Der Bundestag hat am Donnerstag, 26. Juni 2025, erstmals zwei Gesetzentwürfe der AfD-Fraktion über die „Beseitigung der Klimaschutzfolgen und Wiederherstellung der Energieinfrastruktur in Deutschland“ (21/575, 21/576) beraten. Beide Initiativen wurden im Anschluss an die Aussprache an die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung übernimmt der Ausschuss für Wirtschaft und Energie.
Erster Gesetzentwurf der AfD
Die AfD-Fraktion hat dem Bundestag zwei Gesetze vorgelegt, die die bisherige Klimapolitik des Landes komplett infrage stellen und abschaffen wollen. Mit dem ersten Gesetzentwurf (21/575) strebt die AfD eine Grundgesetzänderung an und fordert die Änderung des Artikels 143h im Grundgesetz (GG) sowie die Aufhebung des dort festgeschriebenen Ziels zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045.
Der Artikel 143h des Grundgesetzes ist erst wenige Wochen in Kraft, für ihn hatten im März Bundestag und Bundesrat weitreichende Änderungen der Haushalts- und Finanzverfassung beschlossen. Der Bund kann damit ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten. Zudem steht ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds bereit.
Zweiter Gesetzentwurf der AfD
Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung der Klimaschutzfolgen und Wiederherstellung der Energieinfrastruktur in Deutschland - Klimaschutzfolgenbereinigungsgesetz“ (21/576) sollen das Atomgesetz geändert und 23 Gesetze – unter anderem der Klima- und Transformationsfonds, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), der Zertifikate-Handel, das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sowie die Gesetze zum Atom- und Kohlestromausstieg – aufgehoben werden, die zum Erreichen der Klimaziele erlassen wurden.
Die AfD nennt diese Vorhaben „im Wesentlichen ideologisch motiviert“ und „daher verzichtbar oder sogar schädlich“. Außerdem soll Deutschland das Kyoto-Protokoll von 1997 kündigen und aus dem Übereinkommen von Paris 2015 aussteigen.
„Deindustrialisierung Deutschlands aufhalten“
Mit dem Gesetz will die AfD „den wirtschaftlichen Niedergang und die Deindustrialisierung Deutschlands aufhalten und damit eine fortschreitende Verarmung verhindern“. Ein nennenswerter Einfluss von menschlich verursachtem CO2 in der Atmosphäre auf das Klima der Erde sei laut AfD weder erkennbar noch wissenschaftlich nachgewiesen. Vielmehr wohne Prognosen der klimatischen Entwicklung, die über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren hinausgreifen, „nach wie vor keinerlei Vorhersagekraft mehr inne“. Deshalb sei es „erheblich zielführender“ und daher geboten, sich den klimatischen Bedingungen in erforderlicher Weise anzupassen. Dies sei bislang nur unzureichend erfolgt.
Daher sollten, sobald es die Haushaltslage erlaube, Mittel im Bundeshaushalt bereitgestellt werden, „die Deutschland für Notsituationen und Naturkatastrophen besser vorbereiten“. Die Energieversorgung und damit die Netzstabilität könne und müsse in Hinblick der notwendigen Versorgungssicherheit durch nichtvolatile Quellen sichergestellt werden, „insbesondere durch saubere fossile und nukleare Kraftwerke“.
„Wiedereinstieg in die Kernenergie“
Da der Ausstieg aus der Kernenergie „inzwischen viel zu weit fortgeschritten“ sei, müsse „ein staatlicher Wiedereinstieg angestrebt werden“. Die bisherige Infrastruktur aus Kohle-, Gas- und Kernkraftwerken habe sich für „eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung bewährt“, deshalb sollten die Anlagen weiterbetrieben bzw. wieder in Betrieb genommen werden.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die CO2-Bepreisung gelten für die AfD als Hauptursache der Deindustrialisierung Deutschlands und der hohen Energiepreise hierzulande. Nach 20 Jahren EEG sei für die erneuerbaren Energien trotz „exorbitanter Subventionen“ eine Konkurrenzfähigkeit „noch nicht einmal absehbar“. Die Abschaffung des Treibhausgas-Emissionshandels und des Brennstoffemissionshandelsgesetzes würde „Bürger und Unternehmen“ hingegen „substanziell entlasten“ und den Unternehmen „dringend benötigte finanzielle Spielräume geben“.
AfD: Energiewende ist gescheitert
Karsten Hilse (AfD) begründete die Notwendigkeit der von seiner Partei vorgeschlagenen Maßnahmen mit dem „erbärmlichen Zustand“, in dem sich das „Industrieland Deutschland befindet“. Die Energiewende, die in Deutschland seit 25 Jahren betrieben werde, sei „gescheitert“, und es brauche eine „Kehrtwende“.
Das würden auch Ökonomen, wie Hans-Werner Sinn, von 1999 bis 2016 Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, so sehen, erklärte der AfD-Politiker. Die Rede endete mit einem Eklat, weil Hilse die Vorhaben der AfD als „Fackel der Hoffnung“ bezeichnete.
CDU/CSU: Angriff auf das Grundgesetz
Nicklas Kappe (CDU/CSU) nannte die AfD-Vorschläge dagegen einen „Angriff auf das Grundgesetz“. Die beiden Gesetzentwürfe bedeuteten nichts weniger als die komplette Entkernung der Klimapolitik dieses Landes. Die AfD leugne den menschengemachten Klimawandel, sie entleere zentrale wirtschaftliche, wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen und bezeichne sie als ideologisch überhöhte Irrwege.
Außerdem behaupte die AfD, dass die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft eine Form von Planwirtschaft sei. „Das ist kein politischer Diskurs mehr, das ist Desinformation in Gesetzesform, und das ist dieses Hauses nicht würdig“, sagte Kappe. Die AfD betreibe mit ihren Vorschlägen „bewusste Spaltung“.
SPD: Angriff auf den Rechtsstaat
Dr. Nina Scheer (SPD) schloss sich dieser Kritik an, sie verurteilte die AfD-Entwürfe als „einen Angriff auf den Rechtsstaat“. Aber nicht nur die Vorschläge der AfD-Fraktion, sondern auch die Wortwahl zu den „Fackeln“ empfinde sie als „unerträglich“, sagte Scheer.
Im Zusammenhang mit den Aussagen in den Entwürfen spreche sich die AfD ganz „unverhohlen“ gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus. Die AfD-Fraktion zeige damit, dass sie nicht bereit sei, die höchstrichterliche Rechtsprechung zu akzeptieren.
Grüne: Rolle rückwärts
Sandra Stein (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einer „Rolle rückwärts“, die die AfD mit ihren Vorschlägen vorlege. „Aber ehrlicherweise habe ich von einer Partei, die den Klimawandel leugnet, auch nichts anderes erwartet“, so Stein in ihrer ersten Bundestagsrede.
Etliche Unternehmen hätten „längst verstanden“, dass die Transformation der Wirtschaft nicht mehr aufzuhalten sei. Den Weg weg von fossilen Brennstoffen sowie den Ausbau erneuerbarer Energie und Wettbewerbsfähigkeit zu gestalten, das sei Aufgabe von Wirtschaftspolitik.
Linke: Stahlindustrie zukunftsfest machen
Auch Mirze Edis (Die Linke) sprach in seiner ersten Rede im Bundestag von den AfD-Entwürfen als „Rolle rückwärts“ und nannte die Vorschläge „Zeitverschwendung“. Dabei sei es dringend nötig, die deutsche Wirtschaft und vor allem die Stahlindustrie „zukunftsfest“ zu machen.
Sollte Deutschland, wie von der AfD gefordert, aus dem Kyoto-Protokoll und dem Pariser Übereinkommen aussteigen, wäre das der „sichere Weg“ in die Isolation dieses Landes. (nki/26.06.2025)