19.12.2025 | Dokumente

Tagesaktuelles Plenarprotokoll 21/51

 

**** NACH § 117 GOBT AUTORISIERTE FASSUNG ****

*** bis 11.40 Uhr *** 

 

Deutscher Bundestag

 

51. Sitzung

Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2025

Beginn: 9.00 Uhr

Präsidentin Julia Klöckner:

Guten Morgen, alle zusammen! Letzte Sitzung vor Weihnachten. Hiermit eröffne ich diese Sitzung. Ich hoffe, es geht Ihnen gut und Sie kommen mit gutem Schwung. 

Ich will vorab noch kurz sagen: Es wird heute doch zwei namentliche Abstimmungen geben. Eine war kurzfristig abgesetzt worden. Sie ist wieder aufgesetzt worden. Die zweite namentliche Abstimmung wird etwa gegen 12 Uhr stattfinden; aber das bekommen Sie durch das Balkenschreiben auch noch mit. 

Bevor ich jetzt in die Tagesordnung eintrete, möchte ich, passend zu diesem letzten Sitzungstag, herzlich gratulieren, und zwar unserer Kollegin Ayse Asar, die heute ihren 50. Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch! 

(Beifall)

Genießen Sie dieses halbe Jahrhundert; das Haus gratuliert Ihnen herzlich. 

Ich komme zur Tagesordnung. 

(Zuruf von der SPD: Es gibt noch zwei andere!)

- Haben wir noch ein Geburtstagskind? Zwei sogar? Ganz kurz: Es gibt eine Regel, dass man die runden Geburtstage erwähnt. Man kann mir aber gerne vorreichen. Also, heute machen wir eine Ausnahme. Herr Matthias Miersch, wie alt werden wir denn? 

(Dr. Matthias Miersch (SPD): 57!)

- Dann herzlichen Glückwunsch zum 57., Herr Miersch, alles Gute! 

(Beifall)

Drei Jahre haben Sie noch, dann werde ich Sie hier ganz offiziell beglückwünschen. 

Jetzt sind wir locker. Wir haben noch ein Geburtstagskind. Dann an Frau Franziska Kersten ganz herzlichen Glückwunsch! Mögen Sie uns Ihr Alter nennen? - Dann lassen wir das. Alles Gute!

(Dr. Franziska Kersten (SPD): In drei Jahren auch rund!)

- Alles klar: Dann in drei Jahren auch rund.

(Beifall)

Ihnen allen einen schönen Geburtstag! Wir hoffen, wir tragen dazu bei. 

Ich komme zur Tagesordnung. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 21/3311 zu dem Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege als weiteren Zusatzpunkt aufzusetzen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. 

Außerdem haben die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und von Bündnis 90/Die Grünen fristgerecht eine Erweiterung der Tagesordnung beantragt. Zu Beginn der heutigen Sitzung soll als weiterer Zusatzpunkt der Wahlvorschlag zur Wahl der Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums nach dem Standortauswahlgesetz auf Drucksache 21/3293, aber ohne Debatte aufgesetzt werden. 

Die Fraktion der AfD hat dieser Auffassung widersprochen. Dann müssen wir darüber abstimmen. Deshalb meine Frage an Sie: Wer stimmt für die Aufsetzung des Wahlvorschlags? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Antrag auf Aufsetzung angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Grünen bei Ablehnung der AfD und Enthaltung der Linken. 

Ich rufe den Zusatzpunkt 12 auf:

 

 

 

Wahlvorschlag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 

Wahl der Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums gemäß § 8 Absatz 3 des Standortauswahlgesetzes

Drucksache 21/3293 

 

 

Hierzu liegt ein Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und von Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 21/3293 vor. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Hiermit ist der Wahlvorschlag angenommen bei Ablehnung der AfD und Zustimmung aller anderen Fraktionen im Haus. 

Ich rufe den Zusatzpunkt 13 auf:

 

 

 

Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege

Drucksachen 21/1511, 21/1935, 21/2641, 21/2893, 21/3311 

 

 

Berichterstatter im Bundestag ist der Abgeordnete Steffen Bilger. Berichterstatter im Bundesrat ist Ministerpräsident Daniel Günther. 

Es liegt eine Protokollerklärung der Bundesregierung vor, die wir zum Stenografischen Bericht nehmen. 

Mir wurde mitgeteilt, dass das Wort für Erklärungen nach § 10 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses gewünscht wird. Das Wort hat nun für die CDU/CSU-Fraktion Herr Abgeordneter Steffen Bilger. Bitte sehr. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Steffen Bilger (CDU/CSU): 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ist vorgestern zum ersten Mal in dieser Wahlperiode zusammengekommen, weil ihn der Bundesrat beim Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege angerufen hatte. Das Ergebnis liegt Ihnen als Beschlussempfehlung vor. Ich kann Ihnen mitteilen: Der Vermittlungsausschuss hat einen für alle Beteiligten guten Kompromiss gefunden. Dieser Kompromiss stellt zum einen sicher, dass die vielen guten und richtigen Regelungen, die im Bereich der Pflege dringend erforderlich sind, nun auch kommen. Das Gesetz stärkt die Pflegekräfte, indem es ihnen mehr Verantwortung gibt und überflüssige Bürokratie abbaut. Und wir wissen um den großen Dienst an unserer Gesellschaft und an unseren Mitmenschen, die unsere Pflegekräfte tagtäglich leisten. Herzlichen Dank und große Anerkennung dafür! 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Thema, wie wir den Pflegeberuf weiter stärken und die Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver machen, muss weiterhin ganz oben auf der gesundheitspolitischen Agenda stehen. 

Zum anderen sorgt die nun zwischen Bundestag und Bundesrat gefundene Regelung zur Krankenhausfinanzierung für akut notwendige Einsparungen in Milliardenhöhe. Unser Ziel als Koalition ist, dass die Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung stabil bleiben und die Beitragszahler nicht stärker belastet werden. Deswegen hatte sich der Koalitionsausschuss auf Einsparungen verständigt. 

Der Vermittlungsausschuss hat sich nun darauf geeinigt, dass der Sparbeitrag, der im kommenden Jahr im Bereich der Krankenhäuser erbracht wird, in den Folgejahren nicht automatisch die Grundlage der weiteren Berechnungen sein soll. Was wir jetzt tun, wird also im Endeffekt nicht basiswirksam, wie die Experten das nennen. 

Klar ist: Auch mit dem Kompromiss des Vermittlungsausschusses bleiben weitere Reformen nötig, und den anstehenden Diskussionen, zum Beispiel in der Finanzkommission Gesundheit, wird nichts vorweggenommen. Das stellt die Bundesregierung in ihrer Protokollerklärung zum Vermittlungsergebnis klar. 

Es ist unstrittig: Wenn wir unser Gesundheitssystem zukunftsfähig machen und finanzierbar halten wollen, werden auch in Zukunft alle Akteure hierzu ihren Beitrag leisten müssen. Ich danke im Namen meiner Fraktion und der Koalition allen, die am Zustandekommen dieses wichtigen Kompromisses mitgewirkt haben, insbesondere der Bundesregierung und dem Bundesgesundheitsministerium mit Bundesministerin Nina Warken an der Spitze. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gleichermaßen danke ich allen Kolleginnen und Kollegen hier im Haus sowie den beteiligten Vertretern und Akteuren der Länder und des Bundesrates. Das verfassungsgemäße Zusammenwirken unserer föderalen Strukturen funktioniert verlässlich, auch wenn, so wie in diesem Fall, mitunter in der Sache gerungen werden muss. 

Es ist sehr wichtig, dass wir dieses Gesetz noch in diesem Jahr zum Abschluss bringen. Das wollen wir heute tun, zuerst mit unserer Abstimmung hier im Deutschen Bundestag und dann gleich im Anschluss im Bundesrat. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion der AfD hat Herr Abgeordneter Stephan Brandner das Wort. Bitte.

(Beifall bei der AfD)

Stephan Brandner (AfD): 

Guten Morgen auch von mir! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat findet das Thema offenbar nicht so wichtig; deshalb ist er erst gar nicht vertreten, 

(Steffen Bilger (CDU/CSU): Die tagen zurzeit! - Dr. Wiebke Esdar (SPD): Er tagt parallel!)

obwohl es ja um ein Ergebnis des Vermittlungsausschusses geht, das wir am Mittwoch herbeigeführt haben. 

Der Vermittlungsausschuss hat sich am Mittwoch konstituiert. Die guten Nachrichten sind sehr überschaubar. Die gute Nachricht war, dass sich bei meiner Kandidatur zum Vorsitz im Vermittlungsausschuss die Stimmenanzahl im Vergleich zur letzten Wahl verdoppelt hatte. Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten. Dann die schlechten Nachrichten, meine Damen und Herren: Es war eine Machtdemonstration der SPD, die sich im Vermittlungsausschuss abgespielt hat. Die SPD hat die CDU massiv unter Druck gesetzt und durch Klimpern mit dem Instrumentenkasten gezeigt, was droht, wenn die CDU auch nur ansatzweise daran denkt, vernünftige Politik zu machen. Dann wird nämlich Blockadepolitik im Bundesrat betrieben; das war, glaube ich, das Zeichen, das die SPD gesetzt hat. Der CDU hat es imponiert, am Ende ist sie eingeknickt.

Wir hatten den Vermittlungsausschuss im Vorfeld konstituiert. Man könnte meinen, dass mit der Konstituierung die Arbeit des Vermittlungsausschusses anfängt. So war es aber gar nicht. Sie waren schon fertig mit der Arbeit des Vermittlungsausschusses, in Hinterzimmern ausgekungelt, irgendetwas vorgelegt, durchgestimmt, abgestimmt. Die CDU wurde unter Druck gesetzt. Die SPD hat sich durchgesetzt. Am Ende ändert sich gar nichts. 

(Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Reden Sie doch mal zur Sache! Was, sagen Sie, sollen wir denn mit den Krankenhäusern machen? Haben Sie einen Vorschlag zur Krankenhausfinanzierung?)

Bemerkenswert war noch die Zerrissenheit der Grünen im Vermittlungsausschuss. Die Bundestagsseite der Grünen hat abgelehnt, die Bundesratsseite der Grünen war dafür. 

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also: Sorgen Sie erst mal für Ordnung in Ihrem eigenen Laden, Frau Haßelmann und Co, bevor Sie irgendwelche Politik für Deutschland machen wollen.

(Beifall bei der AfD)

Es geht im Kern nicht um das Gesetz zur Kompetenzsteigerung und Bürokratieabbau in der Pflege, sondern um die Finanzierung der Krankenhäuser, der Beschränkung von Beitragssatzsteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Vermeidung der möglichen Überlastung der gesetzlichen Krankenversicherung. Da sind Sie klassisch gescheitert.

Ich habe ein Zitat aus dem Vermittlungsausschuss mitgeschrieben. Ich darf ja nicht wörtlich zitieren und sage auch nicht, von wem es stammt.

(Steffen Bilger (CDU/CSU): Vertraulichkeit!)

Ein Vertreter der Bundesratsseite sagte jedenfalls sinngemäß: Ich weiß auch nicht, wie das alles weitergehen soll. Wir lösen kein Problem. Wir verschieben alles ein Jahr nach hinten.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der VA ist nicht öffentlich!)

Genau so ist das. Sie versuchen, ein bisschen Zeit zu gewinnen. Diese Entscheidung kommt auch zu spät. Die Briefe der Krankenversicherungen zu den Erhöhungen der Beiträge sind schon unterwegs. Sie vermurksen auch dieses Thema vollkommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Wir haben in der Debatte hier im Deutschen Bundestag alternative Konzepte vorgelegt. Dazu gehören mit Steuergeld finanzierte befristete Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung. Das wäre unser Ansatz, um Zeit für Ordnung zu schaffen in diesem Wirrwarr, diesem Chaos in der Krankenhauspolitik, bestehend aus Sondervermögen, Transformationsfonds, Zuschüssen, Meistbegünstigungsklauseln, Darlehen und Investitionsfonds. Da blickt von Ihnen keiner mehr durch.

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich finde das auch ziemlich wirr, was Sie da vortragen!)

Gott sei Dank haben wir von der Alternative für Deutschland den Durchblick, sowohl mit Brille als auch ohne Brille. 

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb lehnen wir das Ergebnis des Vermittlungsausschusses ab und bitten Sie eindringlich: Kommen Sie auf uns zu! Wir arbeiten gerne mit Ihnen zusammen, auch im Sinne derjenigen, die in den gesetzlichen Krankenversicherungen zwangsversichert sind.

(Dr. Ralf Stegner (SPD): Was ist das für ein jämmerlicher Auftritt am frühen Morgen!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion der SPD hat nun Herr Abgeordneter Dirk Wiese das Wort. Bitte.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

 

Dirk Wiese (SPD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist am letzten Sitzungstag vor der Weihnachtspause ein gutes Signal, dass wir heute Morgen hier das Ergebnis des Vermittlungsausschusses präsentieren können. Es ist wichtig, dass wir das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege, an dem letztendlich auch die Frage der GKV-Finanzen gehangen hat, jetzt auf den Weg bringen. Das ist ein wichtiges Signal für diejenigen, die in der Bundesrepublik in der Pflege arbeiten. Es ist ein Signal der Entlastung für die Beschäftigten. Dank an alle, die im Vermittlungsausschuss ermöglicht haben, dass wir nun die Ziellinie überschreiten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es ist auch ein gutes Signal an die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler für das Jahr 2026, dass wir nach Gesprächen mit den Bundesländern nun das auf den Weg bringen, was wir versprochen haben: Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung für das kommende Jahr. Es ist gut, dass kurz vor Weihnachten der Durchbruch gemeinsam gelungen ist. Auch dafür Dank allen, die das ermöglicht haben, im Bund, aber auch in den Bundesländern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will das unterstreichen: Es ist eine Regelung für das Jahr 2026, die richtig und wichtig ist. Aber - und das muss uns allen klar sein - wir brauchen Strukturreformen in den Sozialversicherungssystemen. Mit der Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung liegen noch viele Aufgaben vor uns. Wir haben uns darauf verständigt, dass entsprechende Ergebnisse im ersten Quartal vorliegen sollen. Es muss klar sein, wo wir genau hinschauen und rangehen müssen, um die Beitragssatzstabilität in der GKV auch in den kommenden Jahren zu gewährleisten. Ich denke, wir werden das gemeinsam mit der Bundesregierung und dem Bundesgesundheitsministerium sehr zeitnah und zügig 2026 angehen.

Lassen Sie mich noch einen Satz zu dem sagen, was der Kollege Brandner gerade ausgeführt hat. Das alles klingt immer sehr wohlfeil. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass Herr Brandner sich in dieser Woche zu diesem Thema am besagten Ort zu Wort gemeldet hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Michael Espendiller (AfD))

Interessant finde ich auch, dass Herr Brandner nicht weiß, dass deswegen keine Vertreter des Bundesrats hier sind, weil der Bundesrat zeitgleich seit 9 Uhr tagt. Ich wundere mich manchmal, Herr Brandner, wie wenig Wissen da ist. 

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner (AfD))

Ich schlage vor, dass Sie von mir ein Weihnachtsgeschenk bekommen, wenn Sie mir sagen, wann hier heute Morgen die erste Kollegin der AfD-Fraktion auftaucht. Sie sind doch heute Morgen ein bisschen männerlastig wie immer hier.

Diese Bundesregierung handelt. 

(Dr. Michael Espendiller (AfD): 1,8 Milliarden, die für die Krankenhäuser fehlen! Das ist das Ergebnis!)

Diese Bundesregierung bringt Gesetze auf den Weg, zum Beispiel das Standortfördergesetz, und erzielt Ergebnisse im Vermittlungsausschuss. Das, was am Ende dieser Woche im Zusammenhang mit der AfD hängen bleibt, ist: Maulkorb für diejenigen, die sich gegen den Schattenvorsitzenden Höcke in der Fraktion zur Wehr setzen, 

(Stephan Brandner (AfD): Sie kommen ein bisschen vom Thema ab, Herr Wiese! Was ist mit Edathy?)

AfD-Abgeordneter wegen Hitlergruß angeklagt und gleichzeitig ein Spendenkorruptionssumpf in Sachsen-Anhalt bei der AfD. Das ist das, was von Ihnen diese Woche hängen bleibt.

(Kay Gottschalk (AfD): Sie machen da gerade die „Wochenschau“!)

Wir als Bundesregierung handeln. Wir kümmern uns um die Probleme in diesem Land. Das werden wir auch 2026 so machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Abgeordneter Andreas Audretsch das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Stephan Brandner (AfD): Haben Sie eine einheitliche Linie gefunden jetzt bei den Grünen? Ja oder nein? - Gegenruf der Abg. Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oah! Brandner, ey! - Gegenruf des Abg. Stephan Brandner (AfD): Oah! Roth, ey!)

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bezeichnend für Sie von der AfD ist, dass Sie sich minutenlang am Verfahren abgearbeitet haben und nicht einen Satz hingekriegt haben, um die Leute zu würdigen, um die es tatsächlich geht: um die Pflegekräfte, die für uns wichtige Arbeit machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Drei Dinge waren bei uns in den Gesprächen im Vermittlungsausschuss von ganz besonderer Bedeutung.

Das Erste ist, dass die Menschen im Land gut versorgt werden und dass die Krankenhäuser ausreichend finanziert sind, um Ersteres sicherstellen zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Michael Espendiller (AfD): Das sieht Herr Kretschmann anders!)

Das Zweite ist, dass die Pflegekräfte, aber auch die Reinigungskräfte sowie die Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern gut bezahlt sind und gute Arbeitsbedingungen haben. Auch in diesem Jahr werden sie an den Feiertagen diejenigen sein, die für uns die Arbeit machen und da sind, wenn es Menschen in Deutschland schlecht geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es steht für uns im Zentrum, sicherzustellen, dass das auch in Zukunft gewährleistet ist.

Das Dritte ist, dass die Beitragssätze stabil bleiben, dass die Beitragssätze nicht ansteigen - weder für Unternehmen und noch für die Menschen im Land -, weil wir ihnen höhere Kosten in einer so schwierigen Lage nicht zumuten können.

Friedrich Merz und Gesundheitsministerin Warken hatten immer wieder angekündigt und versprochen, dass auf der einen Seite die Krankenhäuser gut finanziert sein sollen und auf der anderen Seite die Beitragssätze nicht steigen sollen. Beides ist nicht gelungen. Der Vermittlungsausschuss sorgt leider weder dafür, dass es eine gute Situation für die Krankenhäuser gibt, noch dafür, dass die Beitragssätze stabil bleiben. Das Ergebnis kennt am Ende auf allen Seiten nur Verlierer. Es wird teurer für alle, und es wird schlechter für alle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Stephan Brandner (AfD): Herr Kretschmann sieht das anders! Dr. Michael Espendiller (AfD): Warum stimmt dann Baden-Württemberg zu?)

Erstens. Die Beitragssätze werden für viele Menschen in Deutschland weiter steigen. Die Briefe sind gedruckt. Die Kassen werden die Beiträge anheben zulasten der Menschen und zulasten der Unternehmer. Sie werden es erleben Anfang nächsten Jahres; dann können alle sehen, dass diese Politik am Ende nicht das Ziel erreicht.

(Kay Gottschalk (AfD): Oh, wie kommt das nur?)

Zweitens. Die Krankenhäuser haben 2026 erstmal weniger Geld zur Verfügung. Wenn sie in eine schwierige Lage kommen, dann wird das dazu führen, dass die Krankenhäuser Kredite aufnehmen müssen, um die Unsicherheit so lange zu überbrücken, bis 2027 dann eine Lösung tatsächlich gefunden wird. 

Damit sind wir beim dritten Punkt. Es wird überhaupt nichts gespart. Nicht 1 Cent wird eingespart! Vielmehr machen Sie 2027 die Rolle rückwärts und versuchen, das Geld wieder zu verschieben. Daraus wird ein Bumerang entstehen, den Sie hier im Bundestag dann wieder auffangen müssen. Sie haben nichts erreicht, sondern das Problem um ein Jahr verschoben. 

(Dr. Michael Espendiller (AfD): Hat Herr Kretschmann das nicht verstanden?)

Diese Art Verschiebebahnhöfe beim Geld kennen wir von Ihnen. Lösungen sind das nicht. Herr Merz, Frau Warken, Sie tragen Verantwortung für dieses schlechte Ergebnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei gäbe es Lösungen, auf der Hand lägen. Kurzfristig könnte man Einsparungen bei den Medikamentenpreisen erzielen. Der Antrag der Bundestagsfraktion der Grünen hierzu lag gestern vor. Die Medikamentenpreise müssen runter. Da kann man einsparen und am Ende die Preise stabil halten.

Die Krankenhausreform war ein großer Schritt. Sie wickeln sie gerade wieder ab. So können Reformen nicht funktionieren. Die Notfallreform kommt nicht voran. Deswegen: Machen Sie grundsätzliche Reformen! Dieses Ergebnis findet unsere Ablehnung, und gleichzeitig sagen wir laut -

Präsidentin Julia Klöckner:

Ihre Redezeit ist überschritten. Die Zeit ist rum, und ich bitte, das zu beachten.

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

- ein großes Ja zu ernsthaften Reformen für die Pflegekräfte in unserem Land.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion Die Linke hat Herr Abgeordneter Christian Görke das Wort. Bitte sehr.

(Beifall bei der Linken)

Christian Görke (Die Linke): 

Einen schönen guten Morgen, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses hat uns eine komplizierte Operationslage aufgezeigt. Der Patient, unsere Krankenhäuser, bleibt auch nach diesem Vorschlag auf der Intensivstation. Einer von meiner Fraktion begrüßten Verbesserung der Pflegestandards steht ein völlig inakzeptabler Finanzierungsvorschlag der Koalition gegenüber. 

Bei mir im Land Brandenburg, Herr Bilger, schreiben mittlerweile 80 Prozent aller Krankenhäuser und Kliniken tiefrote Zahlen.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner (AfD))

In anderen Ländern sieht das nicht anders aus. Und dann wollen Sie ernsthaft bei den Kliniken kürzen? Wir kommen - ich will das heute mal vorweihnachtlich-friedlich sagen - aus dem Staunen überhaupt nicht mehr raus.

Gerade hat der Bund - das muss man sich mal vorstellen - dem Patienten Krankenhaus dringend benötigten Sauerstoff in Form eines Inflationsausgleiches von 4 Milliarden Euro verabreicht, und jetzt nehmen Sie 1,8 Milliarden Euro wieder weg. Es ist völlig absurd, einem Patienten den benötigten Sauerstoff wegzunehmen, um ihn einem anderen Patienten zu geben. Im Sinne einer bedarfsgerechten Versorgung - das Ziel ist die Stabilisierung der Kassenbeiträge - muss man doch wenigstens dann versuchen, eine zweite Sauerstoffflasche anzuschaffen, meine Damen und Herren. 

Unsere Vorschläge als Linke liegen auf dem Tisch, und zwar nicht seit heute, sondern seit Jahren. Wer die Stabilisierung möchte, muss die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen, 

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

muss Kapitaleinkommen verbeitragen, muss Privatversicherte einbeziehen und die Beitragsübernahme für Menschen, die im Bürgergeld sind, auch ausfinanzieren. Bei diesen Vorschlägen müssten Sie sich bedienen.

(Beifall bei der Linken)

Dann brauchen Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, keine Kommission, um Zeit zu schinden, und keine verfassungswidrige Finanzakrobatik, die keinerlei Probleme löst. 

Meine Damen und Herren, noch ein Satz zum Krankenhausexperten Brandner von der AfD.

(Stephan Brandner (AfD): Danke schön!)

Ich habe in Ihrem neuen AfD-Papier zur Krankenhauspolitik geschaut, was Sie dazu sagen. Da steht nichts drin,

(Tino Chrupalla (AfD): Das war das falsche Papier!)

nichts zur Krankenhausfinanzierung, außer dem Schlagwort „Strukturkostenförderung“. Davon abgesehen, dass Sie das in Ihrem Papier falsch geschrieben haben,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

erfährt man nicht, was das bedeutet. Fehlanzeige! Ich finde, wer hier acht Jahre lang gut bezahlt auf Kosten der Menschen im Land arbeitet - zumindest versucht, zu arbeiten -, der muss doch wenigstens Konzepte liefern. 

(Zurufe der Abg. Stephan Brandner (AfD) und Dr. Michael Espendiller (AfD))

- Herr Brandner, ich weiß, warum Sie sich jetzt aufregen. - Genau das machen Sie nicht. 

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich fasse mal vorweihnachtlich zusammen: Wenn du denkst, es geht nicht schlimmer, mit der AfD geht es immer!

(Jörn König (AfD): Hahaha!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Julia Klöckner: 

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 21/3311 zu dem Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege. 

Gemäß § 10 Absatz 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuss beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses?

(Stephan Brandner (AfD): Was sagt der Kretschmann eigentlich dazu?)

- Wir führen eine Abstimmung auch mal ohne Kommentierung durch. 

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kann der nicht!)

Wer stimmt dagegen? - Und wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen worden mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Ablehnung von Bündnis 90/Die Grünen und der AfD und Enthaltung der Linken. 

Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 29a bis 29c: 

 

 

a)

– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung privater Investitionen und des Finanzstandorts (Standortfördergesetz – StoFöG)

Drucksachen 21/2507, 21/3065

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

Drucksache 21/3343

– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

    Drucksache 21/3348

 

 

 

b)

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kay Gottschalk, Jan Wenzel Schmidt, Hauke Finger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD

Aufhebung der sogenannten Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 des Außensteuergesetzes

Drucksachen 21/2544, 21/3343

 

 

 

c)

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1619 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2024 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf Aufsichtsbefugnisse, Sanktionen, Zweigstellen aus Drittländern sowie Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken und zur Entlastung der Kreditinstitute von Bürokratie (Bankenrichtlinienumsetzungs- und Bürokratieentlastungsgesetz – BRUBEG)

Drucksache 21/3058 

Überweisungsvorschlag:

Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

 

 

Zu dem Entwurf eines Standortfördergesetzes der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. 

Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten vereinbart. 

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich noch auf etwas hinweisen: Der Abgeordnete Martin Reichardt hat fristgerecht Einspruch gegen den ihm in der 50. Sitzung erteilten Ordnungsruf eingelegt. Dem Einspruch wurde nicht abgeholfen. Der Einspruch wird als Unterrichtung verteilt. 

Gemäß § 39 unserer Geschäftsordnung ist der Einspruch auf die heutige Tagesordnung zu setzen. 

Der Bundestag hat über den Einspruch ohne Aussprache zu entscheiden. Die Entscheidung über den Einspruch wird als Zusatzpunkt 14 nach Tagesordnungspunkt 31 - das wird nach jetzigem Stand etwa 12:15 Uhr sein - aufgerufen. 

Ich eröffne jetzt die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten 29a bis 29c. Für die SPD-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Wiebke Esdar. Bitte sehr. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Wiebke Esdar (SPD): 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollen heute über Investitionen reden, Investitionen, die unsere Wirtschaft und die wir alle brauchen, wenn wir weiterhin in Freiheit, in Frieden und auch in dem Wohlstand, den wir heute haben, leben wollen. Deutschland steht nämlich vor tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen: Dekarbonisierung, Digitalisierung, geopolitische Fragmentierungen. 

(Zuruf von der AfD: SPD-Regierung!)

Was meine ich damit? 

Dekarbonisierung: Wir wollen, dass unser Leben und unsere Wirtschaft weniger bis gar kein CO2 mehr ausstoßen. 

Digitalisierung: Unser Alltag genauso wie die Produktionsprozesse in unseren Unternehmen werden immer digitaler und zukünftig mit künstlicher Intelligenz noch einmal mehr erleichtert, verbessert und gesteuert. 

Geopolitische Fragmentierungen: Lange aufgebaute, verlässliche Handelsbeziehungen brechen auseinander. Kriege, aber auch Handelszölle und Wirtschaftspolitiken anderer Länder, die weniger als bisher auf den globalen Austausch, dafür aber mehr auf nationalstaatliche Interessen schauen, bringen Verunsicherung. Und das hemmt erst einmal Investitionen. 

Weil so viel im Umbruch ist, ist es umso wichtiger, dass wir die richtigen Rahmenbedingungen für Investitionen setzen, und das tun wir. Insbesondere Lars Klingbeil, unserem Finanzminister, möchte ich dafür danken, dass er genau da einen Schwerpunkt setzt. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als Erstes haben wir das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität beschlossen, Investitionen in Schulen, Brücken, Energie- und digitale Infrastruktur. Die Straße vor dem Haus, die Schienen auf dem Weg zur Arbeit, die Kita unserer Kinder, Forschung an den Hochschulen, all das erfordert öffentliche Investitionen, die wir dringend brauchen und die wir jetzt angehen. 

Es geht aber genauso um private Investitionen. Wir schaffen Rahmenbedingungen für mehr private Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen, unser Land modernisieren, medizinischen und technologischen Fortschritt ermöglichen sowie unseren Wohlstand und unsere Freiheit erhalten und ausbauen. 

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jens Spahn (CDU/CSU))

Wir haben dafür bereits im Sommer mit dem Wachstumsbooster die Steuern für Unternehmen gesenkt, zunächst durch Superabschreibungen und dann später durch die Senkung der Körperschaftsteuer. 

Heute beschließen wir das Standortfördergesetz. Wir ermöglichen damit noch einmal bessere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, insbesondere für Start-ups, für KMUs, für Scale-ups. Wir bauen bürokratische Hürden im Finanzmarktbereich ab. Und wir setzen mehr Anreize für Fonds, in Infrastruktur und auch in erneuerbare Energien bei uns hier in Deutschland zu investieren. 

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jens Spahn (CDU/CSU))

Wir werden dann noch mit dem Deutschlandfonds, den wir einrichten, einen nächsten Schritt für die Mobilisierung von privatem Kapital gehen. Das wird ein Dachfonds sein, der öffentliches und privates Kapital bündelt und dann eine Hebelwirkung zum Ergebnis haben wird, nach dem Prinzip, dass staatliches Startkapital, zum Beispiel Garantien oder Billigung, privates Kapital anzieht. Darum gehört beides zusammen: das Standortfördergesetz, mit dem wir die Rahmenbedingungen für private Investitionen schaffen, und der Deutschlandfonds, der dann die Kapitalbasis schafft und die Hebelwirkung ermöglicht. 

Meine Damen und Herren, die Frage ist nicht, ob wir investieren können, sondern die Frage heute lautet, ob wir es uns leisten können, es nicht zu tun. 

(Beifall bei der SPD)

Unsere Antwort ist klar. Nicht zu investieren heißt: Wir lassen die Herausforderungen von heute zu Problemen von morgen werden, und wir würden sie damit an die nächste Generation weitergeben. 

(Jörn König (AfD): Das sagt eine Regierung, die 1 Billion Schulden macht!)

Beim Standortfördergesetz geht es nicht nur um die Wirtschaftslast von heute. Vielmehr leistet es auch einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Darum bitte ich Sie: Stimmen Sie diesem Gesetz zu. 

Ich wünsche allen Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr. 

Herzlichen Dank. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kay Gottschalk das Wort. Bitte. 

(Beifall bei der AfD)

Kay Gottschalk (AfD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Liebe Steuerzahler! Dieses Gesetz sollte besser Fehlallokationskapitalvernichtungsgesetz genannt werden, meine Damen und Herren. Was Sie hier tun, ist nichts anderes als sozialistische Lenkung und Staatskapitalismus, aber der ganz schlechten Art. Ich werde im Folgenden noch genauer darauf eingehen.

Meine Damen und Herren, Sie haben hier über Standortrahmenbedingungen gesprochen, aber Unternehmer brauchen Erwartungen. Erwartungen werden auch an der Börse gehandelt. Um potenzielle Investoren ins Land zu holen, muss man positive Erwartungen und Einstellungen gegenüber dem Land erzeugen. Kurz gesagt: Wer Geld mitbringen soll, wird nur dann kommen, wenn er das Gefühl hat, willkommen zu sein. 

Das aber, was Ihre werte Kollegin Frau Bas hier vor ein paar Tagen von sich gegeben hat, ist genau das Gegenteil. Nicht nur ich, auch Unternehmer und Verbände reagierten mit Unverständnis auf die neue - man muss es ja sagen - Klassenkampfrhetorik der Bundesministerin für Arbeit und Soziales. „Für Arbeit“, das steht im Zusammenhang mit Beschäftigung, und für Beschäftigung brauchen wir motivierte Unternehmer und Investoren aus dem Ausland. Aber Frau Bas und diese Regierung werden dies nicht erreichen.

(Beifall bei der AfD)

Eigentlich dachte ich, nach den Erfahrungen in der DDR wären die Zeiten von Marx und Engels vorbei. Aber wir haben tatsächlich wieder echte Sozialisten hier im Bundestag in Gestalt der SPD, nicht nur der Linken und der Grünen, sitzen. 

(Zuruf der Abg. Dr. Wiebke Esdar (SPD))

Das ist gefährlich für den Standort Deutschland. Und die CDU/CSU muss sich ernsthaft überlegen, was sie hier eigentlich noch treiben will und wie lange sie sich noch das Rückgrat herausoperieren lassen will, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD - Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und das beim Standortfördergesetz! Thema verfehlt!)

Frau Bas und Herr Klingbeil - vielleicht kann der Kanzler, wenn er überhaupt Kompetenz hat, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen -, glauben Sie ernsthaft, dass Beschimpfungen die Bereitschaft für Innovation und Expansion wachsen lassen oder wecken würden? - Nein, ich glaube nicht. Und eine weitere Frage nach dem verbalen Ausfall: Die IHK schätzt den potenziellen Verlust für die deutsche Wirtschaft nach diesen Äußerungen auf 5 bis 10 Milliarden Euro - da wäre sogar die SPD mit ihren Beteiligungen pleite, wenn man hier Schadensersatz geltend machen würde -, und das zu einer Zeit, in der unsere Wirtschaft mit miserablen Standortbedingungen kämpfen muss, die Sie übrigens in den letzten 20 Jahren selbst geschaffen haben. Das werde ich Ihnen in jeder Rede aufs Brot schmieren. 

Und hier die Horrorzahlen für Sie - das haben diese Herrschaften hier zu verantworten -: 23 900 Unternehmenspleiten - Rekordhöhe. 57 Milliarden Euro Forderungsausfälle. Darüber diskutieren Sie übrigens nie; daran merkt man, wie viel Ahnung Sie von Wirtschaft haben. 57 Milliarden Euro! Und - das müsste die SPD doch eigentlich grämen; stattdessen lächeln Sie hier - 285 000 weggefallene Arbeitsplätze. Das ist Ihre Bilanz der letzten 20 Jahre, die Bilanz der sogenannten demokratischen Mitte. 

(Johannes Schraps (SPD): Es sind so viele Beschäftigte in diesem Land wie nie zuvor! Das haben Sie nicht mitgekriegt!)

Das Fatale daran ist - und auch das vergessen Sie; Sie haben ja andere Prioritäten -: Hinter jeder dieser Zahlen stecken Einzelschicksale: Steuerzahler, Unternehmen, Familienväter. Und besonders bitter ist es eben, wenn man das Scheitern nicht selbst zu verantworten hat. 

Neben den Unternehmensschließungen hat unser Standort als weiteren Effekt die Unternehmensverlagerungen ins Ausland zu verkraften sowie – last, but not least - Unternehmen, die gar nicht erst zu uns kommen. Mittlerweile ist es so: Selbst wenn Sie gutes Geld dem schlechten hinterherwerfen, kommt Intel nicht mal für 10 Milliarden Euro zugesagte sogenannte Subventionen, meine Damen und Herren. So schlecht ist Deutschland. Sie können die Leute nicht mal mehr bestechen bzw. mit Subventionen kaufen. Das haben Sie zu verantworten.

(Beifall bei der AfD)

Nun höre ich vonseiten der Union und den Sozialisten, die wir hier jetzt wieder im Parlament haben, wir würden den Standort schlechtreden. Ernsthaft? Das ist doch gar nicht nötig. Das Elend muss man sich doch gar nicht ausdenken. Das könnte man sich eigentlich auch nicht ausdenken. Sie können es jeden Tag in den Zeitungen lesen - ich habe Ihnen die Zahlen eben genannt -, Tag für Tag, Woche für Woche, mittlerweile Jahr für Jahr.

(Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Nichts Positives! Keinen einzigen eigenen Vorschlag! Sie quatschen unser Land in eine Depression! Mehr ist es nicht, was von Ihnen kommt!)

Die geneigte Welt im Übrigen weiß das auch. Man wird auch in Washington von anderen Ländern auf das Elend hier in Deutschland angesprochen. Unser Mittelstand - der immerhin 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland ausmacht - fühlt sich besonders von Ihnen angegriffen. Er befürchtet einen potenziellen Rückgang der Gründungen in Deutschland um 5 bis 10 Prozent im Jahr 2026. Sie, meine Damen und Herren - und damit meine ich die Sozialisten, egal welcher Farbgebung; sie kann grün sein, sie kann dunkelrot sein oder auch hellrot -, 

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind alle Sozialisten und Kommunisten!)

sollten das Wort „Standortförderung“ besser nicht in den Mund nehmen. 

Aber nun zu dem, was uns vorliegt. 24 Änderungsanträge gab es, allerdings waren es mehr oder weniger redaktionelle Änderungen. Leider haben Sie einige unserer Hinweise nicht aufgenommen; sie hätten Ihren Entwurf noch etwas besser machen können. Sie wollen - ich zitiere - die „Attraktivität des Finanzstandortes Deutschland weiter […] stärken“. Schon da liegen Sie falsch: Deutschland ist nicht mehr attraktiv. Wenn Sie diese Richtung der letzten 20 Jahre fortsetzen, dann sind wir tatsächlich bald pleite. Das Adverb „weiter“ hätten Sie also besser schon mal gestrichen. 

Auch wollen Sie demnächst „insbesondere die Finanzierungsoptionen für junge, dynamische Unternehmen […] verbessern“. Allerdings weiß ich nicht, wie das an dieser Stelle möglich sein soll. Ich komme nämlich gleich zur Wegzugsbesteuerung und anderen grauenhaften Dingen, die Sie im Gesetz weiter nicht angegangen haben. 

(Fritz Güntzler (CDU/CSU): Das haben Sie doch gar nicht verstanden!)

Und egal was Sie hier reinschreiben - meine Damen und Herren, das muss man Ihnen noch mal sagen: das ist Sozialismus der besten Art, das ist Lenkungspolitik, die hier betrieben wird -: Alles steht völlig sinnentleert unter dem Vorbehalt „Transformation, Nachhaltigkeit und Infrastruktur“. Infrastruktur in einem Fördergesetz ist auch eine Bankrotterklärung Ihrer Politik der letzten 20 Jahre, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der AfD - Zuruf des Abg. Dr. Ralf Stegner (SPD))

Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben - auch das wurde auf der internationalen Konferenz in Washington gesagt -: Man dreht sich mittlerweile angewidert von unserer öko-grünen Transformation ab. 

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von Ihrer Jugendorganisation!)

Die Welt geht längst andere Wege unter der Regierung von Trump und anderen Regierungen. Man sieht, dass Deutschland scheitert, 

(Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wollen Sie, ne? Da kommt Freude auf!)

und es wird sicherlich keiner so dumm sein, das zu kopieren. 

(Zuruf des Abg. Dr. Ralf Stegner (SPD))

- Ja, meine Damen und Herren, hören Sie es sich weiter an! 

Und dann wollen Sie für diese Ökotransformation tatsächlich noch einige Ausnahmen von der Gewerbesteuerpflicht schaffen. Andererseits ist aber die Diskussion im Finanzausschuss verräterisch, wo Sie sagten, dass Sie niedrigere Gewerbesteuern und einen Steuerwettbewerb der Kommunen untereinander für fatal und schlecht halten. Sie halten Wettbewerb für fatal und schlecht - ein weiterer Weg in den Sozialismus, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der AfD)

Dieser Gesetzentwurf ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Er kann gar nicht mithalten mit dem Inflation Reduction Act oder anderen Dingen, die von anderen Ländern ambitioniert gestartet worden sind. Sie erwähnen Investitionen in Venture Capital und Private Equity nur an einer einzigen Stelle. Aber - ich muss es wirklich sagen - fachlich gesehen ist der Knaller: Sie wollen offene inländische Spezialfonds zukünftig nicht mehr daran hindern, Beteiligungen an geschlossenen Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds zu erwerben. Das ist tatsächlich zum Fremdschämen.

Und dann immer wieder die Zielrichtung: Es sollen Spezialfonds sein - ich zitiere - „für den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Investitionsbedarf im Bereich der Infrastruktur“. Mit dieser Gewichtung, meine Damen und Herren, liegen Sie einfach krass daneben. Nicht nur die Vorstände von EON und RWE, die ich an dieser Stelle mit Genehmigung der Präsidentin zitiere, sagen, dass sie der Auffassung sind, dass die Ausbauziele für die Erneuerbaren in der jetzigen Form auf eine sinnlose Verschwendung von Investitionsmitteln hinauslaufen werden. 

Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb Ihr Ansatz ins Leere läuft. Ich mache hier einen konstruktiven Vorschlag, den ich schon in der Anhörung gemacht habe: Ohne Verrechnungsmöglichkeiten der Anfangsverluste bei den Erneuerbaren, aber auch bei anderen Investitionen ist das hier sinnlos. Schauen Sie nach Kanada! 

Präsidentin Julia Klöckner:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Kay Gottschalk (AfD): 

Nein, heute nicht. Sie merken: Meine Stimme ist angeschlagen. 

(Zurufe von der CDU/CSU sowie von Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Sonst lasse ich sie ja sehr gerne zu. 

(Dr. Wiebke Esdar (SPD): Genau! Schonen Sie mal Ihre Stimme! Beenden Sie Ihre Rede! - Weitere Zurufe)

Präsidentin Julia Klöckner:

Entschuldigung. Das müssen wir jetzt nicht kommentieren. Wie jeder andere Abgeordnete auch entscheidet der Abgeordnete selbst, ob er eine Zwischenfrage zulässt oder nicht. Ansonsten gibt es später eine Kurzintervention. 

Kay Gottschalk (AfD): 

Danke schön, Frau Präsidentin. - Schauen Sie nach Kanada auf das Modell der Flow-Through-Aktien! Die dortigen Explorationsgesellschaften haben ebenfalls erhebliche Anfangsverluste. Dort weiß man, wie man es macht. Man greift den Unternehmen ganz unbürokratisch und ohne Steuermittel unter die Arme, und zwar ohne an den Subventionstopf zu gehen. Diese Explorer können ihre noch nicht verrechenbaren Verluste auf die privaten Erwerber der Aktien übertragen. Die verrechnen diese Verluste dann mit ihren positiven Einkünften - eine Win-win-Situation. Warum kommen eigentlich Sie, Herr Klingbeil, nicht auf solche Ideen? Die würden helfen und den Steuerzahler nicht belasten.

(Beifall bei der AfD)

Und zu guter Letzt komme ich noch mal zu dem Vorschlag, dass wir die Wegzugsteuer endlich abschaffen, meine Damen und Herren. Wir kennen Sie unter dem Namen „Reichsfluchtsteuer“, sie wurde später sogar als „Nazisteuer“ bezeichnet. Dieser bedienen Sie sich. Sie bauen weiter Mauern; denn ein Unternehmer muss, wenn er nach Ablauf von sieben Jahren mit seinem Firmensitz ins Ausland verzieht, fast ein Viertel seiner Gewinne - auch von noch nicht realisierten Gewinnen - versteuern. Meine Damen und Herren, § 6 Außensteuergesetz und § 17 Einkommensteuergesetz wirken hier tatsächlich als Steuermauer. Hören Sie damit auf! Deutschland hat mit Mauern, glaube ich, genug schlechte Erfahrungen gemacht in seiner Geschichte. 

(Beifall bei der AfD)

Diese Wegzugsbeschleunigungssteuer, müsste man eher sagen, oder - viel schlimmer - Zuwanderungsverhinderungssteuer, was Investoren angeht, muss weg, meine Damen und Herren! 

(Dr. Fabian Fahl (Die Linke): Arbeitgeberpolitik! Schon wieder!)

Und was noch besser war: Herr Klingbeil, ich hatte eine Kleine Anfrage an Ihr Haus gerichtet. Ich hatte gefragt: Wissen Sie denn überhaupt, wie viel Geld realisiert wird? Macht diese Steuer heute noch Sinn? - Die Antwort aus diesem Ministerium war: Wir wissen es nicht. - Das könnte der Titel dieser ganzen Regierung sein. Sie wissen es nicht, Sie können es nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Und dann wollen Sie tatsächlich mit anderen attraktiven Standorten in den Wettbewerb treten. Nur mal ein Auszug aus dem Kanton Zug: keine Kursgewinnsteuer, keine Erbschaftsteuer für Kinder und Ehegatten, 12 Prozent Körperschaftsteuer, keine Gewerbesteuer, 22 Prozent Einkommensteuerspitzensatz, weniger illegale Migranten, meine Damen und Herren. So sehen Wirtschaftspolitik und Standortförderung aus, ohne dass es Geld kostet. Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen. 

Alles in allem ist dieses Gesetz Kapitalvernichtung, und es wird uns noch bitter auf die Füße fallen, -

Präsidentin Julia Klöckner:

Ihre Zeit ist um.

Kay Gottschalk (AfD): 

- weil dieses Geld eben nicht für die echten, wirklichen und notwendigen Investitionen zur Verfügung steht. Ich wünsche allen eine schöne Weihnachtszeit. Denken Sie mal darüber nach!

Danke. 

(Beifall bei der AfD)

Präsidentin Julia Klöckner:

Die Möglichkeit zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Herr Johannes Schraps aus der SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Johannes Schraps (SPD): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Kurzintervention zulassen. - Schade, dass Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben, Herr Gottschalk. Für Ihre Stimme wünsche ich Ihnen alles Gute. Ich hoffe, dass Sie meine Fragen trotzdem beantworten können. 

Weil Sie gerade mehrfach in Ihrer Rede erklärt haben, dass diese Bundesregierung und die vorherigen Bundesregierungen in den letzten Jahren Arbeitsplatzabbau betrieben hätten, zitiere ich das Statistische Bundesamt, das schreibt: 

„Im Jahresdurchschnitt 2024 waren rund 46,1 Millionen Menschen mit Arbeitsort in Deutschland erwerbstätig. Das waren so viele Erwerbstätige wie noch nie seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990.“

(Dr. Wiebke Esdar (SPD): Hört! Hört!)

„Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes […] stieg die jahresdurchschnittliche Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um 72 000 Personen […]. Mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020 wuchs die Erwerbstätigenzahl damit seit 2006 durchgängig.“

Meine erste Frage: Hört sich das für Sie nach Arbeitsplatzabbau an? Für mich nicht. Zweite Frage: Sie haben eben in Ihrer Rede erneut davon gesprochen, dass selbst in Washington zu hören sei, mit dieser Bundesregierung, mit diesem Land sei nicht ordentlich zusammenzuarbeiten. Mich würde interessieren, wo Sie das genau gehört haben. Haben Sie das zufällig auf einer Veranstaltung vor einigen Wochen gehört, auf der Sie auf einem Video zu sehen sind, auf der Sie mit anderen rechtsextremen Gesinnungsgenossen die erste Strophe der deutschen Nationalhymne intonieren? 

(Dr. Wiebke Esdar (SPD): Hört! Hört!)

Das würde mich sehr interessieren, und ich freue mich über Ihre Antworten. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken und des Abg. Dr. Carsten Brodesser (CDU/CSU))

Kay Gottschalk (AfD): 

Vielen Dank, Herr Schraps, für die Frage. - Erstens. Die Arbeitsplätze, die Sie angesprochen haben, sind leider Gottes meistens Halbtagsbeschäftigungen oder geringqualifizierte. 

(Zuruf der Abg. Frauke Heiligenstadt (SPD))

Das können Sie nämlich daran sehen, dass Sie trotz dieser angeblichen Arbeitsplatzzuwächse in den Sozialsystemen mit den Beiträgen hinten und vorne nicht hinkommen. Sie müssen die Krankenkassenbeiträge erhöhen - Sie haben es gerade debattiert -, Sie müssen wahrscheinlich wieder die Beiträge zur Rentenversicherung erhöhen und, und, und. 

(Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Das liegt doch nicht daran! Eijeijei! - Frauke Heiligenstadt (SPD): Der klägliche Versuch gegen die Fakten! - Gegenruf der Dr. Wiebke Esdar (SPD): Genau! Völlig frei von Fakten, die Antwort!)

Was Sie dort geschaffen haben - das ist auch von Clemens Fuest gerade kritisiert worden -, sind keine nachhaltigen Arbeitsplätze, von denen Menschen und Familien auch leben können, ohne dass Sie gleich wieder Sozialtransfers zahlen müssen.

(Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie ist das mit den Fonds?)

Wir brauchen echte Arbeitsplätze und nicht diese Minijobs bis 556 Euro.

(Johannes Schraps (SPD): Jedenfalls keine Millionen abgebauten Arbeitsplätze!)

In diesem Bereich sind in den letzten Jahren leider, leider Gottes die meisten Arbeitsplätze entstanden. 

Insoweit ist die Statistik, die Sie zitieren - 

(Frauke Heiligenstadt (SPD): Statistik sind die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze!)

glaube nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast! -, Augenwischerei. Wir brauchen richtige Vollzeitarbeitsplätze, von denen die Menschen auch leben können, und davon sind wir weit entfernt. 

(Beifall bei der AfD)

Zur zweiten Frage. Ich sagte, ich war in Washington. 

(Johannes Schraps (SPD): Zum Singen!)

Wahrscheinlich muss ich mich mit Ihnen noch mal hinsetzen, und wir unterhalten uns über Geografie. Das, was Sie zitieren, ist im Oktober in New York gewesen, und selbst „Der Spiegel“ hat es nicht zitiert, weil ich an dieser Stelle tatsächlich nicht mitgesungen habe. 

(Janine Wissler (Die Linke): Nur danebengestanden, oder was? - Zuruf der Abg. Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber kommen wir zum Faktum. Ich war in Washington, D.C., und wir haben uns dort zum Beispiel mit dem Ex-Chef der Weltbank Malpass unterhalten. Wir haben uns mit der früheren Botschafterin in Dänemark unterhalten. Und dort wurde wörtlich gesagt: Deutschland ist der kranke Mann Europas. - Wenn Deutschland jetzt nicht wirklich energiepolitisch, aber auch steuerpolitisch und migrationstechnisch die Wende hinbekommt, dann ist dieses Land verloren. Und viel schlimmer: Wenn Deutschland fällt - das sagen Sie mal den Franzosen, den Polen und anderen -, dann fällt Europa. Und ob Sie das verantworten wollen, weiß ich nicht. Insoweit sind wir sogar bessere Europäer - wir sind keine EU-Fans -, als Sie es sind, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der AfD - Dr. Wiebke Esdar (SPD): Also keine Aussage zu der ersten Strophe!)

Präsidentin Julia Klöckner:

Wir fahren fort in der Debatte, und für die CDU/CSU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Fritz Güntzler das Wort. Bitte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Fritz Güntzler (CDU/CSU): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Sie haben gerade wieder eine vermeintlich bewegende Rede des AfD-Kollegen Gottschalk gehört, in der eigentlich nur mit Dreck geworfen wurde 

(Dr. Wiebke Esdar (SPD): Ja!)

und unser Standort Deutschland schlechtgeredet worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Johannes Schraps (SPD): … und nichts richtig war! - Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist das Geschäftsmodell von denen! - Dr. Michael Espendiller (AfD): Nächstes Jahr 1 Prozent Wirtschaftswachstum trotz den Schuldenpaketen!)

Lieber Herr Gottschalk, wenn Sie von Arbeitsplätzen reden, müssen wir doch mal feststellen: Was würde es eigentlich bedeuten, wenn wir aus der EU austreten, was Sie vorhaben? Das würde bedeuten, dass das Bruttoinlandsprodukt um fast 6 Prozent sinken würde. Das würde bedeuten, dass es 2,5 Millionen Arbeitslose mehr geben würde. Das größte Standortrisiko in Deutschland ist die AfD und nicht diese Koalition und andere, die hier tätig sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Lachen des Abg. Dr. Christoph Birghan (AfD))

Natürlich nehmen wir als Koalition zur Kenntnis, dass wir fünf Jahre Stagnation und zwei Jahre Rezession hatten. Von daher sind die Herausforderungen für die Wirtschaft groß. Die Wirtschaft steht vor einem erheblichen Strukturwandel. Es geht um die Dekarbonisierung und um die Digitalisierung. Der demografische Wandel, aber auch die geopolitische Lage sind herausfordernd für die Wirtschaft, und wir haben erhebliche Transformationsprozesse zu bewerkstelligen.

Diese Koalition, die Verantwortung für Deutschland trägt, wird sich diesen Herausforderungen stellen. Uns ist aber auch immer bewusst: Politik wird nie Arbeitsplätze schaffen. Wir werden Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es sich wieder lohnt, in Deutschland zu investieren, dass die Menschen investieren, und dafür setzen wir mit diesem Standortfördergesetz das richtige Signal. Von daher werden wir Deutschland mit dieser Koalition voranbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dieses Standortfördergesetz bettet sich ein in einen umfassenden Maßnahmenkatalog, den ich hier schon mehrfach erwähnt habe: der Investitionsbooster, die erste Senkung von Unternehmensteuern, verbesserte Abschreibungsbedingungen, die Senkung der Luftverkehrsteuer, die Agrardieselvergütung; ich könnte noch weitere Beispiele nennen. 

(Kay Gottschalk (AfD): Das war das Cuxhaven-Gesetz, Herr Güntzler!)

Wir haben in diesen 227 Tagen als Große Koalition gehandelt, damit wir Deutschland nach vorne bringen, und das lassen wir uns von anderen nicht schlechtreden. Wir handeln für Deutschland, damit unser Land wieder nach vorne kommt, und das werden wir auch weiter tun. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Christoph Birghan (AfD): Zweckoptimismus!)

Auch wenn die AfD der Meinung ist, dass unser Land am Boden liegt, und trotz aller Schwierigkeiten sage ich Ihnen: Deutschland ist stark in seinen Ideen, in seiner Industrie und - nicht zu vergessen - auch im Mittelstand, im Handwerk. 

(Zuruf des Abg. Dr. Christoph Birghan (AfD))

Wir haben Vertrauen in diese Menschen. Wir werden dieses Land gemeinsam wieder nach vorne bringen, und dieses Standortfördergesetz ist ein sehr wichtiger Schritt dafür. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Kay Gottschalk (AfD): Das reicht nicht! Leider!)

Wir werden mit diesem Gesetz ein klares Signal setzen: Wir werden wieder schneller, wir werden mutiger und wir werden entschlossener handeln, damit das alles zum Erfolg wird. Wir verbessern die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir schaffen Wachstum mit unserer Politik - das ist das richtige Signal -, weil wir Investitionshemmnisse rausnehmen.

Wir wissen, dass ein Großteil der Investitionen aus dem privaten Sektor kommt, fast 90 Prozent, und nur 10 Prozent kommen aus dem öffentlichen Bereich. Deshalb ist es gut, dass wir den Zugang von Unternehmen zu Finanzierungen auf dem Kapitalmarkt verbessern, und das werden wir auch weiterhin machen. Das Beste daran ist, dass wir auch Start-ups und Scale-ups, wie das auf Neudeutsch so schön heißt, fördern. Das sind die Hidden Champions von morgen, das sind die DAX-Unternehmen von morgen, das sind die Treiber von Innovation. Von daher ist es gut, dass wir es Investmentfonds ermöglichen, sich an diesen Unternehmen zu beteiligen. 

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dirk Wiese (SPD))

Wir werden weitere Maßnahmen umsetzen. Wir werden auch dafür sorgen, dass die Investitionen von Investmentfonds, von Kapitalsammelstellen, steigen. Viele Menschen in Deutschland vertrauen dem Kapitalmarkt derzeit noch nicht. Wir machen Werbung dafür, dass der Kapitalmarkt ein gutes Instrument ist. Das sehen wir auch bei dem guten Vorschlag des Bundesfinanzministers zur privaten Altersvorsorge. Wir wollen die Menschen an den Kapitalmarkt heranführen, und dafür brauchen wir Kapitalsammelstellen, dafür brauchen wir Investmentfonds. Die Investmentfonds haben hier die Möglichkeit, den Unternehmen bei den Problemen, die ich eingangs geschildert habe, zu helfen: bei Investitionen in die Infrastruktur, bei Investitionen in erneuerbare Energien und in die Digitalisierung. Deshalb ist es gut, dass wir hier die aufsichtsrechtlichen und steuerrechtlichen Gegebenheiten verbessern, damit dies gelingt.

Dieses ganze Gesetz, das Sie, Herr Gottschalk, so schlechtgeredet haben - leider haben Sie bei der Anhörung anscheinend nicht zugehört -, 

(Dr. Michael Espendiller (AfD): Es ist schlecht! Das muss man nicht schlechtreden! - Kay Gottschalk (AfD): Ich habe es analysiert!)

ist in der gesamten Breite sehr gelobt worden. Wir hatten die Vorsitzende des Startup-Verbandes da, wir hatten Vertreter der Wirtschaft da. Alle haben gesagt: Das ist das richtige Gesetz zur richtigen Zeit, um den Standort Deutschland nach vorne zu bringen.

Wir lassen uns von Ihnen unser Land nicht schlechtreden. Wir werden weiter für dieses Land handeln, damit Deutschland wieder nach vorne kommt. 

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Zuruf des Abg. Jörn König (AfD))

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Katharina Beck das Wort. Bitte. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Das ist ein gutes Gesetz, das in die richtige Richtung geht, und deswegen werden wir als Grüne diesem Gesetz auch zustimmen. 

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)

Bevor ich darüber spreche, was in diesem Gesetz für den Standort gut ist, aber wirklich noch größer gedacht werden muss, möchte ich damit starten, wie widerlich ich es finde, wie Sie, Herr Gottschalk, sich hier daran aufgeilen, wie schlecht es um Deutschland stehen würde. 

(Dr. Christoph Birghan (AfD): Sehr parlamentarisch!)

Es ist nicht so, dass man hört, was Sie Positives vorhaben, sondern es ist immer nur diese negative Haltung, 

(Tino Chrupalla (AfD): Das ist die Realität!)

die Zukunftsängste schüren soll und Unternehmergeist am Ende abtötet, damit Deutschland in eine negative Zukunft außerhalb der Europäischen Union kommt. Sie wollen den Dexit. Sie wollen unseren Status als Exportnation, die doch vom Export in die Niederlande, nach Frankreich, nach Polen usw. und von der Freizügigkeit und dem Binnenmarkt super profitiert, abbauen, und Sie würden damit am allerallerallermeisten der Wirtschaft und den Unternehmen in diesem Land schaden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen darf man Sie nie, nie wählen.

(Jörn König (AfD): Machen aber doppelt so viele wie Sie!)

- Ja, bei der letzten Wahl haben Sie 20 Prozent bekommen, und das ist dramatisch. 

(Jörn König (AfD): Doppelt so viel wie Sie!)

Deswegen muss man aussprechen, wofür Sie eigentlich stehen, 

(Jörn König (AfD): Ja! „Eigentlich“! - Zuruf des Abg. Dr. Christoph Birghan (AfD))

nämlich für einen schlimmen Standort, wo es allen schlecht geht. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was ist in diesem Gesetz gut? Ich möchte einmal einen kleinen Exkurs machen zum Thema Börsengang; das machen hier vielleicht nicht so viele. Es ist unfassbar wichtig, dass wir leichter an die Börse gehen können. Denn es ist unfassbar; es gibt nämlich Wachstum in Deutschland: über 7 Prozent mehr Gründungen von Start-ups. Das merken wir gar nicht, wenn wir uns hier immer so herunterreden lassen; aber 7 Prozent Wachstum bei Gründungen von Start-ups gibt es. Das sind jedes Jahr ungefähr 3 000 Gründerinnen und Gründer, die ein Unternehmen im Start-up-Innovationsbereich neu gründen. Das darf ja bitte schön auch mal ausgesprochen werden. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Start-ups werden irgendwann größer und wollen dann an die Börse gehen. Da gibt es Hürden, und meistens gehen sie dann leider in die USA. Oder manche gehen zur Finanzierung sogar nach China, weil es dort fünfmal so viel Venturecapital wie in Deutschland gibt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das ist dramatisch, das muss mehr werden. 

Aber in diesem Gesetz ist Folgendes gut: die Herabsetzung des Mindeststreubesitzes auf 10 Prozent und der Wegfall der Mindestbestehensdauer des Emittenten. Ich sage auch mal denjenigen da draußen, die sich mit Börsengängen befassen, dass auch wir uns hier damit im Detail befassen und ihnen den Weg zur Börse erleichtern. Und das ist gut so. 

Es ist auch gut, dass man jetzt Aktien mit einem Eurocent im Mindestnennwert halten kann - für Scale-ups mit dringendem Kapitalbedarf ist das wichtig; auch das muss hier einmal gesagt werden -; das ist nun möglich, und die Finanzierung wird besser werden. Das reicht aber nicht. 

Wir stimmen diesem Gesetz zu, auch wenn es beim Investmentsteuergesetz einige Fehler hat; das müsste besser werden. Deswegen haben wir auch einen Entschließungsantrag eingereicht, in dem wir die Bundesregierung auffordern, das sauberer zu gestalten. Das ist jetzt nämlich überhaupt kein Lenkungsgesetz in Richtung Investitionen in Erneuerbare und Infrastruktur, sondern es gibt eine allgemeine sogenannte Unschädlichkeit, die gegeben sein muss, um sich als Investmentfonds zu qualifizieren. Das ist zwar einfach, aber nicht zielgerichtet. Und das ist auch ein Punkt, den wir an diesem Gesetz kritisieren. 

Wenn man nach vorne schauen will, dann muss man größer denken. Ich sagte das gerade schon: in China fünfmal so viel Venturecapital wie in Deutschland, in Israel viermal so viel. Venturecapital - was ist das? Das nennt man eigentlich Unternehmungskapital oder Wagniskapital; das ist die Lust, etwas zu wagen. Hier muss viel mehr kommen. 

Sie haben gestern im Zusammenhang mit dem Deutschlandfonds beispielsweise Investitionen für First-of-a-Kind-Technologien angekündigt, also für neue, innovative Unternehmen wie Traceless, das ich beim letzten Mal erwähnt hatte, das aus Maisabfällen Plastik herstellt, das man sofort kompostieren kann. Diese Unternehmen brauchen unfassbar viele Millionen, und Sie stellen gerade mal 300 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist zwar ein guter erster Schritt; aber denken Sie doch ein bisschen größer. Damit können Sie maximal ungefähr fünf bis zehn Unternehmen unter die Arme greifen. Wir müssen hier - Sie haben es gerade gehört: 3 000 Gründungen - wirklich größer denken. 

Setzen Sie sich bitte in der EU auch für das 28. Regime, für EU-INC, ein. Das ist eine Rechtsform. Bei Gründungen ist es manchmal etwas technisch. Aber diese Rechtsform ist sehr gewünscht, damit man EU-weit in einem einheitlichen Rechtsrahmen agieren kann, sodass nicht die Kreditbesicherungen hier so sind und das Insolvenzrecht da anders ist. So kann man Europa stärken. 

Gerade wenn wir sehen, dass heute nur ein klitzekleiner Mindestkompromiss geglückt ist beim Thema Ukrainehilfen, dann ist wichtig, dass wir in Europa wieder mehr zusammenstehen. Und das müssen wir auch unternehmerisch und wirtschaftlich tun; denn der Binnenmarkt ist unsere größte Stärke. Setzen Sie sich für die Kapitalmarktunion und für das 28. Regime, für EU-INC, ein! Das wird ein richtiger und wichtiger Schritt für Frieden und Wohlstand in Europa sein. 

Vielen Dank. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion Die Linke hat nun Lisa Schubert das Wort. Bitte sehr. 

(Beifall bei der Linken)

Lisa Schubert (Die Linke): 

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Zuhörende! Heute berät dieser Bundestag über zwei komplizierte Gesetze mit enormer Tragweite. Ich habe sechs Minuten Zeit, um zwei Gesetze zu bewerten, die zusammen 568 Seiten umfassen - hochkomplex, technisch und für die meisten Menschen kaum verständlich. Und genau das ist kein Zufall. Denn je unübersichtlicher Gesetze sind, desto eher bieten sie die Möglichkeit für Lobbyisten, Interessen durchzusetzen, die mit dem Gemeinwohl eher wenig zu tun haben. 

(Beifall bei der Linken)

Beide Gesetze, das BRUBEG und das StoFöG, folgen demselben Leitmotiv: Deregulierung, Erleichterungen und Sonderrechte für Finanzinvestoren oder nachlässige Bankenregulierung ohne Wirkung - alles unter dem Deckmantel der Wettbewerbsfähigkeit. Die Bundesregierung will privates Kapital mobilisieren, den Finanzstandort Deutschland stärken und ihn international konkurrenzfähig machen. Die Erzählung lautet, nur ein starker Finanzmarkt könne unsere Unternehmen finanzieren und den Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft ermöglichen. Diese Erzählung ist nicht nur falsch; sie ist brandgefährlich. 

(Beifall bei der Linken)

Private Finanzinvestoren investieren nur dort, wo kurzfristig hohe Renditen warten. Das steht im direkten Gegensatz zu der Art Finanzierung, die unsere Wirtschaft gerade am dringendsten braucht. Das sind langfristige, verlässliche und strategische Investitionen in zukunftsfähige Geschäftsmodelle. Nicht maximale Profite, sondern maximaler gesellschaftlicher Nutzen muss im Mittelpunkt stehen. 

(Beifall bei der Linken)

Das kann der öffentliche Sektor leisten. Private Finanzmärkte können das nicht, und es liegt auch nicht in ihrem Geschäftsinteresse. Private Investoren, die mit Wohnungen, Pflegeheimen oder Energienetzen spekulieren, erzielen Gewinne auf Kosten unserer Gesellschaft. Für uns bedeutet gute Infrastruktur, dass Brücken nicht zusammenbrechen, wenn Züge darauf fahren, dass Pflegeheime Menschen im Alter ein würdiges Leben ermöglichen, dass Wohnungen für alle Menschen in diesem Land bezahlbar sind. Der Finanzlobby geht es bei Infrastruktur aber nur um maximalen Gewinn auf Kosten von uns allen. 

(Beifall bei der Linken)

Auch die Behauptung von Bundeskanzler Merz, der Bankensektor müsse durch Deregulierungen erst wettbewerbsfähig gemacht werden, ist nicht haltbar. Das Bundesfinanzministerium selbst erklärte auf unsere Anfrage vom 20. Oktober 2025, der deutsche Bankensektor verfüge bereits jetzt über eine komfortable Eigenmittelausstattung, die signifikante zusätzliche Kreditvergaben an die Wirtschaft problemlos ermögliche. Das Problem ist also nicht fehlendes Geld; das Problem ist die politische Entscheidung, wofür dieses Geld eingesetzt wird. 

(Beifall bei der Linken)

Und hier versagt die Bundesregierung. Im Bankenpaket bleibt jeder Spielraum ungenutzt, der helfen würde, Kredite gezielt weg von Spekulation und fossilen Geschäftsmodellen und hin zu Realwirtschaft, Klimaschutz und guter Arbeit zu lenken. 

Und weil heute endgültig darüber abgestimmt wird, noch mal kurz zum Standortfördergesetz: Auch wenn die Bundesregierung behauptet, dieses Gesetz nütze allen, muss ich sagen: Das stimmt nicht. Es ist und bleibt ein Gesetz für die Finanzlobby, und es hilft vor allem den Reichsten in diesem Land. Es richtet sich vor allem an Investoren, die für Milliardäre Geld vermehren. Konkret enthält dieses Gesetz steuerliche Vorteile für aggressive Finanzinvestoren, die Abschaffung eines Melde- und Beschwerderegisters für Finanzberater zulasten des Verbraucherschutzes sowie den Wegfall von Meldepflichten für Großkredite ohne gleichwertigen europäischen Ersatz. 

Besonders bemerkenswert: Es gibt Sonderregelungen für spezielle Immobilienfonds, von denen es in Deutschland gerade einmal vier gibt. Niemand glaubt ernsthaft, dass diese Regelungen aus gesellschaftlicher Notwendigkeit entstanden sind. Solche Gesetze entstehen, weil die reichste Lobby in diesem Land, die Finanzlobby, die besten Beziehungen zum Finanzministerium und zu einigen Politikerinnen und Politikern hier im Saal genießt. 

(Beifall bei der Linken)

Wenn auf einen Abgeordneten im Finanzausschuss zehn Lobbyisten kommen, muss man sich nicht wundern, dass zivilgesellschaftliche Interessen und Verbraucherschutz dann doch gerne mal ausgeklammert werden. 

(Beifall bei der Linken)

Dies zeigt auch der am Dienstagabend kurzfristig eingebrachte Änderungsantrag, der eine Forderung des Lobbyverbandes der Investmentfonds eins zu eins übernimmt. Wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Perspektiven bleiben dagegen, wie so häufig, außen vor. Sie warnen schon lange vor Risiken, die die Regierung in Kauf nimmt, wenn sie profithungrigen Investoren den Zugang zu öffentlicher Infrastruktur erleichtert. Wenn hier im Bundestag von privaten Investitionen in unsere Infrastruktur gesprochen wird, meint das Brücken, Wasser- und Energieversorgung, Arztpraxen und Pflegeheime, landwirtschaftliche Flächen, deren Pachten sich Bauern schon jetzt kaum leisten können, und Wohnungen von Millionen Menschen, deren Miete nicht mehr bezahlbar ist. Und wer glaubt, dass kurzfristige Hyperprofitlogik diese Bereiche besser organisiert als die demokratische öffentliche Hand, der hat in den letzten 50 Jahren Neoliberalismus nicht aufgepasst. 

(Beifall bei der Linken)

Der kürzlich erschienene Welt-Ungleichheitsbericht 2026 zeigt: Extreme Vermögensungleichheit nimmt immer weiter zu - auch in Deutschland. 

(Zuruf der Abg. Anja Karliczek (CDU/CSU))

Weniger als 0,001 Prozent der Menschen besitzen heute mehr Vermögen als die ärmere Hälfte aller Menschen auf diesem Planeten. 

(Jörn König (AfD): Wir sind hier aber im Deutschen Bundestag und nicht bei der Weltregierung!)

Und wenn die Regierung hier von Wohlstandserhaltung spricht, wird schnell klar, für wen dieser gelten soll.

(Beifall bei der Linken)

Aber: Wir brauchen einen Kurswechsel. Sehr geehrte Bundesregierung, hören Sie auf, Politik für die Finanzlobby und Superreiche zu machen! Fangen Sie endlich an, Politik für die Menschen zu machen! 

Danke.

(Beifall bei der Linken)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Philipp Rottwilm das Wort. Bitte.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Philipp Rottwilm (SPD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Wochen haben wir den Gesetzentwurf zum Standortfördergesetz hier im Haus in erster Lesung beraten, und heute bringen wir ihn bereits über die Ziellinie. 

Ich habe damals gesagt, dass dieses Gesetz für mich unter einer sehr einfachen Überschrift steht: „Weniger Bürokratie, mehr Investitionen“. Und an dieser Aussage gibt es nichts zu korrigieren - ganz im Gegenteil: Der nun vorliegende fertige Gesetzentwurf bestätigt sie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unser Land steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Klar ist: Wir brauchen enorme private Investitionen - in der Größenordnung von Tausenden Milliarden Euro. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, benötigen wir Kapital, und dieses Geld ist vorhanden. Es liegt unter den Kopfkissen der deutschen Sparer. Aber es findet viel zu selten den Weg dorthin, wo es gebraucht wird: in unserer Infrastruktur, im Bereich erneuerbare Energien und in deutschen Start-ups. 

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damit sich das ändert, fehlten bislang einige zentrale Bausteine in unserem Finanzsystem. 

Der erste ist die Reform der privaten Altersvorsorge - wir haben es eben schon gehört -, an der wir derzeit arbeiten. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat kürzlich einen sehr überzeugenden Entwurf hierzu vorgelegt, genauso wie zum Deutschlandfonds. 

Der zweite Baustein ist genau dieses Standortfördergesetz, das wir heute beschließen.

Ich möchte meine heutige Redezeit nutzen, um noch einmal ganz konkret zu erläutern, wie dieses Gesetz unserer Wirtschaft hilft, weil ich gemerkt habe, dass da doch die eine oder andere Wissenslücke hier im Haus vorhanden ist, vor allem auf der rechten Seite. 

(Kay Gottschalk (AfD): Nein!)

Wenn Sie oder ich eine Versicherung abschließen, dann arbeitet diese Versicherung mit unseren Beiträgen. Sie investiert sie. Das gilt ebenso für Pensionsfonds, etwa im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge, die wir auch gerade modernisiert haben. Solche großen Anleger investieren ihr Kapital in der Regel nicht direkt, sondern sie tun das über Investmentfonds. Und genau hier liegt bislang das Problem. Denn diese Investmentfonds können nach geltendem Recht in aller Regel weder in Windkraftanlagen noch in Solarparks noch in Stromnetze investieren. Auch Beteiligungen an Venturecapital-Fonds, die unsere Start-ups finanzieren, sind für sie wegen doppelter Besteuerung faktisch ausgeschlossen. Nicht weil es sachlich verboten wäre, sondern weil das deutsche Steuerrecht dem bisher entgegensteht.

Was wie eine technische Feinheit klingt, hat über Jahre massiv geschadet. Auf der einen Seite quasi junge Unternehmen und Zukunftsprojekte, die dringend Kapital benötigen, und auf der anderen Seite stehen Versicherungen und Pensionsfonds mit enormen Mitteln, die genau dort investieren wollen, es aber nicht können. Beide finden nicht zusammen. Das Steuerrecht hat zwischen ihnen quasi eine unsichtbare Wand errichtet. Und genau diese Wand, liebe Kolleginnen und Kollegen, reißen wir mit dem Standortfördergesetz heute ein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Künftig kann das private Kapital, das unter unseren deutschen Kopfkissen schlummert, 

(Jörn König (AfD): Da haben Sie Ihr Kapital? Unter dem Kopfkissen, ja?)

dorthin fließen, wo es den größten Nutzen stiftet: in Zukunftsinfrastruktur, in Zukunftsenergie und Zukunftsunternehmen unseres Landes. 

(Abg. Kay Gottschalk (AfD) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Egal, mit wem wir in den letzten Wochen gesprochen haben, ob mit Verbänden, ob mit der Finanzindustrie, ob in der Anhörung - ich habe mich schon gewundert, was los ist -: Alle loben dieses Gesetz. Und deswegen ist es ein guter Abschluss des Jahres, dass wir es heute gemeinsam beschließen.

Präsidentin Julia Klöckner:

Herr Abgeordneter.

Dr. Philipp Rottwilm (SPD): 

Die Koalition hat in diesem Jahr übrigens 400 Vorhaben beraten und sage und schreibe über 120 Gesetze beschlossen, -

Präsidentin Julia Klöckner:

Herr Abgeordneter.

Dr. Philipp Rottwilm (SPD): 

um unser Land besser zu machen.

Präsidentin Julia Klöckner:

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Dr. Philipp Rottwilm (SPD): 

Nein.

Präsidentin Julia Klöckner:

So. Das hätten wir schneller klären können. 

Dr. Philipp Rottwilm (SPD): 

Und 2026 werden wir es auch spüren, dass wir hier 120 Gesetze beschlossen und 400 Vorhaben beraten haben. So, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir doch in den Weihnachtsurlaub gehen. 

Wir sehen uns im nächsten Jahr.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion der AfD hat Herr Abgeordneter Rainer Groß das Wort. Bitte.

(Beifall bei der AfD)

Rainer Groß (AfD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Bürger! Wir reden ja heute auch über Entbürokratisierung; das haben wir schon gehört. In dem Rahmen schauen wir uns ein Gesetz an, das den sperrigen Titel „Bankenrichtlinienumsetzungs- und Bürokratieentlastungsgesetz“ trägt. 332 Seiten - ich habe es mitgebracht; vielleicht haben Sie alle es gelesen -: Kann das Entlastung sein? Schauen wir mal.

Anlass ist das EU-Bankenpaket: CRD VI und CRR III. Diese möchte die Bundesregierung eins zu eins umsetzen. Wir atmen auf: Zumindest wird es nicht schlimmer. Doch die schlechte Nachricht ist: Es ist schon schlimm genug: 332 Seiten tiefgreifender Souveränitätsabbau im Bereich der Finanzmarktregulierung - eine Regulierungsarchitektur, in der Finanzinstitute mehr Vollzugsorgane europäischer Vorgaben sind als freie Unternehmen. Wieder ein Lehrstück von unkritischem Übernehmen zentralistischer EU-Kategorien!

(Beifall bei der AfD)

Damit Sie jetzt nicht wieder reflexhaft denken: „Ja, der von der AfD wieder mit seinem Anti-EU-Populismus“, gebe ich Ihnen auch konkrete Beispiele dazu. 

Der neue § 2b Absatz 1 Kreditwesengesetz, der deutschen Bibel des Bankwesens, muss nach EU-Willen jetzt Kreditinstitute in Rechtsformen mit persönlich haftenden Gesellschaftern verbieten. Sie haben richtig gehört: verbieten! Privatbanken wie Berenberg, eine der ältesten Banken der Welt, oder Warburg oder Metzler sollen das Prinzip der persönlichen Gesellschafterhaftung aufgeben. Ein unzulässiger Eingriff in die Vereinigungs- und Berufsfreiheit!

(Beifall bei der AfD)

Laut der deutschen Kreditwirtschaft wirtschaftlich sinnlos. Eine arrogante Anmaßung, mit der die EU-Zentralbürokratie speziell Deutschland vors Schienbein tritt. 

Weg von institutsindividuellen Risikomodellen, hin zu europaweit standardisierten Vorgaben ist das zweite Beispiel. Das trifft vor allem unsere kleinen regionalen Banken und benachteiligt unsere mittelständische Wirtschaft bei der Kreditbeschaffung. Im Detail: Die Risikogewichtung für Kreditportfolien, die Berechnung der operationellen Risiken, die Anforderungen an interne Modelle: Alles wird enger, formalisierter und unflexibler. Und die Aufsicht schafft sich auch noch Instrumente politischer Steuerung. Drittstaatenregime, Einrichtungen zwischengeschalteter EU-Mutterunternehmen, detaillierte Strukturmeldungen, vierteljährliche Offenlegung sämtlicher Vermögenswerte im EWR, gruppenweite Konsolidierung: Die EU gerät immer mehr in den Kontrollwahn.

Nächster Punkt: der ESG-Komplex. Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken sollen integraler Bestandteil des Risikomanagements von Banken sein müssen. Das betrifft Kreditprozesse, die Vergütungsstrukturen, die strategische Geschäftsplanung und sogar die Leitungsorgane. Willfährige ESG-Äffchen statt guter Bankmanager!

(Beifall bei der AfD)

So versucht die EU, Kreditinstitute an die ideologische Leine zu nehmen: die Kreditwirtschaft als Vollstrecker einer politischen Green-Deal-Agenda. Die amerikanischen Banken - wichtige Wettbewerber - haben diesen Irrweg gerade verlassen. Ich sage es offen: Damit verliert Deutschland eigenen Handlungsspielraum. 

Daneben errechnet die Bundesregierung eine Entlastung von 89 Millionen Euro jährlich. Aber was kosten bitte die völlig neuen Meldepflichten? 

Alles in allem, meine Damen und Herren: Dieser Entwurf ist politisch klar einzuordnen. Die EU strebt eine immer weiter standardisierte Aufsichtsarchitektur an. Sie entfernt sich zunehmend von Real- und Marktwirtschaft, von mittelständischen Strukturen, von nationaler Souveränität. Es geht zusätzlich um einen grün-ideologischen Überbau. Und der nächste unselige Schritt steht bevor. Das wird EDIS sein. Wachen Sie bitte endlich auf, meine Damen und Herren, und erkennen Sie, wie toxisch solche Vorschriften sind! Es bleibt ein Bürokratiemonster. Wir lehnen dieses Gesetz ab. 

Mit der AfD wird es wieder nationale Freiheit und Unternehmertum geben.

Vielen Dank und Frohe Weihnachten allerseits. Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Präsidentin Julia Klöckner:

Noch ein kurzer Hinweis zu parlamentarischer Sprache: „EZB-Äffchen“ habe ich, glaube ich, gehört. 

(Rainer Groß (AfD): ESG-Äffchen!)

- Ach, „ESG-Äffchen“. Also Sie meinen Affen damit? Menschen als Affen zu bezeichnen, halte ich für nicht angebracht.

(Rainer Groß (AfD): Das ist ein Gesetz!)

- Ist schon klar. Aber diejenigen machen ja ein Gesetz. 

(Jörn König (AfD): Also, vorhin hatten wir „aufgeilen“!)

- Wir diskutieren das hier jetzt nicht. Mir ist es aufgefallen. Ich glaube, man kann auch einen anderen Sprachgebrauch wählen. Denn Menschen, die Gesetze schreiben, sind Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kommen wir zur CDU/CSU-Fraktion. Und es hat der Abgeordnete Philip Hoffmann das Wort. Bitte sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Philip M. A. Hoffmann (CDU/CSU): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute zwei zentrale Vorhaben: Wir schließen zum einen die Beratungen für das Standortfördergesetz ab, und gleichzeitig schicken wir das Bürokratieentlastungsgesetz in das parlamentarische Verfahren. Beide Gesetze haben ein klares Ziel: mehr Investitionen, weniger Bürokratie und damit bessere Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft. Damit setzen wir das Signal: Wir wollen, dass Deutschland wieder wächst,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und das wirtschaftlich stark, investitionsfreundlich und innovativ.

Gerade junge Unternehmen und Start-ups haben es in Deutschland immer noch viel zu schwer. Dabei sorgen sie für Innovationen, schaffen Arbeitsplätze und entwickeln Technologien für die Zukunft. Doch häufig fehlt es genau dann an Kapital, wenn es darum geht, die Wachstumsphase erfolgreich zu meistern. Und genau hier setzt das Standortfördergesetz an. Wir schaffen klare Rahmenbedingungen für private Investitionen, insbesondere in Start-ups, Infrastrukturprojekte und erneuerbare Energien. Wir wollen, dass die Unternehmen ihre Innovationen hier entwickeln und entfalten, damit sie in Deutschland bleiben und hier wachsen können. Wir öffnen Kapitalquellen, erleichtern den Zugang zu Wagniskapital und stärken damit nicht nur einzelne Unternehmen, sondern den gesamten Finanzstandort Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zudem bauen wir Bürokratie ab. Melde- und Anzeigepflichten ohne Mehrwert gehören damit der Vergangenheit an. Doppelmeldungen werden abgeschafft. Wir setzen europäisches Recht eins zu eins um, ohne Gold-Plating. Das ist effizient, transparent und planbar. So schaffen wir mehr Zeit und Raum für das, was wirklich zählt. Und genau hier knüpft das Bürokratieentlastungsgesetz an. Das EU-Bankenpaket, insbesondere die Eigenkapitalrichtlinie, setzen wir zielgerichtet, verhältnismäßig und bürokratiearm um. Gleichzeitig schaffen wir klare Regeln für Zweigstellen, Eigenkapitalanforderungen und Transaktionen. 

Wir stellen sicher, dass Banken, die hier ihre Kredite vergeben oder Einlagen annehmen, auch hier präsent sind - unter europäischer Aufsicht und mit klaren Verantwortlichkeiten. Damit stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union und schaffen ein Level Playing Field für die gesamte Branche.

Mit beiden Gesetzen senden wir ein klares Signal an Investoren im In- und Ausland: Deutschland ist wieder ein innovativer und attraktiver Standort. Wir schaffen Planungssicherheit für die privaten Investitionen, wir stärken Start-ups und den Mittelstand, und wir sorgen dafür, dass Kapital hier in Deutschland bleibt, dort, wo es Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Innovationen schafft. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss möchte ich noch unterstreichen: Wir haben seit Mai unheimlich viel erreicht. 

Wir machen Europa einfacher, wir sorgen für einen attraktiven Finanzmarkt, und wir entlasten durch Steuererleichterungen und Bürokratieabbau. Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz, Daisy Chains und dem Standortfördergesetz machen wir den Finanzmarkt wieder attraktiv. 

Dank Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden und der Schweiz machen wir das grenzüberschreitende Arbeiten einfacher. Das ist Europa. 

Mit der Aktivrente unterstützen wir Rentnerinnen und Rentner, die weiterarbeiten wollen.

Gleichzeitig entlasten wir konkret: Mit dem Investitionsbooster und dem Stromsteuergesetz stärken wir Unternehmen. Mit der Agrardieselrückvergütung unterstützen wir unsere Landwirte. Und mit dem Steueränderungsgesetz entlasten wir Pendlerinnen und Pendler.

Als Finanzausschuss haben wir 14 Gesetze verabschiedet und damit Bürokratie im Umfang von 50 Millionen Euro abgebaut, und wir haben 88 Milliarden Euro an Steuererleichterungen für die gesamte Legislatur beschlossen: für alle, die jeden Tag zur Arbeit pendeln, für die Ehrenamtler, für die Wirtschaft, für die Gastronomie und für die Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dafür vielen Dank an die Kollegen im Ausschuss, die das mit auf den Weg gebracht haben, an die Koalition, an die Kollegen aus der AG, aber auch an die Kollegen von der SPD! 

Wir haben viel erreicht, und 2026 machen wir genau so weiter. Ich freue mich darauf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Abgeordneter Sascha Müller das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sascha Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben dem Standortfördergesetz, was mal als Zukunftsfinanzierungsgesetz II in unserer Regierungszeit begonnen hat und dem wir zustimmen werden, behandeln wir heute erstmals das Bankenrichtlinienumsetzungs- und Bürokratieentlastungsgesetz. Damit wird - Achtung! - CRD VI als Begleitrichtlinie zu CRR III als Vollendung von Basel III national umgesetzt. Das klingt nerdy, ist es auch ein bisschen; aber ich finde, auch dieses Gesetz ist ein wichtiges Signal, gerade in einer Zeit, in der doch reflexhaft nach pauschaler Deregulierung gerufen wird.

Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt: Vorschläge zur Vereinfachung gehen wir gerne mit, etwa durch eine proportionale Regulierung in der Bankenaufsicht. Eine pauschale Deregulierung lehnen wir aber selbstverständlich ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Richtlinienumsetzung stärkt die Governance in Kreditinstituten und entwickelt die Bankenaufsicht weiter. Ich sehe hier zwei zentrale Kernelemente:

Erstens. Wir reformieren grundlegend den Umgang mit Zweigstellen von Banken aus Drittstaaten. Künftig gelten hier einheitliche europäische Aufsichtsregeln. Damit schließen wir eine bisher bestehende Aufsichtslücke und verhindern regulatorische Umgehung über bloße Zweigstellenkonstruktionen. Das ist ein klarer Fortschritt für die Finanzstabilität.

Und zweitens. Das Gesetz verankert erstmalig das Management von ESG-Risiken im Kreditwesengesetz. Auch das ist richtig und notwendig; denn Nachhaltigkeitsrisiken sind längst Finanzrisiken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein wichtiger Schritt also; aber es müssen noch weitere folgen. Wir haben in Europa eine gemeinsame Aufsicht und ein gemeinsames Abwicklungssystem. Noch immer aber existieren nationale Grenzen, etwa bei Kapital- und Liquiditätsanforderungen. Sie verhindern echte grenzüberschreitende Bankaktivität. Das ist natürlich erklärbar: In einer Krise möchte kein Staat, dass Kapital abfließt und er am Ende allein auf dem Risiko sitzt. Diese Logik mussten wir aktuell ja beim Umgang mit dem russischen Zentralbankvermögen erleben. Deswegen müssen wir dahin kommen, dass die EU-Staaten gemeinsam haften. Und genau das gilt auch für den Bankenmarkt: Ohne gemeinsame Haftung gibt es keinen echten europäischen Bankenbinnenmarkt.

Wir brauchen zudem eine glaubwürdige Abwicklung und auch Schritte - ich weiß, das ist schwierig - zu einer echten europäischen Einlagensicherung. Möglicherweise werden dann in Europa am Ende transnationale robuste Institute entstehen, die weniger von den einzelnen Mitgliedstaaten abhängig sind. Und genau das stärkt aber, zusammen mit den gerade hier in Deutschland wichtigen, dezentral agierenden Sparkassen und Volksbanken, am Ende die Finanzstabilität in Europa und macht uns beispielsweise gegenüber den amerikanischen Banken, die in den Markt drängen, wettbewerbsfähiger.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn klar ist: Wir brauchen einen echten europäischen Binnenmarkt für Bank- und Finanzdienstleistungen; denn dieser ist geopolitisch wichtiger denn je.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Johannes Schraps das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Johannes Schraps (SPD): 

Herzlichen Dank. - Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem sich die AfD mit Herrn Gottschalk und Herrn Groß hier wieder mal selbst entlarvt hat, kommt jetzt glücklicherweise kein AfD-Redner mehr in dieser Debatte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich auf das Gesetz zu sprechen komme, aber noch eins: Herr Gottschalk, ob Sie gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus Ihren Reihen die zu Recht verbotene erste Strophe der Nationalhymne

(Jörn König (AfD): Die ist doch gar nicht verboten! - Weitere Zurufe von der AfD)

im Dezember oder im Oktober singen, ist völlig egal, weil diese Strophe mit ihrem Inhalt für die dunkelste Zeit in unserer Geschichte steht.

(Jörn König (AfD): Ein Quatsch! - Weitere Zurufe von der AfD)

Ob Sie das in Washington oder in New York mit Rechtsgesinnten aus der MAGA-Bewegung tun, auch das ist wirklich völlig egal und macht es nicht besser. Sie machen sich damit mit der Nazizeit gemein,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Linken)

und Reden aus Ihrer Partei zeigen ganz deutlich, dass Sie uns wieder in diese Zeit führen würden. Das sieht sicherlich auch die große Mehrheit der aufrichtigen Menschen in diesem Land so.

(Zuruf von der Linken)

Damit zurück zur Gesetzgebung. Die Transformation unserer Wirtschaft braucht Investitionen, und für Investitionen braucht es Banken, die stabil sind und zugleich handlungsfähig bleiben. Und genau deshalb beschließen wir heute eben nicht nur das Standortfördergesetz, wie es hier auf der Medienwand steht, sondern wir starten mit der Debatte auch gleichzeitig in die Beratungen zum Bankenrichtlinienumsetzungs- und Bürokratieentlastungsgesetz, das sogenannte BRUBEG - ein sperriger Name, aber mit diesem Gesetz setzen wir das europäische Bankenpaket aus CRD-VI-Richtlinie und CRR-III-Verordnung eins zu eins um und entlasten damit unsere Institute vor überflüssiger Bürokratie. Wir machen Banken damit krisenfester, ohne ihnen das Leben unnötig schwerer zu machen. Das stärkt Stabilität und Wachstum in unserem Land, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Georg Günther (CDU/CSU))

Ziel der Umsetzung dieses EU-Bankenpakets ist es, dass die Widerstandsfähigkeit unseres Bankensektors weiter erhöht wird. Gleichzeitig soll die Finanzierung der Realwirtschaft erleichtert werden; denn gerade kleine und mittlere Unternehmen sind ganz genau darauf angewiesen, dass Kreditvergabe nicht an irgendwelchen unnötigen Berichtspflichten scheitert. Konkret heißt das: Wir schaffen klare europarechtskonforme Regeln mit Augenmaß. Sparkassen, Genossenschaftsbanken oder auch regionale Institute sollen ihre Nähe zu den Menschen und zur Wirtschaft vor Ort ganz klar behalten können, statt immer mehr Personal für immer neue Meldepflichten zu binden. Das ist nicht nur ordnungspolitisch sinnvoll, sondern ist auch wirtschaftlich notwendig, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein zentraler Bestandteil dieses Gesetzes ist deshalb auch, dass der Abbau übermäßiger Bürokratie überall dort umgesetzt wird, wo keine aufsichtlichen Bedenken bestehen. Der Nationale Normenkontrollrat hat sich diesen Gesetzentwurf angeschaut, und er geht von einer jährlichen Entlastung der Wirtschaft von rund 89 Millionen Euro aus. Das ist alles kein Selbstzweck; denn diese Entlastung schafft ja wieder Spielräume für zusätzliche Kredite, für Beratung, für Investitionen etwa im Handwerk, im Wohnungsbau oder auch bei der Transformation des Mittelstandes; und das ist gut so, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei alldem nehmen wir das Thema Proportionalität natürlich sehr ernst. Kleine und nicht komplexe Institute sollen gezielt entlastet werden; denn ihre Geschäftsmodelle lassen dies oft zu. Und genau diese Differenzierung ist auch aus Sicht unserer SPD-Fraktion ganz entscheidend für eine faire und für eine praxisnahe Regulierung.

Ein weiterer wichtiger Fortschritt, den wir mit diesem Gesetz umsetzen wollen, ist die stärkere Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken im Risikomanagement der Banken. Gute Unternehmenssteuerung bedeutet eben heute auch, Klimarisiken, soziale Risiken oder auch Governance-Fragen mitzudenken, mit einzupreisen; denn diese Faktoren wirken sich längst ganz konkret auf die Stabilität von Banken aus, etwa was Kreditausfälle oder was Wertverluste angeht. Die neuen Vorgaben wollen wir dabei bewusst verhältnismäßig ausgestalten; das trägt den unterschiedlichen Geschäftsmodellen der Institute Rechnung.

Für uns als SPD ist deshalb klar: Finanzmarktregulierung ist kein Selbstzweck. Sie soll Menschen, Arbeitsplätze und Ersparnisse schützen und Investitionen in die Zukunft ermöglichen. Wir freuen uns deshalb auf die weitere Beratung zu diesem Antrag, bei dem wir den klaren Anspruch haben, europäische Vorgaben sachgerecht umzusetzen.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

 

Präsidentin Julia Klöckner: 

Für die CDU/CSU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Klaus Wiener das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Zuruf des Abg. Enrico Komning (AfD))

- Entschuldigung, ich habe etwas vergessen. Darf ich Sie noch einmal bitten, Platz zu nehmen?

Vorhin wurde der Abgeordnete Kay Gottschalk persönlich angesprochen, und er bat darum, eine persönliche Erklärung abgeben zu dürfen. Bitte sehr.

Kay Gottschalk (AfD): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Schraps, bleiben wir erst mal bei der Realität. Ich musste Ihnen ja eben schon Geografienachhilfe geben. Zunächst mal gebe ich Ihnen juristisch-geschichtliche Nachhilfe.

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diese Arroganz!)

Mitnichten sind die erste, die zweite Strophe dieses Liedes verboten. Das ist der eine Kontext.

(Dr. Wiebke Esdar (SPD): Das sagt aber politisch etwas aus!)

Zweitens. Bleiben Sie bei der Wahrheit, dass wir dort als Gäste waren und es eine Geste der Gastgeber war; so habe ich es auch beschrieben.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Dass Sie den Unsinn jetzt auch noch rechtfertigen!)

- Nein. Ich erkläre das mal, das ist vielleicht ganz gut, damit Sie mal ein bisschen runterkommen

(Jens Spahn (CDU/CSU): Entschuldigen Sie sich! - Gegenruf von der AfD: Herr Gottschalk hat das Wort!)

und sich vielleicht auch mal mit der Geschichte auseinandersetzen.

(Dr. Matthias Miersch (SPD): Ja, mit Geschichte sollten Sie sich auseinandersetzen!)

Dann darf ich Sie vielleicht mal daran erinnern: Wenn alles - und das ist das Tragische bei Ihrer Geisteshaltung -, was in diesen schrecklichen zwölf Jahren geschehen ist oder benutzt worden ist, verboten würde,

(Jens Spahn (CDU/CSU): Er macht es nur noch schlimmer!)

dann dürfen wir das BGB nicht mehr anwenden, Sie dürften die Wegzugsteuer nicht mehr erheben.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Zurufe von der SPD)

- Lassen Sie mich doch aussprechen! - Diese Hymne ist am 26. August 1841 komponiert worden.

(Zurufe von der SPD und der Linken)

Ich finde es schon ein bisschen - -

Präsidentin Julia Klöckner:

Entschuldigung! Ich halte die Zeit hier auch an.

Kay Gottschalk (AfD): 

Danke.

Präsidentin Julia Klöckner:

Noch mal, dass wir uns da einig sind: Man muss es ertragen, auch wenn einem etwas nicht passt. Man hat dann die Chance, darauf zu antworten. Und das kann auch der Kollege nachher, weil das laut Geschäftsordnung möglich ist. Insofern hat er jetzt ausschließlich das Wort. Bitte sehr.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Ein bisschen Zurufen darf sein!)

Kay Gottschalk (AfD): 

Danke. - Und da muss man auch an dieser Stelle die Kirche im Dorf lassen. Kennen Sie das? Wenn Sie Ihrer Frau oder Ihrem Mann sagen: „Mein Gott, du bist das Größte und das Beste auf der Welt für mich“, machen Sie nicht andere Frauen oder Männer schlecht, sondern Sie drücken einer Person oder einem Land oder einer Institution Ihre Treue aus. 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Das hätten Sie besser gelassen! - Zurufe von der Linken)

Und genau das hat Hoffmann von Fallersleben, als er am 26. August 1841 das „Lied der Deutschen“ verfasste - das sollten Sie sich vielleicht mal hinter die Ohren schreiben -, 

(Zuruf des Abg. Dr. Ralf Stegner (SPD))

mit diesen Zeilen zum Ausdruck bringen wollen. Nichts anderes. Das versteht man sogar im Ausland, sogar bei den Amerikanern. 

Und wenn Sie Herrn Trump oder die Republikaner in die Nähe dessen rücken wollen, was Sie eben angedeutet haben, dann ist mir um die Außenpolitik dieses Landes, um die Zukunft dieses Landes wirklich bange.

Kommen Sie einfach mal runter, befassen Sie sich mit den Fakten und dann klappt das vielleicht auch.

(Zurufe von der SPD)

Danke schön.

(Beifall bei der AfD - Jens Spahn (CDU/CSU): Peinlich! Peinlich! Peinlich!)

Präsidentin Julia Klöckner:

Herr Schraps hat laut Geschäftsordnung, wenn er das wünscht, die Möglichkeit, auf eine persönliche Erklärung zu antworten. Bitte.

Johannes Schraps (SPD): 

Das wünsche ich sehr gerne, Frau Präsidentin. Vielen herzlichen Dank. - Bevor ich runterkomme, stelle ich mich jetzt hier erst mal hin und sage Ihnen ganz, ganz deutlich, dass es Ihnen offenbar sehr, sehr schwerfällt, sich sehr deutlich von dieser Thematik zu distanzieren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ehrlich gesagt kann ich jeden Kollegen hier im Haus und vielleicht auch jeden Zuschauer an den Bildschirmen, der sich das Ganze hier gerade anschaut, nur ermutigen, mal nach diesem Video im Internet zu suchen und sich dieses Video genau anzuschauen. Da hat die MAGA-Bewegung in den USA sogar extra zu Ihren Ehren einen Tenor engagiert,

(Rainer Groß (AfD): Einen jüdischen Tenor!)

der ganz bewusst genau diese Strophe der deutschen Nationalhymne intoniert. Und mit welchem breiten Grinsen, mit welchem Lachen und mit welcher Attitüde Sie in diesen Raum kommen, und mit Ihren Kolleginnen und Kollegen übrigens auch, das sagt ganz, ganz viel über Ihre Gesinnung aus.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zurufe von der AfD)

Deshalb habe ich eben sehr, sehr deutlich gesagt, dass dieses Video und auch Ihre Kurzintervention deutlich machen, was Sie für eine Gesinnung haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Michael Espendiller (AfD))

Das macht ganz klar, in welche Richtung Sie dieses Land führen wollen. Und ich bin ganz sicher, dass ganz, ganz viele aufrichtige Menschen in diesem Land sich das ganz genau anschauen werden

(Kay Gottschalk (AfD): Das glaube ich auch!)

und dass sie auch bei den nächsten Wahlen genau nach dieser Thematik entscheiden werden.

(Enrico Komning (AfD): Genau richtig!)

Und das werden Sie dann sehen, Herr Gottschalk.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Kay Gottschalk (AfD): Dann haben wir 50 Prozent!)

Präsidentin Julia Klöckner:

Und damit fahren wir in der Debatte fort. Nun darf der Abgeordnete Dr. Klaus Wiener für die CDU/CSU das Wort ergreifen. Bitte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Klaus Wiener (CDU/CSU): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Standortfördergesetz verfolgen wir im Kern eigentlich zwei Ziele. Erstens wollen wir das Potenzialwachstum unserer Volkswirtschaft wieder erhöhen, und zweitens werden damit die Bedingungen - quasi als Voraussetzung dafür - am Finanzplatz Deutschland gestärkt. Beides ist dringend notwendig.

Nach Einschätzung des Sachverständigenrats liegen unsere langfristigen Wachstumsmöglichkeiten nur noch bei 0,3 Prozent. Das ist annähernd Dauerstagnation und rund ein voller Prozentpunkt weniger als in den 2010er-Jahren. Das mag sich für viele vielleicht nicht nach sehr viel anhören, aber es macht einen sehr großen Unterschied, insbesondere beim Steueraufkommen und bei der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Noch gravierender aber ist: Selbst dieser Wert - diese 0,3 Prozent - wird weiter sinken, wenn wir nicht entschlossen handeln, so wie heute mit dem Standortfördergesetz und auch darüber hinaus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, entgegen mancher Kritik - ich sage es ganz deutlich - hat diese Regierung in kürzester Zeit sehr viel auf den Weg gebracht: Energiepreise gesenkt, Energieangebot erhöht, Bürokratie zurückgebaut, innere und äußere Sicherheit gestärkt. Aber klar ist auch: Das reicht nicht, insbesondere dann, wenn wir wollen, dass Deutschland wieder dauerhaft dynamisch wächst. Da gilt es, alle Politikbereiche in den Blick zu nehmen, vor allem aber - und darüber reden wir heute ja - die Investitionen.

Genau hier setzt diese Regierung auch an mit dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz, das über zwölf Jahre - ich betone das noch mal: über zwölf Jahre! - Investitionen in Infrastruktur vornehmen wird. Wenn vielleicht auch nicht jeder Euro genau da ankommt, wo wir es wollen, wird aber sehr viel passieren. Mit dem Investitionssofortprogramm setzen wir steuerliche Anreize für private Investitionen in allen Branchen. Und eben mit dem Standortfördergesetz heute setzen wir steuerliche Impulse für Infrastruktur und erneuerbare Energien sowie Bürokratieabbau, übrigens auch mit dem zweiten Gesetz, das heute von der Regierung zur Abstimmung steht, und, ganz wichtig, auch damit, dass wir Rahmenbedingungen für Start-ups verbessern. Wie wichtig das ist, das konnte ich gerade erst auf einer Delegationsreise Anfang dieser Woche nach Israel erleben. In Israel gibt es eine sehr lebendige Start-up-Szene, die dafür sorgt, dass Israel auch in sehr schwierigen Zeiten sehr dynamisch wächst. Und hier können wir tatsächlich sehr viel lernen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, wir werden die Früchte dieser Arbeit sehen. Strukturreformen brauchen Zeit - das wissen wir alle -, bis sie sich dann auch in den Zahlen niederschlagen. Aber dass sie wirken, daran besteht kein Zweifel. Da habe ich keine Zweifel. Das ist nämlich immer wieder die Lehre, die wir von allen Ländern auch ziehen können, die mutig waren und manchmal auch gegen den Widerstand einzelner gesellschaftlicher Gruppen Reformen umgesetzt haben.

Gleichzeitig - das klang hier auch verschiedentlich an - gibt es aber auch noch viel zu tun. Viele betonen ja immer wieder zu Recht, wie wichtig es ist, private Finanzmittel zu mobilisieren. Ich bin mir sicher: Da liegt noch erhebliches Potenzial. Der gestern von BMF und BMWE vorgestellte Deutschlandfonds weist für meinen Geschmack in genau diese richtige Richtung. 

Präsidentin Julia Klöckner:

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion zu?

Dr. Klaus Wiener (CDU/CSU): 

Wir sind so kurz vor Weihnachten. Ich denke, wir ziehen es heute mal schnell durch, oder? Also nein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Ansatz wäre, dass wir verstärkt über öffentlich-private Partnerschaften nachdenken. Ich weise immer darauf hin: Andere Länder nutzen diese - Frankreich, Großbritannien, Spanien - und stoßen dabei auf hohe Akzeptanz, weil mit diesen Modellen klare Vorteile für Staat und Gesellschaft verbunden sind. Entscheidend ist dabei die sogenannte Lebenszyklusbetrachtung von Projekten, also von der Planung über den Bau bis zum langfristigen Betrieb. Nur so lässt sich ein ÖPP-Projekt nämlich auch mit der klassischen staatlichen Beschaffungsvariante sinnvoll vergleichen. Ein bloßer Verweis auf die Finanzierungskosten mithilfe von zum Beispiel Bundesanleihen greift da viel zu kurz. 

Zu den gesellschaftlichen Kosten - das wissen wir alle - zählen die extrem langen Planungszeiten, massive Kosten und Zeitüberschreitungen, qualitative Mängel, unzureichende Wartung. All das muss in Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen berücksichtigt werden, wenn man ÖPPs mit der klassischen Finanzierungsvariante vergleicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Investitionssofortprogramm und dem Standortfördergesetz sind wir auf einem guten Weg. Deshalb bitte ich Sie, dem Gesetz heute zuzustimmen. Die Möglichkeiten zur Mobilisierung privater Finanzmittel sind damit aber bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Hier gilt es, weiter dranzubleiben. 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und schon heute für alle hier und am Bildschirm gesegnete und frohe Weihnachten.

Vielen Dank

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsidentin Julia Klöckner: 

Bevor wir zur letzten Rednerin kommen, will ich noch kurz den Hinweis geben: Ab jetzt lasse ich keine Kurzinterventionen mehr zu, sodass wir heute - auch angesichts der namentlichen Abstimmungen - zügig durchkommen. Das gilt natürlich für alle Fraktionen.

Zum Abschluss dieser Debatte hat Frau Mechthilde Wittmann das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mechthilde Wittmann (CDU/CSU): 

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich jetzt noch einmal zusammenfassen darf, was wir hier ganz großartig machen. Wir beschließen dieses Jahr, das wir, wie ich finde, in den ersten Monaten unserer Regierungszeit sehr gut für die deutsche Wirtschaft gestaltet haben, mit genau den richtigen Punkten, damit wir 2026 für unsere Wirtschaft, für unsere Industrie und für unsere Kreditwirtschaft optimistisch angehen können. Wir stärken die privaten Investitionen. Wir wollen funktionierende Kapitalmärkte und eine leistungsfähige Kreditwirtschaft, damit die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dafür mobilisieren wir vor allen Dingen privates Kapital.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 9,2 Billionen Euro liegen - nicht gebunden in festen Immobilienfonds oder Ähnlichem - auf den Konten - irgendwer hat gesagt: unter dem Kopfkissen -

(Kay Gottschalk (AfD): Ein sehr altertümliches Bild!)

und warten darauf, dass sie einen guten Anwendungsrahmen finden. Genau den schaffen wir heute: einen modernen Ordnungsrahmen, der Wachstum ermöglicht, Innovationen fördert und die Risiken angemessen reguliert. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu dieser angemessenen Regulierung gehört auch das so komplizierte Bankenrichtlinienumsetzungs- und Bürokratieentlastungsgesetz. Dort setzen wir die EU-Richtlinien so um, dass wir auf unsere nationalen Spielräume achten, mit denen wir Bürokratie vermeiden können. Wir setzen die Capital Requirements Regulation, die Capital Requirements Directive um - und das Ganze ohne jedes Gold-Plating. Und worauf wir besonders Rücksicht nehmen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sind unsere - Sie haben es schon erwähnt - kleinen Banken: die Sparkassen, die Genossenschaftsbanken. Mehr als 80 Prozent der Geschäfte, vor allem der Mittelstandsgeschäfte, laufen über diese Banken. Deswegen brauchen sie Deregulierung und unser besonderes Augenmerk; denn sie sind nahe an ihren Kunden und auch nahe an den Investoren und können direkt umsetzen.

Und Herr Müller, ja, bei dieser Richtlinienumsetzung integrieren wir sehr wohl die ESG-Risiken in das Risikomanagement der Banken. Das, glaube ich, ist auch ein richtiger Schritt. Wir machen Anpassungen bei den sogenannten Fit-and-Proper-Vorgaben, und wir harmonisieren den Regulierungsrahmen für die Drittstaatenzweigstellen. Wir können nicht mehr verwehren - und das wollen wir auch gar nicht -, dass Banken in den gesamten internationalen Markt einsteigen. Deswegen müssen sie bei uns Bedingungen vorfinden, unter denen sie auch bei uns gut ihre Geschäfte betreiben können.

Wir werden mit der Umsetzung des BRUBEGs, das wir heute auf den Weg bringen, auch die Organgeschäfte vereinfachen. Sie sind ein wichtiges Kontrollinstrument, sehr verehrte Damen und Herren, aber sie dürfen eben auch nicht zur Bürokratiefalle werden. Deswegen haben wir Verhältnismäßigkeit geschaffen. Wir haben die Bagatellgrenze auf nun 100 000 Euro angehoben. Routinevorgänge in diesem unteren Volumenbereich brauchen keine aufwendigen Einzelbeschlüsse mehr. Im Gegenteil: Wir können Vorratsbeschlüsse dafür fassen lassen. Deswegen braucht es auch keine ständige Wiederholung. Ich glaube, all dies hilft, die Dinge schneller zum Laufen zu bringen und umsetzen zu können.

Das Gleiche gilt für die Anhebung der Schwellenwerte bei den sogenannten Großkrediten. Diese haben wir deutlich angehoben, um dieses Regime nicht unnötig bürokratisch auszugestalten, sondern um genau das zu tun, was wir brauchen: eine schnelle Bereitstellung von Kapital, auch Risikokapital. Davon profitieren natürlich besonders unsere mittleren Unternehmen. Wir haben das heute schon besprochen. Das sind oftmals diejenigen, die als Start-ups gestartet sind und die wir dann in ihrer Wachstumsphase unterstützen konnten. Das tun wir jetzt noch mal. Herr Kollege Dr. Rottwilm, Sie haben hervorragend skizziert, wie wir diese Grenze abbauen, sodass Fonds in Venturecapital-Gesellschaften einzahlen können, die für diese Unternehmen in dieser Phase ganz wichtig sind. Darum ist es ein richtiger Schritt, dass wir mit dem Standortfördergesetz, das wir heute zum Fliegen bringen, genau diese Schranke abbauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen auf ein Weiteres in Zukunft Rücksicht nehmen: Wir übersehen ein bisschen, dass die kleinen Unternehmen, die gerade starten, auch ihre Business Angels brauchen. Das sind diejenigen, die das Fachwissen mitbringen, die auch mal privat an jemanden glauben, die viele Regulierungen eben nicht einhalten müssen. Ich glaube, dafür sollten wir im neuen Jahr ein bisschen Spielraum schaffen, indem wir hier noch mal drangehen und auch dieses Kapital heben; denn auch hier liegt jede Menge privates Kapital.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Beck, Sie haben das richtig angesprochen: Wir wollen auch die Börsengänge vereinfachen. Wir wollen den Menschen den Kapitalmarktzugang in jeder Hinsicht erleichtern. Das betrifft beispielsweise auch die Prospekte. Diese müssen jetzt nicht mehr immer auch noch auf Deutsch ausgestellt werden, sondern sie können auf Englisch erstellt werden. Und der prospektfreie Zugang wird sogar von 8 auf 12 Millionen Euro erleichtert. All dies sind Maßnahmen, um gute Börsengänge möglich zu machen, um schneller zu werden, um die Börsenzulassungsregeln weiter zu entschlacken, so zum Beispiel auch durch den Wegfall doppelter Verwaltungsakte, durch das Unterlassen von Voraussetzungen für Emittenten. Auch die Veröffentlichungspflicht im Bundesanzeiger entfällt. Das ist alles Bürokratie, die wir nicht brauchen. Wir wollen handeln, und das tun wir.

Ich freue mich, dass wir hiermit heute einen großartigen Start hinlegen. Ich darf Ihnen, liebe Frau Beck, auch noch mal ausdrücklich danken: Ich bin froh, dass Sie mit dabei sind.

(Enrico Komning (AfD): Hat sie das wirklich gesagt?)

Denn es macht einen guten Eindruck, wenn die demokratischen Parteien dies miteinander tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Präsidentin Julia Klöckner: 

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Standortfördergesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 21/3343, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 21/2507 und 21/3065 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Ablehnung der Fraktionen AfD und Die Linke.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Wir kommen zum gleichen Ergebnis: Der Gesetzentwurf ist angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Ablehnung der Fraktionen Die Linke und AfD.

Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 21/3346 ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt von allen Fraktionen bis auf die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die zustimmt.

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dabei war er so gut!)

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 29b. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der AfD mit dem Titel „Aufhebung der sogenannten Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 des Außensteuergesetzes“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 21/3343, den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 21/2544 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Somit ist die Beschlussempfehlung angenommen mit den Stimmen aller Fraktionen bis auf die Stimmen der AfD, die diese Beschlussempfehlung ablehnt.

Tagesordnungspunkt 29c. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 21/3058 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? - Ich höre und sehe, das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie vorgeschlagen. 

Jetzt rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 30 sowie Zusatzpunkt 5:

 

30.

 

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Görke, Janine Wissler, Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke 

Steuerprivilegien für höchste Erbschaften streichen

Drucksachen 21/627, 21/2691

 

 

ZP 5

 

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Katharina Beck, Dr. Moritz Heuberger, Max Lucks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gerechtigkeitslücken im Steuersystem schließen – Ausnahmen bei Erbschaft- und Immobilienbesteuerung abbauen und organisierte Steuerhinterziehung wie Cum/Cum bekämpfen

Drucksachen 21/2028, 21/3349 

 

 

Über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke werden wir später namentlich abstimmen. 

Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten vereinbart. 

Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Parsa Marvi das Wort. Bitte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Parsa Marvi (SPD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Frage einer gerechten Vermögensverteilung keine Gelegenheitsdebatte. Sie ist Kern unseres politischen Selbstverständnisses. Seit unserer Gründung kämpfen wir dafür, dass Herkunft nicht über Lebenschancen entscheidet. Ich bin dankbar dafür, dass wir heute erneut über dieses wichtige Thema debattieren können. 

Die Debatte über Erbschaften, Vermögensverteilung und Leistungsgerechtigkeit ist notwendig, und sie trifft einen gesellschaftlichen Nerv. Wir sind bei der Vermögenskonzentration und Vermögensungleichheit seit Jahren in vielen Statistiken weit vorne, sowohl in der Europäischen Union als auch in der OECD. Dabei wird Einkommen aus Erbschaften und Schenkungen in vielen Fällen geringer besteuert als Einkommen aus Arbeit. Das untergräbt das Leistungsprinzip, fördert die Vermögenskonzentration und schädigt damit das Gerechtigkeitsempfinden in unserem Land. 

(Beifall bei der SPD)

Diese Ungleichheit wird durch Erbschaften und Schenkungen über Generationen festgeschrieben. Die reichsten 10 Prozent erhalten die Hälfte des gesamten Erbvermögens, die ärmere Hälfte geht leer aus. Da stellt sich dann natürlich im öffentlichen Meinungsbild - und wir sehen entsprechende Umfragen - die Frage: Was sollen wir denn eigentlich sein: vor allem eine Erben- oder eine Leistungsgesellschaft? 

Heute beruht mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens in Deutschland auf Erbvermögen. In den 1970er-Jahren lag der Anteil noch bei rund 20 Prozent. Egal wie fleißig oder gebildet jemand ist: Wer nicht erbt, hat deutlich weniger Chancen, jenes Niveau an Eigentum oder Sicherheit zu erreichen, das vielen einfach aufgrund ihrer Geburt zufällt. Das hat dann auch nichts mehr mit einer angeblichen Neiddebatte zu tun. Das ist die Realität, die wir zur Kenntnis nehmen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig haben allein in den Jahren 2021 bis 2024 in mehr als 100 dokumentierten Fällen Erben von sehr großen Betriebsvermögen von der sogenannten Verschonungsbedarfsprüfung Gebrauch gemacht und sich arm gerechnet, bei einem geschätzten Erbschaftsvolumen von deutlich über 20 Milliarden Euro. Der Staat ging hier in aller Regel leer aus. Über 20 Milliarden Euro Erbschaften in 100 Fällen und exakt kein einziger Euro für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben - das darf uns alle in diesem Hohen Haus, wenn wir ein Gerechtigkeitsempfinden haben, nicht kaltlassen. So, wie es ist, kann es nicht bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD - Johannes Schraps (SPD): Völlig richtig!)

Das zeigt klar: Diese Privilegien gehören auf den Prüfstand. Sie fördern eine problematische Vermögenskonzentration und untergraben das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unseres Steuersystems. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist dabei klar: Die Erbschaftsteuer ist ein zentrales Instrument für Generationengerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt. Die entscheidende Frage ist jedoch nicht, ob reformiert werden muss, sondern, wie. Denn wir müssen zwei zentrale Ziele miteinander verbinden: erstens mehr Steuergerechtigkeit herstellen und große Vermögen angemessen an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen, zweitens Betriebe und Arbeitsplätze schützen. Denn eine Erbschaftsteuer darf nicht dazu führen, dass wirtschaftlich gesunde Unternehmen in ihrer Substanz gefährdet werden. 

Vor diesem Hintergrund kommt der Behandlung von Betriebsvermögen eine besondere Bedeutung zu. Die bestehenden Regelungen verfolgen grundsätzlich das legitime Ziel, Unternehmensnachfolgen zu ermöglichen, ohne Arbeitsplätze zu gefährden. Gleichzeitig ist unübersehbar, dass diese Regelungen in ihrer heutigen Ausgestaltung in Teilen über das Ziel hinausschießen und erhebliche Gerechtigkeitslücken eröffnen. 

Wir sind deshalb bereit, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner eine Reform der Erbschaftsteuer anzugehen. 

(Beifall der Abg. Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Eine solche Reform muss jedoch sorgfältig vorbereitet sein. Sie muss praktikabel, verfassungssicher und wirtschaftlich tragfähig sein. Wir sehen bei den heute vorliegenden Anträgen die Komplexität der Fragen rund um Freibeträge, Betriebsvermögen und Verschonungsregelungen im Sinne einer sachgerechten Lösung als nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt an. Wir teilen aber ausdrücklich die Auffassung, dass bestehende Steuerprivilegien kritisch hinterfragt werden müssen. 

Wir sind, wie gesagt, der Überzeugung, dass der Weg zu mehr Steuergerechtigkeit über eine sorgfältige, differenzierte Reform führen muss. Das wollen wir gemeinsam zu einem Thema der Koalition im nächsten Jahr machen. Das Bundesverfassungsgericht wird uns dabei möglicherweise helfen. 

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten! Ich freue mich schon auf die Zusammenarbeit im kommenden Jahr. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Mechthilde Wittmann (CDU/CSU))

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die AfD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Hauke Finger das Wort. Bitte.

(Beifall bei der AfD)

Hauke Finger (AfD): 

Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen! Hochverehrte Bürger! Wir debattieren heute verschiedene Anträge zur Erbschaft- und Schenkungsteuer. Doch im Kern geht es ja um Gerechtigkeit. Als Freiheitlich-Konservative 

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Freiheitlich“? - Gegenruf des Abg. Enrico Komning (AfD): Ja, freiheitlich-konservativ!)

haben wir eine andere Gerechtigkeitsauffassung als all die linken Parteien hier. Ein für uns zentraler Begriff ist die Leistungsgerechtigkeit. Wer mehr leistet, muss auch mehr haben.

(Beifall bei der AfD)

So schafft man einen Anreiz für Fleiß, Produktivität und Sparsamkeit - für Wirtschaftsaufschwung und Wohlstand. 

Sie hingegen wollen Bedürfnisgerechtigkeit. Nicht, wer etwas leistet, wird belohnt, sondern, wer am lautesten schreit. Wer vorgibt, immer mehr zu brauchen, soll immer mehr bekommen. Sie fördern damit ein System aus Anspruchsdenken, Verschwendung und Abhängigkeit. 

(Beifall bei der AfD)

Das Ergebnis ist Sozialismus in der Endphase - es sind zwar alle pleite, aber wenigstens alle gleich pleite. 

Bei Steuern kommt zur Leistungsgerechtigkeit ein weiterer Aspekt hinzu. Gerecht ist, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuert wird. Wer also Einkommen erzielt - egal woher -, der soll darauf Steuern zahlen. 

(Frauke Heiligenstadt (SPD): Erbschaft ist Einkommen!)

Wer keine Einnahmen erzielt, soll steuerfrei bleiben. Das ist unsere AfD-Position. 

Sie hingegen wollen Substanzsteuern. Wer ein Haus besitzt, soll Grundsteuern abführen, wer ein Auto hat, Kfz-Steuern, und bei Vermögen soll eine Vermögensteuer entrichtet werden. Warum ist das ungerecht? Weil alles - Haus, Auto und Vermögen - bereits mit versteuertem Einkommen bezahlt wurde. 

(Beifall bei der AfD)

Und das gilt eben auch, wenn Haus, Auto oder Vermögen verschenkt oder vererbt werden. 

(Frauke Heiligenstadt (SPD): Von dem, der vererbt! Nicht von dem, der erbt!)

Steuergerechtigkeit bedeutet, dass der Staat eben nicht doppelt und dreifach abkassiert, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der AfD)

Das Einkommen muss besteuert werden. Der Rest muss dann aber auch dem Bürger gehören. Ob er es dann ausgibt, investiert oder verschenkt, das ist letztlich seine eigene Sache. 

Jetzt höre ich immer aus der linken Richtung: Für Erben ist es doch ein Gewinn, wenn sie zum Beispiel ein Haus erben. - Damit kommen wir zu einem weiteren Unterschied zwischen Konservativen und Linken, dem Familienbild. 

(Parsa Marvi (SPD): Sie sind nicht konservativ! Sie sind autoritär!)

Sie gehen von wurzellosen Individuen aus, so als ob Kinder und Eltern nichts miteinander zu tun hätten. Und damit sich das irgendwie in der Realität widerspiegelt, wollen Sie Kinder am liebsten ab dem ersten Geburtstag ganztags in LGBTQ-Kitas stecken. Nur so können Sie die natürliche Verbindung zwischen Eltern und Kindern zerstören. 

(Parsa Marvi (SPD): Zum Thema!)

Linke lehnen grundsätzlich ab, was wir von unseren Vorfahren geerbt haben - egal ob Einstellung oder Wohlstand. 

(Beifall bei der AfD)

Wir von der AfD gehen hingegen von einer Verbundenheit der Menschen aus - Verbundenheit mit unserer Heimat und unseren Familien. Wir reden die Vergangenheit nicht schön, aber wir beziehen uns auf das Gute und das Positive, auf das, was sich zu erhalten lohnt. 

(Dr. Malte Kaufmann (AfD): Die wahren Konservativen!)

Während Sie Bestehendes kaputtmachen wollen - mit den vorliegenden Anträgen eben gesunde Unternehmen und Familienwohlstand -, wollen wir lieber aufbauen. Wir wollen, dass immer mehr Familien zu Wohlstand kommen. 

Ein weiterer Unterschied zwischen uns und Ihnen: Wir stehen für Meinungsvielfältigkeit, Sie stehen für Meinungseinfältigkeit.

(Beifall bei der AfD)

Während wir für einen politischen Austausch stehen, bauen Sie lieber Brandmauern. Sie verweigern heute bereits zum zweiten Mal, dass unser Antrag zur Abschaffung der Erbschaftsteuer mitdebattiert wird. 

(Zuruf der Abg. Frauke Heiligenstadt (SPD))

Sie müssen dem ja nicht zwingend zustimmen. Aber dass Sie sich nicht einmal trauen, ihn hier zu besprechen, zeigt, erstens, Ihr mangelndes Demokratieverständnis 

(Enrico Komning (AfD): So ist es!)

und, zweitens, dass Sie im Angesicht unserer überlegenen Lösungen nur noch kapitulieren und die weiße Fahne hissen können.

(Beifall bei der AfD - Zuruf der Abg. Frauke Heiligenstadt (SPD))

Und dass wir mit unserem Vorschlag recht haben, zeigt der Blick nach Schweden. Dort wurden Erbschaft- und Schenkungsteuer 2005 vollständig abgeschafft. Die Folge: längere Lebensdauer von Familienbetrieben, leichtere Unternehmensnachfolgen, verstärkte Neuinvestitionen und ein rasanter Anstieg der Börsengänge. Der Kapitalabfluss wurde deutlich reduziert, und es kehrten sogar einige große Unternehmen nach Schweden zurück. All das brauchen wir in Deutschland dringender als je zuvor; denn linkes Anspruchsdenken und Doppelbesteuerung sind im Feuersturm der aktuellen Wirtschaftskrise Brandbeschleuniger.

(Beifall bei der AfD - Zuruf des Abg. Daniel Baldy (SPD))

Wir brauchen stattdessen Leistungsgerechtigkeit, die Abschaffung aller Substanzsteuern und natürlich auch wohlhabende Familien. Wir stimmen für einen Wirtschaftsaufschwung und daher gegen die hier vorliegenden Anträge der linken und grünen Parteien.

Vielen Dank! Frohes Fest! Auf bald!

(Beifall bei der AfD)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Fritz Güntzler das Wort. Bitte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Fritz Güntzler (CDU/CSU): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mal wieder diskutieren wir über die Erbschaftsteuer, und das Meinungsspektrum in diesem Hohen Hause ist dazu sehr breit. Ab und zu hat man auch das Gefühl, dass gerade diese steuerpolitische Debatte oft sehr von Ideologie betrieben ist und jeder so sein eigenes Bild von vermögenden Menschen und auch von Unternehmern hat. Ich will mal versuchen, ein wenig zur Sachlichkeit der Debatte beizutragen. 

Wenn man sich die Diskussion um das Erbschaftsteuerrecht anschaut, dann wird oft von Gerechtigkeitslücken gesprochen. Also, erst mal gibt es in Deutschland eine Erbschaftsteuer mit einem sogenannten Vollstaffeltarif; das heißt, wenn Sie ziemlich nah verwandt sind, dann haben Sie auf Vermögen 7 bis 30 Prozent Steuern zu zahlen. 

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Freibeträge!)

Und wenn Sie etwas weiter entfernt verwandt oder gar nicht mehr verwandt sind, haben Sie bis zu 50 Prozent Erbschaftsteuer zu zahlen. Das ist der Grundsatz, und das wird beim sogenannten Privatvermögen auch eingehalten. Also, von daher sehe ich da keine Gerechtigkeitslücke, sondern das ist sogar aufbauend: Je höher die Vermögen sind, umso höher werden sie besteuert.

Aber es gibt Ausnahmen, und die Ausnahmen haben dieses Haus, aber auch das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach beschäftigt. Man hat sich überlegt, ob es auch klug ist, diese Steuern zu erheben, wenn Betriebsvermögen übertragen wird. Was hat Betriebsvermögen so an sich? Es ist meist sehr gebunden. Das ist keine Liquidität, die auf dem Konto liegt, sondern das Geld ist investiert in Maschinen, in Grundstücke, in Ausrüstungen und von daher nicht fungibel und auch nicht liquidierbar. Das heißt, ich würde Unternehmen in ihrem Bestand gefährden, wenn ich dort Steuern erheben würde. 

Man kann nun argumentieren: Ich besteure ja nicht das Unternehmen, sondern den, der das Unternehmen bekommt. Aber der hat meistens - gerade im Mittelstand erleben Sie, dass es eine hohe Thesaurierungsquote gibt - nicht viel Liquidität. Der muss sich das Geld aus dem Unternehmen holen und übrigens das dann noch mal versteuern. Also, der muss mehr aus dem Unternehmen herausholen, als er Erbschaftsteuer zahlen muss, und das gefährdet die Unternehmen schlicht.

Das haben wir in der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD 2016 in dem Gesetz auf Grundlage des Bundesverfassungsgerichtsurteils aus 2014 auch noch mal sehr ausdrücklich ausgeführt. In der Gesetzesbegründung finden wir gerade ein klares Bekenntnis zur Unternehmensstruktur in Deutschland, die dazu beigetragen hat, dass wir Konstanz auch in schwierigen Zeiten haben. 

Der deutsche Mittelstand und die Familienunternehmen sind Stabilitätsanker für Beschäftigung und Wohlstand. Oft sitzen diese Unternehmen in dünnbesiedelten Räumen. Wir reden hier oft über die Förderung des ländlichen Raums. Es gibt viele Unternehmen, die im ländlichen Raum tätig sind. Und wer hilft denn vor Ort im sozialen, im kulturellen und im sportlichen Bereich mit Spenden? Das sind meist genau diese Unternehmen, die dort ansässig sind. Und deshalb ist es ein gemeinsames Ziel, dass wir mit dieser Erbschaftsteuerverschonung von Betriebsvermögen die Arbeitsplätze und den Fortbestand der Unternehmen sichern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies wird natürlich auch zu prüfen sein; das wird immer wieder geprüft anhand des Gleichheitsgrundsatzes in Artikel 3 unseres Grundgesetzes. Da hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 - das ist das letzte vorliegende Urteil - gesagt: Diese Verschonungsregel ist im Grundsatz erforderlich. Es ist kein Weg erkennbar, der gleich wirksam wäre, um das Gemeinwohlziel zu erreichen. Also, das ist eine vollständige Unterstützung dessen, was wir machen. 

Das Bundesverfassungsgericht hat uns damals aber vor ein Problem gestellt, nämlich dass unterschieden werden muss zwischen kleinen und mittleren Vermögen einerseits und großen Vermögen andererseits. Wir haben so etwas wie eine Regelverschonung und eine Optionsverschonung, wo man 85 Prozent oder 100 Prozent nicht besteuern muss. Dies gilt als Vermutung bei kleinen und mittleren Unternehmen; man geht davon aus, dass die im Bestand gefährdet seien. Bei großen Unternehmen - die haben wir damals definiert bei einem Vermögen von über 26 Millionen Euro - gilt diese Regelvermutung aber nicht mehr. Da bedarf es einer Bedürfnisprüfung. Daher rührt die Verschonungsbedarfsprüfung, die wir jetzt im Gesetz haben. 

Es ist übrigens für diejenigen, die sich gerne mal Urteile anschauen, ganz interessant, das nachzulesen. In der Textziffer 175 des Bundesverfassungsgerichtsurteils finden Sie genau diese Verschonungsbedarfsprüfung. Das war keine Erfindung dieses doch sehr kreativen Hauses, sondern es war eine Idee der Richter in Karlsruhe, die Bedürfnisprüfung genau so auszugestalten, wie sie jetzt von Teilen dieses Hauses - auch von unserem Koalitionspartner; das darf man sagen - kritisiert wird. Von daher bin ich mal gespannt, was tatsächlich in Karlsruhe entschieden wird. Und ich sage Ihnen zu: Wir werden uns das Urteil, wenn es denn eins gibt, sehr genau ansehen.

Eine letzte Bemerkung. Es wird in dem Antrag der Grünen und auch der Linken suggeriert, dass man das Ganze mit Stundungsmodellen hinbekäme. Sie müssen sich bei den aktuellen Unternehmensrenditen mal ausrechnen, wie viel Geld aus den Unternehmen rausgenommen werden müsste, das den Unternehmen dann aber nicht mehr zur Verfügung stünde. Die Unternehmen wären nicht mehr in der Lage, zu investieren. All das, was wir mit dem Standortfördergesetz, das wir eben diskutiert haben, nach vorne bringen wollen, würden wir ins Gegenteil umkehren.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, von daher: Eine Stundung klingt nett, bringt aber gar nichts. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn Die Linke auch noch möchte, dass man seine Vermögensanteile anstelle des Geldes an den Staat gibt, dann können wir ja gleich wieder volkseigene Betriebe schaffen.

(Zuruf von der AfD: Lassen Sie uns die Erbschaftsteuer abschaffen, und dann ist alles gut!)

Präsidentin Julia Klöckner:

Ihre Zeit ist abgelaufen. Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter.

Fritz Güntzler (CDU/CSU):

Aber das wollen wir doch gemeinsam nicht.

Von daher herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsidentin Julia Klöckner:

Danke, Herr Abgeordneter. - Für Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Abgeordnete Katharina Beck das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Es ist bald Weihnachten. Mein kleines vierjähriges süßes Mädchen hat gerade einen Brief ans Christkind mit Wünschen zu Weihnachten geschrieben. Da stehen natürlich viele Wünsche drin, habe ich gesehen. Ich aber habe nur einen Wunsch, und mein Wunsch geht auch weder an den Weihnachtsmann noch an das Christkind: Mein Wunsch geht an unseren Finanzminister Lars Klingbeil. 

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Und dieser Wunsch ist, dass Sie es bitte, bitte schaffen mögen - ich weiß, Sie haben auch mindestens ein Kind, mit dem Sie bitte ganz viel Zeit verbringen -, unseren Antrag „Gerechtigkeitslücken im Steuersystem schließen“ - dieser Antrag ist gar nicht so lang - zu lesen. Das wäre total super; denn in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit habe ich noch gar nicht so viel Sozialdemokratie in den Steuergesetzen wahrgenommen. In dem Antrag finden sich tolle Ideen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die sowohl für mehr Gerechtigkeit sorgen würden als auch einfach nur steuersystematisch Sinn ergeben. Sie könnten damit sehr gut diese Koalition zusammenführen; denn die fünf Steuervorschläge stammen so ähnlich auch aus der Feder von Clemens Fuest, dem Chef des ifo-Instituts. 

(Kay Gottschalk (AfD): Das ist ein sehr vergiftetes Angebot!)

Das ist alles gar nicht so dramatisch, auch aus konservativer Sicht. Von daher: Bitte, bitte schauen Sie sich das mal an. Ich würde mich so freuen, wenn dieser Wunsch, dass Sie den Antrag lesen, dann nächstes Jahr noch darin münden würde, dass er den Bundestag in Gesetzesform erreicht. - Vielen, vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gefühlt sind wir seit Jahrzehnten beim Thema Steuergerechtigkeit - und damit einhergehend auch bei der Verteilungsgerechtigkeit - immer in Grabenkämpfen unterwegs. Das ist sehr ermüdend; alle paar Monate diskutieren wir hier immer wieder über Steuergerechtigkeit, und nichts bewegt sich. Dabei gibt es auch steuersystematisch - das habe ich gerade angesprochen - Gründe, Lücken zu schließen. 

Ich nenne mal so was Verrücktes wie die erweiterte Grundstückskürzung. Diese Begriffe sind oft sehr technisch, damit das auch keiner versteht und damit alles irgendwie so bleibt; denn irgendwer profitiert ja davon. Aber die erweiterte Grundstückskürzung ist eine Steuerbefreiung, die noch aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammt. Sie ist seit den Nullerjahren dieses Jahrhunderts überhaupt nicht mehr nötig, weil die damalige Doppelbesteuerung heute gar nicht mehr anfällt. Diese 1,5 Milliarden Euro sind sehr viel Geld, das durch diese Regelung den Kommunen bei der Gewerbesteuer fehlt. Da kann man einfach mal was glattziehen, endlich den Kommunen ein bisschen mehr Geld geben und mehr Systematik und mehr Gerechtigkeit im Steuersystem hinbekommen. Das ist eine der Gerechtigkeitslücken, die wir schließen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt noch ganz verrückte Dinge: 300 Wohnungen kann man einfach so steuerfrei erben. Da frage ich mich doch, wenn ich nur drei Wohnungen besitze: Warum muss ich Steuern zahlen, wenn bei 300 Wohnungen nicht mehr? - Ich besitze übrigens überhaupt gar keine Wohnung. - Das fühlt sich doch sehr ungerecht an: Wenn man ein mittelgroßes Vermögen erbt oder geschenkt bekommt, dann muss man Steuern zahlen, aber ab 300 Wohnungen auf einmal nicht mehr. Es gab sogar ein Urteil des Finanzgerichts, das besagt, das sei nicht rechtens. Aber dann, lieber Herr Klingbeil, gab es aus dem BMF einen Nichtanwendungserlass, nach dem man dieses Urteil bitte nicht anwenden und mit der krassen Praxis weitermachen soll, die es ermöglicht, dass ab 300 Wohnungen keine Steuern anfallen. Das ist eine wirklich schlechte Praxis. Bitte weisen Sie an, dass das vom Finanzministerium geändert wird, oder schaffen Sie eine gesetzliche Regelung!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich geht es bei der Erbschaftsteuerreform zum Thema Gerechtigkeit um die Ausnahmen beim Betriebsvermögen. Ich weise darauf hin, dass selbst der Sachverständigenrat, die Wirtschaftsweisen, unser Gutachten und die Daten der 22 unterschiedlichen Modelle aufgegriffen hat, die wir uns angeguckt haben, um zu prüfen, wie in dieser wirtschaftlich schwierigen Situation besonnen und gut damit umgegangen werden kann. Stundungen können durchaus ermöglichen, dass weiter investiert werden kann, dass Betriebe, dass Arbeitsplätze erhalten werden können.

Sie wissen alle, dass gerade vor dem Bundesverfassungsgericht von einem Mittelständler dagegen geklagt wird, dass es Ausnahmen für Erbschaften ab 26 Millionen Euro gibt. Diese Ungerechtigkeit bei der Erbschaftsteuer ist sehr wahrscheinlich nicht rechtens, und da muss nachgearbeitet werden. Ich würde Sie wirklich bitten, nicht wie 2016 einen Schnellschuss zu machen, der dann wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landet, sondern sich die Daten aus unserem Gutachten anzuschauen, mit Unternehmerinnen und Unternehmern, mit kleinen wie großen Familienunternehmen zu sprechen und sich auf Grundlage von Berechnungen die Einzelfälle anzugucken, um dann zu einer guten Lösung zu kommen. Das geht, und das erwarte ich von Ihnen als Regierung und Regierungsfraktionen. 

Vizepräsident Omid Nouripour:

Sie müssen zum Ende kommen, bitte.

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Wir tun das auch und werden Ihnen die Ergebnisse in gewohnter Manier als Serviceopposition unterbreiten. 

Frohe Weihnachten! 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Der nächste Redner ist Christian Görke für die Fraktion Die Linke. 

(Beifall bei der Linken)

Christian Görke (Die Linke): 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Finanzminister! Trotz der vorweihnachtlichen Stimmung ist es ja kein Geheimnis: Wir haben eine der größten Haushaltskrisen. Trotz Haushaltstricksereien fehlen bis 2029 sage und schreibe 150 Milliarden Euro, mit der Folge, dass wir hier über massive Einsparungen reden werden. Deshalb, Herr Kollege Gutting, geht es der Linken nicht um - wie haben Sie es im Ausschuss gesagt? - die Bestellung eines Neid-Gemüsebeets, sondern darum, dass Menschen, die richtig viel erben, auch richtig viel Steuern zahlen. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der Linken)

Schließlich sind die Steuertarife progressiv und müssten entsprechend der Höhe der Erbschaft oder Schenkung ansteigen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Je fetter die Erbschaft oder das Geschenk, desto mickriger der Steuersatz. Wer im vorletzten Jahr nach Freibeträgen weniger als 200 000 Euro erbte oder geschenkt bekam, zahlte im Schnitt 12 Prozent. Wer über 20 Millionen Euro erbte oder geschenkt bekam, kam mit nur 3 Prozent davon. 

(Zuruf von der Linken: Hört! Hört!)

Ich frage Sie: Wo knallen da die Korken? Die Frage können Sie sich selber beantworten. Die Erbschaftsteuer ist fast zu einer Dummensteuer geworden, weil, Herr Güntzler, nicht Menschen mit kleinen, sondern mit besonders großen Erbschaften und Schenkungen diese Schlupflöcher nutzen. 

Das größte Schlupfloch haben wir - Sie haben es richtig gesagt - bei den Betriebsvermögen; denn aktuell können Firmen oder Großerben beim Finanzamt sagen: Sorry, ich habe das entsprechende Geld nicht parat. - Dann werden die Steuern erlassen. Die Antwort der Bundesregierung auf meine Anfrage hierzu war, dass bei ganz großen Firmenerbschaften im Jahr 2023 ein Steuersatz von 0,1 Prozent anfiel. 

(Isabelle Vandre (Die Linke): Unglaublich! - Pascal Meiser (Die Linke): Hört! Hört!)

Ich finde das finanzpolitisch skandalös, es ist bizarr. Deshalb müssen diese Schlupflöcher und die Privilegien bei der Erbschaftsteuer abgeschafft werden.

(Beifall bei der Linken)

Wir haben über das Thema schon mehrfach gesprochen, und ich habe immer gehört: der Görke, typisch Linker, keine Ahnung von der Wirtschaft.

(Stephan Brandner (AfD): Stimmt ja auch alles!)

Aber wissen Sie, wer diese Firmenverschonung auch abschaffen will? Das ist der Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Aus seiner Sicht ist das Leistungsfähigkeitsprinzip bei der steuerlichen Belastung der kleinen und mittelständischen Unternehmen einerseits und der Großerben andererseits in keiner Weise gewahrt. Das heißt: Die heutige Erbschaftsteuer ist nicht nur ungerecht, Herr Güntzler. Sie ist auch noch wirtschaftsfeindlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Karoline Otte (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Schlupfloch, das ich persönlich am bizarrsten finde: Seit 2009 wurde innerhalb von zehn Jahren Betriebsvermögen in Höhe von 409 Milliarden Euro steuerfrei vererbt oder verschenkt, davon - jetzt kommt es - 50 Milliarden Euro an Kinder unter 14. Alle kennen den Trick: Die Kinder gelten als bedürftig, weil sie über kein eigenes Vermögen verfügen, von dem dann die Steuer gezahlt werden kann. Meine Damen und Herren von der Union, dass diese Kinder Teilhaber von Firmen werden, um Steuern zu sparen, kann doch auch Ihrem Geist hinsichtlich der Besteuerung nicht entsprechen. 

(Stephan Brandner (AfD): Sie sind ein Kinderfeind! Sie sind kinderphob!)

Ich finde das nur noch bizarr und peinlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Deshalb erstaunt uns nicht, dass die OECD, der Internationale Währungsfonds und selbst Ihr Sachverständigenrat, Herr Finanzminister, Sie aufgefordert haben, diese bizarren Schlupflöcher zu schließen. 

Herr Marvi, vielen Dank für die Weihnachtsgrüße und Ihre Zustimmungsrede zu unserem Antrag. 

(Lachen des Abg. Fritz Güntzler (CDU/CSU) - Frauke Heiligenstadt (SPD): Hat er nicht so ganz gesagt!)

Ich habe mir notiert: Der Kurs unseres politischen Selbstbewusstseins ist es, den argumentativen Rettungsring wieder herauszuholen und zu sagen: Wir warten jetzt auf Karlsruhe. - Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, machen Sie den Rücken gerade, auch in der Vorweihnachtszeit, und stimmen Sie unserem Antrag zu!

Vizepräsident Omid Nouripour:

Sie müssen zum Ende kommen, Herr Kollege.

Christian Görke (Die Linke): 

Sie haben dazu gleich die Möglichkeit. 

Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall bei der Linken)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Die nächste Rednerin ist Frauke Heiligenstadt für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frauke Heiligenstadt (SPD): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, wir debattieren heute über Armut, über Reichtum, Vermögen und Erbschaften. Es geht dabei auch um Staatsfinanzen. Tatsächlich steckt dahinter auch ein ganz zentrales Element, nämlich Vertrauen: Vertrauen darauf, dass sich Leistung lohnt, Vertrauen darauf, dass dieser Staat handlungsfähig ist, und Vertrauen darauf, dass es in diesem Land gerecht zugeht. Zu oft entscheiden Herkunft oder Wohnort über Lebenschancen. Zu oft erleben Menschen, dass sie trotz harter Arbeit kaum vorankommen, während andere durch Vermögen, das über Generationen leistungslos, aber mit Zinsen weitergereicht wird, Startvorteile haben. Das, meine Damen und Herren, hat mit Leistungsprinzip sehr wenig zu tun.

(Kay Gottschalk (AfD): Genau wie das Bürgergeld! - Dr. Fabian Fahl (Die Linke): Dass Sie regieren, wissen Sie aber schon!)

Ich komme aus dem ländlichen Raum, aus Südniedersachsen, und aus einer Arbeiterfamilie; vier Kinder waren wir. Ich weiß sehr genau, was es heißt, sich jeden Euro zu erarbeiten, und was es mit Menschen macht, wenn sie das Gefühl haben: Für mich gelten die Regeln, für andere gelten Ausnahmen. 

Und ja, Vermögensungleichheit ist nicht nur ein soziales Problem, sie ist ein demokratisches Problem.

(Beifall des Abg. Johannes Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn sich das Wohlstandsgefälle verfestigt, wenn Chancen ungleich verteilt sind, dann wächst Frust, und dieser Frust wird von den Rändern eingesammelt. Die einen versprechen einfache Lösungen und erklären jede Debatte über gerechte Besteuerung zur Neiddebatte. 

(Beifall des Abg. Johannes Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die anderen tun so, als könne man mit einem radikalen Schnitt alle Fragen auf einmal lösen. Aber beides ist irreführend, nicht gerecht und auch falsch. 

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (Die Linke))

Lassen Sie mich deswegen zu den Anträgen der Opposition kommen!

Die Linke legt einen Antrag vor, der die Probleme zunächst richtig beschreibt, lieber Kollege Görke. Es gibt derzeit Gestaltungsmöglichkeiten, es gibt Privilegien und, ja, es gibt Fälle, in denen sehr große Vermögensübertragungen faktisch kaum besteuert werden, und das ist schwer vermittelbar. Aber die Schlussfolgerung der Linken in dem Antrag überzeugt nicht. Wer ganze Regelungsbereiche pauschal streichen will, ohne sauber zu unterscheiden 

(Zuruf der Abg. Nicole Gohlke (Die Linke))

zwischen echten Unternehmensnachfolgen mit Arbeitsplätzen vor Ort und bloßer Vermögensübertragung, der riskiert genau das, was wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten niemals riskieren wollen, nämlich dass Betriebe zerschlagen werden, weil Liquidität fehlt, und dass am Ende Beschäftigte die Zeche zahlen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Fabian Fahl (Die Linke): Das ist Arbeitgeberpolitik!)

Gerechtigkeit heißt nicht, mit der Kettensäge zu arbeiten. Gerechtigkeit heißt, Lücken zu schließen und zugleich den Fortbestand von Handwerk und Mittelstand und auch von Familienunternehmen abzusichern.

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ist da in Teilen konkreter, liebe Katharina.

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe Frauke!)

Er benennt die Schwachstellen: bei sehr großen Betriebsvermögen, bei großen Immobilienbeständen, bei Share Deals, bei organisierter Steuerhinterziehung wie zum Beispiel Cum-Cum. Vieles davon ist diskussionswürdig, und ich sage ausdrücklich: Nicht alles, was heute legal ist, ist gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn sich stark Vermögende über Ausnahmen aus der gemeinsamen Verantwortung herausziehen können, dann fehlt dieses Geld am Ende bei den Kitas, bei bezahlbarem Wohnraum oder einer leistungsfähigen Infrastruktur. 

Aber auch für den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen gilt: Sorry, wer so viele unterschiedliche Baustellen in einen Antrag packt, darf sich nicht wundern, wenn am Ende das Wesentliche ungeklärt bleibt, 

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach so?)

zum Beispiel: Wie setzen wir das verfassungssicher um? Wie setzen wir das ohne Aufbau von Bürokratiemonstern um? Wie stellen wir sicher, dass echte Unternehmensnachfolgen nicht stranguliert werden, während reine Steuergestaltung konsequent beendet wird? - Genau daran arbeiten wir. Wir werden uns damit in der Koalition spätestens nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Erbschaftsteuer sehr verantwortungsbewusst auseinandersetzen.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Linie bei dem Thema ist klar - ich möchte sie kurz skizzieren -: Wir brauchen eine gerechte, eine einfache und eine verfassungsgemäße Erbschaftsteuer. Große Vermögen müssen eben auch einen größeren Beitrag leisten als kleine. Gleichzeitig müssen planbare Stundungen und tragfähige Zahlungsmodelle ermöglichen, dass Unternehmen weitergeführt werden können und Arbeitsplätze gesichert werden. 

Ich sage auch klar: Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt will, muss mehr tun, als nur über Vermögen zu reden. Wir müssen gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen spürbar entlasten. Das ist eine Frage des Respekts vor Arbeit, und das ist auch eine Frage der politischen Stabilität in unserem Land. 

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In Zeiten, in denen bei vielen Menschen die Preise, Mieten und Alltagskosten drücken, darf die Politik nicht den Eindruck erwecken, sie sehe nur die eine oder die andere Seite. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist für mich klar: Steuergerechtigkeit ist kein Kampfbegriff. Steuergerechtigkeit ist Demokratieschutz.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Die nächste Rednerin ist Diana Zimmer für die Fraktion der AfD.

(Beifall bei der AfD)

Diana Zimmer (AfD): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebes Publikum! Die Anträge der Linken und Grünen haben ein gemeinsames Grundproblem, und das ist nicht das Steuerrecht hinsichtlich der Besteuerung von Erbschaften, sondern Ihr Weltbild. Sie sprechen von Gerechtigkeitslücken, von Ungleichheit. Aber die entscheidende Frage lautet: Wer entscheidet, was gerecht ist? Denn Gerechtigkeit ist kein Gefühl, sondern ein verbindlicher Maßstab. Gerechtigkeit bedeutet, dass jeder in unserer Gesellschaft seinen Beitrag leistet, auf unterschiedliche Weise, aber verbindlich für alle. 

Auffällig ist Ihre selektive Verwendung des Begriffs „leistungsloses Einkommen“. Sie meinen damit Erbschaften, Unternehmertum, Kapital, nicht aber staatliche Transferleistungen, die tatsächlich leistungslos sind. 

(Beifall bei der AfD)

Das ist kein Versehen, sondern ein klarer Doppelstandard, und er zeigt, dass Sie Ihre eigenen Maßstäbe nur dort anwenden, wo sie für Sie politisch nützlich sind. 

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Und warum sprechen Sie trotz Rekordeinnahmen ständig von Einnahmepotenzialen, aber nie von Einsparmöglichkeiten und Kostenreduktion?

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt ja nicht!)

Der deutsche Staat hat genügend Geld, aber mischt sich in viel zu viele Lebensbereiche ein. 

(Beifall bei der AfD)

Allein der Begriff „Gerechtigkeitslücken“ ist ein politischer Kampfbegriff. Steuerliche Sonderregelungen werden von Ihnen pauschal als ungerecht eingestuft. Dabei schaffen genau diese vermeintlichen Lücken Freiheit, aber auch Gerechtigkeit.

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie denn?) 

Ich frage Sie: Warum treten Sie permanent denen ans Knie, die Deutschland am Laufen halten? Was ist Ihr Ziel? Dass alle Leistungsträger gehen? 

(Zurufe von der Linken)

Darüber hinaus behaupten Sie, es sei schwieriger geworden, sich mit den eigenen Händen etwas aufzubauen. Wo bleibt hier der Faktencheck? Nie war der Zugang zu Wissen einfacher. Nie war es leichter, dank KI oder Onlinetools Einkommen zu erzielen. Nie war es leichter, privat in Aktien oder ETFs zu investieren. Nie gab es so viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden, ein Neben-Business zu starten und eben auch Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Es gibt so viele Chancen, aber zu wenig Menschen, die sie auch wirklich ergreifen. 

Statt Menschen zu ermutigen, Verantwortung zu tragen, erzählen Sie ihnen täglich, sie seien Opfer eines ungerechten Systems. Das ist nicht nur gelogen, sondern blanker Populismus; 

(Beifall bei der AfD)

denn es entmündigt die Bürger und macht sie zu stumpfen und unselbstständigen Empfängern von Almosen. 

Auch Ihre Wortwahl, dem Staat entgingen Einnahmen, ist bezeichnend für Ihr übergriffiges Weltbild. Meine Damen und Herren, dem Staat entgeht gar nichts. Das Geld gehört den Bürgern.

(Beifall bei der AfD)

Der Staat ist kein Selbstzweck, sondern dazu da, Freiheit, Eigentum und Wohlstand seiner Bürger zu schützen, und nicht, ihm all das wegzunehmen. 

Wir als AfD stehen für weniger Staat, mehr Verantwortung, mehr Freiheit.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche ein frohes Weihnachtsfest. 

(Beifall bei der AfD)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Der nächste Redner ist Olav Gutting für die Unionsfraktion. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Olav Gutting (CDU/CSU): 

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon am Mittwoch in diesem Haus bei der Debatte um den Armuts- und Reichtumsbericht versucht die linke Seite des Hauses mit Kampfbegriffen wie „perfider Reichtum“ den Neid in der Gesellschaft anzuheizen. 

(Zurufe von der Linken)

Sie versuchen, hier einen künstlichen Konflikt aufzubauen: Arm gegen Reich und Reich gegen Arm. Was Sie in Wirklichkeit machen, ist, zu spalten. Sie spalten diese Gesellschaft mit dieser Debatte. 

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Dennoch nutze ich gerne die Möglichkeit, Ihre isolierte Betrachtung sogenannter Multimillionen- und Milliardenerben, die angeblich so gut wie keine Steuern zahlen, in einen vernünftigen Kontext zu bringen. 

Bei der Erbschaftsteuer geht es eben nicht allein um die Frage des Ertrages, der im Übrigen zu 100 Prozent bei den Ländern landet, 

(Mayra Vriesema (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können ja in Bildung investieren!)

sondern auch darum, wie wir diesen Ertrag nachhaltig generieren. Wir wollen die Substanz erhalten, wir wollen sie nicht wegbesteuern. Oder - um es einfach auszudrücken -: Es ist schon ziemlich dämlich, wenn ich die Kuh schlachte, die ich eigentlich melken will. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

In den vorliegenden Anträgen der Linken und der Grünen wird vernachlässigt, dass die Erbschaftsteuer bereits heute ein sehr differenziertes Konzept aufbietet; Fritz Güntzler hat es vorhin richtigerweise geschildert. Das schließt natürlich nicht aus, dass man Gutes nicht noch besser machen kann. Wir warten ja alle auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zu einer Verfassungsbeschwerde und dem Normenkontrollverfahren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir dann in 2026 als Gesetzgeber aus Karlsruhe Hausaufgaben aufbekommen. Aber eines muss dabei ganz klar sein: Der Übergang von Anteilen an Familienunternehmen oder die Übertragung von kleineren Unternehmen muss bezahlbar bleiben. 

(Karoline Otte (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das will auch niemand hier ändern!)

Das ist doch der Kern der ganzen Debatte. Der Kern dieser Debatte ist: Wer viele Millionen Euro auf einem Konto erbt, der zahlt doch heute schon bis zu 50 Prozent Erbschaftsteuer. 

Wenn Sie von den Linken hier pauschal behaupten, Erbschaften und Schenkungen ab 20 Millionen Euro würden niedriger besteuert als kleine Erbschaften, dann stimmt das einfach nicht. Das ist blanker Populismus. Es ist nicht richtig. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Den Unterschied macht doch das Betriebsvermögen. Und hier gilt: Der betrieblich gebundene Kern des Vermögens muss privilegiert bleiben, 

(Beifall bei der CDU/CSU)

nicht aus Jux und Dollerei und nicht, weil wir irgendwelchen Lobbyisten auf den Leim gehen, sondern zum Schutz und Erhalt von Unternehmensstrukturen, von Unternehmenssubstanz, von Arbeitsplätzen und von Wirtschaftskraft. Darum geht es im Kern. 

(Dr. Fabian Fahl (Die Linke): Das ist Arbeitgeberpolitik! Sie haben das nicht verstanden! - Gegenruf des Abg. Kay Gottschalk (AfD): Die stellen die Arbeitsplätze!)

Änderungsbedarf sehe ich deswegen zum Beispiel bei der Bewertung des Betriebsvermögens. Die aktuelle Bewertung von Unternehmensanteilen wirkt oft wie ein Zerrbild. Die derzeitigen Regelungen führen in der Praxis regelmäßig zu gravierenden Überbewertungen. Was wir hier eigentlich bräuchten, wäre eine handhabbare, eine sachgerechte Berücksichtigung etwa von Verfügungsbeschränkungen. Der jetzt gewählte Substanzwert im Bewertungsgesetz sollte durch einen vernünftigen, betriebswirtschaftlich anerkannten Liquidationswert ersetzt werden. 

(Beifall der Abg. Fritz Güntzler (CDU/CSU))

Aber auch abseits des betrieblichen Vermögens gibt es Verbesserungsbedarf. Die vergangenen Jahre haben eine erhebliche Inflation gesehen. Doch seit über 15 Jahren wurden die Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht mehr angepasst. Das führt zu einer schleichenden Erhöhung der Substanzbesteuerung und immer weiterem, tieferem Eingriff in das familiäre Kernvermögen. Deshalb ist aus meiner Sicht eine Erhöhung der Freibeträge nach über 15 Jahren überfällig. 

Was wir jedenfalls nicht brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuhörerinnen und Zuhörer, sind Neiddebatten. Wir brauchen keinen spalterischen Ungleichheitsdiskurs, sondern eine Erbschaftsteuer, die Familien schützt, Betriebe erhält und gesellschaftliche Verantwortung stärkt. 

(Mayra Vriesema (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und was ist mit den Familien, die kein Vermögen zu vererben haben?)

Genau aus diesem Grund sind Ihre Anträge heute abzulehnen. 

Dennoch wünsche ich Ihnen eine besinnliche und frohe Weihnachtszeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Ich erteile das Wort für die nächste Rede Karoline Otte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Karoline Otte (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In deutschen Kommunen wird der Rotstift angesetzt, weil das Geld fehlt. Kitas kürzen Öffnungszeiten, Buslinien fallen weg, Schwimmbäder schließen. Während für das, was vor Ort unsere Städte, Gemeinden und Landkreise ausmacht, das, von dem vor Ort alle Menschen profitieren, kein Geld mehr übrig ist, gilt in unserem Steuersystem an viel zu vielen Stellen: Nur wer hat, kriegt noch geschenkt. 

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine Handvoll sehr, sehr, sehr reicher Menschen darf von massiven Steuerprivilegien profitieren und bekommt vom Staat Milliarden geschenkt. 

Herr Gutting, während Sie versuchen, Neiddebatten zwischen Geflüchteten und Bürgergeldempfängerinnen und Bürgergeldempfängern, der Frau an der Supermarktkasse und dem Menschen im Sozialhilfebezug zu führen, benennen wir hier echte Gerechtigkeitslücken. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

Das sind die Debatten, die wir führen müssen. 

Drei Viertel der deutschen Milliardenvermögen sind ererbt und nicht durch eigener Hände Arbeit entstanden. Allein zwischen 2024 und 2025 sind diese Milliardenvermögen um weitere 150 Milliarden Euro in die Höhe geschossen, 

(Kay Gottschalk (AfD): Ja, das ist gut so!)

auch das nicht durch eigener Hände Arbeit, sondern durch Aktienrenditen, die andere Leute erarbeitet haben, durch Mieten, die andere Leute zahlen mussten, durch Unternehmensdividenden, für die andere Leute jeden Tag gearbeitet haben. Abstrus reiche Menschen werden in unserem Land immer schneller immer noch reicher und bauen sich Pools auf ihre Superjachten, während vor Ort das Schwimmbad schließt. Das ist der Skandal. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jörn König (AfD): Liegt am Geldsystem! Das sollten Sie mal ändern! - Mechthilde Wittmann (CDU/CSU): Mehr Populismus geht nicht mehr! Wenn man von der Sache keine Ahnung hat, dann Populismus!)

Was das Ganze auf die Spitze treibt, ist das, was passiert, wenn diese absurden Vermögen durch Erbschaften oder Schenkungen auch noch den Besitzer wechseln. Wie viel Prozent Steuern werden auf die Erbschaften dieser absurd hohen Vermögen fällig? Lächerliche 1,5 Prozent - so hoch war der tatsächlich gezahlte Steuersatz für vererbte Milliardenvermögen in 2024. Mathias Döpfner hat von Friede Springer Anteile am Springer-Konzern im Wert von 1 Milliarde Euro übertragen bekommen - steuerfrei wegen der Verschonungsbedarfsprüfung. Sie können mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass das gerecht ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

Die klaffenden Lücken bei der Erbschaftsteuer für die ganz, ganz großen Vermögen sorgen dafür, dass sich Deutschland zunehmend zu einer Erbengesellschaft entwickelt. Wir haben als Grüne ein Gutachten vorgelegt, das zeigt, was möglich ist. Also packen Sie es bitte an! Und diese Lücken im Erbschaftsteuerrecht sind nur Beispiele für die Scheunentore, die unser Steuerrecht für Milliardärinnen und Milliardäre sperrangelweit öffnet.

(Jörn König (AfD): Vor allen Dingen steht Milliardären die Welt offen! Die müssen sich nicht in Deutschland mit grüner Politik beschäftigen!)

Es ist vollkommen unverständlich, was unser Steuerrecht an der Stelle möglich macht und was dann an Geld in unseren öffentlichen Kassen vor Ort fehlt. Das Geld wird aber gebraucht, -

Vizepräsident Omid Nouripour:

Sie müssen zum Ende kommen, bitte.

Karoline Otte (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

- nicht für Jachten, Privatjets und Trustfonds, sondern für Kitas, Busse und Schwimmbäder. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Ich bitte noch einmal um Verständnis und möchte daran erinnern, dass wir, wie Frau Präsidentin Klöckner vorhin, auch aufgrund der namentlichen Abstimmungen, angekündigt hat, keine Kurzinterventionen und Zwischenfragen zulassen. 

Die nächste Rednerin ist Doris Achelwilm für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der Linken)

Doris Achelwilm (Die Linke): 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland ist die Ungleichheit so extrem, dass es allen demokratischen Kräften hier peinlich sein sollte. Zwei Familienunternehmen, Familie Boehringer und Familie Schwarz, haben mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung; zwei Familien haben das gleiche Vermögen wie 40 Millionen Menschen. Ich weiß nicht, wie groß die Kinderarmut oder das Haushaltsloch noch werden muss, um den politisch gemachten Verteilungskollaps endlich anzugehen und Milliardäre klar zu besteuern. 

(Beifall bei der Linken)

Es gibt Zeichen, dass diese Notwendigkeit auch in der GroKo nicht mehr verdrängt werden kann. Aber dann wird doch nur wieder bei den Sozialkosten übertrieben und dagegen geschossen, um mit der Bürgergeldreform den Ärmsten knapp 86 Millionen Euro abzuknapsen. Ist es das wert? Wir sagen: Nein, absolut nicht. Das ist ein Ablenkungsmanöver auf Kosten der Bedürftigsten, und das ist wirklich sehr unangenehm. 

(Beifall bei der Linken)

75 Prozent der Milliardäre in diesem Land haben ihr Vermögen geerbt. Diese leistungslosen Großerben werden weit niedriger besteuert 

(Zuruf von der AfD: Die zahlen einen Großteil der Steuern!)

als die Einkommen aus Erwerbsarbeit. Hier liegt das Geld. 

(Beifall bei der Linken)

Wenn wir über Effizienz im Regierungshandeln reden, müssen wir über eine Erbschaftsteuer reden, die fair ist und die funktioniert. 2024 sind 300 bis 400 Milliarden Euro - man weiß es mangels Vermögensteuer ja nicht so genau - vermacht worden, das meiste am Fiskus vorbei. Nur 13 Milliarden Euro, also rund 4 Prozent davon, landeten bei den Ländern und Kommunen, wo die Erträge dringend gebraucht werden. 

(Zuruf von der Linken: Richtig!)

Wer das vielzitierte Haus der Großmutter erbt, der zahlt. Anders ist das - wir haben es hier schon gehört - ausgerechnet bei einer Erbmasse ab 300 Wohnungen; dann greift die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung für Betriebsvermögen, und man zahlt praktisch nichts. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Regelung! Wie absurd diese Gönnung für Großbesitzer ist, zeigt der Familienpatron eines norddeutschen Unternehmens, der im großen Stil Wohnungen kauft, um Steuern zu sparen. 150 hat er schon zusammen. Ab 300 Wohnungen beginnt das Erbenparadies. 

Vizepräsident Omid Nouripour:

Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Doris Achelwilm (Die Linke): 

Es ist wirklich absurd. Dieser Ansatz muss aus politischen Gründen weg. 

Ich komme zum Schluss. 

Vizepräsident Omid Nouripour:

Sie müssen zum Ende gekommen sein.

Doris Achelwilm (Die Linke): 

Eine Ertüchtigung der Erbschaftsteuer ist bitter nötig. Wir fordern es, andere fordern es auch. Kommen Sie ins Handeln! 

Vielen Dank. 

(Beifall bei der Linken)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Der nächste Redner ist Dr. Matthias Hiller für die Unionsfraktion. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Philipp Rottwilm (SPD))

Dr. Matthias Hiller (CDU/CSU): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ungleichheit in Deutschland ist eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung, eine Herausforderung, die auch unsere Steuerpolitik betrifft, 

(Isabelle Vandre (Die Linke): Das ist keine Herausforderung! Das ist ein Versagen!)

weil sie uns immer wieder vor Augen führt, dass wir Leistungsanreize, Leistungsfähigkeit und Eigentumsschutz in ein ausgewogenes Gleichgewicht bringen müssen. 

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich […] der Allgemeinheit dienen.“ Diesen Auftrag gibt uns unser Grundgesetz. Das Grundgesetz schützt Eigentum, es verpflichtet aber auch. Ich will es so deutlich sagen: Genau diesem Umstand wird das Steuerrecht in seiner geltenden Fassung auch gerecht. Die Gemeinschaft erhält regelmäßig einen hohen Anteil am Erwerb von Vermögen. Sie partizipiert an der Wertschöpfung, sie besteuert Konsum, Eigentum und Erträge. 

Wenn wir darüber diskutieren, inwieweit die Steuerpolitik staatliche Einnahmen umverteilen soll, dann müssen wir uns immer auch vor Augen führen, wo Wohlstand in unserem Land geschaffen wird: Knapp 90 Prozent der Bruttoanlageinvestitionen in Deutschland werden von Unternehmen getätigt. 88 Prozent aller Erwerbstätigen - das sind rund 41 Millionen Menschen in diesem Land - sind in der privaten Wirtschaft tätig. Versorgungssicherheit, Bildung, Forschung und Justiz, das ist alles wichtig in unserem Land. Aber es wird erst durch die Steuerzahlungen, die letztlich von Unternehmen generiert werden, ermöglicht. Eine Politik, die Unternehmertum fördert, ist deswegen kein Selbstzweck; sie ist Voraussetzung für das Funktionieren unserer sozialen Marktwirtschaft. 

Ich will es noch einmal so deutlich sagen: Wir müssen uns auch die geopolitischen Verhältnisse anschauen. Unser Wirtschaftsmodell steht unter Druck: Strukturwandel in vielen Bereichen, eine aggressivere Zollpolitik, hohe Energiepreise, strategischer Wettbewerb mit China, und für unsere Unternehmen gelten viele Auflagen und Berichtspflichten. Vor diesem Hintergrund ist eine Politik, die auf den Fortbestand von Familienunternehmen setzt, auf jeden Fall richtig. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor allem geht es nicht darum, dass wir darin die Vermögensmehrung bei Einzelnen sehen. Durch den Schutz von Familienunternehmen, auch durch steuerliche Anreize, verfolgen wir die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Sicherung von Steuereinnahmen in diesem Land. Wer einen Betrieb erbt, der erbt nicht nur Vermögen, sondern auch Verantwortung in diesem Land,

(Beifall bei der CDU/CSU)

Verantwortung für Arbeitsplätze, Verantwortung für Investitionen und je nach Betrieb vielleicht auch die Verantwortung für ganze geografische Regionen. 

(Mechthilde Wittmann (CDU/CSU): Genau so ist es!)

Wird der Erbe dieser Verantwortung gerecht, dann können Verschonungsregeln greifen. Diese Verschonungsregeln haben wir an klare Bedingungen geknüpft: an ein geringes Verwaltungsvermögen, an mindestens fünf Jahre Betriebsfortführung, an die Höhe von Löhnen.

Ich will es noch mal deutlich sagen: Das ist kein Steuergeschenk, über das wir reden, es ist eine Investition in die Stabilität von Unternehmen und damit auch in Arbeitsplätze in diesem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Möglichkeit der Regel- und Optionsverschonung, die Abschmelzmodelle, die Stundung der Steuern, um Zwangsverkäufe zu vermeiden, all das verfolgt ein klares Ziel: Unternehmen sollen erhalten bleiben, und die Erbschaftsteuer, die ja in die Substanz der Unternehmen eingreift, soll so weit zurückgedrängt werden, dass Unternehmer auch nach wie vor Investitionen in ihren Unternehmen tätigen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Verschonung abzuschaffen und durch Stundungsregeln zu ersetzen, würde Arbeitsplätze gefährden und auch unsere industrielle Basis schwächen. Das kann nicht Ziel unserer Politik sein. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich war in der vergangenen Woche im Fernsehen, beim SWR, Diskutant zum Thema „Ungleichheit und Steuern“. 

(Zurufe von der AfD: Oh! Toll!)

Auf der einen Seite saßen ein Aktivist und eine alleinerziehende Mutter. Auf der anderen Seite saß ein Schönheitschirurg, der durch eigene Leistung Luxus aufgebaut hat, der ein teures Auto fährt, ein teures Haus hat, der aber auch ein Geschäftsmann ist, der früh Risiken übernommen und dadurch ein eigenes Unternehmen aufgebaut hat. Sein Studium hat er selbst finanziert. 

An dieser Stelle hätte auch ein Familienunternehmer aus meinem Wahlkreis sitzen können, ein Handwerker, der mit 24 Jahren einen Betrieb gegründet hat, der jetzt 90 Mitarbeiter beschäftigt, ein Vater, der jeden Tag überlegt, wie er dieses aufgebaute Unternehmen an die nächste Generation weitergeben kann.

Gerechtigkeit entsteht nicht durch Gleichmacherei, sondern durch Chancen. Steuerpolitik kann diese Chancen schaffen, wenn sie Leistungen belohnt, Eigentum fördert und Investitionen zulässt und nicht behindert. Genau dafür steht die Erbschaftsteuer in der jetzigen Fassung.

Vielen Dank und schöne Weihnachten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Der nächste Redner ist Christian Douglas für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

Christian Douglas (AfD): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Die Linke nennt es „Steuerprivilegien für […] Erbschaften“. Dabei erweckt sie den Eindruck, als ginge es hier um Privatjets und Luxusjachten. 

(Zuruf von der Linken: Geht es doch auch!)

Aber es geht im Antrag tatsächlich um die Übertragung von Betriebsvermögen, also um produktives Kapital, das dem Standort langfristige Steuereinnahmen und Arbeitsplätze sichert.

Erfolgreiche Unternehmen sind für Linke jedoch nur das Ergebnis einer angeblich ungerechten Verteilung; denn es muss ja alles gleich sein. Gäbe es so etwas wie eine linke Logik, dann könnte jeder Mensch ein Fußballer wie Cristiano Ronaldo werden. Wenn das nicht klappt, dann ist die Diskriminierung schuld oder der böse Trainer oder die Gesellschaft. In jedem Fall ist immer jemand anderes schuld, aber niemals man selbst.

(Beifall bei der AfD)

Cristiano Ronaldo hat jedoch unglaubliche Anstrengungen unternommen: jeden Tag stundenlanges Training, kein Alkohol, wenig Freundschaften. Er hat alles seinem Ziel untergeordnet. Sein Erfolg ist weder Zufall noch ungerecht. Er ist das Ergebnis von Fleiß und Disziplin.

Genauso geht es fast allen Unternehmern. 

(Zuruf der Abg. Heidi Reichinnek (Die Linke))

Sie haben ihren Wohlstand unter hohen finanziellen Risiken aufgebaut - ohne Urlaub, ohne Wochenende, immer für die Firma im Einsatz und immer selbst verantwortlich. Diese Menschen sind nicht unsere Gegner. Sie sind unsere Freunde, sie bringen Deutschland voran.

(Beifall bei der AfD)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Herr Douglas, ich lasse gerade kurz die Uhr anhalten. - Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, ein bisschen Ruhe einkehren zu lassen. Wir wollen alle bis zum Ende der Aussprache denjenigen, die hier vortragen, folgen können, sodass ich darum bitte, dringende Gespräche draußen fortzusetzen. Dann können wir hier konzentriert weitermachen. Herzlichen Dank. - Jetzt können Sie weitermachen.

Christian Douglas (AfD): 

Linke und Grüne stellen sich heute gemeinsam erneut die Frage: Wie kommt dein Geld in meine Tasche? Dazu benötigen sie das komplett falsche Narrativ „Deutschland ist ein reiches Land“. Der deutsche Staat ist zwar fett und verteilt massenhaft Geld, aber die Bürger arbeiten viel und sind relativ arm. Im Vergleich liegen wir sowohl beim Privatvermögen als auch beim Immobilienbesitz unter dem europäischen Durchschnitt.

(Dr. Malte Kaufmann (AfD): So ist es!)

Während Ihre Langzeitstudentenklientel von 30-Stunden-Woche und Freizeit fabuliert, machen Sie sich mit immer höheren Substanzsteuern daran, das Letzte zu zerstören, das in Deutschland noch erfolgreich ist: den produktiven Mittelstand.

(Beifall bei der AfD - Isabelle Vandre (Die Linke): Um den Mittelstand geht es doch überhaupt nicht in den Anträgen!)

Sie demotivieren alle, die mit ihrem Beitrag das ganze System noch am Laufen halten. Wenn Sie deren Leistung immer höher besteuern und für den Aufbau von Vermögen bestrafen, werden die Fleißigen ihre Arbeit einstellen oder das Land verlassen. Daran ist jeder linke Staat zerbrochen. 

(Zurufe von der Linken)

Wir wollen aber keinen linken Staat. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine erfolgreiche Gesellschaft Leistung belohnen muss. Die AfD ist ausdrücklich für Chancengleichheit aller Bürger. Aber Chancen muss man sich erarbeiten, und man muss sie auch nutzen. Dafür sind wir ein freies Land, und das wollen wir - im Gegensatz zu Ihnen - auch bleiben.

(Beifall bei der AfD)

Deshalb sagen wir Nein zu immer höheren Ausgaben, Nein zu immer mehr Umverteilung und Nein zur Erbschaftsteuer. Wir sagen Ja zu einem schlanken Staat, zu Freiheit, Wohlstand und Unternehmertum.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Der nächste Redner ist Heiko Hain für die Unionsfraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte noch einmal unterstreichen: Es wäre sehr fair, wenn die letzten beiden Redner hier noch ein bisschen Aufmerksamkeit genießen könnten, indem es möglich ist, ihnen auch akustisch zu folgen. - Herr Hain, Sie haben das Wort.

Heiko Hain (CDU/CSU): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit gleich zwei Anträgen rund um das Thema Erbschaftsteuer beschäftigen wir uns heute - mal wieder. Und zum wiederholten Male sind die vorgetragenen Behauptungen von der linken Seite des Hauses volkswirtschaftlicher und sozialpolitischer Unsinn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jedem sollte bewusst sein: Der Antrag der Linken ist für die Handwerksbetriebe, für die selbstständigen Familienbetriebe, für den Mittelstand in unserem Land eine große Gefahr. Genau diese sind aber das Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft. Sie brauchen unsere Unterstützung und nicht neue Steuern, neue Vorschriften und ständig neue Gängeleien, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Kollegen, wir hier im Parlament sind Gesetzgeber. Deshalb sollten wir uns auch über ausgereifte und realistische Anträge unterhalten. Die Linken stellen aber erneut einen Antrag mit plumpen und populistischen Forderungen. Sie wollen Unternehmen und die Betriebsnachfolge stärker besteuern und damit an die Substanz. Dabei verstehen Sie nicht oder wollen es nicht verstehen, welche wirtschaftlichen und sozialpolitischen Auswirkungen dies nach sich zieht. 

Sie schlagen tatsächlich vor - ich zitiere -: „Steuerschulden sollten in Zukunft auch in Form von Vermögensanteilen beglichen werden […].“

Das ist Verstaatlichung über die Hintertür der Erbschaftsteuer. Darauf muss man erst mal kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Diese sozialistischen Tagträume können Sie beim Linken-Parteitag diskutieren. Die gehören aber nicht ins Parlament, sondern in die steuerpolitische Mottenkiste. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Sehr gut!)

Sie nutzen diese Debatte auch mal wieder dazu, um Ihre Gleichmachereifantasien unter dem Deckmantel sozialer Gerechtigkeit zu verkaufen. Dabei führen Sie bewusst hinters Licht und in die Irre; denn niemand in diesem Hause möchte ernsthaft Milliardenerben Steuerprivilegien einräumen, nur um dadurch die Ungerechtigkeit zu fördern. 

Auch Ihr ständiges Argument von der linken Seite „Alles ist in Deutschland so ungerecht!“ macht es nicht besser. Ich empfehle Ihnen die Lektüre der Kleinen Anfrage an die Bundesregierung zur Vermögensungleichheit in Deutschland aus diesem Jahr. Da werden Sie Folgendes finden: Das Maß der „Ungleichheit hat sich seit 2010/2011 leicht reduziert.“

(Zuruf der Abg. Karoline Otte (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Und auch die Studie der Bundesbank aus dem April 2025 zeigt ein ähnliches Bild. Dort heißt es: Die Vermögensbestände haben zwischen 2021 und 2023 erneut auf breiter Basis zugenommen, und insbesondere auch bei Haushalten mit geringem Vermögen gab es Zuwächse zu den vorhandenen Beständen.

Das soll natürlich nicht heißen, es gäbe keine Herausforderungen. Aber hören Sie auf, den Menschen dauernd zu erzählen, es sei hier alles so ungerecht und Vermögende würden keine Steuern zahlen und müssten daher endlich zur Kasse gebeten werden, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Heidi Reichinnek (Die Linke): Das müssen wir nicht erzählen! Das merken sie selber jeden Tag!)

Denn eines zeigt Ihr Antrag auch: Sie unterscheiden nicht, Sie berücksichtigen nicht die Besteuerung von Betriebsvermögen. Sie sprechen in Ihrem Antrag von leistungslosem Einkommen, das vererbt wird. Dieser Ansatz ist vollkommen falsch. Denn selbstverständlich ist dies hart erarbeitetes Vermögen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf der Abg. Heidi Reichinnek (Die Linke))

das bei einem Handwerksbetrieb oder bei Mittelständlern an die nächste Generation weitergegeben wird, um den Betrieb fortzuführen, um Arbeitsplätze zu erhalten, wodurch Steuern gezahlt und die Kassen der Sozialsysteme gefüllt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Klassenkampfrhetorik ist der falsche Weg. Wir sehen Unternehmen nicht als unsere Feinde, die bekämpft werden müssen, sondern als unsere Partner.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich gebe an dieser Stelle aber auch zu bedenken: Ja, die aktuelle Erbschaftsteuer ist reformbedürftig. Gerade für Erben einer Immobilie oder einer kleinen Wohnung in Ballungsräumen gibt es hier Handlungsbedarf. Diese betroffenen Personen müssen immer häufiger Steuern zahlen, da die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren massiv angestiegen sind, die Freibeträge aber nicht angepasst wurden. Genau da müssen wir ran. Deshalb ist die Regionalisierung der Erbschaftsteuer ein richtiger Weg, um diese Entwicklung zu berücksichtigen. Hier werden wir als CSU dranbleiben. Ihre Anträge hingegen tragen zu keiner Lösung bei, und deshalb lehnen wir sie ab. 

In diesem Sinne: Ein frohes Fest!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Omid Nouripour:

Vielen Dank. - Der letzte Redner in dieser Debatte ist Reinhard Mixl für die Fraktion der AfD.

(Beifall bei der AfD)

Reinhard Mixl (AfD): 

Herr Präsident! Werte Kollegen! Entgegen den Umverteilungsfantasien von Linken und Grünen, die Erben und Erblasser zusätzlich belasten sollen, bekennen wir uns klar zur Freiheit des Eigentums. Wer Eigentum hat und erarbeitet hat, muss es nutzen, bewahren und steuerfrei weitergeben dürfen. Mit der stetig geforderten Herstellung von Gerechtigkeit hat das nichts zu tun. Denn wer bestimmt, wo Gerechtigkeit beginnt und wo sie endet? 

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer bestraft bereits mehrfach besteuertes Vermögen: Ersparnisse, Unternehmensanteile und Immobilien wurden beim Erwerb und im Betrieb bereits besteuert. Am Lebensende greift der Staat erneut zu. Diese Doppelbesteuerung

(Stefan Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Unsinn!)

ist leistungsfeindlich und behindert dazu Konsumverzicht zur Vermögensbildung. Sie gefährdet im Übergang an die nächste Generation Arbeitsplätze, Innovation und künftige Wertschöpfung. Die Erbschaftsteuer ist nichts anderes als eine Abgabe auf den Tod, 

(Beifall bei der AfD)

die Familien dafür bestraft, Wohlstand anzusammeln und weiterzugeben. Sie füttert nur den Gierstaat, die Raupe Nimmersatt, und drangsaliert ausgerechnet diejenigen, die langfristig denken, Verantwortung tragen, investieren und Werte schaffen. 

AfD-Ziel ist es, Eigentum und Vermögen in der Breite durch niedrige Steuern, einfache Regeln und den Abbau überflüssiger Steuerbürokratie zu ermöglichen. Die Bürger müssen wieder Geld in der Tasche haben, und zwar ohne sich vom Staat permanent verfolgt zu fühlen. 

(Beifall bei der AfD)

Die Erbschaftsteuer ließe sich ohne neue Belastungen einfach streichen. Schon 70 Milliarden Euro aus dem völlig unsinnigen Klima- und Transformationsfonds für 2025/2026, konsequent eingetriebene Steuern aus Cum-Cum und Cum-Ex

(Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit Ihnen wären alle Belege vernichtet! - Frauke Heiligenstadt (SPD): Sie wollten doch die Aufbewahrungsfristen reduzieren! In fünf Jahren wären keine Eintreibungen mehr möglich!)

und der Verzicht auf die kriegstreibenden, friedenverhindernden Ukrainemilliarden würden die Streichung der Erbschaftsteuer mehrfach finanzieren. So schaffen wir echte Entlastungen, ohne Mittelstand und Unternehmen neu finanziell zu belasten. 

Gehen Sie raus zu den Familienunternehmern. Reden Sie nicht über sie, reden Sie mit ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Draußen in den Werkhallen, auf Baustellen, in Büros wird Vermögen nicht gedruckt, sondern erarbeitet - gegen harten Wettbewerb. Die Erbschaftsteuer wirkt wie Sand im Getriebe bei der Übergabe an die Erben. 

Viele Länder zeigen: Es geht auch ohne Erbschaftsteuer. Entscheidend ist auch, dass Deutschland im globalen Steuerwettbewerb nicht den Anschluss verliert. 

Und was mich am meisten nervt, ist: 

(Isabelle Vandre (Die Linke): … die AfD!)

In den letzten zehn Jahren wurden die Steuereinnahmen in unserem Land verdoppelt, aber es reicht dem Staatsapparat hinten und vorne nicht. Wir lehnen die Erbschaftsteuer ab und die Anträge der Linken und Grünen ebenfalls. 

Danke. 

(Beifall bei der AfD)

Vizepräsident Omid Nouripour: 

Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache. 

Tagesordnungspunkt 30. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Steuerprivilegien für höchste Erbschaften streichen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 21/2691, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 21/627 abzulehnen. 

Die Fraktion Die Linke hat namentliche Abstimmung verlangt. 

Die Abgeordneten hier im Saal bitte ich, noch für eine weitere Abstimmung zu bleiben. 

Sie haben zur Abgabe Ihrer Stimme nach Eröffnung der Abstimmung 20 Minuten Zeit. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist bereits passiert. Ich eröffne die namentliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung auf Drucksache 21/2691. Die Abstimmungsurnen werden um 12:04 Uhr geschlossen. Das bevorstehende Ende der namentlichen Abstimmung wird Ihnen rechtzeitig bekannt gegeben. 

Wir setzen die Abstimmung fort: Zusatzpunkt 5. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Gerechtigkeitslücken im Steuersystem schließen - Ausnahmen bei Erbschaft- und Immobilienbesteuerung abbauen und organisierte Steuerhinterziehung wie Cum/Cum bekämpfen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 21/3349, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 21/2028 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist die Unionsfraktion, die AfD-Fraktion und die Fraktion der SPD. Wer stimmt gegen diese Beschlussempfehlung? - Das sind Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Dann ist die Beschlussempfehlung so angenommen.

 

Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 
51. Sitzung – wird am

Montag, den 22.12.2025

auf der Website des Bundestages unter „Dokumente“, „Protokolle“, „Endgültige Plenarprotokolle“ veröffentlicht.