Aktuelle Stunde

Engagierte, aber sachliche Debatte zu Iran und Gaza

Im Rahmen einer Aktuellen Stunde hat sich der Bundestag am Donnerstag, 26. Juni 2025, mit der Lage im Nahen und Mittleren Osten befasst. Die Debatte wurde auf Verlangen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD auf die Tagesordnung gesetzt. 

In zwei Dingen zeigte sich dabei fraktionsübergreifende Einigkeit: Dass das Existenzrecht des Staates Israel außer Frage steht und dass der Iran keine Atomwaffen besitzen darf. Was aber die richtige deutsche Politik angesichts der Lage im Nahen Osten und besonders im Iran und in Gaza ist, darüber gingen die Ansichten auseinander.

Minister erläutern Prioritäten der Bundesregierung

Bundesaußenminister Dr. Johann Wadephul (CDU) erinnerte daran, dass Israel seit seiner Gründung in seiner Existenz bedroht ist und die “unerträglichste„ Bedrohung vom Iran ausgeht, der es erklärtermaßen “von der Landkarte löschen„ will. Wadephul bedauerte, dass sich Teheran einem letzten europäischen Versuch zur friedlichen Konfliktlösung verweigert habe.

Nach dem israelisch-amerikanischen Einsatz gegen das iranische Atomwaffen- und Raketenprogramm habe “die Rückkehr zur Diplomatie jetzt Priorität„, sagte Wadephul, “weil selbst die erfolgreichste militärische Operation ohne belastbare Vereinbarungen zur dauerhaften Einhegung des Programms keine dauerhafte Sicherheit für Israel schafft„.

“Die Lage verschlechtert sich jeden Tag„

Die humanitäre Lage im Gazastreifen stand im Mittelpunkt der Rede der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Reem Alabali Radovan (SPD). Sie berichtete von einem dreijährigen Jungen, der bei den Kämpfen verletzt wurde und dessen Bein amputiert werden musste, weil das Krankenhaus keine Antibiotika mehr hatte. “Die Lage verschlechtert sich jeden Tag„, beklagte sie. Die Bundesregierung fordere einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza, die Freilassung aller Geiseln durch die Hamas und ungehinderte humanitäre Hilfe.

Radovan beklagte aber auch zunehmende Übergriffe gegenüber Palästinensern im Westjordanland und in Ost-Jerusalem. Mitarbeiter der deutschen Entwicklungshilfe dort würden “systematisch behindert und beobachten, dass konkrete Schritte zur Annexion vorbereitet werden„.

CDU/CSU fordert Rückkehr zur Diplomatie

Dazu merkte Jürgen Hardt (CDU/CSU) an, dass “alle in diesem Hause„ angesichts der schrecklichen Bilder aus dem Gazastreifen litten. “Aber Ihre Rede wäre runder gewesen„, fuhr er fort, “wenn Sie an einer Stelle in Ihrer Rede darauf hingewiesen hätten„ dass sich die humanitäre Lage “schlagartig verändern würde„, wenn “die Hamas endlich ihren Terrorkampf gegen Israel beenden würde„. Siemtje Möller (SPD) wies diese Bemerkung später als “Mansplaining„ zurück, also als besserwisserische Belehrung einer Frau durch einen Mann.

Zum israelisch-amerikanischen Militäreinsatz bemerkte Hardt, dass das iranische Atomprogramm “nach unserer Einschätzung um Jahre zurückgeworfen„ worden sei. Gleichwohl müsse nun “das Problem diplomatisch gelöst werden„. Hardts Fraktionskollege Roderich Kiesewetter forderte, die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation zu listen und Teheran mit einer Ausweitung der Sanktionen zu drohen, wenn es nicht glaubhaft mit dem Ziel eines Verzichts auf Atomwaffen verhandelt.

Lob für Trump von der AfD

Die Debattenredner der AfD-Fraktion lobten die Rolle von US-Präsident Donald Trump im israelisch-iranischen Krieg. Markus Frohnmaier (AfD) hob hervor, dass Trump nach dem Waffengang sehr energisch auf einen Waffenstillstand hingewirkt und dabei sowohl auf den Iran als auch auf Israel “den gebotenen Druck ausgeübt„ habe. “Genau so geht Außenpolitik.„ Dem stellte Frohnmaier die “völlig Unfähigkeit der Bundesregierung„ gegenüber, die “blind und ahnungslos„ von dem Geschehen überrascht worden sei.

Dr. Alexander Wolf (AfD) sah jetzt den Iran in der Pflicht, sich wieder der Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde zu unterwerfen. Aber auch Israel stehe jetzt in der Pflicht, glaubhaft darzulegen, dass die Fertigstellung von Atomwaffen im Iran “unmittelbar bevorstand„ und es daher zu einem Präventivschlag berechtigt war.

Grüne fordern konsequente Haltung gegenüber Israel

Auch aus anderen Fraktionen kam die Aufforderung an Israel, seine “unmittelbare Gefährdung„, so Deborah Düring (Bündnis 90/Die Grünen), darzulegen. “Behauptungen reichen nicht aus, sonst gewinnt das Recht des Stärkeren„, betonte Düring.

An die Bundesregierung richtete sie die Erwartung, dass sie sich jetzt “konsequent und nicht nur rhetorisch„ für eine Zwei-Staaten-Lösung im Palästina-Konflikt einsetzt. Außerdem forderte sie Sanktionen gegen gewalttätige jüdische Siedler im Westjordanland und “extremistische Regierungsmitglieder„ in Jerusalem sowie eine ernsthafte Debatte über Konsequenzen aus israelischen Verstößen gegen das EU-Assoziierungsabkommen.

Linke nennt Bombardements völkerrechtswidrig

Für Cansu Özdemir (Die Linke) stand fest, dass “Netanjahu und Trump den Iran völkerrechtswidrig bombardiert haben„. Es müsse zwar verhindert werden, dass der Iran eine Atombombe baut. Aber dazu brauche es engmaschige Überwachung durch internationale Kontrolleure, und “die Wahrscheinlichkeit, dass bei weiteren Angriffen der Iran diese Kontrollen zulässt, sinkt„, bedauerte Özdemir. Deshalb brauche es jetzt Deeskalation.

Als “zynisch„ wies Özdemir das Wort “Drecksarbeit„ zurück, das Bundeskanzler Friedrich Merz angesichts des israelischen Bombardements des Iran verwendet hatte. Von der Bundesregierung forderte sie, sämtliche Rüstungsexporte in die Nahost-Region zu stoppen.

SPD:  Selbstverteidigung darf nicht zu Entgrenzung führen

Siemtje Möller (SPD)  hob hervor, dass das Selbstverteidigungsrecht “felsenfest im Völkerrecht verankert„ sei. Die Hamas und das sie unterstützende “Mullah-Regime« in Teheran trügen die „alleinige Verantwortung“ für den „brutalen Angriff“ auf Israel, der dessen Militäreinsatz im Gazastreifen ausgelöst hatte. Aber „Selbstverteidigung darf nicht zu Entgrenzung führen“, fügte Derya Türk-Nachbaur (SPD) hinzu.

Türk-Nachbaur forderte für humanitäre Organisationen den „uneingeschränkten Zugang zu Gaza“. Ausdrücklich dankte sie Außenminister Wadephul, dass er „hier nicht schweigt und jeden diplomatischen Weg geht, um dieses Leid zu beenden“. (pst/26.06.2025)