Bärbel Bas prämiert „Handy-Jahre einer Kanzlerin“ mit Medienpreis 2022
Angela Merkels virtuoser Umgang mit ihrem Handy ist kein Geheimnis. Vier Journalistinnen wollten wissen, wie der Umgang der ehemaligen Kanzlerin mit ihrem Mobiltelefon bei den Empfängern ihrer Botschaften ankam. Sie veröffentlichten am 3. September 2021 im Magazin der Süddeutschen Zeitung den neunseitigen Beitrag „Handy-Jahre einer Kanzlerin“ mit dem Untertitel „Das Diensttelefon als Machtmittel: Politische Verbündete, Kolleginnen und Gegner über 16 Jahre Handy-Kommunikation mit Angela Merkel“. Dafür hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas den Autorinnen Karoline Meta Beisel, Constanze von Bullion, Lara Fritzsche und Nicola Meier am Mittwoch, 12. Oktober 2022, den Medienpreis Parlament 2022 des Deutschen Bundestages überreicht.
Das Handy als Komplize
Die Autorinnen hatten 20 Personen nach ihren Handy-Erfahrungen mit der Ex-Kanzlerin befragt, darunter sechs CDU- und drei CSU-Weggefährten, drei Sozialdemokraten, zwei Grüne und einen Linken, dazu den ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, die Fernsehmoderatorin Anne Will, die frühere DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg, die ehemalige Trainerin der Fußball-Frauennationalelf Silvia Neid und Dr. Christoph Erdmann, den Geschäftsführer der Secusmart GmbH, der seit 2005 die Handys der Kanzlerin sicherte.
„Sie schätzte das Handy als Komplizen, der ihr einen Regierungsstil erlaubte, der oft als geräuschlos beschrieben wurde“, schreiben Beisel, von Bullion, Fritzsche und Meier über Merkels Verhältnis zu ihrem ständigen Begleiter. Die Vorsitzende der Jury des Medienpreises, Prof. Dr. Claudia Nothelle, bezeichnete in ihrer Laudatio das Stück als Meisterleistung, das die Jury durch seine Sprache und die Idee überzeugt habe: „Der Artikel setzt an bei der Neugierde der Leserschaft.“ Der Text lebe von seinen Inhalten und seiner Nüchternheit, der rote Faden sei das Handy selbst. Ein Porträt der Kanzlerin, in dem sie selbst kaum vorkomme, eine Analyse der Kommunikation Merkels, „kurz, klar und nüchtern“, betonte Nothelle.
Bas: Medienvielfalt wertvoll für unsere Demokratie
Bundestagspräsidentin Bas hob auf die Medienvielfalt ab, die „wertvoll für unsere Demokratie“ sei. Eine wehrhafte Demokratie müsse Antworten finden, Hass und Hetze seien keine legitime Meinung. Die Demokratie müsse immer wieder erkämpft werden, müsse sich verändern und modernisieren. Auch die „Herzkammer der Demokratie“, das Parlament, müsse mit der Zeit gehen. Die Demokratie sei „das Beste, was wir haben“, sagte die Bundestagspräsidentin in einem von Jurymitglied Pinar Atalay moderierten Podiumsgespräch, an dem auch die für den Preis Nominierten teilnahmen. Man sehe in Europa, dass dies nicht selbstverständlich sei.
Neben reiner Information wünscht sich Bas von den Medien auch Hintergrund und Erklärungen, es sollten die unterschiedlichen Facetten eines Themas sichtbar werden. Das gelte auch für die Abgeordneten, die in ihren Plenarreden oft auf die anderen Abgeordneten fokussiert seien und Erklärungen für die Zuhörer vergäßen, die mit dem Thema nicht so vertraut seien. Ihnen riet sie zu einer „zielgruppenorientierten Ansprache“: „Ihr wollt im Wahlkreis, draußen, verstanden werden. Ihr redet nicht nur für die Kollegen im Saal, da gucken viele zu.“
Romy Steyer und Boris Herrmann weitere Nominierte
Für den Medienpreis nominiert waren aus insgesamt 70 eingereichten Beiträgen auch die Fernsehdokumentation „Sollen wir losen statt wählen?“ der Regisseurin Romy Steyer und die Zeitungsveröffentlichung „Eine Frage der Demokratie“ von Boris Herrmann mit dem Untertitel „Die Opposition löchert die Bundesregierung. Die hat die Pflicht zu antworten. Kontrolle muss sein. Aber kann man es damit nicht auch übertreiben? Über die große Reise einer Kleinen Anfrage“.
Romy Steyers 27-minütiger Film, den der deutsch-französische Fernsehkanal arte am 18. September 2021 erstmals ausstrahlte, beschreibt die Suche nach „anderen Wegen, wie man kollektive Entscheidungen trifft“, da – wie der von ihr befragte US-Kommunikationsforscher James Fishkin bekundet – sich die Demokratie weltweit in einer Legitimationskrise befindet. Da stelle sich die Frage, ob „unsere Kreuze auf dem Wahlzettel überhaupt noch zeitgemäß“ sind. Steyers Nachforschungen münden in das Fazit: „Vielleicht geht es gar nicht darum, wie wir wählen, sondern dass wir überhaupt eine Wahl haben.“
Kontrolle der Regierung durch Kleine Anfragen
Boris Herrmann geht in seinem am 27. März 2021 in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Beitrag der Frage nach, ob es ein Zuviel an Demokratie geben kann. Sein Thema ist die Kontrolle der Regierung durch den Bundestag, und zwar durch das Instrument der Kleinen Anfragen, die Oppositionspolitiker dem Kanzleramt und den Ministerien stellen.
Herrmann, Parlamentskorrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin, hatte im vergangenen Jahr den Medienpreis Parlament des Bundestages zusammen mit seinem Redaktionskollegen Dr. Nico Fried erhalten. Thema der preisgekrönten Arbeit war die Haushaltswoche im Bundestag. Am Ende der damaligen Diskussionsrunde mit Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble aus Anlass der Verleihung hatte Boris Herrmann angekündigt, sich demnächst mit dem Kontrollinstrument der parlamentarischen Anfragen beschäftigen zu wollen. Mit dem Ergebnis seiner Recherchen schaffte er nun erneut, von der Jury nominiert zu werden.
Die Jury des Medienpreises Parlament
Der Jury gehören Pinar Atalay von RTL, Shakuntala Banerjee, stellvertretende Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, Anita Fünffinger, Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio (Bayerischer Rundfunk), Tina Hildebrandt, Chefkorrespondentin der Wochenzeitung „Die Zeit“, Jan Hollitzer, Chefredakteur der Tageszeitung „Thüringer Allgemeine“, Prof. Dr. Claudia Nothelle, Professorin für Fernsehjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal, und Marc Felix Serrao, Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung in Deutschland, an. Eine neue Jury wird jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode von der Bundestagspräsidentin ernannt.
Mit der seit 1993 vergebenen und mit 5.000 Euro dotierten Auszeichnung würdigt der Bundestag herausragende publizistische Arbeiten, die zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen und zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Abläufe, Arbeitsweisen und Themen beitragen. Die eingereichten Arbeiten für den Medienpreis 2022 mussten zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember 2021 in Tages- oder Wochenzeitungen und in Online-Medien erschienen oder im Rundfunk oder Fernsehen ausgestrahlt worden sein. (vom/12.10.2022)