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Arbeit

Oppositionsantrag zur Arbeitszeiterfassung überwiesen

Der Bundestag hat am Freitag, 26. Mai 2023, erstmals über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Arbeitszeiterfassung bürokratiearm ausgestalten – Mehr flexibles Arbeiten ermöglichen“ (20/6909) beraten. Im Anschluss an die Aussprache haben die Abgeordneten die Vorlage zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Demanch sollen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten erfassen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits im Mai 2019. Auch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt bestätigte in einem Grundsatzurteil, dass die gesamten geleisteten Arbeitsstunden künftig systematisch dokumentiert werden müssten. Wie genau dies aussehen solle, das obliege dem Gesetzgeber, so das Gericht. Da ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium zu wenig Flexibilität ermögliche und zu bürokratisch sei, hat die CDU/CSU-Fraktion ein flexibles und modernes Arbeitszeitrecht gefordert. 

Union: Wollen Arbeitnehmer den Rücken stärken

Vertrauensarbeitszeiten sollten überall dort ermöglicht werden, wo sie praktikabel sind, sagte Hermann Gröhe (CDU/CSU). Es sei an der Zeit für moderne Arbeitszeitmodelle. Während die Union somit laut Gröhe „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Rücken stärken“ will, entmündigt der Entwurf des Bundesarbeitsministeriums die Beschäftigten: „Mit ihrem Vorschlag ist Vertrauensarbeitszeit tot“.

Obwohl das Bundesarbeitsgericht die EuGH-Entscheidung so interpretiert habe, dass eine Regelung zur Arbeitszeiterfassung erfolge müsse, sei bislang nichts Konkretes geschehen, kritisierte Gröhe.

SPD: Unterschiedlichen Arbeitswirklichkeiten gerecht werden

Kaweh Mansoori (SPD) warnte davor, Arbeitsrecht und Arbeitszeiterfassung zu vermischen. Die geltenden Regelungen zur Arbeitszeit enthielten bereits ein paar Spielräume. So könne die Arbeitszeit für einen gewissen Zeitraum von acht auf zehn Stunden am Tag erhöht werden, wenn ein entsprechender Ausgleich vorgesehen sei und auch bei Ruhezeiten könnten bestimmte Ausnahmen greifen.

Bei Regelungen zur Arbeitszeit müssten die unterschiedlichen Arbeitswirklichkeiten von Menschen berücksichtigt werden. So bräuchten Menschen, die schwere körperliche Arbeit leisteten und eine gefährliche Tätigkeit ausübten, die vorgeschriebenen Ruhezeiten. Mansoori kündigte an, dass die Ampel-Koalition zeitnah einen Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung vorlegen werde. 

AfD: EuGH-Urteil ist übergriffig

Als „übergriffig“ bezeichnete Jürgen Pohl (AfD) das Verhalten des Europäischen Gerichtshofs, Deutschland durch das Urteil zur Arbeitszeiterfassung vorzuschreiben, wie geleistete Arbeitsstunden hierzulande dokumentiert werden sollten.

Insgesamt begrüße die AfD „jede Stärkung des Arbeitnehmerrechts“. Durch eine geregelte Arbeitszeiterfassung wird laut Pohl die Zahl von unbezahlten Überstunden eingedämmt, eine Umgehung des Mindestlohns vermieden und der Gesundheitsschutz gestärkt. 

Grüne: Arbeitszeit muss gut ins Leben der Menschen passen

Dass es bei der Frage nach mehr Flexibilität um die Bedürfnisse der Beschäftigten  und nicht um die der Unternehmen gehen müsse, betonte Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen). Die Menschen würden „echte Zeitsouveränität“ fordern; dass Arbeitszeit gut ins Leben passe.

Drei Aspekte seien dabei besonders entscheidend. Zum einen sei das Arbeitszeitgesetz wichtig für „Arbeits- und Gesundheitsschutz“. Zu viel Überstunden und ständige Erreichbarkeit führten zu gesundheitlichen Problemen. Außerdem braucht es neue Arbeitszeitmodelle, die zu den Beschäftigten passen und speziell Frauen sollen laut Müller-Gemmeke mehr Mitspracherecht bei der Arbeitszeitgestaltung erhalten. 

Linke: Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz

Die Union spiele sich durch ihren Antrag als „Retter der Vertrauensarbeitszeit“ auf, sagte Susanne Ferschl (Die Linke). Dabei gehe es der Fraktion vielmehr darum, „Freiräume für die Arbeitgeber zu schaffen“. Es brauche keine Experimente bei der Arbeitszeitgestaltung. Diese werde aus gutem Grund bereits seit Jahrzehnten durch das Arbeitszeitrecht geschützt. „Hände weg vom acht Stunden Tag und von den Ruhezeiten“ sagte Ferschl in Richtung der Abgeordneten.

Was allerdings geregelt werde müsse, sei die Arbeitszeiterfassung. Dies und nicht mehr sei es auch, was der EuGH gefordert habe. Auch die Rede vom „Bürokratiemonster“ ist in Ferschls Augen überzogen: Moderne Zeiterfassungssysteme seien kostengünstig, effizient und kaum mit bürokratischem Mehraufwand verbunden.

FDP: Auf Vertrauen statt Kontrolle setzen

FDP-Politiker Pascal Kober räumte ein, dass die Definition von Vertrauensarbeitszeit im Referentenentwurf diskussionswürdig sei. Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten sollten „auf Vertrauen und nicht auf Kontrolle beruhen“ sagte er. Dies bilde der Entwurf noch nicht ab. Auch über die Gestaltungsspielräume, die der EuGH und das Bundesarbeitsgericht dem Gesetzgeber zugesprochen hätten, gebe es Klärungsbedarf. Wann, wie und durch wen die Arbeitszeit erfasst werden solle, seien offene Fragen.

Die Koalition will laut Kober auch die Arbeitszeitflexibilisierung angehen. Viele Menschen hätten den Wunsch, ihre Wochenarbeitsstunden flexibler zu verteilen. Dem dürfe der Gesetzgeber „keine unüberwindlichen Hürden entgegenstellen.“

Antrag der CDU/CSU

Ein neues Gesetz zur Arbeitszeiterfassung muss flexible Modelle zur Arbeitszeiterfassung enthalten und Vertrauensarbeitszeit zulassen. Außerdem soll es dem Arbeitgeber obliegen, wie dieser die Arbeitszeit erfasse - ob beispielsweise in elektronischer Form oder anderweitig. Aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Mai 2019 müssen EU-Mitgliedstaaten Arbeitgeber dazu verpflichten, die geleistete Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Sowohl das Urteil des EuGHs als auch ein daran anschließender Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes würden dem Gesetzgeber Spielräume bei der Ausgestaltung eines entsprechenden Arbeitszeiterfassungsgesetzes einräumen.

Die Union kritisiert daher in ihrem Antrag, dass ein im April 2023 bekannt gewordener Entwurf zur Arbeitszeiterfassung aus dem Bundesarbeitsministerium „ausgesprochen unausgewogen sei“, das Ende für die selbstbestimmte Vertrauensarbeitszeit bedeuten und „sowohl die Beschäftigten als auch die Arbeitgeber mit überflüssiger Bürokratie gängeln“ würde. (des/26.05.2023)

Reden zu diesem Tagesordnungspunkt

Bärbel Bas

Bärbel Bas

© Bärbel Bas / Photothek Media Lab

Bas, Bärbel

Bundestagspräsidentin

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Hermann Gröhe

Hermann Gröhe

© Bundesministerium für Gesundheit/ Jochen Zick

Gröhe, Hermann

CDU/CSU

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Kaweh Mansoori

Kaweh Mansoori

© SPD-Fraktion/ photothek

Mansoori, Kaweh

SPD

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Jürgen Pohl

Jürgen Pohl

© Jürgen Pohl

Pohl, Jürgen

AfD

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Aydan Özoğuz

Aydan Özoğuz

© Deutscher Bundestag / Stella von Saldern

Özoguz, Aydan

Bundestagsvizepräsidentin

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Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen

Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen

© Stefan Kaminski

Müller-Gemmeke, Beate

Bündnis 90/Die Grünen

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Susanne Ferschl

Susanne Ferschl

© Susanne Ferschl/Foto Baur

Ferschl, Susanne

Die Linke

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Aydan Özoğuz

Aydan Özoğuz

© Deutscher Bundestag / Stella von Saldern

Özoguz, Aydan

Bundestagsvizepräsidentin

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Pascal Kober

Pascal Kober

© DBT/ Thomas Koehler

Kober, Pascal

FDP

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Stephan Stracke

Stephan Stracke

© Tobias Koch

Stracke, Stephan

CDU/CSU

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Jan Dieren

Jan Dieren

© Jan Dieren/Photothek

Dieren, Jan

SPD

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Norbert Kleinwächter

Norbert Kleinwächter

© AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag/Stephan Schmidt

Kleinwächter, Norbert

AfD

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Frank Bsirske

Frank Bsirske

© Bonnie Bartusch

Bsirske, Frank

Bündnis 90/Die Grünen

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Carl-Julius Cronenberg

Carl-Julius Cronenberg

© Justus Kersting

Cronenberg, Carl-Julius

FDP

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Wilfried Oellers

Wilfried Oellers

© Wilfried Oellers/ Tobias Koch

Oellers, Wilfried

CDU/CSU

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Mathias Papendieck

Mathias Papendieck

© Mathias Papendieck/ Christine Fiedler

Papendieck, Mathias

SPD

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Dr. Markus Reichel

Dr. Markus Reichel

© Dr. Markus Reichel/ Frank Grätz

Reichel, Dr. Markus

CDU/CSU

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Natalie Pawlik

Natalie Pawlik

© Natalie Pawlik/ Photothek Media Lab

Pawlik, Natalie

SPD

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Dr. Zanda Martens

Dr. Zanda Martens

© Dr. Zanda Martens/ Iris Hansen

Martens, Dr. Zanda

SPD

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Aydan Özoğuz

Aydan Özoğuz

© Deutscher Bundestag / Stella von Saldern

Özoguz, Aydan

Bundestagsvizepräsidentin

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Dokumente

  • 20/6909 - Antrag: Arbeitszeiterfassung bürokratiearm ausgestalten - Mehr flexibles Arbeiten ermöglichen
    PDF | 168 KB — Status: 23.05.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • Fundstelle im Plenarprotokoll (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Beschluss

  • Überweisung 20/6909 beschlossen

Tagesordnung

Sitzungsverlauf

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

Arbeit

EU-rechtskonforme Dokumentation der Arbeitszeit

Der Bundestag hat am Donnerstag, 19. Mai 2022, erstmals über einen Antrag mit dem Titel „Beschäftigtenrechte stärken – Arbeitszeit europarechtskonform dokumentieren“ (20/1852) beraten, den die Fraktion Die Linke vorgelegt hat. Der Antrag wurde im Anschluss an die Aussprache zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.

Die Fraktion Die Linke fordert die tagesgenaue Aufzeichnung von Arbeitszeit und Ruhepausen. In dem Antrag kritisiert die Linksfraktion, dass ein drei Jahre altes Urteil zur Auslegung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie immer noch nicht in nationale Gesetzgebung umgesetzt sei. Dies erschwere den Beschäftigten weiterhin, ihre gesetzlich vorgeschriebenen Schutzansprüche gegenüber Arbeitgebern durchzusetzen, so Die Linke. Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um diese Situation zu beenden. (che/19.05.2022)

Reden zu diesem Tagesordnungspunkt

Aydan Özoğuz

Aydan Özoğuz

© Deutscher Bundestag / Stella von Saldern

Özoguz, Aydan

Bundestagsvizepräsidentin

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Susanne Ferschl

Susanne Ferschl

© Susanne Ferschl/Foto Baur

Ferschl, Susanne

Die Linke

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Mathias Papendieck

Mathias Papendieck

© Mathias Papendieck/ Christine Fiedler

Papendieck, Mathias

SPD

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Norbert Kleinwächter

Norbert Kleinwächter

© AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag/Stephan Schmidt

Kleinwächter, Norbert

AfD

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Aydan Özoğuz

Aydan Özoğuz

© Deutscher Bundestag / Stella von Saldern

Özoguz, Aydan

Bundestagsvizepräsidentin

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Dokumente

  • 20/1852 - Antrag: Beschäftigtenrechte stärken - Arbeitszeit europarechtskonform dokumentieren
    PDF | 203 KB — Status: 17.05.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • Fundstelle im Plenarprotokoll (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Beschluss

  • Reden zu Protokoll: Müller-Gemmeke, Beate (B90/Grüne); Cronenberg, Carl-Julius (FDP), Mörseburg, Maximilian (CDU/CSU), Dieren, Jan (SPD)


Überweisung 20/1852 beschlossen

Tagesordnung

Sitzungsverlauf

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

Arbeit

Arbeitszeiterfassung: Ausmaß an Flexibilität umstritten

Zeit: Montag, 9. Oktober 2023, 16.30 bis 18 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900

Mit der gesetzlichen Umsetzung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 zur künftigen Erfassung der Arbeitszeiten von Beschäftigten hat sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales am Montag, 9. Oktober 2023, in einer öffentlichen Anhörung befasst. Den Sachverständigen lagen dazu Anträge der Unionsfraktion (20/6909) und der Linksfraktion (20/1852) vor. Die Stellungnahmen der Sachverständigen reichten dabei von einer möglichst detaillierten bis hin zu einer möglichst flexiblen Neuregelung im Arbeitszeitgesetz.

Urteile des EuGH und des BAG

In seinem Urteil hatte der EuGH festgehalten, dass die EU-Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System einzuführen, mit dem die geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Auf dieser Grundlage hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13. September 2022 festgestellt, dass die Arbeitgeber ein System einführen und anwenden müssen, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden.

Während die Vertreter der Arbeitgeberverbände in der Anhörung entsprechend dem Unionsantrag die Notwendigkeit von Spielräumen und Flexibilität betonten, trat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wie der Antrag der Linken für die taggenaue Aufzeichnung von Arbeitszeit und Ruhepausen ein.

DGB: BAG-Urteil eng auslegen

Eine große Rolle spielte dabei der gesetzlich nicht definierte Begriff der Vertrauensarbeitszeit. Aus Sicht von Isabel Eder vom DGB ist diese in der Vergangenheit nur „pervertiert“ angewendet worden, die Beschäftigten seien mit einer Menge an zu bewältigenden Aufgaben alleingelassen worden. Insofern gebe es keinen Regelungsbedarf.

Eine enge Auslegung des BAG-Urteils wäre nach Ansicht des DGB wünschenswert. Im Übrigen gebe es bereits jetzt genügend Flexibilisierungsmöglichkeiten im Arbeitszeitgesetz. Der DGB plädierte für die Beibehaltung des Achtstundentages, der von erheblicher Bedeutung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz sei. Er sprach sich ferner für eine Begrenzung der täglichen Höchstarbeitszeit aus.

Psychosomatische Beschwerden durch lange Arbeitszeiten

Unterstützt wurde diese Position von Dr. Nils Backhaus von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, der darauf hinwies, dass 80 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeitszeit bereits erfassten. Diese verfügten über mehr zeitliche Spielräume als jene, die dies nicht tun. Einfluss auf die Arbeitszeit zu haben, wirke sich aus Sicht des Arbeitsschutzes positiv aus, sagte Backhaus.

Lange Arbeitszeiten könnten hingegen zu psychosomatischen Beschwerden führen bis hin zu Depressionen und Angststörungen, Stoffwechselerkrankungen oder Erschöpfungszuständen. Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit seien ungünstig, weil sie sozial wertvolle Zeit blockierten, Schichtarbeit könne gar das Krebsrisiko erhöhen.

Vertrauensarbeitszeit als Element betrieblicher Praxis

Dagegen unterstrich Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dass der Erhalt der Vertrauensarbeitszeit ein wichtiges Element der betrieblichen Praxis sei. Wolf schlug vor, die Höchstarbeitszeit auf die Woche zu verteilen.

Das BAG habe die Vertrauensarbeitszeit bestätigt, deshalb sollte aus seiner Sicht daran festgehalten und nicht in Arbeitsverträge eingegriffen werden. Nach seiner Interpretation des EuGH-Urteils muss der Arbeitgeber nur ermöglichen, dass die Arbeitszeit erfasst werden kann. Er sei aber nicht verpflichtet, diese selbst zu erfassen.

Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung

Oliver Zander vom Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Elektro- und Metall-Industrie (Gesamtmetall) wies darauf hin, dass mehrere Berufsgruppen bereits artikuliert hätten, nicht in die Arbeitszeiterfassung einbezogen werden zu wollen: die Richter, die Wissenschaft, die Anwaltskanzleien, die Lehrer. Auch die Arbeitnehmer mit Vertrauensarbeitszeit wollten ausgenommen werden.

In der Vertrauensarbeitszeit gebe es einen guten Ausgleich, sagte Zander mit Blick auf die Forderung der Linken nach „minutengenauer“ Arbeitszeit-Aufzeichnung. Daran hätten die Arbeitnehmer kein Interesse. Zander ermunterte die Koalition, „Vertrauensarbeitszeit wieder zu ermöglichen“. Andernfalls würde eine „gute, eingeübte Kultur verschüttet“. Aus seiner Sicht würde das EuGH-Urteil eine „Vereinbarungslösung“ ermöglichen.

Handwerk gegen Pflicht zu digitaler Erfassung

Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZdH) betonte den Grundsatz der Formfreiheit, die Arbeitszeiterfassung müsse flexibel gehandhabt werden können. Im Baugewerbe gebe es Arbeitsplätze, die der elektronischen Zeiterfassung Grenzen setzen, etwa bei wechselnden Einsatzorten. Viele kleinere Unternehmen würden dadurch überfordert. Dannenbring plädierte für die Tarifbindung, um in Tarifverträgen flexible Regelungen zu bekommen. Aus seiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber Tarif-Öffnungsklauseln ermöglichen würde.

Für eine flexible Arbeitszeiterfassung machte sich auch Wolfgang Molitor vom Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks stark. Eine Wochen-Erfassung der Arbeitszeit hielt er für richtig. Eine taggenaue elektronische Zeiterfassung sei nicht überall möglich, weil verschiedene Dienstleistungen an verschiedenen Orten erbracht werden müssten. Auch seien viele Beschäftigte skeptisch gegenüber dieser Art der Arbeitszeiterfassung.

„Mehr Freiheit“ versus Manipulationssicherheit

Unterschiedliche Sichtweisen gab es auch bei den Jura-Professoren. Prof. Dr. Gregor Thüsing von der Universität Bonn sprach sich für tarifliche Öffnungsklauseln aus. Der EU-Gesetzgeber gehe von einer Wochen-Höchstarbeitszeit von 48 Stunden aus, kombiniert mit Ruhezeiten sei dies ein genügender Schutz. Die Regierung sollte sich daran orientieren, so Thüsing, „mehr Freiheit“ zu wagen.

Prof. Dr. Christiane Brors von der Universität Oldenburg sagte, auf Dauer länger als acht Stunden pro Tag zu arbeiten, sei ungesund. Mobiles Arbeiten führe zur Entgrenzung von Arbeit und Freizeit. Die Zunahme von psychischen Erkrankungen zeige, dass ein modernes Arbeitsrecht Begrenzungen brauche. Gebraucht werde auch eine manipulationssichere Arbeitszeiterfassung. Aus ihrer Sicht wird es auf eine taggenaue Aufzeichnungspflicht, die zu Kontrollzwecken auch digital sein sollte, hinauslaufen.

Für ein Bußgeld bei Verstößen

Prof. Dr. Thomas Klein von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes ging auf die Vertrauensarbeitszeit ein, von der nicht klar sei, „was es ist“. Wenn damit gemeint sei, dass die Beschäftigten ihre Arbeitszeit selbst festlegen, dann wäre dies nach dem EuGH-Urteil weiterhin möglich. Die Höchstarbeitszeiten dürften jedoch nicht überschritten werden. Klein trat für eine „Modifizierung der Beweislast“ im Hinblick auf den Nachweis von Arbeitszeit ein und monierte, dass Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht kein Bußgeld für den Arbeitgeber zur Folge hätten.

Prof. Dr. Frank Bayreuther von der Universität Passau plädierte für eine klare gesetzliche Vorgabe, dass eine Behörde bei Verstößen ein Bußgeld verlangen kann. Er widersprach auch der Ansicht, der Arbeitgeber könne selbst entscheiden, ob er von der Arbeitszeiterfassung Gebrauch machen wolle oder nicht. (vom/09.10.2023)

Dokumente

  • 20/1852 - Antrag: Beschäftigtenrechte stärken - Arbeitszeit europarechtskonform dokumentieren
    PDF | 203 KB — Status: 17.05.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/6909 - Antrag: Arbeitszeiterfassung bürokratiearm ausgestalten - Mehr flexibles Arbeiten ermöglichen
    PDF | 168 KB — Status: 23.05.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Tagesordnung

  • 56. Sitzung am Montag, den 9. Oktober 2023, 16.30 Uhr - öffentliche Anhörung

Protokolle

  • 56. Sitzung Wortprotokoll Arbeitszeit

Sachverständigenliste

  • Liste der Sachverständigen

Stellungnahmen

  • Schriftliche Stellungnahme - Gesamtmetall | Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V.
  • Schriftliche Stellungnahme - Professor Dr. Gregor Thüsing, Bonn
  • Schriftliche Stellungnahme - Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V.
  • Schriftliche Stellungnahme - Professorin Dr. Christiane Brors, Oldenburg
  • Schriftliche Stellungnahme - Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks
  • Schriftliche Stellungnahme - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
  • Schriftliche Stellungnahme - Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V.
  • Schriftliche Stellungnahme - Professor Dr. Thomas Klein, Saarbrücken
  • Schriftliche Stellungnahme - Professor Dr. Frank Bayreuther, Passau
  • Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen

Weitere Informationen

  • Ausschuss für Arbeit und Soziales

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

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https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw21-de-arbeitszeiterfassung-947960

Stand: 26.08.2025