Richtlinien für eine Stasi-Überprüfung von Abgeordneten gelten weiter

Stasi-Unterlagen-Archiv an der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg (© picture alliance / ZB | Sascha Steinach)
Abgeordnete des Bundestages können überprüfen lassen, ob sie hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR tätig waren oder dafür politische Verantwortung trugen. Sie müssen das dann schriftlich bei der Bundestagspräsidentin beantragen. Geregelt ist dies im Paragrafen 44c des Abgeordnetengesetzes. Dazu hat der Bundestag in seiner konstituierenden Sitzung am 25. März 2025 beschlossen, dass die „Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ weiterhin gelten.
Überprüfung im Geschäftsordnungsausschuss
Der Bundestag hat diese Ergänzung des Abgeordnetengesetzes und die darauf bezogenen Richtlinien am 5. Dezember 1991 verabschiedet (12/1324, 12/1737). Die Regelung besagt weiter, dass eine Überprüfung ohne Zustimmung des Abgeordneten stattfindet, wenn der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Bundestages festgestellt hat, dass konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht einer solchen Tätigkeit oder politischen Verantwortung vorliegen (Absatz 2).
Der Ausschuss führt in jedem Fall die Überprüfung durch und bedient sich für das Verfahren der damals mitbeschlossenen und nun vom 21. Deutschen Bundestag bestätigten Richtlinien. Zuletzt geändert worden waren die Richtlinien am 17. März 2022 (20/888).
Mitteilungen des Bundesarchivs
Darin heißt es, dass dem Geschäftsordnungsausschuss die Mitteilungen des Bundesarchivs und sonstige Unterlagen zur Überprüfung zugeleitet werden müssen und der Ausschuss Mitglieder mit der Durchsicht von Unterlagen beauftragen kann.
Die Entscheidung darüber, ob auf die Zustimmung des betroffenen Abgeordneten zu einer Überprüfung verzichtet werden kann, ob zusätzliche Auskünfte des Bundesarchivs angefordert werden müssen, ob die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag beteiligt werden soll und welches Ergebnis die Überprüfung hatte, muss der Ausschuss mit Zweidrittelmehrheit treffen.
Akteneinsicht für die Betroffenen
Betroffene Abgeordnete können beim Ausschuss Akteneinsicht verlangen. Während der Beratungen im Ausschuss dürfen nur die ordentlichen Mitglieder und deren Stellvertreter anwesend sein, wobei im Einzelfall Ausnahmen beschlossen werden können. Zur Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben kann auch die SED-Opferbeauftragte an den Beratungen teilnehmen.
Die Bundestagspräsidentin muss das Bundesarchiv bitten, Erkenntnisse aus seinen Unterlagen über einen Abgeordneten mitzuteilen und Akteneinsicht zu gewähren, wenn der betroffene Abgeordnete dies verlangt. Dies gilt auch, wenn der Ausschuss bereits konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht auf eine Stasi-Tätigkeit oder eine politische Verantwortung festgestellt hat. Der Abgeordnete muss über das Vorgehen der Präsidentin auf jeden Fall informiert werden.
Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache
Der Ausschuss stellt nach Prüfung der Unterlagen fest, ob eine Stasi-Mitarbeit oder eine politische Verantwortung als erwiesen anzusehen ist. Zuvor muss der Ausschuss die Tatsachen mit dem betroffenen Abgeordneten erörtern. Der Ausschussvorsitzende informiert die Bundestagspräsidentin und den Vorsitzenden der Fraktion, der der Abgeordnete angehört, über die beabsichtigte Feststellung des Ausschusses.
Die Feststellung selbst wird mit Angabe der wesentlichen Gründe als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Wenn der betroffene Abgeordnete dies wünscht, muss eine Erklärung von ihm „in angemessenem Umfang“ mit aufgenommen werden.
Inoffizielle Stasi-Tätigkeit
Nach den Kriterien des Ausschusses ist eine inoffizielle Stasi-Tätigkeit in der Regel vor allem dann erwiesen, wenn es eine unterzeichnete Verpflichtungserklärung gibt – es sei, denn, es handelt sich nur um einen Bagatellfall oder es fehlen Unterlagen, die ein Tätigwerden belegen. Eine inoffizielle Stasi-Tätigkeit liegt auch dann vor, wenn nachweislich Berichte oder Angaben über Personen außerhalb offizieller Kontakte geliefert wurden oder wenn eine Tätigkeit für die Stasi auf sonstige Weise „zweifelsfrei“ belegt wird.
Als Indizien dafür gelten die nachgewiesene Entgegennahme von Zuwendungen, Vergünstigungen, Auszeichnungen oder Vergleichbarem oder eine nachgewiesene Eintragung in den Karteien. Gibt es jedoch Hinweise darauf, dass Unterlagen zulasten der Betroffenen manipuliert worden sind, so kann aus Sicht des Ausschusses in der Regel nicht mehr von Indizien gesprochen werden. Wenn Einzelpersonen nachweislich weder direkt noch indirekt durch eine Stasi-Tätigkeit oder eine politische Verantwortung belastet oder benachteiligt worden sind, so muss der Ausschuss dies in seine Feststellungen aufnehmen (20/13817, Anlage 3).
57 Überprüfungsanträge in der 20. Wahlperiode
In der abgelaufenen 20. Wahlperiode des Bundestages hatten 57 Abgeordnete eine Stasi-Überprüfung beantragt, wie der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung am 15. November 2024 bekanntgab (20/13817). Ein Abgeordneter sei mittlerweile aus dem Bundestag ausgeschieden und bleibe unberücksichtigt. In elf Fällen sei keine Überprüfung vorgenommen worden, da die Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt minderjährig waren. Nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz dürfen Unterlagen nur verwendet werden, wenn es sich nicht um Tätigkeiten für die Stasi vor dem vollendeten 18. Lebensjahr handelt. Dabei werde auf den 12. Januar 1990 als Datum der Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit abgestellt.
In den verbliebenen 45 Fällen war dem Bericht zufolge eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für das MfS/Amt für Nationale Sicherheit nicht festzustellen. Von den überprüften Abgeordneten hätten 44 erklärt, dass sie mit namentlicher Erwähnung im Bericht einverstanden seien, ein Bundestagsmitglied habe dies nicht gewünscht. (vom/02.05.2025)