Geschichte

Vor 15 Jahren: Deutscher Bundestag beschließt den Euro-Rettungsschirm

Symbolbild Euro-Rettungsschirm: ein Euro-Währungszeichen, umgeben von Sternen der Europaflagge, hängt an einem Fallschirm.

Der Euro-Rettungsschirm sollte die Zahlungsfähigkeit gefährdeter EU-Mitgliedstaaten sichern. (© picture alliance / Zoonar | DesignIt)

Vor 15 Jahren am Freitag, 21. Mai 2010, beschloss der Deutsche Bundestag den sogenannten Euro-Rettungsschirm. In namentlicher Abstimmung votierten 319 Abgeordnete für den Gesetzentwurf der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP zur Stabilisierung des Euro (17/1685) auf Empfehlung des Haushaltsausschusses (17/1740, 17/1741), 73 Parlamentarier stimmten dagegen, 195 enthielten sich. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten im Vorfeld angekündigt, sich zu enthalten. Die Fraktion Die Linke lehnte das Gesetz geschlossen ab.

Mit dem Beschluss wurden auf nationaler Ebene die Voraussetzungen geschaffen, damit Deutschland im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus Gewährleistungen zur Unterstützung von Mitgliedstaaten übernehmen konnte, deren Zahlungsfähigkeit gefährdet war.

Gewährleistungen bis zu 147,6 Milliarden Euro

Das „Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ ermöglichte es der Bundesrepublik Garantien bis zur Höhe von 123 Milliarden Euro zu übernehmen, sofern diese Kredite als Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit des betroffenen Euro-Mitgliedstaates erforderlich waren. Bei unvorhergesehenem oder unabweisbarem Bedarf konnte die Garantieermächtigung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses um 20 Prozent überschritten werden. Insgesamt waren somit Gewährleistungen bis zu 147,6 Milliarden Euro möglich, um Kredite der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) abzusichern.

Vor der Übernahme von Gewährleistungen sollte die Bundesregierung Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages herstellen. Der Haushaltsausschuss hatte das Recht zur Stellungnahme. Sollte aus zwingenden Gründen eine Gewährleistung übernommen werden müssen, bevor das Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss hergestellt werden konnte, war eine unverzügliche und ausführliche nachträgliche Unterrichtung vorgeschrieben. Zusätzlich war eine vierteljährliche Berichterstattung über die gewährten Garantien und deren Verwendung vorgesehen.

Wahrung der Finanzmarktstabilität in Europa 

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hatte die Haushaltslage vieler EU-Mitgliedstaaten erheblich belastet. Bereits am 7. Mai 2010 hatte der Bundestag ein Gesetz zur Griechenland-Hilfe beschlossen, das dem Bundesfinanzministerium Garantien in Höhe von 22,4 Milliarden Euro für bilaterale Notkredite ermöglichte. Die angespannte Lage auf den Finanzmärkten führte dazu, dass sich auch die Finanzierungsbedingungen für weitere Mitgliedstaaten in kürzester Zeit verschlechterten. Die Zinssätze für Staatsanleihen insbesondere von Portugal und Irland stiegen im April und Mai 2010 stark an. Um eine weitere Eskalation zu verhindern, verständigten sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone auf ein gemeinsames Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Finanzmärkte in Europa.

Dieser am 10. Mai auf einer Sondersitzung des Europäischen Rates beschlossene sogenannte Euro-Rettungsschirm umfasste ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Er setzte sich zusammen aus dem auf eine EU-Verordnung gestützten europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) mit 60 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt und aus der europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), einer Zweckgesellschaft zur Gewährung von Darlehen und Kreditlinien, die auf einer zwischenstaatlichen Vereinbarung der Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe beruhte, mit einem Volumen von 440 Milliarden Euro. Hinzu kamen Garantien des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 250 Milliarden Euro. 

Opposition kritisiert Eilverfahren

Die Oppositionsfraktionen kritisierten in einer von vielen Zwischenrufen unterbrochenen Debatte vor allem das Eilverfahren, in dem das Gesetz durch den Bundestag gebracht wurde. Außerdem bemängelten sie, die Regierungskoalition habe den Bundestag nicht ausreichend in die Entscheidung eingebunden. Vertreter von SPD und Bündnis 90/Die Grünen begründeten ihre Enthaltung damit, dass zwar Hilfe für verschuldete Länder nötig sei, die Entscheidung aber überstürzt und ohne ausreichende parlamentarische Beteiligung getroffen worden sei. Sie forderten zugleich eine stärkere Beteiligung des Finanzsektors, etwa durch eine Finanztransaktionssteuer.

Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, hielt der Bundeskanzlerin Wortbruch vor, weil sie das Vertragswerk über die sogenannte Zweckgesellschaft, die die Milliardenbeträge verwalten soll, dem Parlament nicht vorgelegt habe. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, kritisierte das Eilverfahren der Gesetzgebung mit scharfen Worten. „Die Bundesregierung geht mit dem Parlament schäbig um“, sagte er. In einer Demokratie sei die Frage des korrekten Verfahrens keine technische Petitesse.

Finanztransaktionssteuer gefordert

Sigmar Gabriel (SPD) hielt der Regierung Taktiererei und Unglaubwürdigkeit vor. „Wir sind nicht gegen das Rettungspaket“, sagte er. Es müsse aber darum gehen, endlich eine andere Richtung in der Wirtschaftspolitik einzuschlagen und die wahren Schuldigen der Krise zur Kasse zu bitten. Die Bundeskanzlerin fragte er, warum sie nicht im Parlament für eine Finanztransaktionssteuer eintrete, so wie sie es öffentlich geäußert habe. 

Der Fraktionsvorsitzende der Linken Dr. Gregor Gysi kritisierte die mit den Hilfen verbundenen Sparauflagen für Griechenland als sozial ungerecht und verlangte eine strengere Regulierung der Finanzmärkte. „Nur so können Spekulationen begrenzt werden“, betonte Gysi. „Wir sind für eine europäische Integration, aber für eine vernünftige.“ Bislang sei nur über Geld entschieden worden, aber nicht über eine längst überfällige Regulierung der Finanzmärkte. 

Minister verteidigen Rettungsschirm und Eile

Die Regierungskoalition verteidigte den Rettungsschirm und das damit verbundene Eilverfahren. Angesichts der Situation hätte man schnell entscheiden müssen. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) versicherte, dass er unverzüglich alle Informationen an das Parlament weitergegeben habe. Richtig sei, dass „wir schnell entscheiden mussten, weil die Märkte mehr auf Deutschland als auf Malta oder Zypern schauen“. Das sei wichtig, um für Vertrauen zu werben. 

Den Oppositionsfraktionen hielt er Ausflüchte vor, wenn sie gegen den Rettungsschirm stimmten. „Wir befinden uns auf einer einwandfreien rechtlichen Grundlage“, sagte Schäuble. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Defizite in allen europäischen Ländern beseitigt und der Stabilitäts- und Wachstumspakt geschärft werde.

Außenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) mahnte eine Gesamtverantwortung für Europa an. „Sie suchen nach Ausflüchten, weil Sie innenpolitisch eine Abrechnung mit der Regierung wollen“, sagte er an die Adresse der Opposition. Es gehe aber um die Frage, ob Europa stehe oder falle. „Innenpolitik ist Ihr Motiv, aber nicht Verantwortung für unser Land.“ Europa müsse zu einer stabilen Wirtschaftspolitik zurückkehren und die Finanzmärkte müssten reguliert werden, mahnte Westerwelle. Der Wohlstand in Europa hänge auch von der heutigen Entscheidung im Bundestag ab.

Umsetzung und spätere Entwicklungen 

Der Euro-Rettungsschirm mit der EFSF trat am 7. Juni 2010 in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht wies am 7. September 2011 drei Verfassungsbeschwerden zurück, die sich gegen deutsche und europäische Rechtsakte sowie weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Griechenland-Hilfe und dem Euro-Rettungsschirm richteten. Eine Reihe von Professoren und der CDU/CSU-Abgeordnete Dr. Peter Gauweiler hatten diese eingereicht. 

Bis 2013 nahmen Griechenland, Portugal und Irland Hilfen aus der EFSF in Anspruch. Irland hat die Kredite bis 2021 vollständig zurückgezahlt, Portugal wird die letzte Rate voraussichtlich 2040 begleichen. Die meisten Kredite Griechenlands laufen bis ins Jahr 2070.

 2011 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone die Einführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der im September 2012 in Kraft trat und bis Juli 2013 den EFSF ablöste. Der ESM wurde als internationale Finanzinstitution mit Sitz in Brüssel gegründet. (klz/14.05.2025)