24.06.2025 | Dokumente

Tagesaktuelles Plenarprotokoll 21/12

 

**** NACH § 117 GOBT AUTORISIERTE FASSUNG ****

*** bis 14:10 Uhr *** 

 

Deutscher Bundestag

 

12. Sitzung

Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2025

Beginn: 12.00 Uhr

Präsidentin Julia Klöckner:

Guten Tag, alle zusammen! Hiermit ist die Sitzung eröffnet. Herzlich willkommen!

Der Abgeordnete Stephan Brandner hat fristgerecht Einspruch gegen den ihm in der 11. Sitzung erteilten Ordnungsruf eingelegt. Dem Einspruch wurde nicht abgeholfen. Der Einspruch wurde als Unterrichtung an Sie alle verteilt.

Gemäß § 39 der Geschäftsordnung ist der Einspruch auf die heutige Tagesordnung zu setzen - das tun wir -, und der Bundestag hat über den Einspruch ohne Aussprache dann nachher zu entscheiden. Die Entscheidung über den Einspruch wird gleich als Zusatzpunkt 1 nach Tagesordnungspunkt 1 von mir aufgerufen.

Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 1a bis 1c:

 

 

a)

Erste Beratung des von den der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Fristen im Investitionsprogramm Ganztagsausbau

Drucksache 21/514

 

 

 

Überweisungsvorschlag:

Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen

Haushaltsausschuss

 

 

 

b)

Erste Beratung des von den der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vierten Protokoll vom 18. September 2023 zur Änderung des Vertrags vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel

Drucksache 21/518

 

 

 

Überweisungsvorschlag:

Verkehrsausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss

Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO

 

 

 

 

c)

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland

Drucksache 21/516 

 

 

 

Überweisungsvorschlag:

Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Verkehrsausschuss

Ausschuss für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung

Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen

Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO

 

 

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen. 

Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 21/514, 21/518 und 21/516 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie eben vorgeschlagen.

Ich rufe nun auf den Zusatzpunkt 1:

 

 

 

Einspruch gegen eine Ordnungsmaßnahme

gemäß § 39 der Geschäftsordnung 

 

 

Es gibt einen Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung des Abgeordneten Stephan Brandner gegen den ihm in der vergangenen Sitzung erteilten Ordnungsruf. Der Einspruch wurde als Unterrichtung verteilt. Der Bundestag hat nun über den Einspruch ohne Aussprache zu entscheiden. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung. 

Wer stimmt für den Einspruch des Abgeordneten Stephan Brandner? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einspruch ist mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke damit zurückgewiesen.

Ich rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 2:

 

 

 

Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler:

Zum NATO-Gipfel am 24. und 25. Juni in Den Haag und zum Europäischen Rat am 26. und 27. Juni 2025 in Brüssel 

 

Für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung wurde eine Dauer von 90 Minuten vereinbart. 

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat nun der Bundeskanzler, Herr Friedrich Merz.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Friedrich Merz, Bundeskanzler: 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Man gewöhnt sich nie an Gräuel“, so hat es vor einigen Jahren die französische Kriegsfotografin Christine Spengler formuliert. Wir können, ja wir müssen diesen Satz als Auftrag verstehen: Wir dürfen uns nie an Kriegsgräuel gewöhnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Auftrag ist mit der Gründung der Europäischen Union für uns Europäer weitgehend Wirklichkeit geworden. Wie aus einer anderen Zeit erscheinen uns daher der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der barbarische Angriff der Hamas auf Israel und nicht zuletzt das iranische Terrorregime und sein vor allem gegen Israel gerichtetes Nuklearwaffenprogramm.

Doch diese Ereignisse sind nun die neue Wirklichkeit in der Welt, in der wir leben. Wir müssen hinschauen. Wir müssen aus diesen Verbrechen und Herausforderungen lernen. Wir müssen uns ihnen stellen. Wir müssen aus dieser neuen Wirklichkeit die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Denn nur so können wir Freiheit und Frieden wenigstens in Deutschland und in Europa bewahren. 

Denn die geopolitischen Erschütterungen der Gegenwart, meine Damen und Herren, betreffen uns in Deutschland nicht nur indirekt. Wir haben es mit einer neuen Realität zu tun, die unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unseren Wohlstand direkt berührt und infrage stellt. Und wir stehen als Bundesrepublik Deutschland vor der Aufgabe, unsere Interessen in dieser neuen Realität aktiv und unmittelbar zu vertreten und die geopolitische Umgebung, in der wir leben, nach Kräften selbst mitzugestalten. 

(Dr. Alice Weidel (AfD): Dann fangt mal damit an!)

Wir haben dazu alle Möglichkeiten, weil wir in den vergangenen Jahrzehnten Bündnisse eingegangen sind und sie gepflegt haben, weil wir Formate der europäischen und der internationalen Zusammenarbeit gestärkt haben. Deutschland steht nicht allein da. Wir sind Teil und Akteur in einem dichten Netz von Partnerschaften und Allianzen. 

Ich spreche in diesem Zusammenhang zuerst und vor allem von der Europäischen Union, aber auch von der NATO und den G7. Dass wir in allen drei Formaten innerhalb von nur zwei Wochen zu außergewöhnlich wichtigen Treffen zusammengekommen sind, das ist Ausdruck der großen globalen Herausforderungen und zugleich Ausdruck der Chancen für Deutschland und für Europa, gemeinsam mit unseren Partnern die neue Realität zum Besseren zu verändern. 

Aus diesen Bündnissen heraus können wir als Bundesrepublik Deutschland mitgestalten, wie sich die Welt in den nächsten Jahren entwickelt. Es gibt dafür aber eine doppelte Voraussetzung. Wir brauchen zugleich Stärke und Verlässlichkeit - nach innen und nach außen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Stärke und Verlässlichkeit, das sind genau die Zielvorgaben, mit denen wir uns als neue deutsche Bundesregierung in den vergangenen Wochen an die Arbeit gemacht haben. Wir haben seitdem gezeigt: Wir sind gestaltungsfähig im Inneren. 

(Dr. Alice Weidel (AfD): Echt?)

Wir haben ein Investitionspaket für Verteidigung und Infrastruktur 

(Dr. Alice Weidel (AfD): … für Schulden!)

auf den Weg gebracht. Wir haben in Rekordzeit ein Sofortprogramm für die deutsche Wirtschaft aufgesetzt. Wir haben die Migrationswende eingeleitet.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Und wir haben unseren internationalen Partnern gezeigt: Sie können sich auf uns verlassen. Deutschland ist wieder zurück auf der europäischen und der internationalen Bühne.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese neue Entschlossenheit wird in der Welt registriert und von unseren Partnern und Freunden sehr begrüßt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der G7-Gipfel war eine erste willkommene Gelegenheit zum Austausch über die großen Fragen: über die Lage der Weltwirtschaft, über Rohstoffpartnerschaften, über die Kriege im Nahen Osten und in Osteuropa, über Migration und schließlich über die Resilienz unserer Demokratien. Das Zusammentreffen hat verdeutlicht: Wir stehen als sieben große Industrienationen der Welt weiterhin zusammen. In allen wesentlichen Fragen bestand in diesem Kreis Konsens. 

Das Gipfeltreffen der G7 stand in diesem Jahr ganz besonders im Zeichen der aktuellen Eskalation des Konfliktes zwischen Israel und dem Iran. Die Position der Bundesregierung dazu ist klar: 

(Dr. Bernd Baumann (AfD): Nee!)

Israel hat ein Recht darauf, seine Existenz und die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen. Teil der Staatsräson des Mullah-Regimes ist seit Jahren die Auslöschung des Staates Israel. Unsere Staatsräson ist die Verteidigung des Staates Israel in seiner Existenz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Unterschied. Und diesen Unterschied werde ich auch in Zukunft klar und eindeutig beim Wort benennen. Am ersten Tag des G7-Gipfels haben wir uns auf eine genau dahin gehende gemeinsame Erklärung verständigt. Das war und das ist ein außerordentlich ermutigendes Zeichen und Signal dieses Gipfels. 

Ohne den Iran wäre der 7. Oktober 2023 in Israel nicht möglich gewesen. Hamas, Hisbollah und Huthi-Rebellen sind die Terrororganisationen, die vom Iran finanziert und ausgestattet werden. Die iranische Staatsführung destabilisiert den gesamten Nahen und Mittleren Osten seit Jahrzehnten. 

Auf die Gefährlichkeit des Nuklearprogramms hat die unabhängige Internationale Atomenergie-Organisation in einem alarmierenden Bericht gerade erst vor wenigen Tagen erneut hingewiesen. Für Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft dieser Organisationen bleibt daher handlungsleitend: Iran darf keine Nuklearwaffen besitzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dagegen hat die iranische Staatsführung erst in den letzten Tagen erneut selbst angekündigt, die Urananreicherung auch über 60 Prozent hinaus fortzusetzen. Diese Ankündigung, liebe Kolleginnen und Kollegen, die tiefe Verbunkerung der Zentrifugen, die Beschränkung von Zugängen für die Beauftragten der Internationalen Atomenergie-Agentur und die beständige Täuschung der Öffentlichkeit zeigen, wie ernst es dem Iran mit dem Atomwaffenprogramm tatsächlich war und offensichtlich ist. 

Deswegen will ich es auch von dieser Stelle aus noch einmal sagen: Wir hoffen heute, dass das Vorgehen Israels und der Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten Tagen den Iran dauerhaft davon abbringt, seinem zerstörerischen Ziel noch näher zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nicht nur Israel, auch Europa und die Welt insgesamt sind von diesem iranischen Nuklearprogramm bedroht. Gleichzeitig gilt aber auch: Der Konflikt mit dem Iran darf nicht die gesamte Region in einen Krieg stürzen. Deshalb unternehmen wir als Bundesregierung mit unseren Möglichkeiten auch alle diplomatischen Anstrengungen, um genau dies zu verhindern. 

Den Aufruf des amerikanischen Präsidenten zu einem Waffenstillstand begrüßen wir daher. Gelingt dieser Waffenstillstand nach den entscheidenden Militärschlägen der USA und der israelischen Armee gegen die iranischen Nuklearanlagen in Fordo, Natans und Isfahan, dann ist eine sehr gute Entwicklung, die den Nahen Osten und die Welt sicherer machen kann, möglich.

Wir rufen nun sowohl Iran als auch Israel dazu auf, diesem Aufruf des amerikanischen Präsidenten zu folgen. Katar und anderen Staaten der Region danken wir für ihre Besonnenheit in den dramatischen letzten Tagen und Stunden. Mit den amerikanischen und europäischen Partnern werden wir am Rand des heutigen NATO-Gipfels in Den Haag beraten, wie die Lage nun weiter stabilisiert werden kann. 

Über die Zuspitzung um das iranische Nuklearprogramm verlieren wir nicht das größere Bild aus dem Blick. Wir erlauben uns, kritisch nachzufragen, welches Ziel Israel im Gazastreifen erreichen will, und wir mahnen einen menschenwürdigen Umgang mit den Menschen im Gazastreifen an, vor allem mit den Frauen, den Kindern und den Älteren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Jetzt, gerade heute und in diesen Tagen, ist auch der Moment gekommen, einen Waffenstillstand für Gaza abzuschließen.

Erlauben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang dem Bundesaußenminister ein besonders herzliches Wort des Dankes zu sagen für seine intensiven diplomatischen Bemühungen in den letzten Tagen und Wochen, zusammen vor allem und immer wieder mit den Außenministern Frankreichs und des Vereinigten Königreichs. 

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hier hat Europa in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten von Amerika Geschlossenheit und diplomatische Fähigkeit gezeigt. Ich möchte unserem Außenminister auch danken für seine klare Haltung in Sachen Assoziierungsabkommen mit Israel. Ein Außer-Kraft-Setzen oder gar eine Kündigung dieses Abkommens kommt mit der Bundesregierung nicht infrage.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die gewaltsame Annexion der Krim im Jahr 2014 war der Grund dafür, dass Russland aus dem Format der G7 ausgeschlossen worden ist. Putin zeigt bis heute täglich mit seinen Kriegsverbrechen in der Ukraine, dass ihm gemeinsame Regeln gleichgültig sind – auch dadurch, dass er im Windschatten der Ereignisse im Nahen und Mittleren Osten und trotz aller diplomatischen Anstrengungen in den vergangenen Tagen die Luftangriffe auf ukrainische Städte noch einmal verschärft hat. 

Es gibt im Kreis der G7 den Konsens, dass dieser Krieg schnellstmöglich enden muss. Die Ukraine hat sich zu einem sofortigen Waffenstillstand ohne jede Vorbedingung bereit erklärt. Russland hat sich dem verweigert, obwohl wir mit unseren internationalen Partnern in den vergangenen Wochen alles versucht haben, um Russland an den Verhandlungstisch zu bewegen. 

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal sagen - gerichtet auch an alle, die immer wieder behaupten, die diplomatischen Mittel würden in dieser Sache nicht ausgeschöpft -: Ein echter, ein dauerhafter Frieden setzt Friedensbereitschaft von allen Seiten voraus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Russland hat dagegen mit seiner neuen Welle der Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung auf barbarische Weise zu verstehen gegeben, dass es diese Friedensbereitschaft derzeit nicht hat. Im Gegenteil: Der russische Präsident hat vor einigen Tagen in einer Rede auf dem jährlichen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg noch einmal erklärt, Russen und Ukrainer seien ein Volk und - wörtlich -: „Die gesamte Ukraine gehört uns.“ 

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Situation ist es nicht die friedensschaffende Lösung, der Aggression nachzugeben und das eigene Land aufzugeben. Das ist nicht der Frieden, den wir wollen. Und das ist nicht der Frieden, den die Ukraine will.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Echte Friedensarbeit bedeutet, jetzt die mühsame Arbeit an den Bedingungen für einen echten Frieden fortzusetzen. Und genau das tun wir in der Europäischen Union im Schulterschluss mit der Ukraine. Putin versteht nur die Sprache der Stärke; und darum heißt Friedensarbeit, jetzt auch in dieser Sprache zu sprechen. In diesem Zeichen steht das 18. Sanktionspaket gegen Russland, das wir beim anstehenden Europäischen Rat in Brüssel auf den Weg bringen wollen. Es wird insbesondere die Schattenflotte treffen, mit der Putin seine Kriegsmaschinerie im Augenblick finanziert und die in der Ostsee immer aggressiver ihr Unwesen treibt. 

Ich habe beim G7-Gipfel und bei meinem vorangegangenen Besuch in Washington ausdrücklich dafür geworben, dass auch die USA ihre Sanktionen gegen Russland noch einmal verstärken. 

(Dr. Alice Weidel (AfD): Das tun sie aber nicht!)

Das würde das von US-Präsident Donald Trump geforderte Ende des Tötens befördern, das wir alle anstreben. 

(Dr. Alice Weidel (AfD): Die USA sind dagegen!)

Ich bleibe zuversichtlich, dass die amerikanische Regierung diesen Weg auch mitgeht. 

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Frieden in Europa für die kommenden Jahrzehnte und für kommende Generationen zu sichern: Darum geht es, wenn wir heute Abend und morgen in Den Haag zum NATO-Gipfel zusammenkommen. Man darf diesen Gipfel ohne Übertreibung historisch nennen. Wir werden beschließen, künftig deutlich mehr in unsere Sicherheit zu investieren. Wir tun das nicht, wie vereinzelt behauptet wird, um den USA und ihrem Präsidenten einen Gefallen zu tun. Wir tun das aus eigener Anschauung und Überzeugung, weil vor allem Russland die Sicherheit und die Freiheit des gesamten euroatlantischen Raums aktiv und aggressiv bedroht, weil wir befürchten müssen, dass Russland den Krieg über die Ukraine hinaus fortsetzen wird. Deshalb tun wir das. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir tun das in der geteilten Überzeugung: Wir müssen gemeinsam so stark sein, dass es niemand wagen kann, uns anzugreifen. Deshalb ist es eine historische Situation, in der wir uns befinden. 

In dieser Situation muss auch Deutschland Verantwortung übernehmen, und das tun wir. Wir werden einen gerechten Anteil der Bündnisarbeit leisten und übernehmen. Das heißt, wir erfüllen die Fähigkeitsziele, auf die wir uns mit unseren Bündnispartnern verständigen. Auch deshalb haben wir vor wenigen Monaten hier im Haus unser Grundgesetz geändert. Wir werden die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas machen, wie es unsere Partner von uns zu Recht erwarten angesichts unserer Größe, unserer Leistungskraft, unserer geografischen Lage. 

Wir werden an der Ostflanke der NATO unsere Verbündeten unmittelbar unterstützen. In diesem Sinne haben der Bundesverteidigungsminister und ich Anfang April die ersten Teile der neuen Brigade 45 in Litauen in den Dienst gestellt. Ich habe bei dem Aufstellungsappell in Vilnius gesagt, und ich sage es von dieser Stelle aus heute noch einmal: Viel zu lange haben wir in Deutschland die Warnungen unserer baltischen Nachbarn vor Russlands imperialistischer Politik nicht hören wollen. Wir haben diesen Irrtum erkannt. -Hinter diese Erkenntnis gibt es keinen Weg zurück. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb wiederhole ich hier noch einmal: Die Sicherheit von Litauen ist auch die Sicherheit von Deutschland. 

Ich werde am Mittwoch vom NATO-Gipfel zum Europäischen Rat in Brüssel weiterreisen. Wir werden dort mit unseren europäischen Partnern zum einen darüber sprechen, wie wir die neuen Mittel für Verteidigung schnellstmöglich, bestmöglich und effizient gemeinsam einsetzen. Die europäische Stärke und Gestaltungskraft hängen aber auch an unserer Wirtschaftskraft. Das ist die eigentlich gute Nachricht für uns; denn wir haben mit dem europäischen Binnenmarkt einen Wachstumsmarkt von weiterem großen Potenzial. Dieser europäische Binnenmarkt ist unsere globale Versicherung gegen Schocks und gegen externe Unsicherheit. 

Eine zentrale Aufgabe für uns in Europa in den nächsten Jahren wird es darum sein, diesen Binnenmarkt weiter zu vertiefen und gleichzeitig eine ambitionierte gemeinsame europäische Handelspolitik voranzutreiben. Das wird - neben dem gemeinsamen Ziel einer gesamteuropäischen Migrationswende - das dritte zentrale Thema sein, zu dem wir im Europäischen Rat diskutieren: Wie stellen wir die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft sicher? Lassen Sie mich gleich ganz grundsätzlich dazu sagen: Mit dieser Bundesregierung wird Deutschland in Brüssel zu einer Stimme für eine zukunftsfähige und wettbewerbsfähige Wirtschaft. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für uns ist klar: Wir brauchen in Europa Fortschritte bei der sogenannten Spar- und Investitionsunion; wir brauchen eine stärker integrierte Energieinfrastruktur. Wir brauchen aber auch einen umfassenden Bürokratierückbau, um die Wirtschaft und um Innovationen von staatlichen Fesseln zu befreien. Ich will es noch deutlicher sagen: Wir brauchen in Europa deutlich weniger Regulierung. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Europäische Kommission hat mit der Vorlage ihrer sogenannten Omnibuspakete nun einen Schritt in Richtung Vereinfachung und Beschleunigung von bestehenden Regelungen und Verfahren geleistet. Das ist ein erster Schritt, dem noch viele weitere folgen müssen. Dafür werde ich mich beim Europäischen Rat einsetzen. Vor allem aber werde ich darauf drängen, dass die Gesetzgebung der Zukunft schon im Zeichen dieses Mentalitätswechsels steht. Wir brauchen eine neue Kultur der Zurückhaltung bei europäischer Regulierung. 

Das ist übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch eine Voraussetzung dafür, dass wir gemeinsam eine erfolgreiche Handelspolitik bestreiten können. Denn wir können nicht erwarten, dass sich die ganze Welt nach unseren komplexen und europäischen Standards und Regeln ausrichtet. Es ist eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit, dass wir uns noch breiter aufstellen im Hinblick auf unsere Handelspartnerschaften; es ist aber auch eine Schlüsselfrage strategischer Resilienz. Es wird zukunftsentscheidend sein, dass wir sie gut und dass wir sie zeitnah beantworten. Das heißt im Klartext, so viele neue Handelsabkommen wie möglich abzuschließen - und zwar möglichst als reine Handelsverträge, die nur der Zustimmung der europäischen Institutionen bedürfen, nicht mehr der jahrelangen zermürbenden Prozesse - wie leider auch in Deutschland immer wieder geschehen - in den nationalen Parlamenten. 

(Dr. Alice Weidel (AfD): Oh! Stören die jetzt? Die nationalen Parlamente stören wohl!)

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie wissen, dass die EU-Kommission im Augenblick mit der amerikanischen Regierung über eine Lösung des Zollkonflikts verhandelt. Die Bundesregierung ist mit allen europäischen Partnern darin sehr einig: Zölle nutzen niemandem, sie schaden allen. 

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es liegt daher in unser aller Interesse, dass der Handelskonflikt mit den USA nicht weiter eskaliert. Ich weiß, dass die Europäische Kommission in diesem Sinne mit großer Umsicht verhandelt, und sie hat dabei unsere volle Unterstützung. Ich persönlich hoffe, dass wir bis Anfang Juli mit den USA zu einer Lösung kommen. Sollte das allerdings nicht möglich sein, sind wir auch darauf vorbereitet - nämlich mit einer Reihe von Optionen. Die EU kann und sie wird ihre Interessen verteidigen. Mein Eindruck aus den Gesprächen mit dem amerikanischen Präsidenten ist aber: Die USA haben auch in wirtschaftlichen Fragen ein Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit mit uns, mit Europa und vor allem mit uns in Deutschland. 

Meine Damen und Herren, auch für die nationale Ebene gilt: Unsere Wirtschaftskraft schafft uns erst Gestaltungskraft und Verhandlungsstärke. Sie verschafft uns erst die Mittel, die wir brauchen, um die Sicherheit - auch und gerade die soziale Sicherheit - zu finanzieren, die unser Leben in Freiheit ermöglicht. Schon insofern folgt für verantwortungsvolle Politik und folgt für diese Bundesregierung, dass die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft eine Priorität sein muss. Darum gilt für unsere Bundesregierung, für diese Bundesregierung: Wir wollen, dass Deutschland ein modernes Industrieland bleibt, in dem es allen Menschen und Generationen Freude macht, zu arbeiten. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden daher jetzt sehr schnell und konsequent unser Sofortprogramm umsetzen, das wir im Kabinett bereits vereinbart haben. Mit den Ministerpräsidenten der Länder sind wir auf dem Weg zu einer Einigung. Wir werden die Rahmenbedingungen für private und staatliche Investitionen verbessern, damit vor allem die Unternehmen wieder mehr in Deutschland investieren. 

Wir werden parallel schnellstmöglich und ambitioniert die strukturellen Wachstumsbremsen lösen, die unser Land hemmen. Das sind die zu hohen Energiepreise und vor allem die Bürokratielast. Unsere Energiepolitik wird dem Anspruch folgen: bezahlbar, sicher, technologieoffen.

Wir leiten einen grundlegenden Mentalitätswechsel bei der Regulierung ein, auch auf nationaler Ebene. Wir hören auf mit der Kultur des Misstrauens, die gegenüber den schwarzen Schafen nichts hilft, aber allen anderen nur Steine in den Weg legt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, ist es ein sehr gutes Zeichen, dass die Konjunkturprognosen für die deutsche Wirtschaft zuletzt deutlich nach oben korrigiert worden sind. In diese Richtung muss es jetzt aber weitergehen.

Die nächste große Priorität für die Bundesregierung wird es sein, dafür zu sorgen, dass die Menschen in Deutschland insgesamt wieder erfahren können, dass sich ihr Einsatz auszahlt, dass das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit wieder gilt. In diesem Sinne planen wir Entlastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und in diesem Sinne arbeitet das Bundesarbeitsministerium in der Bundesregierung zum Beispiel am Ersatz des Bürgergeldes durch eine neue Grundsicherung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Die vergangenen Wochen waren in großen Teilen der Welt erneut Wochen der Krise, des Umbruchs, auch der Gewalt: in der Ukraine, im Iran, in Israel, in Gaza. Die vergangenen Wochen haben einmal mehr gezeigt: Wir können nicht damit rechnen, dass die Welt um uns herum alsbald wieder dauerhaft zu ruhigeren Zeiten zurückkehrt. 

Aber wir können sehr wohl Einfluss darauf nehmen, wie diese neue Normalität in unserem Alltag aussieht. Wir können dafür sorgen, dass sie wenigstens für uns einhergeht mit Freiheit, mit Wohlstand und mit Frieden. Die gesamte Bundesregierung widmet sich mit ganzer Kraft genau diesem Ziel. 

In dieser Hinsicht haben die vergangenen Wochen mich insgesamt sogar ein wenig zuversichtlich gestimmt, weil sie gezeigt haben: Wir sind als Land dieser Aufgabe gewachsen, und wir können die Probleme aus eigener Kraft heraus bewältigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Voraussetzung dafür ist - dies will ich zum Abschluss noch einmal betonen -, dass wir stark sind: von innen heraus und nach außen als Gesellschaft, die zusammenhält und die weiß, was auf dem Spiel steht, und als Wirtschaftsstandort, der Investitionen ermöglicht, der Innovation, Wachstum und Mehrwert schafft.

Ich kann für die Bundesregierung versprechen: Wir arbeiten in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren weiter sehr hart dafür, dass Deutschland zu seiner Stärke zurückfindet, eben nach innen wie nach außen. Genau mit diesem Leitmotiv werde ich Deutschland beim anstehenden NATO-Gipfel in Den Haag und beim Europäischen Rat in Brüssel vertreten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion der AfD hat nun der Abgeordnete Tino Chrupalla das Wort.

(Beifall bei der AfD)

Tino Chrupalla (AfD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Landsleute! Schon wieder haben wir einen weiteren Konfliktherd. Dieser reicht nun bis in den Mittleren Osten hinein. Und schon wieder stehen wir als mehr oder minder stiller Beobachter am Rand und sind doch seit Sonntag mal wieder mitten zwischen den Konfliktparteien.

Unser schmales Wissen beschränkt sich auf oftmals einseitige Informationen. Unsere eigenen nachrichtendienstlichen Quellen sind, wie wir auch in diesem Haus ja schon oft gehört haben, auf befreundete Organisationen angewiesen. Selbst diese scheinen nun hinterfragt werden zu müssen. So hat der US-amerikanische Präsident wissen lassen, dass die Informationen seiner Dienste im Falle des Iran nicht der Wahrheit entsprechen würden. Gleichzeitig gibt es Berichte darüber, dass der angegriffene Iran über die Pläne durch die USA in Kenntnis gesetzt worden wäre. 

All das macht eine objektive Einordnung für uns alle auch heute noch unendlich schwer. Das wurde gestern Vormittag in der Unterrichtung durch den Chef des Bundeskanzleramtes, Herrn Frei, deutlich. So kurz am Ereigniszeitraum liegen nur wenige umfangreiche Informationen vor. Für die offene und informative Atmosphäre möchte ich an dieser Stelle dem Bundeskanzleramt danken.

Sicher bleibt aber danach eins: Die Möglichkeit insbesondere einer atomaren Kriegsgefahr muss ausgeschlossen werden.

(Beifall bei der AfD)

Sollte daher der einmalige Schlag der US-Amerikaner erfolgreich gewesen sein und potenzielle Gefahrenquellen für die Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten ausgeschaltet haben, könnte dieser nach der nun erfolgten Erwiderung durch den Iran einen Flächenbrand verhindern helfen. Ein Grund für weitere Angriffe läge nun auch nicht mehr vor. Eine Frage, die sich aus den vergangenen Tagen ergibt, ist natürlich, ob nicht jedes Land, das über solche potenziellen Fähigkeiten verfügt, sich freiwillig der internationalen Kontrolle unterziehen sollte. 

Am Ende kommt man wieder sehr schnell zu den wohl wichtigsten Kategorien der Politik: Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Neben allen Interessenlagen müssen diese vorhanden sein, um ehrliche Verhandlungen führen zu können - zwischen einzelnen Personen, aber auch Staaten. Dazu kommt die Position von Vermittlern, die den Gesprächsprozess moderieren. Hier nimmt Katar schon lange eine wichtige Rolle in der Region ein, wovon ich mich selbst in Gesprächen überzeugen konnte. Insofern sind die Bemühungen gar nicht hoch genug einzuschätzen. Es ist nun an den Konfliktparteien, die Waffenruhe einzuhalten.

Es bleibt dabei, werte Kollegen: Ein jeder Staat hat das Recht, zu existieren, und das Recht darauf, sich selbst zu verteidigen. Der Bezug liegt auch hier auf dem Völkerrecht. Wie kein anderes steht dieses vor der Herausforderung, sich in der aktuellen Zeit zu behaupten. Hier und heute ist es die vereinbarte Leitlinie und für alle gleichermaßen gültig.

Wir alle hier sind die Vertreter der deutschen Bevölkerung und stehen zuallererst an ihrer Seite und an der Seite unseres Landes.

(Beifall bei der AfD)

Wir stellen uns immer hinter Staaten und deren Völker. Sie entscheiden - so wie auch wir - souverän in Wahlen über Regierungen und Verhältnisse. Was wir als Politiker aber dürfen und müssen, gerade wenn man gute Verhältnisse zu anderen Staaten pflegt, ist, sie mit den Konsequenzen ihres Handelns zu konfrontieren. Darum ist es schlussfolgernd auch richtig, immer wieder auf die Wichtigkeit von Diplomatie als ein Garant für Frieden hinzuweisen und dies immer wieder anzumahnen. 

(Beifall bei der AfD)

Darüber hinaus muss jeder Beistand gut abgewogen und hier im Deutschen Bundestag entschieden werden. Genau deshalb stehen wir ebenso an der Seite Israels wie an der Seite aller anderen Staaten, mit denen wir gemeinsame Interessen teilen. Antisemitismus hat bei uns ebenso wenig einen Platz wie eine pauschale Bewertung anderer Religionen. 

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bundeskanzler, auch Begriffe wie „Drecksarbeit“ sind in der Situation völlig unangemessen und überflüssig,

(Beifall bei der AfD)

gerade wenn man sie noch dazu nur von anderen übernimmt. Deshalb ist eines sicher: Doppelmoral führt niemanden zusammen, sondern baut sichtbare Widersprüche auf, spaltet und entzweit. 

(Zuruf der Abg. Derya Türk-Nachbaur (SPD))

Im Einzelfall wird wie immer die Geschichtsschreibung der Zukunft urteilen. Insofern hätte der sogenannte Zwölf-Tage-Krieg das Potenzial, zu einem vorläufigen Endpunkt einer langen Konfliktlinie positiv beizutragen. Ich folge dem Aufruf des Bundeskanzlers an alle Beteiligten, sich daran zu halten.

Welchen Beitrag die Vereinten Nationen, insbesondere der Sicherheitsrat, dazu leisten können, muss ebenso diskutiert werden, was der Bundeskanzler heute nicht erwähnt hat. Auf diesem langen Weg braucht es umfangreiche Gespräche, vielfachen Respekt und gegenseitige Anerkennung. Diskussionen über Umstürze und Regimewechsel sind dabei völlig fehl am Platz. Meine Damen und Herren, sollte das iranische Volk für einen Regierungswechsel stimmen, muss es das aus eigener Kraft heraus tun. Wir sind nicht in der Position, über seine Zukunft zu bestimmen. 

(Beifall bei der AfD)

Auch müssen wir uns Fragen dazu stellen, wie anschlussfähig und von der Bevölkerung gewollt beispielsweise ein Kronprinz ist, der nun schon fast in den Startlöchern zu stehen scheint, um sich Generationen nach seinem Vater vielleicht an die Spitze dieses Landes stellen zu lassen. Haben wir dazu Erkenntnisse oder vielmehr belastbare Sicherheiten?

Und an unsere Erfahrung appelliert: Haben wir als Teil der Weltbevölkerung in den letzten Jahrzehnten wirklich gute Erfahrungen damit gemacht, von außen stark in Machtwechsel einzugreifen? Was waren die Folgen aus diesem Handeln? Denken Sie dabei an den Iran, den Irak, Afghanistan oder Syrien! Haben wir damit die Region wirklich befriedet und sicherer gemacht? Oder haben wir damit Vertrauen in uns und unser Handeln erzeugt?

Der Kern unserer alternativen Politik im Deutschen Bundestag ist vom Grundsatzprogramm meiner Partei geleitet: Kein Eingriff in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten! 

(Zuruf der Abg. Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Keine Lieferung von Waffen in Kriegsgebiete! Und der Schwerpunkt liegt auf Diplomatie.

(Beifall bei der AfD)

Das sind unsere Leitlinien, mit denen wir auch die innere Sicherheit und die wirtschaftliche Kraft Deutschlands erhalten und vor allem voranbringen wollen. Dabei sind uns die größten Hindernisse durchaus bewusst. Eines davon ist und bleibt der Islamismus und der damit einhergehende Terrorismus. Diesen gilt es durch konsequente Maßnahmen zu bekämpfen - im Bereich der Aufklärung und Prävention ebenso wie bei der Ausstattung der Sicherheitsbehörden und Grenzsicherung, bei Rückführungen, aber natürlich auch bei Abschiebungen. Und wer sich nicht mit den Werten unseres Grundgesetzes identifizieren möchte, kann keinen Platz in unserer Gemeinschaft haben.

(Beifall bei der AfD - Zuruf des Abg. Luigi Pantisano (Die Linke)

Das - ich betone es immer wieder - steht nicht im Widerspruch zur Arbeitsmigration, zu Studienaufenthalten in Deutschland oder der Zusammenarbeit in kulturell-wissenschaftlichen Bereichen. Alle diese Menschen kommen, weil sie die deutsche Kultur und Identität schätzen oder kennenlernen möchten. Es geht der Alternative für Deutschland darum, gewaltbereite, bereits wegen Gewalttaten Verurteilte ohne Bleibegrund oder bereits abgewiesene Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in ihre Heimat zurückzuführen. 

(Zuruf der Abg. Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Genau das ist nur legitim. Und es schützt alle, die es gut mit Deutschland meinen.

(Beifall bei der AfD)

Deshalb gilt, auch in der aktuellen Situation immer wieder die Frage zu stellen: In wessen Interessen finden solche Ereignisse statt?

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus genau den gesamten und genannten Gründen ist es in unserem eigenen Interesse, dass im Nahen und Mittleren Osten die Waffen endlich schweigen. Wir können und wollen keine weiteren Flüchtlingswellen hinnehmen. Jede weitere Zerstörung von Infrastruktur muss deshalb vermieden werden. Dafür muss sich die Bundesregierung einsetzen.

(Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Dann reden Sie doch mal mit Putin, Herr Chrupalla! Wie wäre es damit?)

Wir wissen alle, dass hier die Interessen zwischen staatlichem und wirtschaftlichem Denken auseinandergehen. Wiederaufbaumaßnahmen schaffen wirtschaftliche Möglichkeiten, aber auch diese würden den deutschen Steuerzahler wieder mit Sondervermögen, Sonderschulden belasten; siehe Ukraine.

Schon sind wir wieder beim Punkt der Glaubwürdigkeit. Bundeskanzler Friedrich Merz warf der SPD eine Politik der Schulden und hohen Steuern vor und sprach sich für niedrige Energiepreise und eine starke Volkswirtschaft aus, auch heute wieder. Davon ist nicht viel geblieben. Bloß, wo stehen wir heute? Friedrich Merz ist der Unionsschuldenkanzler im roten Gewand.

(Beifall bei der AfD)

Eine Neuverschuldung von sage und schreibe über 846 Milliarden Euro bis 2029 möchte die Koalition durch den Bundestag bringen. Das Ziel soll Wirtschaftswachstum sein.

Nehmen wir das Beispiel des 100 Milliarden Euro umfassenden Klima- und Transformationsfonds. Immer noch ein Thema ist dabei der grüne Wasserstoff. Geplant war die Herstellung von grünem Stahl. Nur, für wen brauchen wir diese teure Energieerzeugungsform noch? Übrigens haben wir als AfD immer wieder darauf hingewiesen, dass das Fantastereien sind. Die deutsche Stahlindustrie liegt am Boden. Wenn die Hochöfen einmal erloschen sind, gibt es keinen Stahl mehr aus deutscher Produktion. Deshalb: Verabschieden Sie sich endlich von diesen Fantastereien!

(Beifall bei der AfD)

Auch beim 5-Prozent-Ziel der NATO ist man sich einig, und man möchte es erfüllen. Meine Damen und Herren, dem kann man so nicht zustimmen. Wir müssten zuerst einmal wissen, wie die aktuellen Investitionen genutzt werden. Für was und gegen wen rüsten wir uns? Wohin steuert eigentlich die NATO insgesamt?

Herr Pistorius darf 10 000 zusätzliche Soldaten einstellen. Sind denn innerhalb der Bundeswehr die Verwaltungs- und Beschaffungswege mittlerweile verschlankt? Haben wir ausreichend funktionierendes Material?

(Zuruf der Abg. Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Und vor allem: Haben wir ausreichend qualifiziertes Personal, um die Landesverteidigung zu gewährleisten? Wir sollten auch deshalb alle hoffen, dass der Bündnisfall nicht eintritt.

(Zuruf von der Linken: Kommen Sie zum Schluss!)

Viel wichtiger ist und bleibt aktuell die Straße von Hormus. Es ist in unserem unbedingten deutschen Interesse, diesen Handelsweg insbesondere für Rohstoffe uneingeschränkt freizuhalten. Der Ölpreis hat mittlerweile schon darauf reagiert; die bislang bekannten Höchstpreise für Benzin und Diesel sind nichts im Vergleich zu dem, was die Verbraucher dann erwarten könnten.

Insgesamt müssen sich die großen Länder Europas über ihre Rolle verständigen. Wir wussten nichts über die Pläne der USA. Wir werden nicht einbezogen, werden aber stets gebraucht, vor allem, wenn die Rechnung kommt. Europa muss als aktiver Verhandlungspartner wahrgenommen werden und endlich seine Interessen klar artikulieren.

(Beifall bei der AfD)

Werte Kollegen, alle Kriege haben eines gemeinsam: Sie haben Verlierer auf allen Seiten und müssen vermieden werden. Wir alle dürfen seit Jahrzehnten in Frieden leben. Belassen wir es dabei! Werden wir nicht friedensmüde, Herr Pistorius, sondern vielmehr friedenstüchtig!

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Matthias Miersch das Wort.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Matthias Miersch (SPD): 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, Sie haben meines Erachtens heute zu Recht auf die enormen Herausforderungen hingewiesen, die in diesen Zeiten vor uns liegen. Sie haben zu Recht diese Herausforderungen beschrieben. Ich kann Ihnen im Namen der SPD-Fraktion versichern: Wir werden Sie bei diesem Bemühen, diesem Vorhaben, Stabilität zu schaffen - im Übrigen anknüpfend an das, was Bundeskanzler Olaf Scholz mit der Zeitenwende und dem Sondervermögen eingeleitet hat -, mit aller Kraft unterstützen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sie haben, anders als einige Expertinnen und Experten oder Kommentatoren, den Eid auf die Verfassung geschworen. Das ist viel, viel mehr, als mal eben eine vermeintliche Lösung in diesen schwierigen Zeiten zu präsentieren. Deswegen will ich Ihnen für die SPD-Bundestagsfraktion drei Parameter für die weiteren Entscheidungen, die für uns sehr essenziell sind, mit auf den Weg geben.

Erstens. In diesen Zeiten führt kein Weg an Diplomatie vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Jeder Versuch ist es wert; kein Gespräch ist umsonst. Deswegen, sehr geehrter Herr Außenminister Wadephul, bedanken wir uns bei Ihnen für Ihre Tätigkeiten, die Sie in den letzten Wochen geleistet haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir nehmen wahr, wie das teilweise belächelt wird. Aber wer Stabilität und dauerhaften Frieden will, der wird ohne Diplomatie niemals zu einem Ende kommen. Deswegen: Machen Sie bitte so weiter, wie Sie begonnen haben!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Der zweite wichtige Aspekt ist die Einhaltung des Völkerrechts. Manchmal hat man den Eindruck, dass diese Debatte so geführt wird, als ob sie nur in Hörsäle gehört. Aber wir als Bundesrepublik Deutschland und wir als Europäer haben ein Rieseninteresse, dass es in dieser Welt einvernehmliche Regeln gibt, an die sich alle halten, weil ansonsten das Recht des Stärkeren gelten würde. Das kann hier keiner wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zu diesem Dreiklang gehört auch die Erkenntnis, dass wir augenblicklich mit Aggressoren zu tun haben, die weder zu Diplomatie bereit sind noch dazu, sich in irgendeiner Form an rechtliche Verpflichtungen zu halten. Daraus müssen wir die Konsequenzen ziehen. Deswegen gehört neben Diplomatie und dem Völkerrecht das Recht zur Selbstverteidigung und zur Verteidigungsfähigkeit dazu. 

Schon in der Ampel haben wir das Sondervermögen aufgelegt. Und wir haben jetzt durch die Bereichsausnahme, durch die verfassungsrechtliche Veränderung, die Möglichkeiten geschaffen, in die Verteidigungsfähigkeit zu investieren. Wir können und wir müssen das tun, was viele, viele Jahre vorher nicht getan wurde, aber das ist notwendig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für uns ist an dieser Stelle immer entscheidend gewesen, dass wir die Güter nicht gegeneinander ausspielen, dass soziale Sicherheit und sozialer Zusammenhalt nicht zugunsten der Verteidigung aufs Spiel gesetzt werden. Diese Voraussetzungen haben wir jetzt durch diese Verfassungsänderung geschaffen. Und ich sage ganz bewusst: Auch dass das Kabinett heute das Haushaltsgesetz bzw. die Voraussetzungen für die Schaffung eines Sondervermögens auf den Weg gebracht hat, ist ein weiterer wichtiger Bestandteil, dass wir nach außen, aber auch gerade nach innen handeln können, wenn es um den Zusammenhalt in dieser Welt geht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Meine Kolleginnen und Kollegen werden deutlich machen, was das im Einzelnen weiter zu bedeuten hat. Aber, Herr Bundeskanzler, nehmen Sie mit: Dieser Dreiklang ist für uns das, was jetzt für die nächsten Jahre zählt und wodurch wir hoffentlich zu einer sichereren Welt kommen, die am Ende die Sicherheit schafft, die wir uns alle wünschen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Abgeordnete Britta Haßelmann das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lage im Nahen Osten ist derzeit undurchsichtig, extrem schwierig und kaum berechenbar. Gab es heute Morgen noch Anzeichen für eine Waffenruhe oder eine Feuerpause, wie es aus den USA angekündigt wurde, fliegen derzeit nach Meldungen offenbar wieder Raketen auf Israel. Eine Waffenruhe wäre dringend geboten, um alle Parteien zurück an den Verhandlungstisch zu bringen. Eine echte Verhandlungslösung über ein Atomabkommen wäre der beste Weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wichtigstes Ziel muss es sein, dass der Iran und seine Proxys die Angriffe auf Israel sofort unterlassen und dass der Iran von seinen nuklearen Plänen Abstand nimmt. Klar ist doch schon jetzt: Die sicherheitspolitischen Folgen werden uns in den nächsten Wochen und Monaten in der gesamten Region des Nahen Ostens beschäftigen. 

Ich verstehe die Menschen hier im Land sehr gut, die sich Sorgen machen und vor Krieg fürchten. Viele junge Menschen treibt täglich eine ganz zentrale Frage um: Sind wir gefährdet durch den Krieg, durch die Lage in dieser Welt? Und viele verstehen diese Welt nicht mehr. 

Meine Gedanken und unsere Gedanken sind in diesen Tagen bei den Menschen in der gesamten Region, bei der Zivilbevölkerung in Israel und im Iran. Viele haben dort Freunde, Verwandte, kennen Menschen in der Region, erhalten besorgniserregende Nachrichten. Und viele Menschen hier machen sich Sorgen um die Angehörigen in Israel, im Iran und in der ganzen Region.

Wir haben das Atomprogramm im Iran immer mit großer Sorge gesehen. Denn es geht nicht um die zivile Nutzung - das weiß und das wusste jeder -, sondern es geht schon immer darum, eine Atombombe bauen zu können. Deshalb war jeder internationale und europäische Versuch, ein Atomabkommen zu schließen, so wichtig und notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Absicht, Israel zu vernichten, ist keine wüste Drohung. Sie ist real; sie ist ein zentrales Element der Politik des Iran. Das Regime terrorisiert Israel seit Jahren, seit Jahrzehnten mit Raketenangriffen und durch die Finanzierung von Terror. Und wir wissen, dass für uns alle gilt: Die Existenz und die Sicherheit Israels zu schützen, ist unsere Staatsräson.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es steht außer Frage, dass der Iran und das dortige Terrorregime über Jahre die Welt über sein Atomprogramm belogen haben. Aber eine weitere militärische Eskalation in diesem Konflikt wäre ebenso hochgefährlich - auch das wissen wir alle - wie die Atombombe in den Händen Irans. Ich sehe mit großer Sorge auf die Spannungen und auch die Angegriffenheit des Völkerrechts in diesen Zeiten. Lieber Matthias Miersch, das ist viel mehr als Hörsaal, das ist internationales Recht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Görke (Die Linke))

Wir können diese Komplexität der Welt nicht ignorieren. Aber das Völkerrecht und die internationale Ordnung sind zentral. Deshalb gibt es keine Alternative dazu, dass wir zur Diplomatie zurückkehren müssen. Wir brauchen dieses Regelwerk des friedlichen Zusammenlebens für unsere eigene Sicherheit. Der Grundsatz „Es braucht die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren“ muss für uns alle gelten; denn er ist unser aller Schutz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Matthias Miersch (SPD))

Die Gefährdungen ernst nehmen, weitere Eskalation vermeiden, für diplomatische Bemühungen und Deeskalation nichts unversucht lassen: Darum muss es jetzt gehen.

Und ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie mit einer Stimme spricht. Ich habe Ihre Worte heute gehört, Herr Merz. Aber für niemanden waren doch die Differenzen, die Dissense, die unterschiedlichen Erklärungen und Einschätzungen innerhalb der Bundesregierung übersehbar: zwischen Bundeskanzler, Außenminister, zwischen den Koalitionspartnern. Das ist fatal in einer so schwierigen Lage, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erwarte, dass Klarheit darüber besteht, was national und europäisch zu tun ist, und dass die Gemeinsamkeit zwischen Großbritannien, Frankreich, Deutschland nicht nur als eine gemeinsame Erklärung der E3 auf einem Papier steht, sondern tägliches Bemühen der Einigkeit Europas in dieser Unordnung der Welt ist; denn sie ist zentral.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn auch der NATO-Gipfel kurz dauern wird, so wird dort der Ort sein, an dem ebenso über die Lage in der Ukraine diskutiert wird. Und wir dürfen bei all den Fragen und der Besorgnis, die uns jetzt ganz zentral mit Blick auf den Nahen Osten beschäftigen, die Ukraine nicht übersehen. Wir müssen darüber reden und vor allen Dingen handeln, um die Ukraine weiter nach Kräften zu unterstützen. 

Denn die Lage ist dramatisch: Mit unverminderter Härte wird die Ukraine in diesen Tagen angegriffen. Auch Putin weiß ganz genau um die Situation, dass alle auf den Nahen Osten blicken. Eigentlich geht es jetzt aber um Stabilität, um die weitere Unterstützung in der Ukraine. All das ist zwingend notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb, meine Damen und Herren, erwarten wir vom NATO-Gipfel und vom Europäischen Rat auch klare Signale, dass die Unterstützung der Ukraine unvermindert fortbesteht. Das Signal muss doch klar sein: Europa steht gemeinsam an der Seite der Ukraine. Die Bedrohung unserer Friedensordnung und unserer europäischen Sicherheit geht doch eindeutig von Russland aus. Putin ist der Aggressor, meine Damen und Herren. Er stellt die Souveränität der Ukraine infrage. 

Und es liegt doch an Putin, dass alle Versuche von Friedensgesprächen und Waffenstillstandsverhandlungen gescheitert sind. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, verstehe ich diese Initiative zum Manifest für Frieden aus Ihren Reihen nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU))

Natürlich wünschen sich alle Menschen in unserem Land Frieden. Ich kenne niemanden, der sich nicht nach Frieden sehnt. Aber für uns ist klar: Bisher ist doch alles daran gescheitert, dass Putin diese Bemühungen durchkreuzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, Investitionen in Sicherheit, in die Verteidigungsfähigkeit, in die bessere Aufstellung unserer Nachrichtendienste, in die Cybersicherheit: All das ist notwendig, um die Verteidigungsfähigkeit zu sichern. Ja, meine Damen und Herren, wir Grüne haben den Weg für dieses Sondervermögen, für die Aufhebung der Schuldenbremse mit freigemacht, weil wir wissen, dass die Sicherheits- und Friedensordnung in Europa gefährdet ist. Aber bei allem, was zu tun ist und notwendig ist, wissen wir, dass es auch darum geht, die Entwicklungszusammenarbeit für die Ärmsten in der Welt, die humanitäre Hilfe zu stärken. Denn Hard Power genügt nicht.

Präsidentin Julia Klöckner:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Soft Power ist notwendig, um die Region zu stabilisieren.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Julia Klöckner:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Herr Jens Spahn das Wort. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jens Spahn (CDU/CSU): 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Germany is back on track“, Deutschland ist wieder auf Kurs, Deutschland ist wieder da.

(Lachen der Abg. Dr. Alice Weidel (AfD) - Dr. Alice Weidel (AfD): Wo denn?)

So hat es der Bundeskanzler vor genau sieben Wochen direkt nach seiner Wahl gesagt. Wir Deutschen können wieder stolz sein auf unser Land, das mit unserem Kanzler, das mit Friedrich Merz europäisch und international Führung übernimmt, mit einem Kanzler, der ein Fixpunkt westlicher und europäischer Politik ist und der auch rhetorisch Verantwortung übernimmt und klar ist, wenn es um die deutschen Positionen geht. Danke für diesen guten Start an die Bundesregierung und an unseren Bundeskanzler! 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wo der Platz der Bundesrepublik dabei ist, ist klar: Er ist an der Seite unserer Partner in der EU, der NATO und der G7. Er ist an der Seite der Ukraine und an der Seite Israels. Unser Platz ist im Zentrum unserer westlichen Wertegemeinschaft. Und ja, wir alle wissen, dass die Strahlkraft dieses normativen Westens nachgelassen hat. In vielen liberalen Demokratien drohen Extreme rechts und links mit der Zerstörung dieser Idee. Und es stimmt auch, dass die demokratischen Kräfte - und ja, auch ihr Versagen - meist einen entscheidenden Anteil daran haben, dass viele Menschen an dieser Idee zweifeln. Es ist unsere Aufgabe, sie wieder von dieser Idee zu überzeugen, sie davon zu überzeugen, dass der demokratische Rechtsstaat in der Lage ist, notwendige Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen, sie wieder davon zu überzeugen, dass es möglich ist, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, Wohlstand für sich und seine Familie zu erarbeiten und in Frieden und Freiheit zu leben

(Beifall bei der CDU/CSU)

in einer pluralen, offenen Gesellschaft, die jedem und jeder erlaubt, so zu leben, wie er oder sie ist oder mag, mit dem Respekt vor anderen und für andere. Denn es ist genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, was uns unterscheidet von Autokratien und Diktaturen wie Putins Russland oder dem kommunistischen Nordkorea. Es ist das, was uns unterscheidet von religiösen Fanatikern und Terroristen wie den Mullahs und der Hamas. Diese Feinde der Demokratie machen sich auch hier bei uns im Innern breit. Es ist für uns inakzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Islamisten und ihre Helfershelfer letzten Samstag vor diesem Gebäude aufmarschiert sind, das Existenzrecht Israels infrage stellen und Judenhass vor dieses Haus tragen. Es ist eine Schande, und wir akzeptieren das nicht. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Markus Frohnmaier (AfD): Die habt ihr alle nach Deutschland geholt! Eure Migrationspolitik!)

Es ist übrigens auch eine Schande - Herr Kollege Pellmann, vielleicht können Sie gleich etwas dazu sagen -, dass Sie als Linke am letzten Samstag an vorderster Front mit wehenden Fahnen mitmarschiert sind. Klären Sie endlich Ihr Verhältnis zur Existenz Israels!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Markus Frohnmaier (AfD): Eure Stimmenbeschaffer!)

Einige Worte zum aktuellen Konflikt, der die Unterschiede zwischen Demokratien und Terrorregimen deutlich macht. Die Mullahs und ihre Proxys, die Hamas, die Huthi und die Hisbollah, schießen ihre Raketen mitten in die Städte Israels und nehmen das Leid vieler Unschuldiger nicht nur in Kauf, sondern zielen genau darauf ab, und das seit Jahren und Jahrzehnten, in brutalster und barbarischster Form am 7. Oktober 2023. Israel und die USA dagegen attackieren gezielt militärische Ziele: Atomanlagen, Raketensilos.

(Zuruf von der Linken)

Und ja, dabei gibt es leider auch zivile Opfer zu beklagen. Die Mullahs und ihre Terrorhelfer greifen an, um wahllos möglichst viele Juden zu töten. Israel greift die militärische und politische Elite des Regimes an, das Israel auslöschen will. Im Iran herrscht eines der gefürchtetsten Terrorregime der ganzen Welt. Frauen werden unterdrückt, Schwule und Lesben hingerichtet wie im Mittelalter, Andersdenkende eingesperrt und gefoltert. Es gibt nur wenige Tausend Juden im ganzen Land. Israel dagegen ist eine funktionierende, nach unseren Werten organisierte Demokratie, die in Freiheit und Frieden leben will.

(Zuruf von der Linken)

Minderheiten werden geschützt. Es ist eine plurale, offene Gesellschaft. Fast 2 Millionen Muslime leben in Israel, 20 Prozent der Bevölkerung.

Heißt das, dass am Vorgehen Israels im Gazastreifen oder bei den Siedlungen nichts zu kritisieren ist? Nein, sicher nicht, und der Bundeskanzler hat das deutlich gemacht. Doch wer den Unterschied zwischen der Demokratie Israel, die ihre Existenz und ihre Freiheit verteidigt, und dem mörderischen Regime in Teheran nicht sehen will, dem ist nicht zu helfen. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir wünschen dieser Region, dass sie in der aktuellen Lage, so dramatisch sie ist, vielleicht auch eine Chance für sich findet, um zu Stabilität und Frieden zu kommen. Wir changieren nicht zwischen Freiheit und Despotie. Wir wissen, wo wir stehen. Und aus dieser Position heraus wollen wir gesprächsbereit sein, um Frieden zu sichern, um Krieg und Gewalt zu vermeiden, um zivile Opfer zu verhindern. Doch das geht nicht aus einer Position der Schwäche. Diktatoren entscheiden selbst, wann sie eskalieren - meist dann, wenn sie Schwäche sehen und kein Widerstand droht. Nur wer stark ist, wird ernst genommen. Erfolgreiche Diplomatie macht man aus einer Position der Stärke heraus. Auch darum geht es in dieser Debatte. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Genau diese Stärke ist auch Thema des NATO-Gipfels und des Europäischen Rates. In diesen Bündnissen zeigt Deutschland, dass es wieder eine stärkere Führungs- und Verantwortungsrolle übernehmen wird.

Zum NATO-Gipfel. Die Bedrohungslage bestimmt die Ausrichtung des Bündnisses. Russlands offen und militärisch zur Schau gestelltem imperialen Machtstreben, seinem brutalen, kriegerischen Überfall auf die Ukraine begegnet die NATO mit neuen Verteidigungsplänen, die von allen Mitgliedsnationen die Bereitstellung von zusätzlichen Fähigkeiten erfordern. Deutschland übernimmt mit dem zweitgrößten Paket Verantwortung und wird gefordert sein: mit zusätzlichen Heeresverbänden, Luftverteidigungssystemen und auch mit Logistikfähigkeiten. Der Bundeskanzler hat das Ziel definiert, auch gerade noch einmal: Die Bundeswehr soll die größte konventionelle Armee Europas werden. Das bedarf einer immensen Kraftanstrengung weit über die bisherigen Maßnahmen hinaus. Die eigentliche Zeitenwende beginnt jetzt. Wir tun dies alles in friedfertiger Absicht. Wir wollen stark sein, um den Frieden sichern zu können. Wir wollen uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen. Das ist die Maxime, um die es in der NATO geht. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die anstehenden Entscheidungen zur Erhöhung des Verteidigungshaushalts im Bündnis - Stichwort „5 Prozent“ - sind daher folgerichtig und ein wesentlicher Baustein einer fairen transatlantischen Lastenverteilung; der Außenminister hat frühzeitig darauf hingewiesen. Europa wird endlich seinen Teil tun, um sich und seine Partner verteidigen und seine Stärke bei Bedarf auch in andere Regionen projizieren zu können. Und das tun wir nicht, um einem US-Präsidenten zu gefallen, das tun wir aus unserem eigenen nationalen Interesse für unsere eigene Sicherheit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dass wir für den Fähigkeitsaufwuchs viel Geld benötigen werden, ist unstrittig - dafür haben wir das Grundgesetz geändert -, das bildet sich im neuen Haushalt ab. Die Achillesferse bei der Erreichung aller Ziele ist und bleibt das Personal. Es bedarf eines raschen Aufwuchses für die aktive Truppe und die Reserve. Absehbar benötigen wir 80 000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten. Neben den aktiven Soldaten benötigen wir mindestens 200 000 Reservistinnen und Reservisten. Insbesondere für diese Aufwuchsfähigkeit brauchen wir noch in diesem Jahr die gesetzlichen Grundlagen für einen neuen Wehrdienst. Von Anfang an muss dabei die Vorsorge, auch die gesetzliche Vorsorge, für den Fall getroffen werden, dass wir den ermittelten Bedarf nicht mit Freiwilligen decken können. Ich kann Ihnen sagen, Herr Verteidigungsminister, lieber Herr Pistorius: Sie haben auf diesem Weg zu einem neuen Wehrdienst die Unionsfraktion fest an Ihrer Seite.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Christian Görke (Die Linke): Gute Reise!)

Meine Damen und Herren, kurz zum Europäischen Rat. Europa muss mehr denn je als ernstzunehmender geopolitischer Akteur agieren. Deswegen ist die Verteidigungsunion, die Deutschland und Frankreich sozusagen als Pioniere begonnen haben - viele sind dann diesem Projekt bis zur Verteidigungsunion, an der wir heute gemeinsam arbeiten, gefolgt -, Teil der Debatte. Wir kennen gelungene bilaterale Beispiele einer vertieften Integration und Verzahnung wie zwischen dem niederländischen und dem deutschen Heer, wo weite Teile des niederländischen Heeres zeitweise unter deutschem Kommando stehen und umgekehrt. Nehmen wir das als Motivation für ähnliche Projekte! 

Der Rüstungsbinnenmarkt muss harmonisierter, einfacher und standardisierter werden. Nur so können Kosten- und Qualitätsvorteile entstehen. Es ist keine Zeit für nationale Egoismen, es ist die Zeit für einen gemeinsamen Fokus. Zehn verschiedene Panzer- oder Kampfflugzeugtypen bringen uns nicht weiter. Maximal zwei verschiedene Typen in ganz Europa reichen auch aus. Dabei geht es auch um nukleare Fähigkeiten. An der Seite der USA und innerhalb der NATO braucht es eine seriöse Debatte über die nukleare Teilhabe Europas unter der Führung Frankreichs, Großbritanniens oder auch im Zusammenspiel mit anderen europäischen Staaten. 

Voraussetzung für eine starke EU - der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen -, für deren Sicherheit und Verteidigung ist eine Europäische Union, die vor allem wirtschaftlich stark ist. Ohne eine wettbewerbsfähige Europäische Union werden wir weniger Wohlstand, weniger soziale Sicherheit und weniger äußere Sicherheit haben. Wenn die EU bei der Wettbewerbsfähigkeit führend sein will, muss sie die richtigen Rahmenbedingungen setzen, den Binnenmarkt stärken und den freien Handel mit Handelspartnern auf der Welt ausbauen. Dazu muss sie auch endlich Mercosur zum Abschluss bringen. Sie muss Rohstoffe sichern, die Digital-, die Energie- und die Kapitalmarktunion vertiefen und Bürokratie zurückbauen. Europa darf nicht länger Champion bei der Regulierung sein, Europa muss endlich Champion bei Innovationen und Wirtschaftsstärke werden. Darum geht es auf der bevorstehenden Sitzung des Europäischen Rates. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die aktuelle Weltlage erfordert Handlungsfähigkeit und Führung. Die Zeit zum Aufschub schmerzhafter Entscheidungen ist vorbei. Wenn wir ehrlich miteinander sind, müssen wir zugeben, dass wir in den letzten zehn Jahren viele wichtige Entscheidungen, die wir vielleicht hätten treffen sollen, nicht rechtzeitig getroffen haben. Wenn es um unsere Sicherheit geht, wenn es um Frieden und Freiheit geht, dürfen wir keine Abstriche machen, und wir dürfen uns nicht wegducken. Darum geht es beim NATO-Gipfel in Den Haag, darum geht es beim Europäischen Rat. Herr Bundeskanzler, wir wünschen Ihnen im Interesse unseres Landes viel Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Bodo Ramelow: 

Für die Fraktion Die Linke darf ich aufrufen den Abgeordneten Sören Pellmann.

(Beifall bei der Linken)

Sören Pellmann (Die Linke): 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Nacht kam die überraschende Nachricht, dass die völkerrechtswidrigen Übergriffe Israels und der USA auf den Iran beendet werden. Das sind in heutigen Zeiten mal gute Nachrichten aus dem Mittleren Osten. Die nächsten Stunden werden zeigen, wie belastbar diese Aussagen sind. Ich weiß aber auch: Wenn wir in diesem Hause über Außenpolitik reden, lautet Ihre Antwort auf die allermeisten Fragen: Aufrüsten, aufrüsten, aufrüsten. 

Doch was passiert parallel dazu hier in unserem Land? Die finanziellen Spielräume insbesondere der Kommunen schwinden rapide. Das ist kein Zufall. Das hat System, und es hat Folgen, immer dort, wo die Menschen auf den Staat treffen: Der Bus auf dem Land kam bis gestern selten, morgen ist er ganz gestrichen. Das Schwimmbad war gestern marode und ist heute geschlossen. Es habe eine „komplette Kehrtwende hin zum Schlechteren“ gegeben, sagt der Präsident des Deutschen Städtetages. Während die Menschen sich berechtigterweise die Frage stellen, was der Staat noch kann und was er für sie konkret tut, reden Sie hier allen Ernstes von 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Rüstung. Das ist kompletter Irrsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der Linken)

5 Prozent vom BIP, das sind etwa 225 Milliarden Euro. 225 Milliarden Euro wollen Sie allen Ernstes in die Wettrüstung stecken. Das ist fast die Hälfte unseres Bundeshaushaltes. Unvorstellbar! Nur mal zwei Vergleichszahlen: Das Deutschlandticket kostet jährlich 1,5 Milliarden Euro. Der soziale Wohnungsbau nimmt im Entwurf des derzeitigen Bundeshaushaltes 2 Milliarden Euro ein. Aber ständig höre ich von Ihnen hier im Hause, dass die Kohle für das Deutschlandticket und Co nicht zusammenzubekommen ist. Aber für Rüstung ist Geld ohne Ende da. Das ist der völlig falsche Ansatz.

(Beifall bei der Linken - Zuruf des Abg. Alexander Hoffmann (CDU/CSU))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie huldigen hier der NATO, als gäbe es kein Morgen mehr. Die NATO, dessen wichtigstes Mitglied gerade am Wochenende einen völkerrechtswidrigen Überfall auf den Iran begonnen hat, dominiert schon jetzt militärisch die gesamte Welt. Im vergangenen Jahr haben die NATO-Staaten zusammen 55 Prozent aller weltweiten Rüstungsausgaben getätigt. Es gibt auf diesem Planeten keine Macht, die sich mit der NATO messen kann. Das ist militärische Realität. Dennoch sagen Sie auf alle Fragen in der Außenpolitik weiterhin: Rüstung, Aufrüstung, Hochrüstung. Stoppen Sie diesen Rüstungswahnsinn jetzt!

(Beifall bei der Linken)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die sozialdemokratische Regierung in Spanien hat jetzt gefordert, diese 5-Prozent-Regel nicht für ihr Land gelten zu lassen. Die Sozialdemokraten argumentieren in Spanien, dass diese Rüstungsausgaben nicht mit dem spanischen Wohlstand und Madrids Vision der Welt übereinstimmen. Liebe SPD, haben Sie mal Ihre Kolleginnen und Kollegen in Spanien gefragt? Haben Sie das Gespräch gesucht? Warum entscheidet sich Spanien für einen starken Sozialstaat und gegen diese endlose Aufrüstung? Warum schaffen wir das hier in unserem Land nicht?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeden Tag mehren sich die Stimmen 

hier im Haus, dass die Wehrpflicht wieder gelten soll.

(Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie kann man nur so naiv sein?)

Sie wollen junge Menschen wieder zum Dienst an der Waffe zwingen. Sie wollen wieder ein Jahr des Lebens unserer Jugend verschwenden, damit das Personalreservoir der Bundeswehr aufgefüllt wird. Doch unsere Jugend ist stabil und widerspenstig. Nur ein Drittel der Jugendlichen sagt Ja zum Dienst an der Waffe. Der Rest der Jugend hat einfach keinen Bock auf Ihren Waffenrock.

(Beifall bei der Linken)

Wenn es um den Kampf gegen die Klimakatastrophe geht, höre ich allerdings von der Bundesregierung herzlich wenig, nämlich gar nichts. Ihr Bild von unserer Jugend ist offenkundig. Wir als Die Linke wollen der Jugend eine wirkliche Zukunft ermöglichen, und da haben wir nicht wie Sie zuerst an Kasernenhöfe gedacht. 

(Beifall bei der Linken)

Wir werden die kommenden Generationen nicht zum Dienst an der Waffe zwingen. Die Linke macht da nicht mit.

(Maximilian Kneller (AfD): Jedenfalls seit 1990 nicht mehr!)

Deswegen muss die Wehrpflicht aus dem Grundgesetz komplett gestrichen werden.

(Beifall bei der Linken)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Nachrichten vom jüngsten NATO-Gipfel sind besorgniserregend. Das Geld für Rüstung sitzt locker. Aber jeder Euro für Panzer und Raketen fehlt bei Kindergärten, bei Schulen und bei Krankenhäusern. Für jeden Leopard-2-Panzer könnten wir eine Grundschule bauen. Schluss mit dieser Aufrüstung! Wir brauchen endlich wieder den Mut für Diplomatie - besser jetzt als später.

(Beifall bei der Linken)

Ist das undenkbar? Ich denke nicht. Ich erinnere an eine Friedensrede von John F. Kennedy aus dem Jahr 1963. Er sagte damals:

„Unsere Probleme sind menschengemacht – daher können sie auch vom Menschen gelöst werden. Und der Mensch kann so groß sein, wie er will. Kein Problem des menschlichen Schicksals übersteigt die menschliche Beherrschung. Die menschliche Vernunft und der menschliche Geist haben schon oft scheinbar Unlösbares gelöst – und wir glauben, dass sie es wieder tun können.“

Die Hoffnung bleibt. 

(Beifall bei der Linken)

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Für die SPD-Fraktion darf ich aufrufen Frau Kollegin Siemtje Möller.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Siemtje Möller (SPD): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Wo der Fuß eines russischen Soldaten hintritt, das gehört uns“, erklärte der russische Präsident Wladimir Putin erst am vergangenen Freitag wieder in Sankt Petersburg. Die dem innewohnende Drohung können wir doch ernster nicht nehmen; denn seit mittlerweile mehr als drei Jahren führt Putin einen völkerrechtswidrigen, brutalen und erbarmungslosen Krieg gegen ein freies Land. Damit stellt er unter Beweis, dass er seine imperialistischen Ziele mit militärischer Gewalt durchzusetzen sucht. Diese Aussage steht sinnbildlich für einen Machtanspruch, der keine Grenzen kennt, der Nachbarstaaten zu Einflusszonen und Objekten degradiert. Wladimir Putin hat sich und Russland in Feindseligkeit zu uns positioniert.

Putins übergeordnetes Ziel ist klar: Er will die europäische Friedensordnung zum Einsturz bringen und nach seinen eigenen Vorstellungen neu ordnen. Dafür führt er nicht nur Krieg. Er rüstet auch auf in einem Ausmaß, wie wir es seit Jahrzehnten nicht erlebt haben, und vergrößert Russlands militärische Schlagkraft kontinuierlich - personell wie materiell. Damit ist die Bedrohung für uns real. Und zu dieser Bedrohung müssen wir uns verhalten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es ist unsere Pflicht, uns damit auseinanderzusetzen, und unsere Pflicht, vorbereitet zu sein, um im Ernstfall unsere Freiheit auch militärisch verteidigen zu können - im Interesse von uns allen, zu unser aller Sicherheit,

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

damit kein russischer Stiefel je europäisches Bündnisgebiet betritt.

Deutschland trägt dabei eine besondere Verantwortung. Als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich stärkstes Land Europas erwarten unsere Partner völlig zu Recht, dass wir mehr Verantwortung übernehmen und Verlässlichkeit beweisen. Das tun wir durch konsequente Stärkung der Bundeswehr, durch einen großen Beitrag zu den NATO-Fähigkeiten und durch eine weitere Steigerung der Investitionen in unsere Sicherheit, wie es jetzt auch in Den Haag beschlossen werden wird. Gerade als Sozialdemokratin sage ich: Unsere Friedenspolitik war nie naiv. Eine funktionierende Abschreckung und Diplomatie haben sich noch nie ausgeschlossen; sie waren immer zwei Seiten derselben Medaille. Das war schon unter Willy Brandt so, in dessen Regierungszeiten zeitweise mehr als 3 Prozent des BIP in die Verteidigung investiert wurden, und das ist heute genauso. 

Für mich ist klar: Abschreckung ist Friedenssicherung. Und Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif, sie kostet eine Menge Geld. Aber - und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen, auch weil es gerade in der Debatte noch einmal völlig anders dargestellt wurde - nur weil wir in den kommenden Jahren deutlich mehr Geld für unsere Sicherheit ausgeben müssen, bedeutet das nicht, dass deshalb die Modernisierung von Schulen, Brücken, Kindergärten, Schwimmbädern hinten runterfällt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Im Gegenteil: Durch die Anpassung der Schuldenregel und das 500 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen für Infrastruktur stellen wir sicher, dass soziale, innere und äußere Sicherheit eben nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das war uns als Sozialdemokratie ein zentrales Anliegen, und ich bin sehr dankbar - ich bin auch Ihnen dankbar, Herr Bundeskanzler -, dass wir uns auf diesen völlig richtigen Weg gemeinsam verständigt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zur sicherheitspolitischen Wahrheit gehört allerdings auch: Wir müssen europäischer werden, und wir müssen Europa und NATO zusammen und in Ergänzung zueinander denken. Gerade weil die Verlässlichkeit der USA keine Selbstverständlichkeit mehr ist, müssen wir in Europa mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen. Militärische Stärke allein reicht dabei nicht. Europas Stärke zeigt sich insbesondere dann, wenn wir geschlossen handeln, wie nach der russischen Invasion, als wir rasch Sanktionen beschlossen haben und die Ukrainer seither entschlossen unterstützen. Das beweist: Europa ist politisch handlungsfähig und sicherheitspolitisch wirksam.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es geht um nicht weniger als die Bewahrung unserer europäischen Sicherheitsordnung gegen einen Aggressor, der kein Recht, keine Grenze achtet, der militärische Stärke gegen Schwächere einsetzt. Deshalb ist es unsere Verantwortung, entschieden zu handeln - nicht aus Selbstzweck, sondern damit wir auch künftig in Freiheit, Demokratie und Sicherheit leben können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Für die AfD-Fraktion darf ich aufrufen Frau Dr. Alice Weidel.

(Beifall bei der AfD)

Dr. Alice Weidel (AfD): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch nach dem von US-Präsident Donald Trump ausgerufenen Waffenstillstand ist die Gefahr einer Eskalation des israelisch-iranischen Konflikts hin zum Flächenbrand noch nicht gebannt. In dieser Situation kommt es darauf an, alle zur Verfügung stehenden Kanäle zu nutzen, um die Dynamik der militärischen Eskalation tatsächlich zu verlassen. Grundlage dafür ist eine realistische Einschätzung der Lage. Das Existenzrecht Israels steht dabei außerhalb jeder Diskussion.

(Beifall bei der AfD)

Israel hat das legitime Recht auf Wahrung und Garantie seiner Sicherheit. Eine iranische Atombombe wäre nicht nur eine existenzielle Bedrohung des Staates Israel, sondern auch für Stabilität und Frieden im Nahen und Mittleren Osten und in der ganzen Welt. 

Der Iran hat wie jedes andere Land der Welt das Recht auf die friedliche und ausschließliche zivile Nutzung der Kernkraft. Er muss sich nicht nur zum Verzicht auf Entwicklung und Herstellung von Kernwaffen bekennen, sondern auch sämtliche Anlagen und Einrichtungen der nuklearen Entwicklung und Forschung für unabhängige internationale Kontrollen öffnen. Mit der Ausschaltung iranischer Nuklearkapazitäten und Raketenabschussanlagen durch Israel und die USA entfällt ein zentraler Grund für die weitere Fortsetzung des militärischen Schlagabtauschs.

(Beifall bei der AfD)

Das eröffnet die Chance für eine diplomatische Lösung, welche die israelischen Sicherheitsinteressen berücksichtigt. Der US-amerikanische Vizepräsident J. D. Vance hat sich in diesem Sinne geäußert und damit den Weg gewiesen, der jetzt beschritten werden muss. Das wird nicht möglich sein ohne die Beteiligung der mit dem Iran verbundenen nuklearen Weltmächte, insbesondere Russlands. Der israelisch-iranische Krieg führt eindringlich vor Augen, wie bitter notwendig eine amerikanisch-russische Verständigung für Frieden und Sicherheit in dieser Welt wäre.

(Beifall bei der AfD)

Die EU-Staaten und Deutschland haben schmerzhaft erfahren müssen, dass sie auch in dieser Auseinandersetzung keine Rolle spielen. Kopfloser Aktionismus und peinliche Fehleinschätzungen haben den deutschen Außenminister, seine europäischen Amtsminister und die überforderte EU-Außenbeauftragte bis auf die Knochen blamiert. 

(Beifall bei der AfD)

Eine Europäische Union, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, kann in der Welt keine ernsthafte Rolle spielen. Wer sich mit Verbrennerverbot und Klimaplanwirtschaft selbst schadet, seine Ressourcen auf die Gängelung und Einschränkung von Bürgerrechten vergeudet und verbissen auf Kriegsverlängerung in der Ukraine fixiert ist, nimmt sich selbst aus dem Spiel.

(Beifall bei der AfD)

Noch ein Wort zu Ihnen, Herr Bundeskanzler: Unseriöse Kraftmeiereien über angebliche „Drecksarbeit“ beschädigen das Ansehen Deutschlands, vor allen Dingen international. Ich konnte es kaum glauben, als ich das gehört habe.

(Beifall bei der AfD)

Deutschland und die europäischen Nationen müssen zurückfinden zur realistischen Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Grenzen, damit sie glaubwürdig den Weg der Vermittlung einschlagen können; denn es ist im dringendsten deutschen und europäischen Interesse, die Kriegshandlungen im Nahen Osten schnell zu beenden. Sie bedrohen Handelswege und Rohstoffversorgung und bergen die Gefahr neuer Migrantenströme, die den europäischen Kontinent und insbesondere Deutschland destabilisieren.

(Beifall bei der AfD)

Wo wir selbst handeln können, müssen wir das Heft in die Hand nehmen. Es liegt auch an uns, eine neue Zuwanderungswelle von Islamisten und Gefährdern in unser Land durch robusten Grenzschutz zu verhindern.

(Beifall bei der AfD)

Wir selbst haben es in der Hand, dem Import von Konflikten und Bürgerkriegen aus anderen Regionen einen Riegel vorzuschieben, indem wir ausländische Aufwiegler konsequent abschieben und antisemitische Ausschreitungen hart bestrafen.

(Beifall bei der AfD)

Daran hängt letztlich der Fortbestand Deutschlands als demokratisch und freiheitlich verfasste Republik der Deutschen. 

(Zuruf von der Linken)

Dieses Existenzrecht Deutschlands sollte uns allen mindestens ebenso am Herzen liegen wie das unbestrittene und legitime Existenzrecht Israels.

(Beifall bei der AfD - Zuruf der Abg. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Hunderttausende Soldaten sind in der Ukraine in diesem amerikanisch-russischen Stellvertreterkrieg bereits gefallen. Ihn rasch zu beenden, ist ebenfalls im deutschen und europäischen Interesse. Der Schlüssel zum Frieden liegt in Moskau und in Washington. Dass eine neue amerikanische Führung dazu bereit ist, bedeutet eine großartige Chance. 

Geradezu absurd ist es, wenn Sie, Herr Merz, in grotesker Selbstüberschätzung glauben, Sie müssten den Stellvertreterkrieg, an dem selbst die USA schon lange das Interesse verloren haben, auf eigene Faust fortsetzen.

(Beifall bei der AfD)

Während Sie mit martialischer Rhetorik die Gräben noch tiefer schaufeln, lotet der US-Präsident längst die Möglichkeiten künftiger wirtschaftlicher Kooperation in Russland aus. 

Sie begeistern sich stattdessen dafür, auf 17 EU-Sanktionspakete gegen Russland noch ein 18. folgen zu lassen, das wiederum der deutschen Wirtschaft schaden wird. Präsident Trump lehnt neue Russlandsanktionen übrigens ab, weil die USA dadurch - ich zitiere - „Abermilliarden Dollar“ verlieren würden. Recht hat der amerikanische Präsident!

(Beifall bei der AfD - Markus Frohnmaier (AfD): Deutsche Interessen!)

Und dagegen sagt ausgerechnet Ihr Außenminister - ich zitiere -: „Auf deutsche Ansprüche muss da jetzt keine Rücksicht genommen werden“. Diese Geringschätzung der Interessen unseres Landes scheint geradezu das Leitmotiv Ihrer Regierung zu sein. 

(Beifall bei der AfD)

Sie schweigen, wenn die EU-Kommission zum Nachteil Deutschlands plant, Gaslieferungen aus Russland komplett zu verbieten und damit die Energiepreise noch weiter in die Höhe zu treiben, und Sie signalisieren sogar noch Zustimmung, wenn die EU jede Wiederinbetriebnahme von Nord Stream per Gesetz dauerhaft verhindern 

(Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU): Wer hat es abgestellt?)

und auf diese Weise den kriminellen Angriff auf Deutschlands Infrastruktur im Nachhinein legitimieren will. 

(Zurufe von der AfD: So ist es!)

Es wäre in der Tat ein Treppenwitz, wenn die gesprengte Nord-Stream-Gasleitung ausgerechnet durch ein US-Konsortium wieder in Betrieb genommen würde. 

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der SPD) 

Günstiges Pipelineerdgas aus Russland ist für die Versorgung Deutschlands mit sicherer und bezahlbarer Energie unerlässlich. Teure Flüssiggasimporte auf dem Seeweg sind auf Dauer keine Alternative. 

Die törichte Bemerkung Ihres Außenministers Wadephuhl, Russland werde immer unser Feind bleiben, ist entlarvend. 

(Zuruf des Abg. Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU))

Die Überwindung des fatalen Erbfeinddenkens durch die Generation von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle war einst die Grundlage für Frieden und Wohlstand in Europa. Und Sie fallen dahinter zurück!

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der Linken)

Geografie lässt sich nicht einfach wegleugnen. Russland wird auch in Zukunft unser europäischer Nachbar sein. Am Ausgleich mit Russland und an einer neuen Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung aller Akteure und ihrer legitimen Sicherheitsinteressen führt über kurz oder lang kein Weg vorbei. 

(Beifall bei der AfD - Dr. Ralf Stegner (SPD): Grenzen von 1937?)

Jetzt wäre der Zeitpunkt, Herr Bundeskanzler, 

(Zuruf von der AfD: Zuhören!)

für erste Schritte auf diesem Weg zum Frieden. 

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vizepräsident Bodo Ramelow: 

Für die CDU/CSU-Fraktion darf ich das Wort erteilen dem Abgeordneten Alexander Hoffmann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Alexander Hoffmann (CDU/CSU): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Exakt heute vor 77 Jahren, am 24. Juni 1948, begann die Berlin-Blockade. Die Versorgung von 2,1 Millionen Menschen, von Frauen, von Kindern, von Männern, wurde von jetzt auf gleich gekappt. Dieser Tag wäre das Ende der Freiheit in Berlin gewesen. Aber der Westen reagierte in einem beispiellosen Kraftakt und stellte binnen kürzester Zeit die Luftbrücke auf die Beine, seither die Lebensader in diesen Tagen für die heutige Hauptstadt. 

Und die Luftbrücke, meine Damen, meine Herren, war deshalb erfolgreich und konnte nur so erfolgreich sein, weil die Alliierten mit maximaler Entschlossenheit handelten, weil die Piloten, die geflogen sind, mit Mut agiert haben und weil die Bevölkerung trotz der widrigen Umstände mit Zusammenhalt reagiert hat. Und die Menschen von damals, meine Damen, meine Herren, sind der Grund, dass wir heute in einem freien Berlin, in einem freien Deutschland und in einem freien Europa leben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ihnen gilt deshalb unser Dank, unsere Anerkennung und auch das Versprechen, ihr Erbe zu verteidigen, und zwar mit derselben Entschlossenheit, demselben Mut und demselben Zusammenhalt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann (AfD))

Heute, 77 Jahre nach der Berlin-Blockade, stellt Moskau uns erneut auf die Probe: nicht mit einer Blockade, sondern mit Bomben auf die Ukraine. Und wir alle hier müssen uns selbst die Frage beantworten: Wie reagieren wir? - Blicken wir zurück: Russland sicherte der Ukraine im Budapester Memorandum von 1994 die Souveränität zu. Was folgte? Die Besetzung der Krim und der Ostukraine 2014. Es gab dann die trilaterale Kontaktgruppe, das Normandie-Format und das Minsker Abkommen. Es folgte die Invasion in die Ukraine 2022. Und jüngst gab es zahlreiche westliche Friedensinitiativen, zuletzt in Istanbul. Und was folgte? Die intensivste Bombardierung ukrainischer Städte und der Zivilbevölkerung seit Beginn des Krieges. 

Ich sage Ihnen, meine Damen, meine Herren: Wer heute immer noch in Ansehung dieser Tatsachen von links und von rechts immer wieder mantraartig den Satz bringt: „Man muss doch mal mit Putin reden“, der verwechselt Wunschdenken mit Wirklichkeit, der betreibt Appeasement, wo Abschreckung erforderlich ist, und er ist politisch in höchstem Maße naiv in diesen Zeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Wahrheit ist doch: Jede Friedenstaube, die wir bisher nach Moskau geschickt haben, ist vom russischen Bären zerfetzt worden. Deshalb brauchen wir jetzt, meine Damen, meine Herren, Entschlossenheit, Mut und Zusammenhalt. Und deshalb ist für uns als Union klar: Wir stehen fest an der Seite der Ukraine - politisch, wirtschaftlich und, ja, auch militärisch. 

Die deutsche Solidarität, sie endet nicht an Europas Grenzen, sondern sie gilt in diesen Tagen in besonderer Weise für unsere Freunde und Partner in Israel. Und um das gleich zu Beginn deutlich zu machen: Der Aggressor, meine Damen, meine Herren, der sitzt im Iran. Er sitzt nicht in Israel.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Mullah-Regime bricht regelmäßig internationale Abkommen, es finanziert und bewaffnet einen Terrorring rund um Israel, und es hat schon lange die Auslöschung des Staates Israel zur Staatsdoktrin erhoben. Und selbst das Atomabkommen 2015 konnte keinen Ausweg aus dieser Situation bahnen. Die Mullahs haben immer ein doppeltes Spiel gespielt: auf der einen Seite Verhandlungen mit dem Westen und auf der anderen Seite immer der Griff nach der Bombe. 

Deswegen, meine Damen, meine Herren, will ich hier ganz ausdrücklich und in aller Klarheit sagen: Ich bin den US-Amerikanern und den Israelis dankbar dafür, dass sie diese atomare Bedrohung beseitigt haben, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es war notwendig und gerechtfertigt, es war der richtige Zeitpunkt, es war mutig, und es hat den entscheidenden Erfolg gebracht. Noch mal: Ich bin für diesen Einsatz dankbar, meine Damen, meine Herren; denn eine iranische Atombombe hätte nicht nur Israel bedroht, sie hätte den gesamten Westen bedroht. 

(Zuruf von der Linken) 

Wir müssen natürlich an dieser Stelle auch über die eigenen militärischen Fähigkeiten sprechen. Deutschland kommt als stärkster Nation Europas in der NATO eine besondere Rolle zu, nämlich nicht als Zauderer, sondern als Anführer, nicht als Bremser, sondern als Motor, nicht als Mahner am Rand, sondern als Gestalter in der Mitte. Ein zentrales Element dabei ist die Stärkung unserer Bundeswehr. Allen Zweiflern sei gesagt: Ja, wir holen nach, ja, wir holen auf. Aber nein, wir sind noch lange nicht da, wo wir hinmüssen. - Ich bin sehr dankbar, dass von dem NATO-Gipfel, Herr Bundeskanzler, hoffentlich in den nächsten Tagen das Signal ausgehen wird, dass dieses Bündnis leistungsfähig ist, dass dieses Bündnis handlungsfähig ist.

Doch, meine Damen, meine Herren, die Sicherheit bemisst sich nicht nur nach Geld; denn Sicherheit beginnt auch mit Haltung, mit Respekt gegenüber den Menschen, die diese Aufgabe erfüllen. Deswegen war es richtig, dass am 15. Juni ein besonderer Tag war, nämlich der erste offizielle Veteranentag, ein überfälliges Zeichen von Respekt und Anerkennung. Unsere Soldatinnen und Soldaten stehen für Mut, für Pflichtbewusstsein, für Einsatzbereitschaft, oft auch unter Einsatz ihres Lebens. Sie verdienen unsere Hochachtung, unseren Dank. Nicht nur einmal im Jahr, sondern an jedem einzelnen Tag des Jahres.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wer außenpolitisch stark sein will, der muss innenpolitisch stabil sein. Diese unionsgeführte Bundesregierung, Herr Bundeskanzler, bringt Deutschland wieder auf den Kurs. Die ersten Wirtschaftszahlen sind ermutigend. Die Signale sind: Der Kurs stimmt. 

Ein starkes Deutschland braucht eine starke Wirtschaft und einen handlungsfähigen Staat. Deshalb bin ich unserem Bundesinnenminister Alexander Dobrindt dankbar, dass er die Ordnung wiederherstellt und Schritt für Schritt verlorengegangenes Vertrauen zurückholt. Das ist der richtige Weg, um die extremen Ränder zurückzudrängen. Denn eines ist klar, meine Damen, meine Herren: Der Protest verschwindet nicht einfach per Richterspruch, sondern nur mit richtiger Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf der Abg. Heidi Reichinnek (Die Linke))

Am Ende eine Bestandsaufnahme der politischen Situation: Wir haben endlich wieder einen Bundeskanzler, der regiert, wir haben einen Bundesinnenminister, der kontrolliert, und eine Opposition, die lamentiert.

(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, meine Damen, meine Herren, diese Bundesregierung ist auf dem richtigen Weg. In dieser Woche werden wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Dafür haben Sie unsere Unterstützung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Ich darf für Bündnis 90/Die Grünen Omid Nouripour das Wort erteilen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war fünf Jahre alt, als im Iran-Irak-Krieg das erste Mal die Bomben auf meine Geburtsstadt Teheran fielen, und ich war zwölf, als bei uns die Angst grassierte, dass jetzt auch Chemiewaffen eingesetzt werden könnten, nachdem Saddam Hussein Tausende von Kurdinnen und Kurden in Halabdscha ermordet hatte: genau damit, mit chemischen Waffen. Dazwischen gab es Bomben, Krieg, Mangelwirtschaft und sehr viel Propaganda. 

Zu dieser Propaganda gehörte auch, uns beispielsweise in der Schule jeden Tag von Neuem zu erzählen, dass Israel zerstört werden müsse. Das ist seit 1980, seit 45 Jahren, Staatsdoktrin des Regimes, eines Regimes, das über die gesamte Region immer wieder Terror und Leid gebracht hat und erst recht über die eigene Bevölkerung. Deshalb ist das eine Bedrohung für den Weltfrieden, wenn der Iran eine Atombombe bekommt. Das muss verhütet werden, und alle Aktivitäten dagegen bringen auch für unsere Sicherheit etwas und helfen; das ist keine Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, dass auch Sie, Herr Bundeskanzler, das sagen wollten, halte aber den Begriff „Drecksarbeit“ für ein Problem, auch deswegen, weil dieser Begriff ausblendet, wie viel Leid es zurzeit gibt, im Übrigen auch im Iran selbst. Deshalb ist es so unernst für einen Bundeskanzler, so zu sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken - Dr. Alice Weidel (AfD): Ganz richtig!)

Ich möchte von diesem Leid erzählen. Wir wissen, dass beispielsweise gestern in Be’er Scheva wieder Menschen durch die iranischen Raketen ums Leben gekommen sind. Die Eskalation, die das iranische Regime verschuldet und verantwortet, bringt auch sehr viel Leid über die Menschen im Iran, die gerade versuchen, aus Teheran rauszukommen. Es funktioniert allerdings nicht, weil es nicht genug Sprit gibt. Die Oppositionellen werden verhaftet, teilweise hingerichtet, und kaum jemand bekommt es mit, weil das Internet abgestellt ist, weil das Regime nebenher auch jetzt noch die Gelegenheit nutzt, um noch mehr Unterdrückung und Oppression über das eigene Volk zu bringen.

Dieses Leiden gibt es nicht nur in Teheran, dieses Leiden gibt es in Tel Aviv, gibt es in Be’er Scheva, gibt es derzeit aber auch an vielen anderen Orten. Dieser Ernsthaftigkeit muss man sich stellen. Wir müssen alles dafür tun, damit dieses Leiden der Menschen dort aufhört.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich möchte explizit dem Außenminister für seine Bemühungen um Deeskalation danken. Dafür, dass er versucht hat, die europäischen Staaten zusammenzubringen, weil es gerade jetzt vielleicht die letzte Chance gibt, dass wir als Europa zusammenstehen, mit einer Stimme sprechen und gemeinsam agieren. Er hat nämlich verstanden: Wenn man Trump, nachdem er etwas gemacht hat, immer einfach nur zuruft, dass es gut und richtig war, führt das eher dazu, dass noch mehr Dinge kommen, die nicht berechenbar sind, die nicht in unserem Sinne sein können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Pascal Meiser (Die Linke))

Gerade weil man das feste Gefühl hatte, dass der Außenminister mit dieser Position in der Bundesregierung sehr alleine ist, möchte ich ihm dafür erst recht herzlich danken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, vor wenigen Stunden, gestern, ist das Evin-Gefängnis, das Symbol des Grauens und der Unterdrückung im Iran, mit all den politischen Gefangenen von einer Bombe getroffen worden. Es sind auch wohl zig, wenn nicht Hunderte von politischen Häftlingen verletzt worden. Das Regime versorgt diese Menschen nicht, auch mit dem Verweis darauf, dass zurzeit die Versorgung gar nicht möglich sei. Und die Angehörigen sind in hellster Sorge, dass ihre Liebsten jetzt aus dem Gefängnis deportiert werden - in Teheran konnten sie wenigstens vor die Gefängnistür gehen, um zu demonstrieren - in geheime Gefängnisse, von denen niemand weiß, wie viele es im Iran gibt, weil von dort am Ende so wenige Leute zurückgekommen sind. Auch das ist aktuell die Situation im Iran. Darauf muss man hinweisen. 

Mögen diese politischen Gefangenen frei sein, und möge es Frieden, Freiheit und Sicherheit geben für die Menschen im Iran wie für die Menschen in Israel, wie für die Menschen in Gaza und wie für die Menschen in der Ukraine!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und des Abg. Pascal Meiser (Die Linke))

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Ich darf für die Fraktion Die Linke die Abgeordnete Heidi Reichinnek aufrufen.

(Beifall bei der Linken)

Heidi Reichinnek (Die Linke): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz, gerade jetzt, wo ein geschlossenes europäisches Auftreten so wichtig ist, stoßen Sie unsere europäischen Partner vor den Kopf. Warum? Tja, für ein bisschen Symbolpolitik weisen Sie Schutzsuchende an den Grenzen zurück. Das ist nicht nur zuallererst eine moralische Bankrotterklärung, das führt auch zu deutlichem Widerstand in der EU. Kein Wunder, schließlich brechen Sie damit ganz bewusst europäisches Recht. Das hat Ihnen inzwischen sogar das Berliner Verwaltungsgericht bestätigt. Aber, Herr Hoffmann, Sie haben es ja gerade deutlich gesagt: Was interessiert uns die Rechtsprechung? Wir sind die Union; wir machen einfach, was wir wollen.

Deswegen überrascht es mich jetzt nicht so sehr, Herr Merz, dass Sie in Ihrer Rede fast gar nichts zur Migration gesagt haben. Ja, Sie haben das Wort „Migrationswende“ erwähnt, aber das war es dann auch schon. Es ist eigentlich auch wenig überraschend; denn aktuell sind die Zahlen Schutzsuchender ja deutlich gesunken. Damit, dass Sie die Kommunen nicht ausreichend unterstützen, können Sie nun mal keine Notlage begründen. Es wäre Ihre Aufgabe, Herr Merz, und die Ihrer Regierung, die Kommunen zu entlasten.

(Beifall bei der Linken)

Wenn Sie darauf mal so viel Energie verwenden würden - das wäre mein großer Wunsch - wie darauf, rechtspopulistische Scheinlösungen zu propagieren, dann wären wir hier schon einen großen Schritt weiter.

(Beifall bei der Linken)

Übrigens machen Sie Ihre Politik nicht nur auf dem Rücken Schutzsuchender, sondern auch auf dem der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Die schieben nämlich sowieso schon massenhaft Überstunden, und jetzt weist Ihr Innenminister auch noch Rechtsbruch an. Das ist nicht weniger als ein Skandal.

(Beifall bei der Linken)

Diese Woche geht es ja weiter. Sie wollen den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aussetzen. Aber niemand konnte mir bisher erklären, wie das unser Land auch nur ein Stück sicherer machen soll. Mehr noch: Sie lassen vor allen Dingen Kinder und Frauen in Kriegs- und Krisengebieten zurück. Das verhindert doch Integration und lässt die Menschen in tiefster Verzweiflung zurück. Bekämpfen Sie endlich Fluchtursachen und nicht die Geflüchteten!

(Beifall bei der Linken)

Und Verzweiflung erzeugen Sie auch bei denen, die Sie nach Jahren oder sogar Jahrzehnten in Deutschland abschieben. Vorletzte Woche erst ging der Fall einer Erzieherin aus Offenbach durch die Medien. Sie wurde am frühen Morgen abgeschoben. Sie hat sich sogar noch bei ihrer Kita gemeldet und sich entschuldigt, dass sie nicht zum Dienst kommen kann. Die Frau war top integriert und sitzt jetzt in einer Massenunterkunft in Litauen. In welcher Welt, frage ich Sie, ist das sinnvolle Politik?

(Beifall bei der Linken)

Und nur ein paar Wochen davor, Nähe Landau: Eine Familie wird abgeschoben, der Vater dringend benötigter Mitarbeiter in einem Pflegeheim, die Kinder gut integriert in ihren Schulklassen. Die Mitschüler/-innen sind schockiert, und sie protestieren seitdem mit voller Kraft dafür, dass ihre Freunde und Nachbarn wieder zurückkehren dürfen. Denn diese Schüler/-innen haben im Gegensatz zu Ihnen noch einen Wertekompass. Wir als Linksfraktion haben nur Respekt vor diesen Schülerinnen und Schülern. 

(Beifall bei der Linken)

Letzte Woche dann der nächste absurde Fall: Ein palästinensischer Aktivist, der sich offen gegen die Hamas und für Frieden einsetzt, soll nach Griechenland abgeschoben werden. Das sind doch genau die Stimmen, die wir alle brauchen und fordern. Und zum Dank die Abschiebung? Das ist für mich so unverständlich. Ich frage mich: Wo ist eigentlich die Linie bei Ihrer Politik? 

Den bisherigen Höhepunkt dieser Doppelmoral haben Sie dann letzte Woche erreicht. Es wirkt fast so, als hätten die ersten Treffen mit Donald Trump schon deutliche Spuren hinterlassen. 

(Heiterkeit des Abg. Jan van Aken (Die Linke))

Denn dass Sie den israelischen und US-amerikanischen Angriff auf den Iran, den fast alle Expertinnen und Experten als völkerrechtswidrig einstufen, so offensiv begrüßen, ist wirklich unfassbar; denn es sterben Zivilistinnen und Zivilisten, und zwar auf allen Seiten. Und Sie nennen das „Drecksarbeit“, die Israel da gerade für uns erledige. Es geht hier um Menschenleben! Ich habe manchmal das Gefühl, das ist Ihnen überhaupt nicht bewusst. 

Und lassen Sie mich das ganz klar sagen: Wir verurteilen das menschenverachtende Mullah-Regime im Iran zutiefst. Aber jetzt die Menschen im Iran dazu aufzurufen, doch dieses Regime zu stürzen - das ist zynisch und überheblich. Denn immer wieder haben die Menschen genau das versucht und wurden viel zu wenig unterstützt. Und das ist die Wahrheit. 

(Beifall bei der Linken)

Auch deshalb muss die Bundesregierung alles daransetzen, diese Gewaltspirale zu stoppen. 

Und zum Abschluss noch ein ganz anderes Thema. Ich möchte Sie hier alle an Maja T. erinnern. Die sitzt nämlich in Ungarn in Isolationshaft, ist heute den 20. Tag im Hungerstreik. 

(Zurufe von der AfD: Da soll sie auch bleiben!)

Sie sitzt dort im Gefängnis, weil sie rechtswidrig dahin überstellt wurde. Das sage nicht ich Ihnen - auf mich müssen Sie nicht hören -; das sagt das Bundesverfassungsgericht.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jan van Aken (Die Linke): Hört! Hört! - Zurufe von der AfD)

- Ich weiß, Sie haben es nicht so mit dem Rechtsstaat; das kennen wir schon. 

Der Gerichtsprozess, der gerade in Ungarn läuft, ist eine Farce. In dem Gerichtssaal in Budapest stehen auf der einen Seite Rechtsstaat und Demokratie und auf der anderen politische Willkürjustiz und Autoritarismus. Ich wünsche mir, dass wir - ja, Sie und ich, Herr Merz - da auf der gleichen Seite stehen. Deswegen fordere ich Sie auf, beim Europäischen Rat an Viktor Orbán zu appellieren und dafür zu sorgen, dass Maja T. endlich rücküberführt wird. 

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Für die SPD-Fraktion darf ich aufrufen den Abgeordneten Adis Ahmetovic. 

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Adis Ahmetovic (SPD): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt jetzt gerade heißt: Aussprache zum NATO-Gipfel und EU-Rat. Die Menschen in unserem Land, die Menschen in Europa blicken aktuell auf eine Welt, die so unsicher ist wie lange nicht. Es gab noch nie so viele Konflikte und Kriege wie jetzt. 

Jeder von uns in diesem Parlament ist von seiner Partei aufgestellt und gewählt worden, um für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, aber auch für die der Europäische Union zu sprechen. Jeder von uns trägt Verantwortung, gerade bei solch einem Tagesordnungspunkt und in einer Zeit, die sehr heikel ist, für unsere Sicherheit in Deutschland und die in Europa. Aber bei dem, was wir hier gerade von der Linkspartei gehört haben, meine Damen und Herren, ging es leider um Klickraten bei TikTok und nicht um die Sache als solche. 

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Zuruf der Abg. Heidi Reichinnek (Die Linke))

Es geht heute hier bei dieser Debatte darum, dafür zu sorgen, dass wir als Europa geschlossen und entschlossen unseren Bürgerinnen und Bürgern auf diesem Kontinent garantieren können: Wir werden nicht nur heute, wir werden nicht nur morgen, sondern in den nächsten Monaten und Jahren für Sicherheit und für Frieden sorgen. Es geht um Sicherheit und Frieden für diesen Kontinent. 

(Zuruf von der Linken)

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns zum Thema bekennen und nicht irgendetwas anderes hier von uns geben, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es geht darum, dass unsere Bundesregierung und wir als Parlament, egal wie groß die Unterschiede sind, aufhören, in einer solchen brenzligen Zeit immer nur das Trennende nach vorne zu stellen; das betrifft auch die Opposition. Vielmehr sollten wir gemeinsam sehen, was uns eint. Und das, was uns eint, ist vor allem die Anstrengung, die uns die Verfassung auferlegt, alles dafür zu tun, dass in der heutigen Zeit, in der wir leben, Konflikte abseits von militärischer Gewalt diplomatisch gelöst werden können, im Glauben daran, dass wir alle hier gemeinsam genau dieses staatspolitische Ziel unterschreiben können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jens Spahn (CDU/CSU))

Außerdem, meine Damen und Herren, ist Artikel 25 Absatz 1 der Verfassung, die Achtung und Wahrung des Völkerrechts, zu beachten. Wenn es darum geht, staatspolitische Ziele gemeinsam zu formulieren, dann heißt das auch, gemeinsam als Regierung und Parlament dafür zu sorgen, dass das Völkerrecht geachtet und gewahrt wird. Denn es ist ein Erbe der Regierung Kohl und ebenfalls ein Erbe aus der Zeit einer rot-grünen Bundesregierung mit einer sozialdemokratischen Bundesjustizministerin, die an der Implementierung gearbeitet hat - auf der Grundlage der Vorarbeiten einer schwarz-gelben Regierung. Deshalb will ich es sehr, sehr deutlich machen: Diesem verfassungsrechtlichen Ziel haben wir uns gemeinsam erklärt und sind wir gemeinsam verpflichtet. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir hier ein klares Zeichen im Sinne des Völkerrechts setzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Abschließend. Wir wollen verteidigungsfähig sein, richtig. Herr Bundeskanzler, Sie werden uns heute in Den Haag vertreten. Sie haben unsere vollste Unterstützung, auch hinsichtlich der NATO-Ziele, auf die wir uns heute einigen werden. Der Vizekanzler hat heute erklärt, dass wir nicht nur für Verteidigungsfähigkeit sorgen werden, sondern auch dafür sorgen werden, dass die äußere und innere Sicherheit nicht gegen die soziale und ökonomische Sicherheit ausgespielt werden. Das muss der Vierklang sein, den wir gemeinsam als Regierung und Parlament - die Opposition ist herzlich eingeladen, sich dem anzuschließen - nach außen tragen. Das ist Ihr Auftrag, Herr Kanzler; unsere Unterstützung haben Sie. Diesen Vierklang nach außen zu tragen, das erwarten nicht nur die Menschen dieses Landes, sondern das erwartet auch die große, große Mehrheit der Menschen in Europa. 

Vielen Dank. 

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Zurufe von der Linken)

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Für die CDU/CSU-Fraktion darf ich aufrufen Herrn Dr. Norbert Röttgen. Sie haben das Wort. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin davon überzeugt, dass der bevorstehende NATO-Gipfel ein historischer Gipfel wird, und zwar aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger, wie der Kollege Ahmetovic das gerade ausgeführt hat. Es wird nach meiner Einschätzung mit diesem Gipfel ein neues Kapitel, eine neue Phase in der Geschichte der NATO begonnen werden. 

Die erste Phase war die Phase des Kalten Krieges. In dieser Phase waren die USA die entscheidende europäische Sicherheitsmacht. Es war das amerikanische Interesse, für Sicherheit in Europa zu sorgen. Danach kam die Phase nach dem Kalten Krieg, in der wir dachten: Wir sind von Freunden umzingelt, Verteidigung ist von gestern, es ist kein Thema mehr für heute. - Und nun sind wir in der dritten Phase der europäischen Nachkriegsgeschichte und der Geschichte der NATO: Wir haben es mit dem neuen alten russischen Imperialismus zu tun, dessen Schlachtfeld die Ukraine ist, dessen Ziel aber die europäische Freiheit ist, die das gegenwärtige russische Regime nicht duldet, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben es auch - das macht die neue Phase aus - damit zu tun, dass eine Neudefinition der amerikanischen Interessen vorgenommen worden ist, sodass europäische Sicherheit nicht mehr als ein erstrangiges amerikanisches Interesse gesehen wird. Das ist die neue Phase, meine Damen und Herren. Wir erkennen - auf diesem Gipfel wird das beschlossen werden -: Es sind wir Europäer, die dafür einstehen müssen und wollen, dass Europa sicher und in Frieden lebt. Es ist keiner mehr da außer uns Europäern, der dieses Europa schützt. Das ist die neue Realität, in der dieser Gipfel ankommt, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die NATO bleibt also. Die NATO bleibt, weil sie europäisch, europäischer wird. Darin liegt das Historische, was ich unterstreichen möchte: Es ist ein neuer europäischer Wille da. Es gibt eine neue europäische Identität, eine neue europäische Solidarität. Es geht nicht um 5 Prozent, um 3,5 Prozent, es geht nicht um Lastenteilung, 

(Zuruf von der Linken)

sondern es geht um die Willensbekundung Europas, fähig zu sein, unser eigenes Haus, unser Europa auch militärisch zu verteidigen, meine Damen und Herren. Das ist das Neue, und das ist das Positive. 

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Zurufe von der Linken)

Dass unter der Führung des Bundeskanzlers unsere Bundesregierung - das sollten wir über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg anerkennen - dabei eine verlässliche, eine konstruktive, eine starke Rolle für unser Land spielt, das ist eine herausragende politische Leistung. Wir danken dafür, und wir wünschen auf diesem Gipfel der gesamten Bundesregierung Glück - für unser Land und für Europa. 

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es geht um Friedenspolitik. Unsere Debatte muss ja nicht darum gehen, dem anderen den Willen zum Frieden abzusprechen oder überhaupt nur darum, ihm abzusprechen, dass er auch Friedenspolitik machen möchte. Es geht aus meiner Sicht in einer sinnvollen Debatte darum, dass wir darüber streiten: Was ist die richtige Friedenspolitik? 

Und wenn wir die russische Aggression - den Krieg, um es beim Namen zu nennen, den brutalen Krieg seit dreieinhalb Jahren - und den Krieg im Nahen Osten zusammennehmen, dann ist die Basis der Friedenspolitik, die wir machen - politisch, strategisch und ethisch -, 

(Zuruf von der Linken)

eben diejenige, dass es beide Instrumente braucht: dass wir die Fähigkeit zur militärischen Verteidigung haben und gleichzeitig jederzeit die Bereitschaft, diplomatische Lösungen zu finden. Aber ohne die militärischen Fähigkeiten schaffen wir uns selber nicht die politischen und diplomatischen Möglichkeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

In dieser wechselseitigen Beziehung liegt die Essenz der Friedenspolitik, die wir betreiben. 

Dass wir die strategische, politische, aber auch ethische Dimension dessen, was dieser Gipfel bedeutet, nicht in Euro, Dollar oder was auch immer bemessen, sondern in dem Willen, dem Frieden zu dienen und diesen als das wichtigste Gut einzusetzen, das ist das, was diesen Gipfel ausmacht. Das heißt dann in der Folge für uns natürlich, dass wir unter einem enormen Zeitdruck stehen; das ist schon gesagt worden. Das ist die nachfolgende Aufgabe für dieses Haus, für die Bundesregierung: Wir müssen dann schnell sein, wir müssen uns anpassen; denn wir haben Versäumnisse zu beklagen. Das gilt personell, das gilt industriell, also für die industrielle Basis unserer Verteidigung, und das gilt auch strukturell. 

Die Unterstützung der Ukraine zählt auch dazu; denn in einem strategischen Sinne ist es die Verteidigung der Ukraine, die uns im Westen, in der NATO die notwendige Zeit gibt, die eigene Verteidigung zu organisieren. Darum ist die Unterstützung der Ukraine in unserem eigenen nationalen und im westlichen Interesse, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Weil das so wichtig ist, wünschen wir Ihnen, Herr Bundeskanzler, eine glückliche Hand bei Ihrem Einsatz. Deutschland spielt bei dieser wichtigen Aufgabe eine gute, starke Rolle. Viel Erfolg!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Für die SPD-Fraktion darf ich das Wort dem Abgeordneten Markus Töns erteilen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Markus Töns (SPD): 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Norbert Röttgen, Sie haben natürlich recht. Auch wir wünschen dem Bundeskanzler ein gutes Händchen für die beiden Konferenzen. Das ist, glaube ich, auch wichtig. Ich würde nur gerne aus europapolitischer Sicht noch drei Anmerkungen machen, die vielleicht auch ganz wichtig und mit auf den Weg zu nehmen sind. 

Erste Bemerkung. Ich und meine Fraktion begrüßen ausdrücklich, dass das 18. Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht wird. Es ist richtig, das zu tun. Aber müssen wir nicht vor dem Hintergrund der geopolitischen Lage und der sicherheitspolitischen Situation, die wir heute schon mehrfach besprochen haben, auch darüber nachdenken, was weitere Sanktionen gegenüber dem Regime im Iran bedeuten? Müssen wir nicht über die Revolutionsgarden und weitere Sanktionen reden? In dem Abkommen ist das schon vereinbart, und wenn Regeln nicht eingehalten werden, dann kann man auch weitere Sanktionen beschließen. Vielleicht ist das ein Gedankengang, den man zum Europäischen Rat mitnehmen kann.

Zweite Bemerkung. Herr Bundeskanzler, Sie haben betont: Wir haben einen starken Binnenmarkt. - Das ist, glaube ich, das Wichtigste, was wir als Deutsche aus europäischer Sicht sagen können: Wir konnten nicht nur in die Gemeinschaft der europäischen Staaten im Frieden zurückkehren, sondern wir haben auch einen starken Binnenmarkt. Dazu braucht es ein starkes Europa, und es braucht die Geschlossenheit, diesen Binnenmarkt weiterzuentwickeln. Das ist, glaube ich, in den nächsten zwei Jahren ein wichtiger Punkt, gerade vor dem Hintergrund, dass wir demnächst über den Mehrjährigen Finanzrahmen reden. Es wird gar nicht so einfach sein, mehr zu machen, wenn man weniger Geld hat. Ich bin mal gespannt, zu welchen Lösungen wir kommen. Aber ich halte es für ausdrücklich geboten, darüber zu reden. 

Das Dritte betrifft die Handelspolitik. Ich will das noch mal in den Vordergrund stellen: Wir brauchen eine Ausweitung unserer Handelspolitik. Die Zollpolitik der USA, die Art und Weise, wie im internationalen Handel miteinander umgegangen wird, das Ausfallen einer Regelkontrolle durch die WTO führt doch zwangsläufig dazu, dass wir Handelsverträge brauchen - europäische Handelsverträge mit den Partnern in der Welt. 

85 Prozent des Welthandels finden ohne die USA statt. Wir würden mit den Amerikanern gerne mehr machen; aber wenn das nicht geht, dann müssen wir mit den anderen reden. Da sind Abkommen mit Indien und anderen Staaten oder auch Abkommen wie mit Mercosur ganz wichtig. Dabei geht es um regel-, aber, wie ich finde, auch wertebasierten Handel. Das muss geklärt sein. Ich bin übrigens ein ausdrücklich von EU-only-Abkommen überzeugter Politiker. Wir sollten das machen, was wir auch wirklich können, wo die Kompetenz auf europäischer Ebene liegt. Alles andere sollten wir so ausgestalten, dass diejenigen, die mitmachen wollen, es auch tun können. Ich unterstütze das auch.

Deshalb zum Schluss ein Appell. Ich weiß, dass Sie mit Präsident Macron im Gespräch sind, ich weiß, dass Sie mit Frankreich häufiger reden. Das Problem ist, dass die Franzosen aufgrund ihrer Agrarsituation derzeit viele Handelsverträge einfach blockieren. Ich weiß nicht, ob wir da an der richtigen Stelle sind. Wir sollten noch mal versuchen, unsere französischen Freunde zu überreden. Wir tun alles. Ich hoffe, Sie nehmen das mit, weil ich das für ausdrücklich geboten halte. Das Abkommen mit Mercosur ist zum Beispiel eines, das wir zwingend ratifizieren sollten.

Vielen Dank. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jens Spahn (CDU/CSU): Sehr gut!)

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Ich darf für die CDU/CSU-Fraktion dem Abgeordneten Tilman Kuban das Wort erteilen. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Tilman Kuban (CDU/CSU): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Silberstreif am Horizont“, „ein längst überfälliger Neustart“, „endlich jemand, der was von Europa versteht“ - das sind Zitate aus der letzten Woche. Nach knapp zwei Monaten der neuen Bundesregierung sagen die Menschen in diesem Land: Wir jammern nicht mehr, wir nölen nicht mehr, wir heulen nicht mehr rum. Friedrich Merz hat unserem Land wieder ein Standing in der Welt gegeben. Friedrich Merz hat Europa zusammengeführt und Deutschland wieder Mut gemacht. - Vielen herzlichen Dank, Herr Bundeskanzler!

(Beifall bei der CDU/CSU - Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein bisschen mehr Niveau!)

Es ist in dieser Debatte viel über die tektonischen Verschiebungen in der Weltordnung gesprochen worden. Sicherheit ist die Grundvoraussetzung für unsere Freiheit und unseren Wohlstand. Doch seien wir ehrlich: Damit Europa nicht zum Spielball wird, sondern selbst ein starker Akteur bleibt, müssen wir unsere Wirtschaft stärken. In einigen Bereichen sind wir bereits stark: Wir haben Rechts- und Planungssicherheit - ein großes Pfund in unsicheren Zeiten. Wir haben mit unserem EU-Binnenmarkt, der eben gerade schon angeklungen ist, Zugang zu über 500 Millionen Menschen. Und wir haben mit „Helmholtz“, „Max-Planck“ und anderen großen Forschungseinrichtungen eine Innovationslandschaft, nach der sich viele in dieser Welt die Finger lecken. 

Wir haben also drei große Trümpfe in unserer Hand. Aber sorgen wir doch mal dafür, dass sie nicht bis ins Detail reguliert werden! Haben wir Vertrauen und Zutrauen in die Tüftler, Anpacker und Unternehmer in diesem Land! Nutzen wir die Omnibusgesetzgebung richtig, indem wir Europa einfacher machen! Seien wir aber mutig, wenn es um die Lieferkettenregulierung geht, und schaffen wir sie ab! Seien wir mutig, wenn es um die Datenschutz-Grundverordnung geht, und schaffen wir ganze Meldepflichten ab! 

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seien Sie doch mal mutig bei der Maskenaufklärung!)

Und seien wir mutig, wenn es um die Automobilbranche geht, und packen wir wirklich die Flottenzielregulierung an, damit am Ende die Autobauer in unserem Land eine Zukunft haben und die Arbeitsplätze in unserem Land erhalten bleiben! 

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf des Abg. Maximilian Kneller (AfD))

Denn unsere Botschaft heißt „Fortschritt statt Formulare“. Deregulierung ist angesagt, damit in Deutschland und Europa wieder investiert wird. 

Der zweite große Punkt betrifft den Binnenmarkt und den Handel. Wir haben einen starken, attraktiven Markt. Machen wir ihn noch stärker und noch größer! Schon heute haben Unternehmen, die in unserem Land unterwegs sind, durch all die Partnerschafts- und Handelsabkommen Zugang zu 1,4 Milliarden Menschen. In Anbetracht dessen, was momentan diskutiert wird, schauen viele auf die USA. Ich bin stolz und dankbar, dass Friedrich Merz und Katherina Reiche es geschafft haben, 

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

einen guten Draht zu Donald Trump und der US-Administration zu haben. All das - da können Sie gerne seufzen - 

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nee, wir lachen!)

haben Habeck und Baerbock niemals geschafft. Sie haben sie immer nur beleidigt und sich anschließend gewundert, dass ihnen niemand den roten Teppich ausgerollt hat. Jetzt wünsche ich ihnen viel Erfolg bei ihren neuen Tätigkeiten in den USA. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf des Abg. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir werden die Partnerschaften weiter ausbauen, wenn es um Mercosur, wenn es um Indien, wenn es um Indonesien oder auch um Mexiko geht. Doch Europa muss sich auch selber fragen: Haben wir wirklich noch die Zeit, nach einem fertig ausgehandelten Abkommen über ein Jahr damit zu verbringen, Texte zu übersetzen und juristisch zu glätten? Ich glaube, nicht. Haben wir wirklich noch die Zeit, Handelspolitik stets zu überfrachten und dafür zu sorgen, dass mit anderen Standards, die mit Handel nichts zu tun haben, diese Dinge immer länger dauern? Ich sage Ihnen: Handelsabkommen sind kein Wunschkonzert, und wer es als solches betrachtet, muss sich nicht wundern, wenn der Konzertsaal irgendwann leer bleibt. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen machen wir deutlich: Wir wollen eine Handelspolitik, die nicht mit Belehrungen agiert, sondern wir wollen mit Partnerschaften auf Augenhöhe dafür sorgen, dass Europa wieder wächst - wieder zusammenwächst, aber auch wirtschaftlich wächst. Dabei wünschen wir Ihnen viel Erfolg, Herr Bundeskanzler. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Durch die letzten drei Minuten der Aussprache zur Regierungserklärung geleitet uns nun der SPD-Kollege Falko Droßmann. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Falko Droßmann (SPD): 

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner an so einem Tag hat man die Aufgabe, die ganze Debatte noch mal zusammenzufassen. 

(Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht unbedingt! Man kann auch was Neues sagen!)

Das ist leider unmöglich; das schaffe ich nicht. 

Als Hanseat fällt es mir mitunter schwer, auch nur die Sprache mitzuverfolgen, die hier an manchen Stellen benutzt wird, zum Beispiel „bis auf die Knochen blamieren“ und „Kriegsverlängerer“. Ein knapp 50-Jähriger nimmt für sich in Anspruch, für die deutsche Jugend zu sprechen. Wir sprechen über „den Russen“ und Ähnliches. Und alle sagen, sie wollen den Frieden. Aber die Kriegsrhetorik, die hier mitunter Einzug gehalten hat, finde ich extrem schwierig und macht es mir schwer, an manchen Stellen zur Sache zu sprechen. 

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich möchte trotzdem auf das eigentliche Thema dieser heutigen Regierungsaussprache zurückkommen, nämlich „NATO-Gipfel und der Europäische Rat“. Letztendlich gehört es doch zu den Kernaufgaben eines Staates - so habe ich es mal gelernt -, dass er sein eigenes Territorium schützen kann und schützen muss, und die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass er es schützen kann. 

Das Besondere bei der NATO ist, dass 32 Staaten, die übrigens nicht alle gleich sind - das ist kein Imperialismus oder Ähnliches -, gesagt haben: Wir wollen das zusammen tun. Wir setzen unsere Fähigkeiten zusammen ein. Wir teilen die Lasten auf, und wir schützen unsere Freiheit zusammen. - In unserem Fall ist das ein sozialer Bundesstaat, den wir gemeinsam schützen; so steht es im Grundgesetz. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde - ohne Kriegsrhetorik zu benutzen -, dieser soziale Bundesstaat ist es einfach wert, dass wir auf ihn aufpassen und dass wir ihn verteidigen. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Koalition ist doch klar - der Bundeskanzler hat es auch gesagt -: Es geht nicht nur ums Militär. - Dieses Parlament hat in der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan“ gesehen, dass das Militär nicht zu Nation Building und Ähnlichem geeignet ist, sondern dass das Militär tatsächlich für militärische Dinge da ist. Spätestens als diese Wahrheit mal ausgesprochen worden ist - auch mit dem viel kritisierten Begriff der Kriegstüchtigkeit - und ausgesprochen wurde, warum es Soldatinnen und Soldaten überhaupt gibt, hat sich die Politik in dieser Koalition verändert. 

Dinge wie Grand Bargain, Triple Nexus und das Zusammendenken der Bereiche humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Sicherheit machen doch alle europäischen Staaten. Wir stehen da an der Seite des Bundeskanzlers. Das ist ein hartes Brett. 

Und es ist ein hartes Brett, das der Bundeskanzler bohrt, wenn er sagt: Wir müssen auf europäischer Ebene die Bürokratie zurückdrängen und abbauen. - Ich werbe total dafür und unterstütze die Bundesregierung dabei, das zum Beispiel auch im Bereich der Beschaffungen der Bundeswehr zu tun. Wir müssen da die Bürokratie deutlich herunterfahren, um als Vorbild gelten zu können. Wir sollten nicht appellieren, was andere machen sollen, sondern wir sollten mutig voranschreiten, unsere Bundeswehr modernisieren, unser Land und unseren sozialen Bundesstaat verteidigen. 

Vielen Dank, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Bodo Ramelow: 

Vielen Dank. - Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. 

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Mittwoch, den 25. Juni 2025, 13 Uhr. 

Die Sitzung ist geschlossen. 

 

 

 

Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 
12. Sitzung – wird am

Mittwoch, den 25. Juni 2025

auf der Website des Bundestages unter „Dokumente“, „Protokolle“, „Endgültige Plenarprotokolle“ veröffentlicht.