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Inneres

Einführung eines „Chancen-Aufenthaltsrechts“ beraten

Der Bundestag hat am Mittwoch, 19. Oktober 2022, erstmals den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts (20/3717) beraten. Der Gesetzentwurf wurde  im Anschluss an die Aussprache zusammen mit einem Antrag der Fraktion Die Linke (20/3973) zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Mit der Einführung eines sogenannten „Chancen-Aufenthaltsrechts“ will die Bundesregierung langjährig geduldeten Ausländern ermöglichen, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Dazu zählen insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts, Kenntnisse der deutschen Sprache und der Identitätsnachweis, wie aus ihrem Gesetzentwurf (20/3717) hervorgeht. Danach sollen zugleich die geltenden Bleiberechtregelungen weiterentwickelt sowie die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern konsequenter durchgesetzt werden. Weitere Neuregelungen betreffen unter anderem Erleichterungen bei der Fachkräfteeinwanderung und den Zugang von Asylbewerbern zu Integrationskursen.

Das einjährige Chancen-Aufenthaltsrecht sollen Menschen erhalten, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt haben. Profitieren sollen davon nur Ausländer, die sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Straftäter sollen vom Chancen-Aufenthaltsrecht grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, ebenso Personen, die ihre Abschiebung aufgrund von wiederholten, vorsätzlichen und eigenen Falschangaben oder aktiver Identitätstäuschung verhindern. Sofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der einjährigen Aufenthaltsdauer nicht erfüllt sind, sollen die Betroffenen in den Status der Duldung zurückfallen. Ende vergangenen Jahres haben sich der Vorlage zufolge in Deutschland 242.029 geduldete Ausländer aufgehalten, davon 136.605 seit mehr als fünf Jahren. 

Bleiberecht für gut integrierte junge Menschen

Ferner sieht das Gesetz laut Bundesinnenministerium vor, bestehende Bleiberechtsregelungen so anzupassen, dass mehr Menschen davon profitieren können. Danach sollen gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland sowie bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen. Besondere Integrationsleistungen von Geduldeten sollen gewürdigt werden, indem ihnen künftig nach sechs Jahren – oder schon nach vier Jahren bei Zusammenleben mit minderjährigen Kindern – ein Bleiberecht eröffnet wird. Die Voraufenthaltszeiten würden damit um jeweils zwei Jahre reduziert.

Zudem sollen bestimmte Regelungen aus dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz entfristet werden, um den Standort Deutschland für Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten attraktiver zu machen. Der Familiennachzug zu solchen Fachkräften soll laut Gesetzentwurf dadurch erleichtert werden, dass nachziehende Angehörige keinen Sprachnachweis erbringen müssen. Der Zugang zu Integrationskursen und Berufssprachkursen soll künftig allen Asylbewerbern im Rahmen verfügbarer Plätze offenstehen.

Rückführung von Straftätern und Gefährdern

Konsequenter als bisher soll die Rückführung vor allem von Straftätern und Gefährdern durchgesetzt werden. Vorgesehen ist, für diese Personen die Ausweisung und die Anordnung von Abschiebungshaft zu erleichtern.

Eine weitere Neuregelung zielt auf Flüchtlinge mit einer abgeschlossenen ärztlichen Ausbildung ab, denen aufgrund nicht verfügbarer Unterlagen oder Nachweise eine Approbation oder Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nicht zeitnah erteilt werden kann. Daher soll zur kurzfristigen Lösung sowie zur Sicherstellung einer ausreichenden und qualifizierten Versorgung in Aufnahmeeinrichtungen befristet eine Ermächtigung zur vorübergehenden Ausübung von Heilkunde eingeführt werden, die auf die Versorgung anderer Schutzsuchender in der entsprechenden Einrichtung beschränkt ist.

Gesetzentwurf der AfD

Der von der AfD-Fraktion zur Debatte angekündigte Gesetzentwurf zur „Behebung von Fehlanreizen im Asylverfahren und zur klaren Trennung von Asyl- und Erwerbsmigration“ wurde wieder von der Tagesordnung genommen.

Antrag der Linken

Die Linke wendet sich in ihrem Antrag (20/3973) gegen eine „Abschiebungsoffensive“ und tritt für ein „wirksames Bleiberecht“ ein. Darin fordert sie die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf für ein Chancen-Aufenthaltsrecht in geänderter Fassung erneut einzubringen, um sowohl humanitären Anliegen als auch dem Vorhaben gerecht zu werden, „Kettenduldungen“ zu beenden. Vor allem will die Fraktion eine stichtagsunabhängige Regelung und Erleichterungen beim Übergang in ein dauerhaftes Bleiberecht, wobei Ausschlussgründe deutlich abgemildert werden müssten.

Auch sollten die seit 2015 vorgenommenen Verschärfungen im Abschiebeverfahren und bei der Abschiebungshaft zurückgenommen werden. Das betreffe vor allem Abschiebungen ohne Vorankündigung und den Umgang mit kranken Menschen. Ferner verlangt die Fraktion, alle Formen von Abschiebungshaft ersatzlos zu streichen. (vom/sto/19.10.2022)

Reden zu diesem Tagesordnungspunkt

Katrin Göring-Eckardt

Katrin Göring-Eckardt

© Katrin Göring-Eckardt/ Laurence Chaperon

Göring-Eckardt, Katrin

Bundestagsvizepräsidentin

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Nancy Faeser

Nancy Faeser

© picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Faeser, Nancy

Bundesministerin des Innern und für Heimat

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Detlef Seif

Detlef Seif

© Detlef Seif/Laurence Chaperon

Seif, Detlef

CDU/CSU

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Lamya Kaddor

Lamya Kaddor

© Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen/ Stefan Kaminski

Kaddor, Lamya

Bündnis 90/Die Grünen

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Gottfried Curio

Gottfried Curio

© Dr. Gottfried Curio/ Hagen Schnauss

Curio, Dr. Gottfried

AfD

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Stephan Thomae

Stephan Thomae

© Stephan Thomae/ Sonja Thürwächter

Thomae, Stephan

FDP

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Clara Bünger

Clara Bünger

© Clara Bünger/Ben Gross

Bünger, Clara

Die Linke

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Dirk Wiese

Dirk Wiese

© Dirk Wiese/ Marco Urban

Wiese, Dirk

SPD

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Alexander Throm

Alexander Throm

© Alexander Throm/Tobias Koch

Throm, Alexander

CDU/CSU

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Robert Farle

Robert Farle

© Robert Farle/ Stefan Schäfer

Farle, Robert

fraktionslos

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Helge Lindh

Helge Lindh

© Photothek Media Lab

Lindh, Helge

SPD

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Matthias Helferich

Matthias Helferich

© Matthias Helferich

Helferich, Matthias

fraktionslos

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Petra Pau

Petra Pau

© Deutscher Bundestag/Stella von Saldern

Pau, Petra

Bundestagsvizepräsidentin

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Mechthilde Wittmann

Mechthilde Wittmann

© Mechthilde Wittmann/ Ralf Lienert

Wittmann, Mechthilde

CDU/CSU

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Petra Pau

Petra Pau

© Deutscher Bundestag/Stella von Saldern

Pau, Petra

Bundestagsvizepräsidentin

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Dokumente

  • 20/3717 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts
    PDF | 736 KB — Status: 28.09.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/3973 - Antrag: Keine Abschiebungsoffensive - Für ein wirksames Bleiberecht
    PDF | 214 KB — Status: 12.10.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • Fundstelle im Plenarprotokoll (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Beschluss

  • Überweisung 20/3717 und 20/3973 beschlossen

Tagesordnung

Sitzungsverlauf

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

Inneres

Chancen-Aufenthaltsrecht ist unter Experten umstritten

Zeit: Montag, 28. November 2022, 10 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 600

Gute Noten für das geplante Chancen-Aufenthaltsrecht und klare Ablehnung des Vorhabens haben sich bei einer Sachverständigen-Anhörung am Montag, 28. November 2022, im Ausschuss für Inneres und Heimat unter der Leitung von Prof. Lars Castellucci (SPD) gegenüber gestanden. Bewertet wurde der von der Bundesregierung dazu eingebrachte Gesetzentwurf (20/3717). Danach sollen unter anderem Ausländer, deren Aufenthalt in Deutschland am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren geduldet wurde, ein einjähriges Chancen-Aufenthaltsrecht erwerben können. Zudem ging es um zwei Gesetzentwürfe und einen Antrag der Fraktion Die Linke zum Familiennachzug und zum Bleiberecht. (20/1850, 20/1851).

Forderung nach Ende von Duldungen

Kerstin Becker, Der Paritätische Gesamtverband, begrüßte die Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht als Brücke in eine der bereits bestehenden Bleiberechtsregelungen. Es bedürfe jedoch noch wesentlicher Korrekturen, damit nicht das Ziel verfehlt werde, Kettenduldungen zu beenden sowie die Integrationen der betroffenen Menschen zu fördern. So müsse der Stichtag 1. Januar 2022 gestrichen werden, damit auch in Zukunft Menschen, die sich länger als fünf Jahre in Deutschland aufhalten, die Regelungen in Anspruch nehmen können.

Anne Courbois vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wies auf das Risiko für Unternehmen hin, geduldete Ausländer einzustellen. Es bestehe das Risiko, dass sie von einem Tag auf den anderen abgeschoben würden. Auch weil hier das Gesetzesvorhaben Verbesserungen verspreche, sei es grundsätzlich zu begrüßen. Mit Blick auf die Praxis gebe es Verbesserungsbedarf.

Kritik an Ungleichbehandlung und „Flickenteppich“-Lösung

Prof. Andreas Dietz, Verwaltungsgericht Augsburg, Vorsitzender Richter der 6. Kammer, machte migrationsrechtliche Einwände gegen den Gesetzentwurf geltend, da er die von einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis Begünstigten gegenüber vergleichbaren Gruppen von Ausländern zu Unrecht deutlich bevorzuge. Die Begünstigten beschrieb er als Gruppe unerlaubt im Bundesgebiet Aufhältiger, die die Kernvoraussetzungen jedes Aufenthaltstitels - Identitätsklärung, Passbesitz - nicht erfüllten. Sie würden bevorzugt gegenüber jenen Ausländern, die ordnungsgemäß einreisen und sich erlaubt in Deutschland aufhalten.

Sophia Eckert, terre des hommes Deutschland, befand bei grundsätzlicher Zustimmung zum Gesetzentwurf, dass insbesondere beim Chancen-Aufenthaltsrecht Anpassungen notwendig seien. So sei ein Flickenteppich in der bundesdeutschen Erteilungspraxis zu befürchten, da Ausländerbehörden weiterhin teils große Entscheidungsspielräume hätten.

Pro und Contra Stichtagsregelung

Kristian Garthus-Niegel vom Sächsischen Flüchtlingsrat empfahl, dem Antrag der Fraktion Die Linke stattzugeben. Danach sollten Kettenduldungen wirksam beendet werden durch die Einführung einer stichtagsunabhängigen Regelung, durch Erleichterungen beim Übergang in ein dauerhaftes Bleiberecht und durch Abmilderung der im aktuellen Gesetz bestehenden sowie im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausschlussgründe der Bleiberechtsregelungen.

Holger Kolb, Sachverständigenrat für Integration und Migration, strich heraus, dass zum einen der Tatsache Rechnung getragen werde, dass eine Vielzahl von Flüchtlingen, die im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015/2016 eingereist waren, längerfristig in Deutschland aufhältig bleiben werde und für sie ein aufenthaltsrechtlicher Umgang gefunden werden müsse. Durch das vorgesehene Ablaufdatum am 1. Februar 2026 werde deutlich, dass keine dauerhafte Relativierung des Ergebnisses eines Asylverfahrens erfolgen werde.

Kommunen sehen Vorhaben sehr skeptisch

Klaus Ritgen meinte, der Deutsche Landkreistag lehne die Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts in der vorgeschlagenen Ausgestaltung ab. Es gebe keinen Bedarf für weitere Bleiberechtsregelungen. Darüber hinaus würden Ausländer ermutigt, illegal und ohne Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht nach Deutschland einzureisen oder ihrer Ausreisepflicht nicht nachzukommen. Die vorgeschlagenen Regelungen würden auch nicht zu einer Entlastung der Ausländerbehörden führen. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall.

Für den Deutschen Städtetag erklärte Daniela Schneckenburger, die kommunalen Ausländerbehörden müssten dringend in den Blick genommen werden. Sie arbeiteten seit Jahren im Krisenmodus und seien zusätzlich durch die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in einer Art und Weise belastet wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie regte an, das Gesetz nicht unmittelbar in Kraft treten zu lassen, damit sich die Behörden darauf vorbereiten können.

Umgang mit ausreisepflichtigen Personen

Axel Ströhlein, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen, strich heraus, das angepeilte Chancen-Aufenthaltsrecht beziehe sich auf einen Personenkreis, bei dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Gerichte zu dem Ergebnis gekommen seien, dass diesen weder Asyl noch Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder Abschiebungsschutz zustehe. Mit der geplanten Neuregelung werde der Sinn und Zweck des Asylrechts ausgehöhlt. Es könne das Signal gesendet werden, dass sich eine fehlende Mitwirkung bei der Identitätsregelung lohne und zu einem Aufenthaltstitel führe.

Prof. Daniel Thym von der Universität Konstanz lenkte den Blick darauf, dass beim Umgang mit ausreisepflichtigen Personen der Gesetzgeber mit einem Zielkonflikt zwischen Integrationsförderung und Migrationssteuerung konfrontiert sei. Dieser Zielkonflikt werde durch eine vergangenheitsbezogene Stichtagsregelung nach dem Modell des Chancen-Aufenthaltsrechts besser austariert als durch dauerhafte Legalisierungsmöglichkeiten.

Sachverständige betonen Bedeutung einer Regelung

Barbara Weiser, Caritasverband für die Diözese Osnabrück, begrüßte die vorgeschlagene Schaffung eines Chancen-Aufenthaltsrecht, die Erleichterungen beim Übergang von einer Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis sowie die Eröffnung des Zugangs zu Integrations- und Berufssprachkursen für alle Asylsuchenden mit einer Aufenthaltsgestattung. Um die Praxis der Kettenduldungen in einem relevanten Umfang zu beenden und den Betroffenen eine realistische Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt zu geben, seien verschiedene Änderungen nötig. Zentral sei dabei die Schaffung einer stichtagsfreien Regelung.

Philipp Wittmann, Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, meinte, der Gesetzgeber gehe mit dem Thema der Kettenduldung und der Beschleunigung von Asylverfahren zwei Großthemen an. Er äußerte Bedenken, ob durch die Änderung von Rahmenbedingungen deutliche Verbesserungen zu erreichen seien.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Mit der Einführung eines sogenannten „Chancen-Aufenthaltsrechts“ will die Bundesregierung langjährig geduldeten Ausländern ermöglichen, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Dazu zählen insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts, Kenntnisse der deutschen Sprache und der Identitätsnachweis, wie aus ihrem Gesetzentwurf (20/3717) hervorgeht. Danach sollen zugleich die geltenden Bleiberechtregelungen weiterentwickelt sowie die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern konsequenter durchgesetzt werden. Weitere Neuregelungen betreffen unter anderem Erleichterungen bei der Fachkräfteeinwanderung und den Zugang von Asylbewerbern zu Integrationskursen.

Das einjährige Chancen-Aufenthaltsrecht sollen Menschen erhalten, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt haben. Profitieren sollen davon nur Ausländer, die sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Straftäter sollen vom Chancen-Aufenthaltsrecht grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, ebenso Personen, die ihre Abschiebung aufgrund von wiederholten, vorsätzlichen und eigenen Falschangaben oder aktiver Identitätstäuschung verhindern. Sofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der einjährigen Aufenthaltsdauer nicht erfüllt sind, sollen die Betroffenen in den Status der Duldung zurückfallen. Ende vergangenen Jahres haben sich der Vorlage zufolge in Deutschland 242.029 geduldete Ausländer aufgehalten, davon 136.605 seit mehr als fünf Jahren.

Bleiberecht für gut integrierte junge Menschen

Ferner sieht das Gesetz laut Bundesinnenministerium vor, bestehende Bleiberechtsregelungen so anzupassen, dass mehr Menschen davon profitieren können. Danach sollen gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland sowie bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen. Besondere Integrationsleistungen von Geduldeten sollen gewürdigt werden, indem ihnen künftig nach sechs Jahren – oder schon nach vier Jahren bei Zusammenleben mit minderjährigen Kindern – ein Bleiberecht eröffnet wird. Die Voraufenthaltszeiten würden damit um jeweils zwei Jahre reduziert.

Zudem sollen bestimmte Regelungen aus dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz entfristet werden, um den Standort Deutschland für Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten attraktiver zu machen. Der Familiennachzug zu solchen Fachkräften soll laut Gesetzentwurf dadurch erleichtert werden, dass nachziehende Angehörige keinen Sprachnachweis erbringen müssen. Der Zugang zu Integrationskursen und Berufssprachkursen soll künftig allen Asylbewerbern im Rahmen verfügbarer Plätze offenstehen.

Rückführung von Straftätern und Gefährdern

Konsequenter als bisher soll die Rückführung vor allem von Straftätern und Gefährdern durchgesetzt werden. Vorgesehen ist, für diese Personen die Ausweisung und die Anordnung von Abschiebungshaft zu erleichtern.

Eine weitere Neuregelung zielt auf Flüchtlinge mit einer abgeschlossenen ärztlichen Ausbildung ab, denen aufgrund nicht verfügbarer Unterlagen oder Nachweise eine Approbation oder Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nicht zeitnah erteilt werden kann. Daher soll zur kurzfristigen Lösung sowie zur Sicherstellung einer ausreichenden und qualifizierten Versorgung in Aufnahmeeinrichtungen befristet eine Ermächtigung zur vorübergehenden Ausübung von Heilkunde eingeführt werden, die auf die Versorgung anderer Schutzsuchender in der entsprechenden Einrichtung beschränkt ist.

Erster Gesetzentwurf der Linken

Ausländische Ehepartner sollen nach dem Willen der Fraktion Die Linke künftig nicht mehr vor einem Familiennachzug nach Deutschland bereits im Ausland deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen (20/1850). Danach soll als Voraussetzung für den Ehegattennachzug eine Erklärung reichen, „den erforderlichen Sprachnachweis unverzüglich nach der Ankunft erbringen zu wollen“. „Unverzüglich“ soll in diesem Zusammenhang bedeuten, dass nach der Einreise ohne schuldhaftes Verzögern der - im Regelfall ohnehin erforderliche - Besuch eines Integrationskurses eingeleitet werden muss, wie die Fraktion in der Begründung ausführt. Verzögerungen des Beginns eines Integrationskurses, die nicht im Verschulden der Betroffenen liegen, seien unbeachtlich.

Der Nachweis einfacher deutscher Sprachkenntnisse bereits im Ausland wird der Vorlage zufolge seit 2007 von ausländischen Ehepartnern grundsätzlich als Voraussetzung für den Familiennachzug nach Deutschland verlangt. Dabei seien auch schriftliche Deutschkenntnisse erforderlich. Mehr als 10.000 Ehegatten bestünden jedes Jahr die geforderten Sprachprüfungen im Ausland nicht und könnten deshalb nicht mit ihren in Deutschland lebenden Partnerinnen und Partnern zusammenkommen. Das sei für viele Betroffene eine unzumutbare Belastung und auch unverhältnismäßig, denn die deutsche Sprache könne sehr viel leichter in Deutschland erworben werden. Vor diesem Hintergrund haben sich SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf eine Änderung der Rechtslage verständigt, wie es in der Vorlage weiter heißt: „Zum Ehepartner oder zur Ehepartnerin nachziehende Personen können den erforderlichen Sprachnachweis auch erst unverzüglich nach ihrer Ankunft erbringen“, zitiert die Fraktion darin den Koalitionsvertrag der drei Parteien. Mit dem Gesetzentwurf solle dieses Vorhaben schnellstmöglich umgesetzt werden.

Zweiter Gesetzentwurf der Linken

Die Fraktion Die Linke dringt in ihrem zweiten Gesetzentwurf auf rasche Erleichterungen beim Bleiberecht für Ausländer (20/1851). Danach sollen gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende bereits nach einem drei- statt bisher vierjährigem Aufenthalt in Deutschland und bis zum 27. statt 21. Lebensjahr ein Bleiberecht erhalten können. Auch sieht der Gesetzentwurf vor, dass ein Bleiberecht „bei nachhaltiger Integration“ bereits nach sechs statt bisher acht Jahren Aufenthalt in Deutschland bei Einzelpersonen und nach vier statt bislang sechs Jahren bei Familien möglich ist. Ferner soll der Vorlage zufolge einer geduldeten Person eine einjährige „Aufenthaltserlaubnis auf Probe“ erteilt werden, wenn sie am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland lebte, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik bekennt und nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde.

Dabei sollen nach dem Willen der Fraktion Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthalts- oder dem Asylgesetz nur von ausländischen Staatsangehörigen begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Auch sollen dabei laut Gesetzentwurf „bei einer Gesamtwürdigung des Charakters und der Schwere der Straftat beziehungsweise des bisherigen Lebensverlaufs beziehungsweise der absehbaren Lebensperspektiven in Deutschland im Einzelfall weitere Ausnahmen gemacht werden können, wenn dies aus humanitären Gründen geboten ist“. Die einjährigen Dauer dieser „Aufenthaltserlaubnis auf Probe“ soll der Vorlage zufolge genutzt werden, „um die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht erfüllen zu können, insbesondere in Bezug auf Nachweise zur Lebensunterhaltssicherung und zur Identität“.

Antrag der Linken

„Keine Abschiebungsoffensive - Für ein wirksames Bleiberecht“ lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Die Linke (20/3973). Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, ihren Gesetzentwurf für ein Chancen-Aufenthaltsrecht in geänderter Fassung erneut einzubringen, „um sowohl humanitären Anliegen als auch dem Vorhaben, Kettenduldungen wirksam zu beenden, gerecht werden zu können“. Insbesondere sollte es nach dem Willen der Fraktion eine stichtagsunabhängige Regelung und Erleichterungen beim Übergang in ein dauerhaftes Bleiberecht geben. „Ausschlussgründe müssen deutlich abgemildert werden; die im Koalitionsvertrag vorgesehene Abschaffung der ,Duldung light' ist ebenso zu regeln wie die Möglichkeit einer eidesstattlichen Versicherung bei der Klärung der Identität“, heißt es in der Vorlage weiter. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung müsse sich das Bundesinnenministerium für einen bundesweiten Abschiebestopp für Personen einsetzen, die absehbar unter die Neuregelung fallen werden.

Zugleich wird die Bundesregierung in der Vorlage aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, „mit dem die seit 2015 vorgenommenen Verschärfungen im Abschiebungsverfahren beziehungsweise bei der Abschiebungshaft zurückgenommen werden“. Des Weiteren dringen die Abgeordneten die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, „mit dem alle Formen von Abschiebungshaft ersatzlos gestrichen werden“. (fla/ste/sto/28.11.2022)

Dokumente

  • 20/1850 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes - Deutschnachweise beim Ehegattennachzug
    PDF | 193 KB — Status: 17.05.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/1851 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes - Erleichtertes Bleiberecht
    PDF | 188 KB — Status: 17.05.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/3717 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts
    PDF | 736 KB — Status: 28.09.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/3973 - Antrag: Keine Abschiebungsoffensive - Für ein wirksames Bleiberecht
    PDF | 214 KB — Status: 12.10.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Tagesordnung

  • 22. Sitzung am Montag, dem 28. November 2022, 10.00 Uhr - Öffentliche Anhörung

Protokolle

  • Protokoll - 22. Sitzung - 28. November 2022 - Chancen-Aufenthaltsrecht

Stellungnahmen

  • 20(4)109 - Gutachtliche Stellungnahme - Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung - BT-Drucksache 20/3717 - Chancen-Aufenthaltsrecht - 28. November 2022
  • 20(4)143 A - Stellungnahme Prof. Dr. Daniel Thym, LL.M., Universität Konstanz - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 B - Stellungnahme apl. Prof. Dr. Andreas Dietz, Verwaltungsgericht Augsburg - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 C neu - Stellungnahme Sophia Eckert, terre des hommes Deutschland e. V., Osnabrück - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 D - Stellungnahme Dr. Klaus Ritgen, Deutscher Landkreistag, Berlin - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 E - Stellungnahme Dr. Philipp Wittmann, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Mannheim - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 F - Stellungnahme Kerstin Becker, Der Paritätische Gesamtverband, Berlin - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 G - Stellungnahme Dr. Kristian Garthus-Niegel, Sächsischer Flüchtlingsrat e. V., Dresden - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 H - Stellungnahme Dr. Holger Kolb, Sachverständigenrat für Integration und Migration gGmbH, Berlin - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 I - Stellungnahme Axel Ströhlein, Präsident - Bayerisches Landesamt für Asyl und Rückführungen, München - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 J - Stellungnahme Dr. Barbara Weiser, Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V., Osnabrück - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und weitere
  • 20(4)143 K - Stellungnahme Daniela Schneckenburger, Deutscher Städtetag, Berlin - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717
  • 20(4)143 L - Stellungnahme Anne Courbois, Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V., Berlin - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717
  • 20(4)136 - Stellungnahme Deutsches Institut für Menschenrechte - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717 - und Asylverfahrenbeschleunigungsgesetz - BT-Drucksache 20/4327
  • 20(4)145 - Stellungnahme Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717
  • 20(4)147 - Stellungnahme PRO ASYL - Chancen-Aufenthaltsrecht - BT-Drucksache 20/3717

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

Inneres

Bundestag führt das Chancen-Aufenthaltsrecht ein

Langjährig geduldete Ausländer sollen künftig mehr Chancen zum Erhalt eines Bleiberechts in Deutschland erhalten. Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines sogenannten Chancen-Aufenthaltsrechts (20/3717) verabschiedete der Bundestag am Freitag, 2. Dezember 2022, in modifizierter Fassung. In namentlicher Abstimmung votierten 371 Abgeordnete für die Vorlage. 226 stimmten dagegen; 57 enthielten sich, darunter neben den Linken-Abgeordneten auch 20 Parlamentarier der Unionsfraktion.

Gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen beschloss das Parlament zudem ein von den Koalitionsfraktionen vorgelegtes Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren (20/4327) in geänderter Fassung. Es sieht eine Vereinheitlichung der asylrechtlichen Rechtsprechung vor, die ebenso wie weitere prozessuale Änderungen zu einer Beschleunigung der Gerichtsverfahren führen soll. Zudem sollen die Regelüberprüfung von Asylbescheiden gestrichen werden und Widerrufs- und Rücknahmeverfahren zukünftig nur noch anlassbezogen erfolgen, um dadurch die Kapazitäten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) besser zu nutzen.

Mit breiter Mehrheit abgelehnt wurden hingegen zwei Vorlagen der Linksfraktion: ein Gesetzentwurf zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (20/1850) und ein Antrag mit dem Titel „Keine Abschiebungsoffensive – Für ein wirksames Bleiberecht“ (20/3973). Die Initiativen fanden keine Unterstützung bei den übrigen Fraktionen. Den Abstimmungen aller vier Vorlagen lagen Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Inneres und Heimat (20/4703, 20/4700) zugrunde. Zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen hatte zudem der Haushaltsausschuss Berichte nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung zur Finanzierbarkeit (20/4705, 20/3717) vorgelegt. 

Chancen-Aufenthaltsgesetz

Das 18-monatige Chancen-Aufenthaltsrecht sollen Menschen erhalten, die am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt haben. Ihnen soll damit ermöglicht werden, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Dazu zählen insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts, Kenntnisse der deutschen Sprache und der Identitätsnachweis.

Profitieren sollen davon nur Ausländer, die sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Straftäter sollen vom Chancen-Aufenthaltsrecht grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, ebenso Personen, die ihre Abschiebung aufgrund von wiederholten, vorsätzlichen und eigenen Falschangaben oder aktiver Identitätstäuschung verhindern. Sofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der 18-monatigen Aufenthaltsdauer nicht erfüllt sind, sollen die Betroffenen in den Status der Duldung zurückfallen.

Bleiberecht für gut integrierte junge Menschen

Ferner sieht das Gesetz vor, bestehende Bleiberechtsregelungen so anzupassen, dass mehr Menschen davon profitieren können. Danach sollen gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland sowie bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen. Besondere Integrationsleistungen von Geduldeten sollen gewürdigt werden, indem ihnen künftig nach sechs Jahren – oder schon nach vier Jahren bei Zusammenleben mit minderjährigen Kindern – ein Bleiberecht eröffnet wird. Die Voraufenthaltszeiten werden damit um jeweils zwei Jahre reduziert.

Zudem sollen bestimmte Regelungen aus dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz entfristet werden, um den Standort Deutschland für Fachkräfte aus Drittstaaten attraktiver zu machen. Der Familiennachzug zu drittstaatsangehörigen Fachkräften wird laut Gesetzentwurf erleichtert, indem für nachziehende Angehörige das Erfordernis eines Sprachnachweises entfällt. Der Zugang zu Integrationskursen und Berufssprachkursen soll künftig allen Asylbewerbern im Rahmen verfügbarer Plätze offenstehen. Konsequenter als bisher soll die Rückführung insbesondere von Straftätern und Gefährdern durchgesetzt werden. Dazu wird bei diesen Personen die Ausweisung und die Anordnung von Abschiebungshaft erleichtert.

Änderungen im Ausschuss

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah ursprünglich eine Gültigkeitsdauer des Chancen-Aufenthaltsrechts von einem Jahr vor sowie den 1. Januar 2022 als Stichtag für die Anspruchsberechtigten.

Mit dem angenommenen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde dieser Stichtag auf den 31. Oktober 2022 verschoben und die Gültigkeitsdauer des Chancen-Aufenthaltsrechts auf 18 Monate verlängert.

SPD: Ein Gesetz der Vernunft

In der Debatte nannte Helge Lindh (SPD) die Regelungen zum Chancen-Aufenthaltsrecht ein „Gesetz der Vernunft“.

Damit werde mit dem „unwürdigen Zustand“ gebrochen, dass Menschen perspektivlos mit sogenannten Kettenduldungen leben müssen. Dies betreffe allein am Stichtag 31. Oktober 2022 mehr als 137.000 Menschen.  

CDU/CSU: Erst Identitätsklärung, dann Chance

Andrea Lindholz (CDU/CSU) kritisierte, die Ampelkoalition gebe ausreisepflichtigen Menschen auch dann ein Aufenthaltsrecht, wenn sie über ihre Identität getäuscht oder die Mitwirkung an der Identitätsklärung verweigert haben.

Für die Union gelte dagegen der Grundsatz „erst Identitätsklärung, dann Chance – und nicht umgekehrt“.

Grüne: Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik

Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) wertete die beiden Gesetze als „Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik“. Damit würden zentrale flüchtlingspolitische Vorhaben umgesetzt, für die ihre Partei lange gekämpft habe.

Nun werde die Konsequenz aus dem Umstand gezogen, dass die bisherigen Bleiberechtsregelungen „ins Leere gelaufen sind“.

AfD kritisiert „Verhöhnung des Rechtstaates“

Dr. Bernd Baumann (AfD) hielt der Koalition vor, sie wolle ausreisepflichtige Migranten, deren Asylanträge endgültig abgelehnt worden seien,  endgültig im Land behalten. „Aus Illegalen sollen Legale werden“, kritisierte Baumann. Dies sei eine „Verhöhnung des Rechtstaates“.  

FDP verweist auf Arbeitskräftemangel

Stephan Thomae (FDP) entgegnete, mehr als 130.000 Betroffene hätten keinen Aufenthaltstitel, aber könnten nicht abgeschoben werden und hingen im Sozialsystem fest, statt in die Arbeitswelt integriert zu werden.

Man könne nicht über einen Arbeitskräftemangel klagen und zugleich den Arbeitswilligen Steine in den Weg legen.

Linke bemängelt „zu hohe Hürden“

Clara Bünger (Linke) sah in den beiden Gesetzen eine „Riesenenttäuschung“. Das Gesetz zum Chancen-Aufenthaltsrecht beinhalte viel zu hohe Hürden, um Kettenduldungen wirklich wirksam zu beenden. Sogar nach den Berechnungen der Regierungskoalition würden nur rund 34.000 von 240.000 Geduldeten die Anforderungen erfüllen. (sto)

Gesetzentwurf der Koalition zu Asylverfahren

Der Koalitionsentwurf (20/4327) sieht eine Vereinheitlichung der asylrechtlichen Rechtsprechung vor, die ebenso wie weitere prozessuale Änderungen zu einer Beschleunigung der Gerichtsverfahren führen soll. Zudem sollen die Regelüberprüfung von Asylbescheiden gestrichen werden und Widerrufs- und Rücknahmeverfahren zukünftig nur noch anlassbezogen erfolgen, um dadurch die Kapazitäten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) besser zu nutzen. Entlastet werden soll das Bamf der Vorlage zufolge auch mit der „Schaffung von Möglichkeiten, die das Asylverfahren erleichtern und das Asylrecht in der Rechtspraxis vereinfachen“.

Wie die drei Fraktionen schreiben, führte die große Zahl der Asylsuchenden, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, zu einem erheblichen Anstieg der Zahl der Klageverfahren in Asylangelegenheiten bei den Verwaltungsgerichten. Die Verwaltungsgerichte bauten die anhängigen Verfahren zwar kontinuierlich ab, doch seien Ende Juli 2022 weiterhin 135.603 erstinstanzliche Verfahren anhängig gewesen. Beim Bamf seien zudem mit Stand August dieses Jahres 100.377 Verfahren anhängig gewesen.

„Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung“

„Bei einer Gesamtklagequote von 38,4 Prozent im Jahr 2021 und 33,5 Prozent zum 31. Juli 2022 ist absehbar, dass die Verwaltungsgerichte auch weiterhin stark belastet sein werden“, heißt es in der Vorlage weiter. Die Belastung der Verwaltungsgerichte führe zu einer langen Dauer der Asylklageverfahren. So habe die durchschnittliche Dauer von Gerichtsverfahren zum 31. Juli dieses Jahres 26,6 Monate betragen.

Weiter führen die Koalitionsfraktionen aus, dass das bestehende Prozessrecht im Asylverfahren eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung befördere, „die zur Rechtsunsicherheit führt, die wiederum mehr Gerichtsverfahren sowie eine längere Verfahrensdauer zur Folge hat“. Durch die verstärkte Befassung des Bundesverwaltungsgerichts mit grundsätzlichen Fragen sollten die Gerichte der unteren Instanzen entlastet und verlässliche Prüfungsmaßstäbe für das Bamf geschaffen werden.

Beschleunigung der Asylklageverfahren

Zudem sollten weitere Änderungen des Asylgesetzes zur Beschleunigung der Asylklageverfahren führen und damit die Verwaltungsgerichtsbarkeit entlasten. Hierzu gehöre insbesondere eine Regelung zur Erleichterung von asylgerichtlichen Entscheidungen im schriftlichen Verfahren. Durch eine Lockerung des Zurückverweisungsverbots könne zudem die Lastenverteilung zwischen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten besser gesteuert werden.

Ferner soll den Fraktionen zufolge einer Verzögerung von Verfahren durch missbräuchliche Befangenheitsanträge entgegengewirkt werden. Durch die Einführung einer gesetzlich angeordneten Klageänderung sollten die Asylverfahren schneller abschließend entschieden werden. Vorgesehen ist darüber hinaus die Einführung einer behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung, die die „Effizienz von Asylverfahren durch gut informierte Asylsuchende erhöhen und die Qualität der behördlichen Entscheidungen verbessern“ soll. Zugleich soll die Akzeptanz der Asylentscheidungen laut Vorlage durch den behördenunabhängigen Charakter der Asylverfahrensberatung gesteigert werden.

Abgelehnter Gesetzentwurf der Linken

Ausländische Ehepartner sollten nach dem Willen der Linken (20/1850) künftig nicht mehr vor einem Familiennachzug nach Deutschland bereits im Ausland deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen. Danach sollte als Voraussetzung für den Ehegattennachzug eine Erklärung reichen, „den erforderlichen Sprachnachweis unverzüglich nach der Ankunft erbringen zu wollen“.

Der Nachweis einfacher deutscher Sprachkenntnisse bereits im Ausland wird der Vorlage zufolge seit 2007 von ausländischen Ehepartnern grundsätzlich als Voraussetzung für den Familiennachzug nach Deutschland verlangt. Dabei seien auch schriftliche Deutschkenntnisse erforderlich. Mehr als 10.000 Ehegatten bestünden jedes Jahr die geforderten Sprachprüfungen im Ausland nicht und könnten deshalb nicht mit ihren in Deutschland lebenden Partnerinnen und Partnern zusammenkommen. Das sei für viele Betroffene eine unzumutbare Belastung und auch unverhältnismäßig, denn die deutsche Sprache könne sehr viel leichter in Deutschland erworben werden.

Abgelehnter Antrag der Linken

In ihrem Antrag (20/3973) forderte die Linksfraktion die Bundesregierung auf, ihren Gesetzentwurf für ein Chancen-Aufenthaltsrecht in geänderter Fassung erneut einzubringen, „um sowohl humanitären Anliegen als auch dem Vorhaben, Kettenduldungen wirksam zu beenden, gerecht werden zu können“. Vor allem sollte es eine stichtagsunabhängige Regelung und Erleichterungen beim Übergang in ein dauerhaftes Bleiberecht geben. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung müsste sich das Bundesinnenministerium für einen bundesweiten Abschiebestopp für Personen einsetzen, die absehbar unter die Neuregelung fallen werden.

Zugleich wurde die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, „mit dem die seit 2015 vorgenommenen Verschärfungen im Abschiebungsverfahren beziehungsweise bei der Abschiebungshaft zurückgenommen werden“. Des Weiteren drangen die Abgeordneten die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, „mit dem alle Formen von Abschiebungshaft ersatzlos gestrichen werden“. (vom/sto/02.12.2022)

Reden zu diesem Tagesordnungspunkt

Bärbel Bas

Bärbel Bas

© Bärbel Bas / Photothek Media Lab

Bas, Bärbel

Bundestagspräsidentin

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Helge Lindh

Helge Lindh

© Photothek Media Lab

Lindh, Helge

SPD

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Andrea Lindholz

Andrea Lindholz

© Andrea Lindholz/ Timo Raab

Lindholz, Andrea

CDU/CSU

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Filiz Polat

Filiz Polat

© Filiz Polat/ Annette Koroll

Polat, Filiz

Bündnis 90/Die Grünen

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Dr. Bernd Baumann

Dr. Bernd Baumann

© Dr. Bernd Baumann

Baumann, Dr. Bernd

AfD

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Stephan Thomae

Stephan Thomae

© Stephan Thomae/ Sonja Thürwächter

Thomae, Stephan

FDP

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Clara Bünger

Clara Bünger

© Clara Bünger/Ben Gross

Bünger, Clara

Die Linke

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Gülistan Yüksel

Gülistan Yüksel

© DBT/Inga Haar

Yüksel, Gülistan

SPD

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Dr. Silke Launert

Dr. Silke Launert

© Silke Launert/ Christian Weber

Launert, Dr. Silke

CDU/CSU

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Katrin Göring-Eckardt

Katrin Göring-Eckardt

© Katrin Göring-Eckardt/ Laurence Chaperon

Göring-Eckardt, Katrin

Bündnis 90/Die Grünen

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Robert Farle

Robert Farle

© Robert Farle/ Stefan Schäfer

Farle, Robert

fraktionslos

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Muhanad Al-Halak

Muhanad Al-Halak

© Dominik Konrad/Dominik Konrad

Al-Halak, Muhanad

FDP

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Alexander Throm

Alexander Throm

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Throm, Alexander

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Adis Ahmetovic

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© Adis Ahmetović/ Benush Martinez

Ahmetovic, Adis

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Detlef Seif

Detlef Seif

© Detlef Seif/Laurence Chaperon

Seif, Detlef

CDU/CSU

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Sebastian Hartmann

Sebastian Hartmann

© Sebastian Hartmann

Hartmann, Sebastian

SPD

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Bärbel Bas

Bärbel Bas

© Bärbel Bas / Photothek Media Lab

Bas, Bärbel

Bundestagspräsidentin

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Dokumente

  • 20/1850 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes - Deutschnachweise beim Ehegattennachzug
    PDF | 193 KB — Status: 17.05.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/3717 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts
    PDF | 736 KB — Status: 28.09.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/3973 - Antrag: Keine Abschiebungsoffensive - Für ein wirksames Bleiberecht
    PDF | 214 KB — Status: 12.10.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/4327 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren
    PDF | 644 KB — Status: 08.11.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/4700 - Beschlussempfehlung und Bericht: a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 20/3717 - Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Gökay Akbulut, Clara Bünger, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 20/1850 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes - Deutschnachweise beim Ehegattennachzug c) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Clara Bünger, Gökay Akbulut, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 20/1851 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes - Erleichtertes Bleiberecht d) zu dem Antrag der Abgeordneten Clara Bünger, Nicole Gohlke, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 20/3973 - Keine Abschiebungsoffensive - Für ein wirksames Bleiberecht
    PDF | 262 KB — Status: 30.11.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/4703 - Beschlussempfehlung und Bericht: zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Drucksache 20/4327 - Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren
    PDF | 234 KB — Status: 30.11.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • 20/4705 - Bericht: gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Drucksachen 20/4327, 20/4703 - Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren
    PDF | 178 KB — Status: 30.11.2022
    (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)
  • Fundstelle im Plenarprotokoll (Dokument, Link öffnet ein neues Fenster)

Beschluss

  • namentliche Abstimmung zu Gesetzentwurf 20/3717 (Beschlussempfehlung 20/4700 Buchstabe a: Gesetzentwurf in Ausschussfassung annehmen) - 3. Beratung
  • 10:29:20: Beginn der Abstimmung
  • 10:50:13: Ende der Abstimmung
  • Gesamt: 654 Ja: 371 Nein: 226 Enthaltungen: 57
  • Gesetzentwurf 20/3717 in Ausschussfassung angenommen


Gesetzentwurf 20/4327 (Beschlussempfehlung 20/4703: Gesetzentwurf in Ausschussfassung annehmen) angenommen
Gesetzentwurf 20/1850 (Beschlussempfehlung 20/4700 Buchstabe b: Gesetzentwurf ablehnen) abgelehnt
Beschlussempfehlung 20/4700 Buchstabe d (Antrag 20/3973 ablehnen) angenommen

Tagesordnung

Sitzungsverlauf

Herausgeber

Deutscher Bundestag, Internetredaktion

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https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw48-de-chancen-aufenthaltsrecht-923118

Stand: 26.08.2025