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Gesundheit

Grundsatzdebatte über künftige Finanzierung der Pflegeversorgung

Die von der Bundesregierung vorgelegte Pflegereform hat im Bundestag zu einer kontroversen Grundsatzdebatte über die langfristige Organisation und Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung geführt. Redner der Opposition bemängelten in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs am Donnerstag, 27. April 2023, die Finanzierung der Pflegeversicherung sei nicht nachhaltig. Angesichts der demografischen Entwicklung und der immer höheren Kosten müsse die Pflege neu aufgestellt werden.

Die Bundesregierung und Redner der Ampelkoalition räumten ein, dass über eine grundsätzliche Weichenstellung in der Pflege beraten werden müsse und der vorliegende Entwurf ein Kompromiss sei, der in den Beratungen noch verändert werden sollte. Nach der Debatte überwiesen die Abgeordneten die Initiative „zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG)“ (20/6544) gemeinsam mit einem Antrag der Linken mit dem Titel „Gute Pflege stabil finanzieren“ (20/6546) in den Gesundheitsausschuss. 

Gesetzentwurf der Koalition

Die Ampelkoalition will mit der Pflegereform die Pflegebedürftigen entlasten und die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung stabilisieren. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht  zum 1. Juli 2023 eine Anhebung des Pflegebeitrags um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent vor. Das soll Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Der Arbeitgeberanteil liegt paritätisch bei 1,7 Prozent. Die Bundesregierung soll außerdem dazu ermächtigt werden, den Beitragssatz künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, falls auf einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss.

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten einer besseren Berücksichtigung der Kinderzahl bei den Pflegebeiträgen wird der Beitragssatz nach der Zahl der Kinder weiter ausdifferenziert. Der Beitragszuschlag für Kinderlose soll von derzeit 0,35 auf 0,6 Beitragssatzpunkte steigen.

Pflegegeld und Sachleistungen

In der häuslichen und stationären Pflege werden die finanziellen Belastungen begrenzt. So werden das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungen zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent angehoben.

Zum Jahresbeginn2025 und 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft und in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert. Das Pflegeunterstützungsgeld können Angehörige künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je Pflegefall in Anspruch nehmen und nicht nur einmalig.

Zuschläge der Pflegekassen

Gestaffelt angehoben werden mit Jahresbeginn 2024 auch die Zuschläge der Pflegekassen an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Je länger die Verweildauer im Heim, umso höher der Zuschlag. Neu strukturiert und systematisiert werden sollen die Regelungen beim Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach Paragraf 18 SGB XI.

Schließlich soll die Reform auch zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen. So soll in der stationären Pflege die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch die Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt werden. Vorgesehen ist ferner ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege. Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen im Volumen von insgesamt rund 300 Millionen Euro soll ausgeweitet und bis Ende des Jahrzehnts verlängert werden.

Lauterbach: Wir sind an einem Wendepunkt

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) sagte, die Langzeitpflege stehe vor wichtigen Herausforderungen. Immer mehr Menschen benötigen immer länger pflegende Unterstützung. Die Pflegekräfte würden besser bezahlt, die Ausgaben in der Pflege stiegen. Das seien alles im Grunde gute Nachrichten, die es zu würdigen gelte, denn sie stünden für mehr Lebensqualität. Lauterbach betonte, in der Pflegeversicherung werde ausgesprochen effizient gearbeitet, die Qualität sei hoch, das System brauche aber einfach mehr Geld.

Lauterbach ging auf die kontinuierlich steigenden Ausgaben in der sozialen Pflegeversicherung ein, die sich zwischen 2017 und 2023 fast verdoppelt hätten. Die Pflege sei der am stärksten wachsende soziale Bereich und latent unterfinanziert. Daher müsse der paritätisch getragene Beitrag maßvoll angehoben werden. Der Minister sagte, er wolle nichts beschönigen oder verschweigen und fügte hinzu: „Wir sind, was die langfristige Finanzierung der Pflege angeht, an einem Wendepunkt.“ Das System könne nicht dauerhaft so ausgebaut werden. Er kündigte einen Vorschlag dazu im kommenden Jahr an. Dabei werde es etwa um die Frage der Steuerfinanzierung gehen, eine mögliche Vollkaskoversicherung oder auch die Bürgerversicherung. Er versprach eine Reform aus einem Guss.

Grüne: Pflege braucht Rückhalt des Finanzministers

Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einer mehr als überfälligen Reform, in der jedoch nicht alles enthalten sei, was ihre Partei sich vorgestellt habe. Sie sehe noch Verbesserungsbedarf, sagte sie und ging insbesondere auf die häusliche Pflege ein, die es zu stärken gelte, denn 80 Prozent der Pflegebedürftigen würden zu Hause betreut. Wenn die Politik nicht dafür sorge, dass Angehörige die Betreuung stemmen könnten, „stehen wir vor einem riesigen Problem“.

Die Pflege brauche nicht nur Rückhalt im Parlament, sondern auch des Finanzministers. Sie warnte davor, die Herausforderungen der Zukunft durch die höhere Zahl an Pflegebedürftigen und den Fachkräftemangel auszusitzen und forderte moderne und zeitgemäße Formen der Betreuung. „Das ist eine essenzielle Zukunftsaufgabe.“

FDP will „die Pflege auf sichere Füße stellen“

Nach Ansicht von Nicole Westig (FDP) werden mit der jetzt vorliegenden Reform die pflegenden Angehörigen bereits in einigen Punkten unterstützt. Die moderate Beitragssatzerhöhung sei ihrer Partei schwergefallen wegen der dadurch weiter steigenden Sozialabgabenquote.

Westig wies zugleich Forderungen nach einer Bürgerversicherung zurück. Sie sehe die in immer kürzeren Zeiträumen auftretenden Finanzprobleme der Pflegeversicherung mit großer Sorge. Benötigt werde eine nachhaltige und generationengerechte Finanzierung mit mehr Kapitaldeckung und einer verpflichtenden Zusatzvorsorge. Sie warb für eine offene Diskussion darüber, um „die Pflege auf sichere Füße zu stellen“.

SPD: Pflege muss einfacher werden

Verbesserungen im laufenden Verfahren kann sich auch Claudia Moll (SPD) vorstellen, die aus ihrer Erfahrung die teils dramatische Lage im häuslichen Pflegealltag schilderte. Die Menschen in der häuslichen Pflege hätten bislang zu wenig Entlastung erfahren, sagte sie und fügte hinzu: „Sie verdienen unsere volle Solidarität.“ Sie warnte, wenn die häusliche Pflege wegen Überlastung wegbräche, kämen auf die Gesellschaft sehr hohe Kosten zu.

Moll würdigte die geplanten Verbesserungen bei den Leistungen, kritisierte aber die Finanzierung nur über Beitragserhöhungen statt über Steuergelder. Das sei fragwürdig. Es sei sinnvoll, Steuermittel für die Pflege freizugeben. Außerdem müssten die Leistungen individueller, flexibler und niedrigschwellig angeboten werden. „Pflege muss einfacher werden.“ Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sei „das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht.“ Pflege müsse ganz neu gedacht werden. Die Pflegebedürftigen und ihrer Betreuer hätten „Respekt und einen Steuer-Doppel-Wumms verdient“.

Union für Strukturreform in der Pflege

Aus der Opposition kam teils heftige Kritik am Vorgehen der Regierung und Forderungen nach einer stabilen langfristigen Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung. Erich Irlstorfer (CDU/CSU) kritisierte, der vorgelegte Entwurf könne nicht als Reformgesetz bezeichnet werden, allenfalls als Diskussionspapier.

Es sei immerhin gut, dass Lauterbach Klartext rede, denn über die Pflege müsse grundsätzlich neu diskutiert werden. Die Menschen lebten länger und wollten so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit bleiben. Es sei daher sinnvoll, auch über Pflegeprävention zu sprechen. Nötig sei eine Strukturreform in der Pflege. Was die Finanzierung angehe, müssten dabei andere Prioritäten gesetzt werden.

AfD kritisiert Entwurf als „Pflegebelastungsgesetz“

Heftige Kritik an der Regierung kam von der AfD-Fraktion. Martin Sichert (AfD) sprach angesichts der geplanten Beitragserhöhung von einem „Pflegebelastungsgesetz“. Er kritisierte auch, dass sich die Bundesregierung dazu ermächtigen lassen wolle, „jederzeit willkürlich die Beiträge erhöhen zu können“. Damit werde die demokratische Gewaltenteilung mit Füßen getreten.

„Ihre Ermächtigungsfantasien lehnen wir genauso ab wie weitere Belastungen für die Bürger.“ Die Menschen müssten in dieser Zeit nicht belastet, sondern entlastet werden. Es würden Milliarden für Entwicklungshilfe, Waffen für die Ukraine oder für Zuwanderer ausgegeben, die besser in die Pflege und für niedrigere Beiträge investiert würden.

Linke: System der Langzeitpflege in schwerer Krise

Nach Einschätzung von Ates Gürpinar (Die Linke) befindet sich das System der Langzeitpflege in einer schweren Krise. Es gehe um alte, arme und schwache Menschen. Die Altenpflege sei im Vergleich zur Krankenpflege schlecht bezahlt und mit hoher Arbeitsbelastung verbunden. Pflegekräfte bräuchten keinen Dank mehr, sondern mehr Lohn.

Oft blieben die wirklichen Probleme versteckt, weil für die Pfleger ihr Beruf zugleich Berufung sei. Sie arbeiteten immer mehr. Das Versicherungssystem sei ungerecht und werde nicht angegangen. Die geplante Anhebung der ambulanten Leistungen sei angesichts der hohen Inflation völlig unzureichend. Gürpinar sagte mit Blick auf den Gesetzentwurf: „Der Vorschlag ist schlecht, und das war erwartbar.“

Antrag der Linken

Die Linksfraktion fordert eine „nachhaltige und gerechte Finanzierung“ der sozialen Pflegeversicherung. Die Bundesregierung lege einen Gesetzentwurf vor, der auf Kosten der Beitragszahler die Pflegeversicherung kurzfristig zu stabilisieren versuche, heißt es in ihrem Antrag. Neben der finanziellen Sanierung der Pflegeversicherung brauche es auch bessere Leistungen für die Versicherten und bessere Löhne für die Beschäftigten in der Pflege.

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag unter anderem, zur Gegenfinanzierung von sofortigen Leistungsverbesserungen übergangsweise Steuermittel des Bundes einzusetzen. Die Beitragsbemessungsgrenze und die Versicherungspflichtgrenze sollten abgeschafft werden. Die Beiträge der Pflichtversicherten müssten auf alle Einkommensarten, also auch auf Kapitaleinkommen, ausgeweitet werden. Privat Pflegeversicherte sollen vollständig in das System der sozialen Pflegeversicherung einbezogen werden.

Das Pflegegeld, ambulante Sachleistungen, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege sowie Zuschläge für langfristige stationäre Leistungen sollten um 20 Prozent angehoben werden. Alle Leistungen müssten zudem künftig jährlich entlang der aktuellen Teuerungsrate dynamisiert werden, heißt es in dem Antrag. (pk/27.04.2023)

Reden zu diesem Tagesordnungspunkt

Petra Pau

Petra Pau

© Deutscher Bundestag/Stella von Saldern

Pau, Petra

Bundestagsvizepräsidentin

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Karl Lauterbach

Karl Lauterbach

© Karl Lauterbach/Maximilian König

Lauterbach, Prof. Dr. Karl

Bundesminister für Gesundheit

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Erich Irlstorfer

Erich Irlstorfer

© Erich Irlstorfer/Foto Krammer

Irlstorfer, Erich

CDU/CSU

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Maria Klein-Schmeink

Maria Klein-Schmeink

© Maria Klein-Schmeink/ Paul Metzdorf

Klein-Schmeink, Maria

Bündnis 90/Die Grünen

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Martin Sichert

Martin Sichert

© Büro MdB Sichert / Büro MdB Sichert

Sichert, Martin

AfD

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Nicole Westig

Nicole Westig

© Nicole Westig/ Laurence Chaperon

Westig, Nicole

FDP

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Ates Gürpinar

Ates Gürpinar

© Ates Gürpinar/ Olaf Krostitz

Gürpinar, Ates

Die Linke

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Matthias David Mieves

Matthias David Mieves

© Matthias Mieves/ Photothek Media Lab

Mieves, Matthias David

SPD

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Simone Borchardt

Simone Borchardt

© Simone Borchardt

Borchardt, Simone

CDU/CSU

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Kordula Schulz-Asche

Kordula Schulz-Asche

© Kordula Schulz-Asche/ Tom Schweers

Schulz-Asche, Kordula

Bündnis 90/Die Grünen

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Kay-Uwe Ziegler

Kay-Uwe Ziegler

© Kay-Uwe Ziegler/ Nikolaus Becker

Ziegler, Kay-Uwe

AfD

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Lars Lindemann

Lars Lindemann

© Lars Lindemann/ Harry Schnitger

Lindemann, Lars

FDP

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Claudia Moll

Claudia Moll

© Claudia Moll / Maurice Weiss

Moll, Claudia

SPD

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Axel Müller

Axel Müller

© Axel Müller/ Tobias Koch

Müller, Axel

CDU/CSU

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Heike Baehrens

Heike Baehrens

© Photothek

Baehrens, Heike

SPD

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Diana Stöcker

Diana Stöcker

© Diana Stöcker/Jürgen Weisheitinger

Stöcker, Diana

CDU/CSU

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Yvonne Magwas

Yvonne Magwas

© Yvonne Magwas/Tobias Koch

Magwas, Yvonne

Bundestagsvizepräsidentin

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Dokumente

  • 20/6544 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz - PUEG)
    PDF | 1 MB — Status: 25.04.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/6546 - Antrag: Gute Pflege stabil finanzieren
    PDF | 185 KB — Status: 25.04.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • Fundstelle im Plenarprotokoll (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Beschluss

  • Überweisung 20/6544 und 20/6546 beschlossen

Tagesordnung

Sitzungsverlauf

Weitere Informationen

  • Gebärdensprachvideo (DGS) (Video)

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

Gesundheit

Gesundheitsexperten fordern Nachbesserungen an der Pflegereform

Gesundheitsexperten empfehlen der Bundesregierung deutliche Nachbesserungen an der jüngsten Pflegereform. Kritisiert werden vor allem die als zu gering empfundene Anhebung des Pflegegeldes und der ambulanten Sachleistungen sowie die nicht regelhafte Dynamisierung dieser Leistungen. Die Experten mahnten auch eine grundlegende Systemreform an, um die Pflege nachhaltig finanzieren zu können. Die Sachverständigen äußerten sich in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Gesetzentwurf „zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege“ (20/6544) der Koalitionsfraktionen (20/6544) am Mittwoch, 10. Mai 2023, sowie in schriftlichen Stellungnahmen. Auf der Tagesordnung des Gremiums standen darüber hinaus ein Antrag der AfD (20/4669) und der Linken (20/6546). 

Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen

Mit der Pflegereform sollen Pflegebedürftige entlastet und die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung stabilisiert werden. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht zum 1. Juli 2023 eine Anhebung des Pflegebeitrags um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent vor. Das soll Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Der Arbeitgeberanteil liegt paritätisch bei 1,7 Prozent. Die Bundesregierung soll dazu ermächtigt werden, den Beitragssatz künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, falls auf einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss.

Der Pflegebeitragssatz wird ebenfalls zum 1. Juli 2023 nach der Zahl der Kinder weiter ausdifferenziert. Der Beitragszuschlag für Kinderlose soll von derzeit 0,35 auf 0,6 Beitragssatzpunkte steigen. Für Mitglieder ohne Kinder gilt künftig ein Pflegebeitragssatz in Höhe von vier Prozent. Bei einem Kind sinkt der Beitragssatz auf 3,4 Prozent. Ab zwei Kindern wird der Beitrag bis zum 25. Lebensjahr des Kindes um 0,25 Punkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt. Bei Familien mit fünf oder mehr Kindern liegt der Beitrag künftig bei 2,4 Prozent.

Pflegegeld und Sachleistungen

In der häuslichen und stationären Pflege werden die finanziellen Belastungen begrenzt. So werden das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungen zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent angehoben. Zum Jahresbeginn 2025 und 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft und in Anlehnung an die Preisentwicklung dynamisiert. Das Pflegeunterstützungsgeld können Angehörige künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je Pflegefall in Anspruch nehmen und nicht nur einmalig.

Gestaffelt angehoben werden mit Jahresbeginn 2024 auch die Zuschläge der Pflegekassen an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Je länger die Verweildauer im Heim, umso höher der Zuschlag.

Zuschläge der Pflegekassen

Neu strukturiert und systematisiert werden sollen die Regelungen beim Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach Paragraf 18 SGB XI. Schließlich soll die Reform auch zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen. So soll in der stationären Pflege die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch die Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt werden. Vorgesehen ist ferner ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege. Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen im Volumen von insgesamt rund 300 Millionen Euro soll ausgeweitet und bis Ende des Jahrzehnts verlängert werden.

Kritik an „gravierenden Lücken“ in der Infrastruktur

Die Interessenvertretung der pflegenden Angehörigen, „wir pflegen!“, sieht erheblichen Nachbesserungsbedarf an dem Entwurf. Etliche wichtige Vorhaben seien nicht berücksichtigt worden, so etwa die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen über Steuern. Das Ziel, die häusliche Pflege zu stärken und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen zu entlasten, lasse sich so nicht erreichen. Pflegebedürftige und Angehörige müssten zudem bei Bedarf die Leistungen auch erhalten können, das sei jedoch nicht der Fall.

Die pflegerische Infrastruktur weist nach Darstellung des Selbsthilfeverbandes in nahezu allen Bereichen gravierende Lücken auf. In der Folge würden gesetzliche Leistungsansprüche nicht in Anspruch genommen werden. Laut einer Hochrechnung spare die Pflegeversicherung dadurch 14 Milliarden Euro ein. Dieser Fehler im System müsse behoben werden. Durch nicht vorhandene Unterstützungs- und Entlastungsangebote würden pflegende Angehörige aus dem Erwerbsleben gezwungen. Der Verband forderte eine stärkere Anhebung des Pflegegeldes um 20 Prozent sowie der ambulanten Sachleistungsbeträge um mindestens 30 Prozent in diesem Jahr sowie einen Rechtsanspruch auf Tagespflege.

Forderung nach großer Systemreform 

Ähnlich lautende Kritik kam von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, die eine große Systemreform anmahnte, um die Pflegeversicherung zukunftsfest zu gestalten. Dem Entwurf fehle eine Vision für die Gestaltung einer Pflege- und Versorgungsstruktur, die den Bedürfnissen der Betroffenen und ihrer Angehörigen gerecht werde.

Nach Ansicht des Verbandes sind die geplanten Erhöhungen des Pflegegeldes und der ambulanten Sachleistungen nicht ausreichend. Schon heute müssten Familien große Abstriche in der Versorgung hinnehmen, weil die Kosten einer am Bedarf orientierten Versorgung explodierten. Nötig sei die sofortige Dynamisierung der Leistungen.

Langfristige Lösungen vermisst

Nach Ansicht des Sozialverbandes Deutschland bleibt die Vorlage weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Trotz der angespannten Situation in der Langzeitpflege beschränke sich der Entwurf auf kurzfristig wirkende Vorschläge. Grundlegende Lösungen zur langfristigen Stabilisierung der pflegerischen Versorgung würden vertagt. Die Anpassungen der Geld- und Sachleistungen sowie der Leistungszuschüsse zu den Eigenanteilen in der stationären Pflege kämen 2024 zu spät und könnten den Kaufkraftverlust durch die Inflation nicht annähernd ausgleichen. Zugleich sei mit der Streichung der ursprünglich geplanten Zusammenführung von Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zu einem gemeinsamen Jahresbetrag eine zentrale Entlastungsregelung entfallen. Diesen Punkt kritisierten in der Anhörung auch diverse weitere Sachverständige.

Der Deutsche Pflegerat (DPR) bemängelte, notwendige Reformen würden nicht angepackt. Damit drohe der Zusammenbruch der Versorgungsstrukturen, da die Akteure ihren Auftrag nicht sicherstellen könnten. Die Anhebung der Beiträge und die geringen Anpassungen der Leistungen seien keine langfristigen Lösungen, um den Herausforderungen in der pflegerischen Versorgung entgegenzutreten. Der finanzielle Druck, der auf den Pflegebedürftigen und den Pflegepersonen laste, werde politisch ausgeblendet. Es müssten tragfähige und zukunftsfähige Rahmenbedingungen zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung geschaffen werden.

Ähnliche Bedenken äußerte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der grundlegende Anpassungen forderte, um dem Anspruch einer nachhaltigen finanziellen Stabilisierung, spürbaren Leistungsverbesserungen und einer Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen gerecht zu werden. Die Leistungsverbesserungen blieben deutlich hinter der Kostenentwicklung zurück. Die geplante Regelung, den Beitragssatz künftig per Verordnung anheben zu können, schränke die parlamentarische Entscheidungsmöglichkeit ein. Auf die Ermächtigung sollte daher verzichtet werden.

Stärkung der häuslichen Pflege

Die Einzelsachverständige Carola Reimann hob die Stärkung der häuslichen Pflege als zentrale Aufgabe hervor. Mit dem Entwurf würden keine Initiativen ergriffen, mit denen Potenziale zum Erhalt und zur Förderung der Selbstständigkeit und Fähigkeiten der Pflegebedürftigen gestärkt werden könnten, um Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern, kritisierte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Dazu wäre eine Neuausrichtung der Kurzzeitpflege geeignet. Für diese strukturellen Weiterentwicklungen müssten zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt werden. Reimann betonte in der Anhörung: „Die Langzeitpflege ist eine der größten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die wir haben.“

Der Arbeitgeberverband BDA stellte in der Anhörung die Umsetzung der geplanten Beitragsdifferenzierung nach Kindern zum 1. Juli 2023 infrage. Die dazu nötige Erhebung der Daten sei aufwendig, das sei in dem vorgesehenen Zeitraum nicht zu bewältigen. Sinnvoll wäre überdies, für diesen Zweck eine zentrale, digitale Erfassungsstelle einzurichten.

Antrag der AfD 

Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag eine Entlastung der Pflegeversorgung von bürokratischen Vorgaben. Die Abgeordneten sprechen sich dafür aus, wieder eine Regelung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ohne Hausbesuch nach Aktenlage durch einen Gutachter zu ermöglichen.

Beratungseinsätze sollten ohne Bezug zur Covid-19-Pandemie oder sonstige Befristung wieder per Telefon, digital oder per Videokonferenz stattfinden können. Hausbesuche sollte es nur geben, wenn Pflegebedürftige dies wünschten oder sich aus Sicht der Pflegeversicherung nach telefonischer, digitaler oder per Videokonferenz stattgefundener Beratung im Einzelfall die Notwendigkeit ergebe. Auch die Häufigkeit der routinemäßigen Beratungseinsätze sollte verringert werden.

Antrag der Linken

Die Linksfraktion fordert eine „nachhaltige und gerechte Finanzierung“ der sozialen Pflegeversicherung. Die Bundesregierung lege einen Gesetzentwurf vor, der auf Kosten der Beitragszahler die Pflegeversicherung kurzfristig zu stabilisieren versuche, heißt es in ihrem Antrag. Neben der finanziellen Sanierung der Pflegeversicherung brauche es auch bessere Leistungen für die Versicherten und bessere Löhne für die Beschäftigten in der Pflege.

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag unter anderem, zur Gegenfinanzierung von sofortigen Leistungsverbesserungen übergangsweise Steuermittel des Bundes einzusetzen. Die Beitragsbemessungsgrenze und die Versicherungspflichtgrenze sollten abgeschafft werden. Die Beiträge der Pflichtversicherten müssten auf alle Einkommensarten, also auch auf Kapitaleinkommen, ausgeweitet werden. Privat Pflegeversicherte sollen vollständig in das System der sozialen Pflegeversicherung einbezogen werden.

Das Pflegegeld, ambulante Sachleistungen, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege sowie Zuschläge für langfristige stationäre Leistungen sollten um 20 Prozent angehoben werden. Alle Leistungen müssten zudem künftig jährlich entlang der aktuellen Teuerungsrate dynamisiert werden, heißt es in dem Antrag. (pk/10.05.2023)

Dokumente

  • 20/4669 - Antrag: Pflegeversicherung - Bürokratie abbauen, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlasten
    PDF | 171 KB — Status: 29.11.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/6544 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz - PUEG)
    PDF | 1 MB — Status: 25.04.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/6546 - Antrag: Gute Pflege stabil finanzieren
    PDF | 185 KB — Status: 25.04.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Weitere Informationen

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Stand: 28.08.2025