Vereinbarte Debatte

Bundestagsfraktionen würdigen den Europarat

Alle Fraktionen des Bundestages haben bei einer Vereinbarten Debatte am Freitag, 23. Mai 2025, anlässlich „75 Jahre Mitgliedschaft Deutschlands im Europarat“ die 1949 erfolgte Gründung des Europarates wie auch den ein Jahr später erfolgten Beitritt Deutschlands geschichtlich gewürdigt. Gleichzeitig gab es aber auch Kritik an der heutigen Rolle des Europarates. Der Europarat wurde 1949 als europäische internationale Organisation mit Sitz in Straßburg gegründet. Der Beitritt Deutschlands erfolgte im Jahr 1950. Der Europarat hat 46 Mitglieder: Alle europäischen Flächenstaaten, darunter auch die Türkei, gehören dem Europarat an (Ausnahmen: Belarus und Kosovo). Russland wurde infolge seines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 16. März 2022 aus dem Europarat ausgeschlossen. Seit seiner Gründung setzt sich der Europarat für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein. Sein wichtigstes Instrument dabei ist die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). 

Union: Nicht nur EU-Mitglieder sind Teil des Europarates

Der Europarat ist die älteste europäische Institution, sagte Armin Laschet (CDU/CSU) zu Beginn der Debatte. Er setze vor allem auf Menschenrechte und Demokratie. Institutionell habe der Europarat mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte „ein richtig scharfes Instrument, wo jeder Bürger seine Rechte einklagen kann, wenn er sie in seinem Nationalstaat verletzt fühlt“, sagte Laschet. 

Ein großer Vorteil des Europarates besteht aus Sicht des Unionsabgeordneten auch darin, dass seine Mitglieder nicht nur jene sind, die auch der Europäischen Union angehören. „Fast alle Staaten in Europa gehören diesem Gremium an“, so Laschet. Russland sei einstimmig ausgeschlossen worden, weil es die Prinzipien des Europarates verletzt habe. Wenig Sympathie hat Laschet für die Schaffung immer neuer politischer Institutionen in Europa. Konkret benannte er die 2022 gegründete Europäische Politische Gemeinschaft (EPG), die sich seiner Ansicht nach Stück für Stück dem Europarat annähern sollte.

AfD: Europarat soll vor eigener Haustür genau hinsehen

Die AfD schließe sich der geschichtlichen Würdigung des Europarates an, machte Nicole Höchst (AfD) deutlich. Heute müsse der Europarat aber vor der eigenen Haustür genau hinsehen, ob auch tatsächlich jeder Unterzeichnerstaat ein „Musterland der Demokratie ist“. Der AfD-Abgeordneten zufolge ist die Meinungsfreiheit, „das Herzstück der Demokratie“, in manchen Ländern „gar nicht mehr so frei“. Wer es wagt, außerhalb des genehmen Meinungskorridors zu sprechen, werde ausgegrenzt, diffamiert und kriminalisiert. Zudem seien mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz „unter dem Mantel des Schutzes“ Zensurmechanismen etabliert worden. 

Mit Blick auf den Verfassungsschutzbericht zur AfD, sagte Höchst, ein Inlandsgeheimdienst lege ein tausendseitiges Dossier über den politischen Gegner an „mit unbequemen Meinungsäußerungen, die aber völlig zulässig sind“. Auf dieser „unzureichenden Grundlage“ werde sogar über das Verbot der größten Oppositionspartei diskutiert. Das sei eine Schande für eine funktionierende Demokratie, befand sie. 

SPD: Aufnahme in den Europarat war Neubeginn

Siemtje Möller (SPD) nannte es rückblickend bemerkenswert, dass Deutschland schon 1950 Mitglied des Europarates werden und damit Verantwortung für den Wiederaufbau Europas im Sinne der Leitprinzipien übernehmen durfte. „Für ein Europa, über das Nazi-Deutschland unermessliches Leid und Vernichtung gebracht hatte“, so Möller. Die Aufnahme in den Europarat habe einen moralischen Neubeginn und einen ersten Schritt zurück in die internationale Staatengemeinschaft markiert. Es sei zudem ein Zeichen der Bereitschaft gewesen, aufeinander zuzugehen. Heute bestehe das Bündnis aus 46 Staaten. Durch diese breite Mitgliedschaft werde deutlich, dass die einstige Idee, die Vereinigten Staaten von Europa aufzubauen „im Europarat ein kleines Stück Realität geworden ist“. 

Angesichts des weltweiten Drucks auf das Völkerrecht und die internationalen Gerichte sei es ein ermutigendes Zeichen, „dass der Prozess zur Einrichtung eines Sondergerichtshofes für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine eingeleitet wurde und die Einrichtung einer Schadenskommission unter dem Dach des Europarates angedacht ist“, sagte die SPD-Abgeordnete. Es sei klar, dass Kriegsverbrechen nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfen. Putin und seine Gefolgschaft müssen sich für ihre Taten verantworten – vor Gericht und vor der internationalen Öffentlichkeit. 

Grüne fordern Selbstkritik von deutschen Politikern

Auch Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen) ging auf die vom ehemaligen britischen Premierminister Winston Churchill erhobene Forderung nach Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa ein. Churchill habe damals aber vor allem gesagt, die Befreiung von der Tyrannei, die Achtung der Menschenrechte müssten Grundlage jeglicher Kooperation sein, so Lucks. Er habe nicht von Kooperation um jeden Preis, von Handel durch Wandel oder billigem Gas gesprochen, betonte der Grünenabgeordnete. Angesichts dessen müsse man mit Blick auf 75 Jahre Entsendung von deutschen Politikern in den Europarat selbstkritisch sein. 

So habe der ehemalige CSU-Abgeordnete Eduard Lintner zugegeben, im Auftrag Aserbaidschans Geld für das Abstimmungsverhalten an andere europäische Politiker verteilt zu haben. Die ehemalige CDU-Abgeordnete Karin Strenz sei mit mehr als 150.000 Euro vom Regime in Aserbaidschan bezahlt worden, „für ihren Einsatz für die Narrative dieses Regimes“. Er, so Lucks weiter, habe mit Blick auf die Regierungsbesetzung von CDU und CSU Zweifel, ob dort ernsthafte Konsequenzen aus der Aserbaidschan-Affäre gezogen wurden.

Linke kritisiert Situation in Mitgliedsländern

Vinzenz Glaser (Die Linke) sieht keinen Grund, anlässlich des Jubiläums auf die Stärkung der Menschenrechte, auf die Verteidigung der Meinungsfreiheit und auf die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention anzustoßen. „Die Realität nach 75 Jahren deutscher Mitgliedschaft im Europarat lässt dies leider nicht zu“, sagte er. Als Lehre aus den Gräueln des Faschismus sei der Europarat nach dem Zweiten Weltkrieg als Hüter der Menschenrechte gegründet worden. Doch säßen heute „wieder Faschisten in den Parlamenten“, beklagte er. 

Glaser wies auf die seiner Aussage nach eingeschränkten Rechte von Journalisten in Ungarn, eine Einschränkung der Meinungsfreiheit in der Türkei und Gewalt gegen Migranten an den EU-Außengrenzen hin. „Wo bleibt hier die Antwort des Europarates? “, fragte er. (hau/23.05.2025)