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Arbeit

Anträge zur betrieblichen Mitbestimmung erstmals debattiert

Über Betriebsräte und die Möglichkeiten der Betrieblichen Mitbestimmung hat der Bundestag am Donnerstag, den 27. April 2023, debattiert. Grundlage hierfür waren drei Anträge der Fraktion Die Linke. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlagen mit den Titeln „Zukunft, mitbestimmt – Betriebliche Mitbestimmung braucht Betriebsräte“ (20/5587), „Zukunft mitbestimmt – Transformation braucht starke betriebliche Mitbestimmung“ (20/5406) und „Zukunft, mitbestimmt – Demokratie braucht starke betriebliche Mitbestimmung“ (20/5405) zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales.

Linke: Mehr Spielräume für Betriebsräte 

Mehr Betriebsräte, bessere Bedingungen für deren Arbeit und ihre Mitglieder sowie mehr Mitbestimmungsrecht forderte Susanne Ferschl (Die Linke). Betriebsräte bräuchten „mehr Spielräume“ bei ihrer Arbeit. Nur noch sieben Prozent der Unternehmen in Deutschland hätten Betriebsräte.

Dabei würden diese vor allem bei der derzeitigen „Transformation der Arbeitswelt“ eine wichtige Rolle spielen. Ob bei der Digitalisierung oder bei Anpassungen an den Klimaschutz, damit Transformationen in einem Unternehmen fair abliefen, brauche es Betriebsräte, die durch festgeschriebene Mitbestimmungsrechte „auf Augenhöhe“ mit den Arbeitsgebern verhandeln könnten, sagte Ferschl.

SPD: Mitbestimmungsdebatte aktuell wie eh und je

Jan Dieren (SPD) betonte, dass es viele Bereiche wie Klimagerechtigkeit, Inklusion oder Gleichberechtigung gebe, bei denen Betriebsräte durch ihre Mitbestimmung wichtige Entscheidungen treffen könnten. Hätten Betriebsräte bei den Entscheidungen zu Kaufhausschließungen oder dem Verkauf von Betrieben mit am Tisch gesessen, wären die Entscheidungen demokratischer und besser gewesen, sagte Dieren. 

Am 1. Mai werden laut Dieren wieder zahlreiche Menschen auf die Straße gehen für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und ein Recht auf Demokratie. Auch das Thema Mitbestimmung sei ein zentrales bei den Demonstrationen zum 1. Mai. 

Union: Menschen bei Veränderungen mitnehmen 

Dr. Ottilie Klein (CDU/CSU) betonte, dass die „Idee vom Miteinander“ seit ihrer Gründung eine zentrale Säule der Unionspartei sei. Die betriebliche Mitbestimmung habe im Laufe der Zeit nichts an ihrer Bedeutung verloren. Dort, wo Räte existieren, seien die Arbeitsbedingungen besser. 

In der Zeit von Umbrüchen sei es von „fundamentaler Bedeutung“, die Menschen auf dem Weg der Veränderung mitzunehmen, sagte Klein. Von einer Mitbestimmung würden letztendlich beide Seiten profitieren – die Arbeitgeber und Beschäftigten.

Grüne: Klimaschutz und Digitalisierung mitgestalten 

Für Grünenabgeordnete Beate Müller-Gemmeke sei die betriebliche Mitbestimmung zentral, damit Beschäftigte „ihre Arbeitswelt aktiv mitgestalten“ könnten. Diese „gelebte Partizipation“ führe zu einer höheren Arbeitszufriedenheit. Müller-Gemmeke forderte, dass Betriebsräte insbesondere beim Thema Klimaschutz und der Verbesserung der Klimabilanz eines Unternehmens ein Mitbestimmungsrecht erhalten sollten. 

Immer noch gebe es Unternehmen in Deutschland, die verhindern würden, dass sich ein Betriebsrat bilde oder effektiv arbeiten könne. Es sei kein Geheimnis, dass die Grünen bei dem Thema „Betriebliche Mitbestimmung“ weiter gehen wollen als die Ampelkoalition insgesamt, fügte Müller-Gemmeke an.

AfD: Klimaziele interessieren die Arbeitnehmer nicht

Betriebsräte sollten die Interessen ihrer Kollegen vertreten und keine Klimaziele, forderte der AfD-Abgeordnete Jürgen Pohl. Er behauptete, dass für Arbeitnehmer der Erhalt des Betriebes und die Zukunftsfähigkeit eines Standortes entscheidend seien, nicht aber Klimaziele.

Mit Blick auf die Betriebsratsarbeit forderte Pohl, dass überall dort, wo keine Tarifbindung bestehe, Betriebsräte über „verbindliche Tarifvereinbarungen“ entscheiden sollten.

FDP: Unternehmerische Verantwortung liegt nicht bei Betriebsrat

Betriebsräte seien wichtige Ansprechpartner für Arbeitgeber, sagte Pascal Kober (FDP). Die unternehmerische Verantwortung liege allerdings nicht in den Händen des Betriebsrats. Die Anträge der Linken kritisierte Kober dafür, dass die geforderten Ausweitungen weit über betriebliche Mitbestimmung hinaus gehen würden.

Ebenso wie Menschen das Recht hätten, einen Betriebsrat zu gründen, würde ihnen auch das Recht zustehen, keine entsprechende Organisation zu gründen, sagte Kober. Dass 2019 beispielsweise nur vier Urteile wegen Behinderung einer Betriebsratsgründung gefällt wurden, spricht laut Kober dafür, dass nicht alle Arbeitnehmer vorhätten, einen Rat zu gründen.

Erster Antrag der Linken

Mit ihrem ersten Antrag (20/5587) will die Linksfraktion Betriebsratsneugründungen und die Bedingungen für bestehende Gremien erleichtern. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vorzulegen. In diesem solle unter anderem festgelegt werden, dass Arbeitgeber, sofern es in ihrem Betrieb keinen Betriebsrat gibt, auch wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, verpflichtet werden, auf jährlichen Versammlungen über die Rechte der Arbeitnehmer aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu informieren.

Den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften solle die Möglichkeit gegeben werden, diese Versammlungen zu leiten, und den Beschäftigten solle ermöglicht werden, ohne Beisein des Arbeitgebers einen Wahlvorstand zu wählen. Außerdem müsse die Behinderung von erstmaligen Betriebsratswahlen verhindert werden, indem drei Arbeitnehmer im Betrieb in Ausnahmefällen von einem Arbeitsgericht direkt einen Betriebsrat mit einer verkürzten Amtszeit von sechs Monaten einsetzen lassen können. Betriebsratsmitglieder mit sachgrundlos befristeten Verträgen sollte ein Rechtsanspruch auf Entfristung gegeben werden, ähnlich wie dies Auszubildenden zusteht, verlangt die Fraktion weiter.

Zweiter Antrag der Linken

In ihrem zweiten Antrag (20/5406) verlangt Die Linke mehr betriebliche Mitbestimmungsrechte bei der Transformation der Wirtschaft im Zuge von Digitalisierung und Klimawandel. „Die neue Wirtschaftsweise und Arbeitswelt wird nur demokratisch, sozial und ökologisch sein, wenn die Beschäftigten an diesem Umbauprozess aktiv beteiligt sind. Transformation muss mitbestimmt sein“, heißt es dazu in dem Antrag.

Die Bundesregierung müsse deshalb einen Gesetzentwurf zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vorlegen, der eine Ausweitung der zwingenden Mitbestimmungsrechte einschließlich der Initiativrechte des Betriebsrates beinhaltet, fordert die Fraktion. Dazu gehörten unter anderem die Verankerung eines zwingenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates bei Maßnahmen und Regelungen, die zu höheren Umwelt- oder Klimabelastungen führen können, und ein Initiativrecht bei Maßnahmen und Regelungen, die Umwelt- oder Klimabelastungen des Unternehmens verringern, sowie ein Vetorecht bei unternehmerischen Maßnahmen, die eine Gefahr für die natürlichen Lebensgrundlagen darstellen.

Auch die Weiterentwicklung zu einem zwingenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei allen Maßnahmen, die der Sicherung und Förderung der Beschäftigung und der Gleichstellung dienen, gehörten dazu, schreibt die Fraktion.

Dritter Antrag der Linken

In ihrem dritten Antrag (20/5405) fordert Die Linke eine starke betriebliche Mitbestimmung. Sie begründet dies damit, dass es ihrer Ansicht nach eine Möglichkeit sei, gegen ein „weitverbreitetes Ohnmachtserleben“ vorzugehen und die Demokratie am Arbeitsplatz zu stärken. „Betriebliche Mitbestimmung macht Selbstwirksamkeit und demokratische Prozesse erlebbar, das wiederum stärkt das Vertrauen in die Demokratie insgesamt. Gleichzeitig ist die innerbetriebliche Demokratie auszubauen: Denn erstens sind Betriebsräte nur so stark wie die Belegschaft, die hinter ihnen steht. Zweitens ist jeder und jede einzelne Beschäftigte von der Transformation betroffen und muss sich daher beteiligen können“, schreiben die Abgeordneten.

Sie verlangen unter anderem eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, die den Ausbau der innerbetrieblichen Demokratie und der vertieften Beteiligung der Belegschaft an der Arbeit des Betriebsrats beinhalten soll. Unter anderem sollten bereits 15 Prozent der Belegschaft vom Betriebsrat verlangen können, eine Betriebsversammlung einzuberufen und die auf Wunsch der Belegschaft einberufenen Versammlungen während der Arbeitszeit stattfinden zu lassen.

Der Betriebsrat solle das Recht erhalten, sachkundige Beschäftigte als nichtstimmberechtigte Mitglieder in Ausschüsse zu bestellen, so die Fraktion. Einem Quorum von 50 Prozent der Belegschaft solle das Recht gegeben werden, gegenüber dem Betriebsrat die Einleitung von vorzeitigen Neuwahlen einzufordern. (des/vom/che/27.04.2023)

Reden zu diesem Tagesordnungspunkt

Yvonne Magwas

Yvonne Magwas

© Yvonne Magwas/Tobias Koch

Magwas, Yvonne

Bundestagsvizepräsidentin

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Susanne Ferschl

Susanne Ferschl

© Susanne Ferschl/Foto Baur

Ferschl, Susanne

Die Linke

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Jan Dieren

Jan Dieren

© Jan Dieren/Photothek

Dieren, Jan

SPD

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Dr. Stefan Nacke

Dr. Stefan Nacke

© Stefan Nacke/ Klaus Altevogt/ info@klausaltevogt.com

Nacke, Dr. Stefan

CDU/CSU

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Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen

Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen

© Stefan Kaminski

Müller-Gemmeke, Beate

Bündnis 90/Die Grünen

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Jürgen Pohl

Jürgen Pohl

© Jürgen Pohl

Pohl, Jürgen

AfD

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Pascal Kober

Pascal Kober

© DBT/ Thomas Koehler

Kober, Pascal

FDP

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Michael Gerdes

Michael Gerdes

© Photothek

Gerdes, Michael

SPD

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Dr. Ottilie Klein

Dr. Ottilie Klein

© Michael Bennett

Klein, Dr. Ottilie

CDU/CSU

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Frank Bsirske

Frank Bsirske

© Bonnie Bartusch

Bsirske, Frank

Bündnis 90/Die Grünen

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Gerrit Huy

Gerrit Huy

© Gerrit Huy/ Marcus Vetter, Fotostudio Seefeld

Huy, Gerrit

AfD

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Carl-Julius Cronenberg

Carl-Julius Cronenberg

© Justus Kersting

Cronenberg, Carl-Julius

FDP

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Dr. Zanda Martens

Dr. Zanda Martens

© Dr. Zanda Martens/ Iris Hansen

Martens, Dr. Zanda

SPD

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Dr. Markus Reichel

Dr. Markus Reichel

© Dr. Markus Reichel/ Frank Grätz

Reichel, Dr. Markus

CDU/CSU

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Kaweh Mansoori

Kaweh Mansoori

© SPD-Fraktion/ photothek

Mansoori, Kaweh

SPD

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Armand Zorn

Armand Zorn

© Armand Zorn / Photothek Media Lab

Zorn, Armand

SPD

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Yvonne Magwas

Yvonne Magwas

© Yvonne Magwas/Tobias Koch

Magwas, Yvonne

Bundestagsvizepräsidentin

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Dokumente

  • 20/5405 - Antrag: Zukunft, mitbestimmt - Demokratie braucht starke betriebliche Mitbestimmung
    PDF | 163 KB — Status: 26.01.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/5406 - Antrag: Zukunft, mitbestimmt - Transformation braucht starke betriebliche Mitbestimmung
    PDF | 165 KB — Status: 26.01.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/5587 - Antrag: Zukunft, mitbestimmt - Betriebliche Mitbestimmung braucht Betriebsräte
    PDF | 187 KB — Status: 09.02.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • Fundstelle im Plenarprotokoll (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Beschluss

  • Überweisung 20/5587, 20/5406 und 20/5405 beschlossen

Tagesordnung

Sitzungsverlauf

Weitere Informationen

  • Gebärdensprachvideo (DGS) (Video)

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

Arbeit

Dissens zu Reform­vor­schlägen zur betrieblichen Mitbestimmung

Zeit: Montag, 18. September 2023, 16 bis 17.30 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101

Die von der Linksfraktion in verschiedenen Anträgen (20/5405, 20/5406, 20/5587) erhobene Forderung nach einer Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) mit dem Ziel einer Ausweitung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates trifft bei Sachverständigen und Verbänden auf ein geteiltes Echo. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag, 19. September 2023, deutlich.

Kritik an Reformvorschlägen der Linken

Die geforderten Änderungen seien empirisch nicht fundiert und könnten auch mit Blick auf grundsätzliche ökonomische Überlegungen nicht überzeugen, hieß es von Seiten des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Dies gelte unter anderem für die Annahme, dass der Verbreitungsgrad von Betriebsräten alleiniger Maßstab für die Partizipation von Beschäftigten sei und ein geringerer Verbreitungsgrad demzufolge ein Partizipationsdefizit anzeige.

Bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA) sieht man durchaus Reformbedarf. Nicht aber in die von den Linken vorgeschlagene Richtung. In den Anträgen würden weitere erhebliche Verschlechterungen der Betriebsverfassung vorgeschlagen, die zu erheblichen Kostensteigerungen führen würden, hieß es. Wichtig sei es, Chancen und Herausforderungen, die zum Beispiel mit der Globalisierung und Digitalisierung verbunden sind, zu nutzen.

Die derzeit geltenden Regelungen zur Mitbestimmung enthalten aus Sicht von Gesamtmetall, dem Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, eine Balance zwischen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten, die sich – auch im internationalen Vergleich – auf sehr hohem Niveau bewegten. Diese Balance dürfe nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden, um keine Standortnachteile zu generieren.

DGB mit eigenen Vorschlägen zur BetrVG-Reform

Unterstützt werden die Anträge vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Angesichts der fundamental geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und damit auch der Arbeitsbedingungen für Betriebsräte sei das Betriebsrätemodernisierungsgesetz von 2022 ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gewesen.

Benötigt wird aus Sicht des DGB aber eine „echte“ Reform, die „adäquate Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit findet, indem sie die Interessenvertretungen stärkt“. Dazu habe der DGB eigene Vorschläge zur Reform des BetrVG gemacht.

Umstände eines modernen Arbeitslebens berücksichtigen

Eine Reform der betrieblichen Mitbestimmung müsse die Umstände eines modernen Arbeitslebens berücksichtigen und die Digitalisierung im Interesse von Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer bestmöglich nutzen, fordert der IT-Branchenverband Bitkom. Ziel der Reform müsse es sein, Prozesse zu beschleunigen und nicht die Einführung neuer Technologien zu verzögern. Verlangt wird unter anderem, Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten zu ermöglichen.

Nach Einschätzung des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung ist die sinkende Abdeckung bei der betrieblichen Mitbestimmung sehr bedenklich. Die Ursachen dafür seien vielgestaltig. Dazu gehöre der Rückzug von Unternehmen aus der Sozialpartnerschaft. Auch würden Betriebsratsgründungen gezielt verhindert. Die Mitbestimmung am Arbeitsplatz sei aber auch deshalb wichtig, weil es zur Festigung des demokratischen Prinzips beitrage, wenn Menschen erleben, dass sie eine Stimme bei der Gestaltung ihrer Lebensumgebung haben.

Mitbestimmungsrecht bei Umweltthemen

Positiv zu bemerken sei, so der Einzelsachverständige Kai-Uwe Hemmerich, Betriebsratsvorsitzender der Heubach Colorants Germany GmbH, dass einige der Forderungen des DGB-Entwurfs sich in den vorliegenden Anträgen wiederfänden. So sei es zutreffend, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungs- und Initiativrecht für Maßnahmen benötige, die den Umweltschutz im Betrieb betreffen. Zudem sollten in Betrieben ab 100 Beschäftigten Umweltausschüsse gegründet werden.

Auch aus Sicht des Einzelsachverständigen Nils Kummert, Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist eine Verstärkung des Mitbestimmungsrechts zu dieser Thematik dringend notwendig. Auf Seiten der Beschäftigten gebe es zu der Thematik des Umwelt- und Klimaschutzes viel ungenutztes Wissen und viele Ideen, die nicht zuletzt auch im Ergebnis der Beschäftigungssicherung und der guten Positionierung des Unternehmens am Markt und der Vermeidung staatlicher Eingriffe dienen könnten.

Beschäftigte als Gestalter ihrer Arbeitswelt

Ralf Scholten, ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrecht und als Einzelsachverständiger geladen, sieht Betriebsräte bei der Digitalisierung und speziell im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz (KI) schnell an ihre Grenzen kommen. Es brauche daher einen viel leichteren Zugang zu Qualifizierungen für sie auf diesem Gebiet. Ansonsten könnten Betriebsräte die Sprache der Experten gar nicht sprechen. 

Der Einzelsachverständige Cosimo Damiano Quinto, langjähriger Betriebsratsvorsitzender der Modekette H&M, begrüßte die Vorschläge der Fraktion Die Linke. Zukunftsplanungen dürften nicht Kapitalinteressen überlassen werden, betonte er. Vielmehr müsse das Betriebsverfassungsgesetz so geändert werden, dass Beschäftigte die Frage, wie sie zukünftig arbeiten und damit verbunden, wie sie leben wollen, mitbestimmt gestalten können. Zur Würde des Menschen zähle schließlich, dass Beschäftigte keine bloßen Objekte unternehmerischer Planungen bleiben, sondern selbst zu Gestaltern ihrer Arbeits- und somit Lebensbedingungen werden.

Erster Antrag der Linken

Mit ihrem ersten Antrag (20/5587) will die Linksfraktion Betriebsratsneugründungen und die Bedingungen für bestehende Gremien erleichtern. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vorzulegen. In diesem solle unter anderem festgelegt werden, dass Arbeitgeber, sofern es in ihrem Betrieb keinen Betriebsrat gibt, auch wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, verpflichtet werden, auf jährlichen Versammlungen über die Rechte der Arbeitnehmer aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu informieren.

Den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften solle die Möglichkeit gegeben werden, diese Versammlungen zu leiten, und den Beschäftigten solle ermöglicht werden, ohne Beisein des Arbeitgebers einen Wahlvorstand zu wählen. Außerdem müsse die Behinderung von erstmaligen Betriebsratswahlen verhindert werden, indem drei Arbeitnehmer im Betrieb in Ausnahmefällen von einem Arbeitsgericht direkt einen Betriebsrat mit einer verkürzten Amtszeit von sechs Monaten einsetzen lassen können. Betriebsratsmitglieder mit sachgrundlos befristeten Verträgen sollte ein Rechtsanspruch auf Entfristung gegeben werden, ähnlich wie dies Auszubildenden zusteht, verlangt die Fraktion weiter.

Zweiter Antrag der Linken

In ihrem zweiten Antrag (20/5406) verlangt Die Linke mehr betriebliche Mitbestimmungsrechte bei der Transformation der Wirtschaft im Zuge von Digitalisierung und Klimawandel. „Die neue Wirtschaftsweise und Arbeitswelt wird nur demokratisch, sozial und ökologisch sein, wenn die Beschäftigten an diesem Umbauprozess aktiv beteiligt sind. Transformation muss mitbestimmt sein“, heißt es dazu in dem Antrag.

Die Bundesregierung müsse deshalb einen Gesetzentwurf zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vorlegen, der eine Ausweitung der zwingenden Mitbestimmungsrechte einschließlich der Initiativrechte des Betriebsrates beinhaltet, fordert die Fraktion. Dazu gehörten unter anderem die Verankerung eines zwingenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates bei Maßnahmen und Regelungen, die zu höheren Umwelt- oder Klimabelastungen führen können, und ein Initiativrecht bei Maßnahmen und Regelungen, die Umwelt- oder Klimabelastungen des Unternehmens verringern, sowie ein Vetorecht bei unternehmerischen Maßnahmen, die eine Gefahr für die natürlichen Lebensgrundlagen darstellen.

Auch die Weiterentwicklung zu einem zwingenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei allen Maßnahmen, die der Sicherung und Förderung der Beschäftigung und der Gleichstellung dienen, gehörten dazu, schreibt die Fraktion.

Dritter Antrag der Linken

In ihrem dritten Antrag (20/5405) fordert Die Linke eine starke betriebliche Mitbestimmung. Sie begründet dies damit, dass es ihrer Ansicht nach eine Möglichkeit sei, gegen ein „weitverbreitetes Ohnmachtserleben“ vorzugehen und die Demokratie am Arbeitsplatz zu stärken. „Betriebliche Mitbestimmung macht Selbstwirksamkeit und demokratische Prozesse erlebbar, das wiederum stärkt das Vertrauen in die Demokratie insgesamt. Gleichzeitig ist die innerbetriebliche Demokratie auszubauen: Denn erstens sind Betriebsräte nur so stark wie die Belegschaft, die hinter ihnen steht. Zweitens ist jeder und jede einzelne Beschäftigte von der Transformation betroffen und muss sich daher beteiligen können“, schreiben die Abgeordneten.

Sie verlangen unter anderem eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, die den Ausbau der innerbetrieblichen Demokratie und der vertieften Beteiligung der Belegschaft an der Arbeit des Betriebsrats beinhalten soll. Unter anderem sollten bereits 15 Prozent der Belegschaft vom Betriebsrat verlangen können, eine Betriebsversammlung einzuberufen und die auf Wunsch der Belegschaft einberufenen Versammlungen während der Arbeitszeit stattfinden zu lassen.

Der Betriebsrat solle das Recht erhalten, sachkundige Beschäftigte als nichtstimmberechtigte Mitglieder in Ausschüsse zu bestellen, so die Fraktion. Einem Quorum von 50 Prozent der Belegschaft solle das Recht gegeben werden, gegenüber dem Betriebsrat die Einleitung von vorzeitigen Neuwahlen einzufordern. (che/irs/11.09.2023)

Dokumente

  • 20/5405 - Antrag: Zukunft, mitbestimmt - Demokratie braucht starke betriebliche Mitbestimmung
    PDF | 163 KB — Status: 26.01.2023
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/5406 - Antrag: Zukunft, mitbestimmt - Transformation braucht starke betriebliche Mitbestimmung
    PDF | 165 KB — Status: 26.01.2023
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  • 20/5587 - Antrag: Zukunft, mitbestimmt - Betriebliche Mitbestimmung braucht Betriebsräte
    PDF | 187 KB — Status: 09.02.2023
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Tagesordnung

  • 53. Sitzung am Montag, den 18. September 2023, 16.00 Uhr - öffentliche Anhörung

Protokolle

  • 53. Sitzung Wortprotokoll Mitbestimmung

Sachverständigenliste

  • Liste der Sachverständigen

Stellungnahmen

  • Schriftliche Stellungnahme - Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
  • Schriftliche Stellungnahme - Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V.
  • Schriftliche Stellungnahme - Ralf Scholten, Bochum
  • Schriftliche Stellungnahme - Gesamtmetall | Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V.
  • Schriftliche Stellungnahme - Deutscher Gewerkschaftsbund
  • Schriftliche Stellungnahme - Bitkom e.V.
  • Schriftliche Stellungnahme - Hans Böckler Stiftung
  • Schriftliche Stellungnahme - Cosimo-Damiano Quinto, Berlin
  • Schriftliche Stellungnahme - Kai-Uwe Hemmerich, Frankfurt am Main
  • Schriftliche Stellungnahme - Nils Kummert, Berlin
  • Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen

Weitere Informationen

  • Ausschuss für Arbeit und Soziales

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

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Stand: 28.08.2025