahlindustrie sei systemrelevant. Merz erwiderte, es sei „unser gemeinsames Interesse“, dass die Stahlproduktion in Deutschland weiterhin möglich bleibt. Er wolle Deutschland nicht abhängig von Stahlimporten sehen, Deutschland müsse eine eigene Stahlindustrie haben.
Die Anregung Roloffs, einen „Stahlgipfel“ einzuberufen, wolle er wohlwollend prüfen. Dieser müsste aber zu Ergebnissen führen: „Ich will eine Lösung.“
Stromsteuersenkung und Wärmepumpen-Zuschüsse
Der Feststellung des AfD-Abgeordneten Leif-Erik Holm, dass die Stromsteuersenkung für Privathaushalte und den Mittelstand ausfalle, entgegnete Merz mit dem Hinweis, die Zusage im Koalitionsvertrag habe von Anfang an unter Finanzierungsvorbehalt gestanden. Von einem „gebrochenen Versprechen“ zu sprechen, entbehre daher jeder Grundlage. „Wir entlasten zum 1.1.2026 mit rund zehn Milliarden Euro die privaten Haushalte und die Unternehmen von Stromkosten und von Energiekosten auch beim Gasbezug. Das ist eine Entlastung, die ungefähr 75 Prozent der Entlastung entspricht, die wir im Koalitionsvertrag verabredet haben.“ Die Regierung habe zugesagt, dass die verbleibenden 25 Prozent der Entlastung nachgeholt werden, „sobald uns das die öffentlichen Haushalte erlauben“.
Beim Klima- und Transformationsfonds (KTF) habe man bereits umfassende Veränderungen vorgenommen, so der Kanzler auf Nachfrage Holms. Man sei an rechtliche Zusagen gebunden, „die wir auch einhalten werden, wenn es um den Schutz des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger geht, die zum Beispiel jetzt Anträge gestellt haben auf die Bezuschussung von Wärmepumpen“. Die Regierung werde sich an diese rechtlichen Zusagen halten. Man werde allerdings für die Zukunft überprüfen, ob es nicht eine deutliche Reduktion geben kann.
Regenbogenflagge und Hilfen für queere Menschen
Die Diskussion um den Christopher-Street-Day, die Regenbogenflagge am Bundestag und die „Zirkuszelt“-Äußerung des Kanzlers in einer Talkshow griff Maik Brückner (Die Linke) auf. Er wies auf ein „eklatant erhöhtes Suizidrisiko“ von queeren Jugendlichen hin. Der Kanzler wies darauf hin, dass Bundestagspräsidentin Klöckner angeordnet habe, am 17. Mai, dem internationalen Aktionstag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, die Regenbogenflagge am Reichstag zu hissen. An diesem Tag bekenne der Bundestag auch klar Flagge, sagte Merz.
Die Bundesregierung werde alles tun, um die Bedrohung queerer Menschen abzuwenden: „Das sind keine Kavaliersdelikte. Das ist ungeeignet für billige Witzchen. Das sind Dinge, die den Lebensalltag dieser Menschen betreffen.“ So wie es ist, könne es mit den bisherigen Bedrohungen nicht bleiben. Die Regierung wolle die Hilfsangebote für diese Menschen vergrößern, sagte Merz. Der Bund könne und dürfe aber auch nicht alles lösen, Vieles liege in der Verantwortung der Gemeinden und Länder.
Wasserstoff-Hochlauf und energiepolitische Kooperation
Die Grundlastfähigkeit der Energieversorgung könne man nicht allein mit Wind- und Solarenergie sicherstellen, entgegnete der Kanzler dem fraktionslosen Abgeordneten Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Partei der dänischen und friesischen Minderheit in Deutschland. Seidler hatte sich nach der Kooperation mit Dänemark und den Niederlanden und dem Ausbau grenzüberschreitender Netze erkundigt und Kürzungen bei der Finanzierung des Wasserstoff-Hochlaufs angesprochen.
Er sehe mit großem Interesse und großer Sympathie, in welchem Umfang in Schleswig-Holstein Onshore- und Offshore-Windparks entstehen, sagte Merz. Er unterstütze es, wo immer es geht, Wasserstoffproduktion zu ermöglichen. Dafür brauche man in Deutschland aber ein weitgehend neues Leitungsnetz, sowohl für die Stromversorgung als auch für die Versorgung mit Wasserstoff. Das sei eine langfristige Aufgabe, der sich die Bundesregierung stelle. Man stelle dafür umfangreiche Mittel zur Verfügung und versuche es so auf den Weg zu bringen, dass es wettbewerbsfähige Preise ermöglicht, um nicht auf dauerhafte Subventionierung angewiesen zu sein.
Die Regierung erwarte einen weiteren Hochlauf der Wasserstoffproduktion und -versorgung, ergänzte der Kanzler auf Nachfrage Seidlers. Man suche die enge Zusammenarbeit mit den Dänen und den Niederländern, um eine gemeinsame Strategie entwickeln zu können.
Sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Großbritannien
Die internationale sicherheitspolitische Situation nahm der CDU-Abgeordnete Johannes Volkmann in den Blick. Dazu sagte der Bundeskanzler, zurzeit stehe sehr viel auf dem Spiel. Zunächst gehe es darum, „Amerika an Bord zu halten, Amerika im Bündnis zu halten“. In der längeren Perspektive müsse Europa mehr tun für die eigene Verteidigung: „Wir müssen hier neue Prioritäten setzen“, so Merz mit Blick auch auf den EU-Haushalt. „Mit großer Freude“ sehe er, dass die britische Regierung den Schulterschluss mit der EU suche. Es sei ein sehr gutes Zeichen, wenn Großbritannien nach dem bedauerlichen Brexit in der Außen- und Verteidigungspolitik wieder mit der EU zusammenarbeite.
In der übernächsten Woche werde er den britischen Premierminister Keir Starmer in London besuchen. Es werde auch über ein deutsch-französisches Partnerschaftsabkommen gesprochen. Er suche den engen Schulterschluss nicht nur innerhalb der EU, sondern auch mit Großbritannien, betonte der Kanzler. Das Land sei für die Sicherheit Europas von zentraler strategischer Bedeutung. Er suche jede Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit Großbritannien, unterstrich Merz. (vom/09.07.2025)