Geschäftsordnung

Hitzige Debatte zur ab­gesetzten Wahl von Bundes­verfassungs­richtern

Nach einer politischen Kontroverse um die Besetzung von Richterstellen am Bundesverfassungsgericht hat der Bundestag am Freitag, 11. Juli 2025, die ursprünglich geplanten Richterwahlen von der Tagesordnung abgesetzt. Für einen entsprechenden Geschäftsordnungsantrag stimmten die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Die AfD votierte gegen den Absetzungsantrag.

Der Streit hatte sich im Wesentlichen an der Personalie Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf entzündet, die laut eines Wahlvorschlags des Wahlausschusses (21/784) auf die Bundesverfassungsrichterin Prof. Dr. Doris König folgen sollte.

Stimmen aus der Koalition

Der Absetzung der Wahlen ging eine emotionale Geschäftsordnungsdebatte im Plenum voraus. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, gab sich „zutiefst betrübt“ über den Vorgang und sprach von einer „Hetzkampagne gegen eine hochangesehene Juristin, die fachlich über jeden Zweifel erhaben ist“. Dass Brosius-Gersdorf nach den Entwicklungen der letzten Tage Morddrohungen erhalte, „muss uns massiv Sorgen bereiten“, sagte er.

Steffen Bilger, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, sagte, dass die Debatte der vergangenen Tage um Brosius-Gersdorf „zum Teil jedes Maß verloren“ hätte. Die Richterwahl sollte nicht Gegenstand einer aufgeheizten politischen Debatte und die aufgestellten Kandidaten über jeden fachlichen Zweifel erhaben sein, begründete Bilger den Absetzungsantrag seiner Fraktion.

Massive Angriffe aus der Opposition

Dr. Bernd Baumann, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, warf Brosius-Gersdorf in der Debatte vor, „Babys zur Abtreibung freizugeben, schärfste Impfpflichten zu verfolgen und ein AfD-Verbot zu fordern“. Die AfD habe „diesen Skandal“ aufgedeckt, gab sich Baumann überzeugt, und warf der Bundesregierung „absolute Instabilität“ vor.

Britta Haßelmann, die Co-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, sprach von einer unverantwortlichen Situation. „Ein solches Desaster hat es in der Geschichte der Wahlen zum Bundesverfassungsgericht in diesem Hohen Haus noch nicht gegeben“, sagte sie. Die Verantwortung dafür trage die Union, so Haßelmann. Es sei skandalös, dass die Unionsfraktion unter Jens Spahn die Karriere einer Frau derart gefährde, sagte sie mit Blick auf das Ansehen von Brosius-Gersdorf.

Für Die Linke äußerte sich deren Co-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek ähnlich. Auch sie sah die Verantwortung für die abgesetzte Wahl bei der Union. „Hören Sie auf, die Union in die Arme der Rechtsextremen zu treiben“, rief sie Spahn und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu, und bezog sich dabei auf die Anschuldigungen gegen Brosius-Gersdorf, die sie als „rechte Narrative“ bezeichnete. 

Wahlvorschläge des Wahlausschusses

Die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts werden jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Die vom Bundestag zu berufenden Richter werden auf Vorschlag des Wahlausschusses durch das Plenum gewählt. Der Wahlausschuss für die Richter des Bundesverfassungsgerichts wird zu Beginn jeder Wahlperiode eingesetzt. 

Seine 12 Mitglieder sind Abgeordnete der im Bundestag vertretenen Fraktionen und werden nach den Regeln der Verhältniswahl in den Wahlausschuss gewählt. Die CDU/CSU-Fraktion stellt in der 21. Wahlperiode fünf Abgeordnete, die AfD-Fraktion drei, die SPD-Fraktion zwei, die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der Linken jeweils einen Abgeordneten. Neben Brosius-Gersdorf standen ursprünglich auch die Kandidaten Prof. Dr. Günter Spinner (21/782) und Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold (21/783) zur Wahl. (ste/11.07.2025)