Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten (Drucksachen 21/321 und 21/634)
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten (Drucksachen 21/321 und 21/634)
Der Bundestag hat am Freitag, 27. Juni 2025, die „Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär957 Schutzberechtigten“ beschlossen. In namentlicher Abstimmung votierten 444 Abgeordnete für den entsprechenden Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD (21/321), 133 lehnten ihn ab. Es gab keine Enthaltungen. In zweiter Beratung hatten CDU/CSU, AfD und SPD den Gesetzentwurf gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke angenommen.
Abgelehnt wurde ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Familiennachzug zu Schutzbedürftigen erleichtern statt aussetzen“ (21/349). Dagegen stimmten die Koalitionsfraktionen und die AfD, dafür die Grünen und die Linksfraktion. Zu beiden Vorlagen hatte der Innenausschuss eine Beschlussempfehlung (21/634) abgegeben. Zum Gesetzentwurf lag außerdem ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung zur Finanzierbarkeit vor (21/635).
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht mit dem Gesetz die migrationspolitische Überschrift dieser Legislaturperiode gesetzt: Humanität und Ordnung. Es gehe darum, den Zuzug nach Deutschland gleichermaßen zu steuern und zu begrenzen. „Deutschland ist und bleibt ein weltoffenes Land“, sagte der Minister zu Beginn der Debatte. Die Belastbarkeit der Sozialsysteme, des Bildungs- und Betreuungssystems und des Wohnungsmarktes kenne aber eine Grenze. „Deshalb muss auch der Zuzug nach Deutschland eine Grenze kennen. Diese bilden wir politisch ab.“
Zudem werde mit der Aussetzung das Geschäftsmodell krimineller Banden zerschlagen. Dieses Modell sehe vor: Einer muss es nach Deutschland schaffen, dann kann die ganze Familie nachziehen. Bei den subsidiär Schutzberechtigten, so Dobrindt weiter, handle es sich um Menschen, „die ausdrücklich keinen Asylanspruch haben und auch nicht als Flüchtling entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind“. Dennoch machten sie sich auf den Weg nach Deutschland, weil bekannt sei, dann man auch ohne Asylanerkennung seine Familie nachziehen lassen kann. „Diesen erheblichen Pull-Effekt beseitigen wir heute.“
Von einem kleinen und richtigen Schritt, „der aber nicht ausreicht“, sprach Dr. Christian Wirth (AfD). Es handle sich um „symbolische Migrationspolitik im Kleinformat“. 12.000 Nachzüge pro Jahr soll es künftig nicht mehr geben – bei jährlich rund 250.000 neuen Asylanträgen. Es werde also eine Notoperation an einem Symptom vorgenommen, während das System weiterhin aus dem Ruder laufe, sagte Wirth. Das Grundproblem des Landes sei die Überforderung durch eine fehlgeleitete und ungesteuerte und zum Teil selbstzerstörerische Asylpolitik.
Der AfD-Abgeordnete sagte weiter, eine Verteidigung des Familiennachzugs mit Verweis auf das Grundgesetz sei irreführend. „Es gibt kein Grundrecht auf Familiennachzug in ein anderes Land. Es gibt auch kein Menschenrecht, sich mit Familien in einem anderen Land niederzulassen, das man sich selbst aussucht.“ Wer das behaupte, begehe eine Täuschung, sagte Wirth.
Staatsministerin Natalie Pawlik (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und zugleich Beauftragte für Antirassismus, ließ sich anmerken, wie schwer ihrer Partei die Zustimmung zu dem Gesetz fällt. Familien gehörten zusammen, sagte sie. Wer seine Familie zurücklassen muss, dem falle es viel schwerer, „im neuen Zuhause anzukommen“. Integration gelinge besser, wenn Familien zusammen sind, betonte die Integrationsbeauftragte.
Die Aussetzung des Nachzugs sei ein Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern. Die SPD trage ihn mit, „weil wir zum Koalitionsvertrag stehen, weil Härtefälle unberührt bleiben und weil die Aussetzung auf zwei Jahre begrenzt ist“, sagte Pawlik.
Sowohl von den Grünen als auch von der Linksfraktion mussten sich die Sozialdemokraten dennoch heftige Vorwürfe anhören. Dass die SPD diese asylpolitische Rolle rückwärts mitmache „ohne überhaupt zu kämpfen“, sei ein politisches Armutszeugnis, befand Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen). Clara Bünger (Die Linke) sagte, wenn die SPD auch nur einen Funken Anstand in ihren Reihen hat, sollte sie diesen Entwurf ablehnen.
Für Emmerich ist die Aussetzung des Familiennachzugs ein Angriff auf das Herzstück jeder Gesellschaft – auf die Familie. Dieses Gesetz bedeute Leid, „ganz konkret, ganz real“. Für den Grünen-Abgeordneten steht zudem fest: „Wer Integration will, muss Familien zusammenführen.“ Das sei ein ganz zentraler Schlüssel.
Mit dem Familiennachzug werde eine der letzten legalen Möglichkeiten, Schutz in Deutschland zu finden, versperrt, sagte Bünger. Damit würden Familien auf Fluchtrouten gezwungen, „die tödlicher und gefährlicher denn je sind“.
Das Gesetz, so die Linken-Abgeordnete, habe nicht mal eine Stichtagsregelung für Menschen, die schon vor Jahren einen Antrag gestellt haben. Zudem helfe die Härtefallregelung in der Praxis kaum jemandem.
Alexander Throm (CDU/CSU) sah das anders. Die Regelung zu den Härtefällen sei seit Jahren im Aufenthaltsgesetz enthalten. Sie habe sich bewährt und sei von den Gerichten als absolut ausreichend bewertet worden. Wer kritisiere, dass nun legale Zugangswege abgeschafft würden, so Throm weiter, unterschlage, dass der Zuzug zu Personen erfolge würde, „die ursprünglich illegal nach Deutschland gekommen sind“.
Throm ließ auch offen, ob die Regelung tatsächlich nur zwei Jahre laufen wird. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart, nach zwei Jahren zu prüfen, inwiefern mit Blick auf die Überforderung der Kommunen die Aussetzung weiterhin nötig ist, sagte er.
Hoffnungen bei Grünen und Linken auf ein Wanken der SPD zerstörte Sebastian Fiedler. Es sei völlig normal, dass in einer Koalition die Partner unterschiedliche Punkte haben, die sie für besonders wichtig empfunden, sagte der SPD-Abgeordnete.
Für die SPD sei das unter anderem die Mietpreisbremse, die verlängert worden sei. Das heutige Thema habe sich die SPD nicht ausgesucht, räumte er ein. Es zähle aber das Gesamtwerk, „und das ist gut für unser Land“.
Laut dem Koalitionsentwurf wird der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt, um die Aufnahme- und Integrationssysteme der Bundesrepublik zu entlasten. Zugleich soll eine Familienzusammenführung in Härtefällen weiterhin möglich sein. Der Gesetzentwurf sieht neben der Aussetzung des Familiennachzugs zudem vor, in das Aufenthaltsgesetz neben der Steuerung wieder das Ziel der Begrenzung der Zuwanderung aufzunehmen.
Wie die Koalitionsfraktionen ausführen, wurde bereits 2016 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auszusetzen. Danach wurde dieser Nachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz mit dem im März 2016 in Kraft getretenen Gesetz „zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“ zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt, diese Aussetzung im März 2018 bis Ende Juli 2018 verlängert und danach durch die Begrenzung des Familiennachzugs auf 1.000 Visa pro Monat ersetzt.
Dieses Kontingent von 1.000 Visa pro Monat ist den beiden Fraktionen zufolge seit Juni 2023 ausgeschöpft. Im Jahr 2023 seien vom Bundesverwaltungsamt bereits 11.630 Zustimmungen zur Visumerteilung zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden, im Jahr 2024 seien es erstmals 12.000 gewesen.
Ausweislich des Ausländerzentralregisters hielten sich zum Stichtag 31. März 2025 laut Vorlage 388.074 Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum subsidiären Schutz nach Paragraf 25 Absatz 2 Satz 1 Variante 2 des Aufenthaltsgesetzes in Deutschland auf. Für sie bestehe derzeit bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen „grundsätzlich die Möglichkeit, im Rahmen der Kontingentregelung von 1.000 Visa pro Monat Familienzusammenführung geltend zu machen, soweit sich noch Mitglieder der Kernfamilie im Ausland aufhalten und eine Familienzusammenführung dort unzumutbar wäre“. Wie viele dieser Personen bereits in der Kernfamilie in Deutschland leben und keinen Familiennachzug mehr geltend machen können, sei nicht bekannt.
Das Ziel der Begrenzung der Zuwanderung war im Jahr 2023 aus der Zweckbestimmung des Aufenthaltsgesetzes gestrichen worden, um ein „Zeichen der Offenheit für mehr Zuwanderung gerade im Bereich der Erwerbs- und Bildungsmigration zu setzen“, wie die beiden Fraktionen darlegen.
Insbesondere im Hinblick auf „weiterhin bestehende erhebliche irreguläre Migrationsbewegungen“ solle aber klargestellt werden, „dass das Aufenthaltsgesetz nicht nur auf die Steuerung, sondern auch auf die Begrenzung von Zuwanderung ausgerichtet ist“.
Die Linksfraktion schreibt in ihrem Antrag (21/349), dass das Recht auf Familienleben ein Grund- und Menschenrecht sei, das auch für Menschen auf der Flucht gelte. Die Aussetzung des Familiennachzugs verschließe „einen der wenigen verbliebenen legalen Wege für Geflüchtete“, nach Deutschland zu kommen. Betroffene könnten sich „dazu gezwungen sehen, sich auf gefährliche, illegalisierte Wege zu begeben, um mit ihren engsten Angehörigen zusammenleben zu können“.
Besonders negative Auswirkungen habe die geplante Aussetzung des Familiennachzugs für unbegleitete minderjährige Geflüchtete mit subsidiärem Schutzstatus, obwohl diese vulnerable Gruppe eigentlich besonders schutzbedürftig sei, heißt es in der Vorlage weiter. Die geplante Aussetzung des Familiennachzugs sei nicht nur für die betroffenen Familien mit großem Leid verbunden, sondern auch „gesellschafts- und integrationspolitisch fatal“. Ein „Ankommen der bereits in Deutschland lebenden Schutzberechtigten“ werde durch die Trennung massiv behindert, und die Sorge um ihre engsten Angehörigen belaste sie, wodurch sowohl der Spracherwerb als auch eine Arbeitsaufnahme erschwert würden.
Die Bundesregierung wird in dem Antrag zugleich aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, „mit dem der Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten dem Nachzug zu Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angeglichen wird“. Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion unter anderem Maßnahmen ergreifen, um die Visabearbeitung und Verfahren zur Familienzusammenführung mit in Deutschland lebenden Menschen zu beschleunigen. (hau/sto/27.06.2025)